Bankrecht

Ansprüche nach nachträglichem Widerspruch aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag

Aktenzeichen  10 O 3684/17 Ver

Datum:
29.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55811
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 5a, § 10a, § 12 Abs. 1
GVG § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1
AEUV Art. 267 Abs. 3
EGVVG Art. 1, Art.2

 

Leitsatz

Die Frage, ob § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. europarechtskonform ist, ist insbesondere im Schrifttum äußerst umstritten. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 04.11.2014, BvR 892/12 hingewiesen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.07.2014 (Az. IV ZR 73/13) explizit diese Frage geprüft und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass das Policen-Modell nach Auffassung des Senats eindeutig im Einklang mit den Bestimmungen in den Lebensversicherungsrichtlinien steht. Insoweit auf die genannte Entscheidung und dessen Begründung des Bundesgerichtshofs Bezug genommen, der sich das Gericht vollinhaltlich anschließt. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3.    Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 
– Beschluss –
Der Streitwert wird auf 44.216,04 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet, da der Klägerin kein Rückzahlungsanspruch nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB oder aus einem anderen Rechtsgrund gegen die Beklagte zusteht. Die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche sind jedenfalls verjährt, so dass die Klage auch insoweit abzuweisen war.
1. Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht München II ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gemäß § 215 Abs. 1 VVG örtlich zuständig, da der Streitwert über 5.000,00 € liegt und die Klägerin als Versicherungsnehmerin ihren Wohnsitz in … hat.
2. Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 1 BGB nicht zusteht.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen. Da es sich hier um einen sog. Altvertrag iSd. Art. 1 und 2 EGVVG handelt, ist auf den vorliegenden Fall § 5a VVG in der vom 29.07.1994 – 31.07.2001 Fassung anzuwenden.
2.1 Gemäß § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, dass der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn nicht der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen schriftlich widerspricht. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bestimmt, dass die Frist erst zu laufen beginnt, wenn der Versicherungsschein und die sonstigen in § 5a Abs. 1 VVG a.F. genannten Unterlagen vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
2.2 Unstreitig hat die Klägerin mit Übersendung des Versicherungsscheins von der Beklagten ein Policenbegleitschreiben erhalten, dass in äußerer Ausgestaltung und Inhalt jenem Muster-Policenbegleitschreiben der Beklagten entsprach, das die Klägerin selbst mit der Begründung ihres Klagebegehrens als Anlage K 9 vorgelegt hat.
2.3 Ferner war unstreitig zwischen den Parteien, dass die Klägerin die Verbraucherinformationen der Beklagten erhalten hat, wobei insofern die Klägerin die Auffassung vertritt, dass diese inhaltlich nicht vollständig und fehlerfrei gewesen seien.
2.4 Die Klägerin hat den Widerspruch nicht binnen der in dem Policenbegleitschreiben genannten 14-tägigen Frist erklärt. Der mit E-Mail vom 08.05.2017 erklärte Widerspruch der Klägerin ist verfristet, da er nicht innerhalb der in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. bestimmten Frist erfolgte und die Frist vorliegend infolge ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung auch wirksam gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bereits im Jahr 1996 in Lauf gesetzt wurde.
2.5 Die Klägerin wurde von der Beklagten ordnungsgemäß über ihr Widerspruchrecht belehrt.
2.5.1 Die im vorliegenden Fall maßgebliche Widerspruchsbelehrung ist formell nicht zu beanstanden.
In dem zweiseitigen Anschreiben zu dem Versicherungsschein (Anlage K 9) befindet sich als letzter Absatz auf der ersten Seite die folgende Widerspruchsbelehrung, wobei dieser Absatz anders als der restliche Text durch vier Streiche umrahmt ist:
„Sie können dem Vertragsschluss innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt dieser Unterlagen schriftlich widersprechen. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
Die Klägerin wurde durch diese Belehrung ausreichend über ihr Widerspruchsrecht belehrt. Die Widerspruchsbelehrung ist auch in der erforderlichen drucktechnisch hervorgehobenen Form erfolgt. Sie erfolgte dabei in einem lediglich zweiseitigen Schreiben, wobei die zweite Seite nur ca. bis zur Hälfte bedruckt ist, und zwar am Ende der ersten Seit und deutlich hervorgehoben durch die sie umrahmenden vier Striche. Sonstige drucktechnische Hervorhebungen von einzelnen Textpassagen oder Absätzen enthält das Anschreiben weder auf derselben noch auf der anderen Seite. Die Widerspruchsbelehrung sticht durch diese drucktechnisch hervorhebende Gestaltung einem auch nur flüchtig lesenden Versicherungsnehmer also geradezu ins Auge. Dass diese drucktechnisch deutliche Gestaltung hier lediglich durch ein Hervorhebungsmittel, nämlich die Umrahmung, erreicht wird, führt entgegen der Auffassung der Klagepartei, wonach die Hervorhebung durch nur ein Hervorhebungsmittel stets und ohne Blick auf die konkrete Gestaltung im Einzelfall einer hinreichenden drucktechnischen Hervorhebung nicht genügen soll, zu keiner anderen Beurteilung.
2.5.2 Die Widerspruchsbelehrung erfolgt zudem auch inhaltlich ausreichend und zutreffend.
Der Inhalt der Belehrung muss nicht nur zutreffen, sondern auch unmissverständlich sein, um den Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht klar und eindeutig zu belehren, wobei hieran aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen.
Zum notwendigen Inhalt der Widerspruchsbelehrung gehört auch die Angabe des Fristbeginns. Dies ist vorliegend ausreichend erfolgt. Es ist insoweit nicht erforderlich, dass der Beginn der Widerspruchsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage bezeichnet wird. Vielmehr genügt es, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ergebnis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, nämlich den Erhalt der Versicherungsunterlagen. Diese wurden mit dem Anschreiben zum Versicherungsschein vollständig an die Klägerin versandt, so dass die Formulierung „ab Erhalt dieser Unterlagen“ korrekt ist (so auch st.Rspr. OLG München, vgl. z.B. Beschluss vom 23.04.2012 – 25 U 3887/11; Beschluss vom 16.11.2017 – 25 U 3439/17). Unerheblich ist insoweit auch, dass die Verbraucherinformationen in der Bezugnahme nicht ausdrücklich bezeichnet sind. Es ist nämlich schon gar nicht erforderlich, die Unterlagen im Einzelnen in der Belehrung selbst aufzuzählen, sondern eine Bezugnahme auf vorgenannte oder beigefügte Unterlagen kann beispielsweise durch Verwendung der Formulierung „die oben genannten Unterlagen“ oder – so wie hier – „diese Unterlagen“ erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.06.2015 – IV ZR 16/14; Beschluss vom 29.09.2016, IV ZR 492/15; Beschluss vom 21.03.2017 – IV ZR138/16).
Der Benennung des Widerspruchsadressaten bedurfte es entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht. § 5a VVG a.F. verlangt insoweit nur eine Belehrung über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn, die Dauer des Widerspruchsrechts und die Form der Widerspruchseinlegung. Über alle diese Punkte wurde vorliegend aber zutreffend informiert.
2.6 Soweit die Klägerin ferner rügt, die Verbraucherinformationen seien nicht vollständig – namentlich hinsichtlich der Antragsbindungsfrist (ohne dass hierzu näherer Vortrag erfolgte), des Mindestversicherungsbeitrages für die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung sowie der Garantieangaben – greift diese Rüge nicht durch.
Die der Klägerin übersandten Verbraucherinformationen (Anlage K 2) genügen den insoweit maßgeblichen Regelungen in den damals geltenden Vorschriften über Verbraucherinformationen (Anlage D zum VAG). Unabhängig davon kann die Rüge aber deshalb bereits nicht durchgreifen, weil eine unvollständig Verbraucherinformation nicht einer fehlerhaften Verbraucherinformation gleichsteht (vgl. OLG München, Beschluss vom 16.11.2017 – 25 U 3439/17).
2.7 Auf die Frage, ob das Policenmodell europarechtswidrig ist, kommt es vorliegend entgegen der Klagepartei nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (Art. 267 Abs. 3 AEUV) war schon aus diesem Grund hier nicht veranlasst.
Die Frage, ob § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. europarechtskonform ist, ist insbesondere im Schrifttum äußerst umstritten. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 04.11.2014, BvR 892/12 hingewiesen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.07.2014 (Az. IV ZR 73/13) explizit diese Frage geprüft und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass das Policen-Modell nach Auffassung des Senats eindeutig im Einklang mit den Bestimmungen in den Lebensversicherungsrichtlinien steht. Insoweit auf die genannte Entscheidung und dessen Begründung des Bundesgerichtshofs Bezug genommen, der sich das Gericht vollinhaltlich anschließt.
2.8 Da das Widerspruchsrecht der Klägerin bei dessen Ausübung im Jahre 2017 infolge Fristablaufs somit bereits erloschen war und der Lebensversicherungsvertrag mit der Beklagten folglich wirksam zustande gekommen ist, erfolgten die von der Klägerin an die Beklagte erbrachten Leistungen auf den Versicherungsvertrag mit Rechtsgrund, so dass ein Anspruch der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB bereits dem Grunde nach nicht besteht.
3. Auf den von der Beklagten erhobenen Einwand der Verwirkung kam es somit nicht mehr entscheidungserheblich an. Nur am Rande sei daher erwähnt, dass es der Klägerin vorliegend nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt war, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angeblichen Unwirksamkeit zu berufen.
Eine Rechtsausübung kann nach § 242 BGB unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlichen Verhalten unvereinbar ist und die Interessen der Gegenseite im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13).
Diese Voraussetzungen liegen nach Ansicht des erkennenden Gerichts hier vor. Sowohl das erforderliche Zeitmoment als auch das notwendige Umstandmoment sind im vorliegenden konkreten Einzelfall gegeben. Die Klägerin hat sich treuwidrig verhalten, indem sie nach der bereits im Jahre 1996 erfolgten ordnungsgemäßen Belehrung über ihr Widerspruchsrecht und damit über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, ab Vertragsbeginn am 01.02.1996 mit monatlichen Raten stets ordnungsgemäß bediente und der Vertrag auch regulär bis zu seinem vereinbarten Ablaufdatum zum 01.02.2008, mithin die vertraglich vereinbarten 12 Jahre, durchgeführt wurde. Die Klägerin erhielt sodann zum Vertragsende von der Beklagten eine Versicherungsleistung in Höhe von 216.555,78 € ausbezahlt und nahm diese Leistung jedenfalls damals beanstandungslos entgegen. Auch nach diesen Zeitpunkt zweifelte die Klägerin gegenüber der Beklagten zunächst über einen beträchtlichen Zeitraum – nämlich über neun Jahre – hinweg weder die Wirksamkeit des Vertrages noch die Höhe der erhaltenen Ablaufleistung an, sondern erklärte schließlich erst nach anwaltlicher Beratung im Mai 2007 den Widerspruch gegenüber der Beklagten. Ebenfalls im Rahmen der nach § 242 BGB vom Gericht vorzunehmenden Wertung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor Gericht angab (vgl. Sitzungsniederschrift vom 23.05.2018, S. 2 = Bl. 96 d.A.), dass sie die streitgegenständliche Lebensversicherung im Rahmen eines Steuersparmodells abgeschlossen habe. Die Lebensversicherung habe für die Finanzierung einer Neubau-Immobilie verwendet werden sollen. Hintergedanke der Klägerin und ihres mitversicherten Ehemannes Georg Hutter sei dabei auch der gewesen, dass für den Fall, dass einem von beiden etwas zustoßen sollte, der andere durch die Lebensversicherung finanziell abgesichert sei. Diesen bezweckten Versicherungsschutz hat die Klägerin aber vorliegend über die volle Vertragslaufzeit, d.h. 12 Jahre lang, auch tatsächlich und einschränkungslos genossen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es bei dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages gerade nicht wie bei anderen Anlageformen nur auf die Anlage eines bestimmten Geldbetrages ankommt, sondern der Versicherungsnehmer gerade auch eine Absicherung seiner Familie bzw. hier des jeweiligen Ehepartners für den Todesfall erstrebt. Überdies hat die Klägerin den Vertrag – über die regelmäßigen und ordnungsmäßigen Beitragszahlungen hinaus – auch dadurch aktiv gelebt, dass im Rahmen eines Steuersparmodells durch Abschluss des Lebensversicherungsvertrages finanzielle Vorteile erzielt werden sollten. Wollte man bei einer solchen Konstellation, wie der vorliegenden, jedoch dem Versicherungsnehmer ein zeitlich unbegrenztes Widerspruchsrecht zubilligen, könnte der Versicherungsnehmer jahrelang gleichsam „kostenlos“ über einen Zeitraum von 12 Jahren den vollen Versicherungsschutz in Anspruch nehmen und überdies auch noch steuerliche Vorteile erlangen. Der Versicherer ist jedoch gerade in Fällen der Lebensversicherung auch schutzwürdig. Er muss darauf vertrauen können, dass gerade bei einer vollständigen und anstandslosten Durchführung und Abwicklung des Vertrages die Grundsätze der Risikogemeinschaft beachtet werden und ihm nicht nachträglich – hier über neun Jahre nach Ablauf und Abwicklung des Vertrages – die Prämien entzogen werden sollen.
Da der Klägerin ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden war, war ihr auch bekannt, dass sie den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und die Beklagte ihr ein Recht zur Lösung von ihrer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung zugestanden hat. Die Beklagte durfte daher hier die jahrelangen anstandslosen Prämienzahlungen als Ausdruck des Willens der Klägerin auffassen, dass die Klägerin den Vertrag – wie ja auch tatsächlich geschehen – durchführen wollte und auch in den Genuss des entsprechenden Versicherungsschutzes für sich und ihren Ehemann kommen wollte. Hinzu kommt, dass auch nach Beendigung des Vertrages im Jahre 2008 und Auszahlung der von der Beklagten errechneten Ablaufleistungen Ansprüche von der Klägerin in unverjährter Zeit (s. hierzu sogleich auch noch unter Ziffer 5.) nicht gegen die Beklagte geltend gemacht wurden.
Unter Berücksichtigung und Abwägung aller dieser genannten Einzelumstände kommt das Gericht daher vorliegend zu der Einschätzung, dass erkennbares Ziel, das die Klägerin mit der Ausübung des Widerspruchsrechts – die nach eigenem Bekunden der Klägerin im Übrigen erst nach entsprechender anwaltlicher Beratung erfolgte – und Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs verfolgt, nicht etwa ist, etwaige Nachteile ihrer seinerzeit bei Vertragsschluss getroffenen Anlagenentscheidung zu kompensieren, sondern ihre Rendite zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu maximieren. Die Ausübung des Widerspruchsrechts stellt sich daher im konkreten Fall als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB dar und ihr steht der Einwand der Verwirkung entgegen.
4. Da der Klägerin somit bereits dem Grunde nach kein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zusteht, waren Feststellungen zur Höhe der mit dem Klageantrag zu 1.) geltend gemachten Forderung nicht zu treffen.
5. Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 3.) hilfsweise im Wege der Stufenklage Auskunft, Beleg und ggf. Versicherung an Eides statt der Auskunft sowie einen nach erteilter Auskunft noch zu beziffernden Schadensersatz von der Beklagten im Hinblick auf die Ablaufleistung geltend gemacht hat, war die Klage auch insoweit abzuweisen, da etwaige diesbezügliche Ansprüche der Klägerin jedenfalls verjährt sind.
Die Beklagte hat insoweit die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 55 d.A.).
Unstreitig wurde der streitgegenständliche Vertrag bereits zum 01.02.2008 von der Beklagten abgerechnet und der Klägerin eine Ablaufleistung in Höhe von 216.555,78 € ausbezahlt.
Die Klägerin macht einen Auskunftsanspruch geltend. Ein solcher könnte mangels spezialgesetzlicher Regelung hier allenfalls aus § 242 BGB nach Treu und Glauben bestehen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anspruchsteller glaubhaft darlegen kann, dass er mit der zu erhaltenden Auskunft einen weitergehenden Zahlungsanspruch zumindest möglicherweise begründen kann.
Die von der Klägerin mit dem Hilfsantrag begehrten Auskünfte sollen der Berechnung eines etwaigen Anspruchs auf Zahlung einer weitergehenden Rückvergütung unter Berücksichtigung des Mindestrückkaufswertes iSd. Rechtsprechung des BGH dienen. Ein solcher Zahlungsanspruch verjährte gemäß § 12 Abs. 1 VVG in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung fünf Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Versicherer den Vertrag abgerechnet hat, hier also fünf Jahre nach Ende des Jahres 2008, mithin zum 31.12.2013. Vorliegend endete der Vertrag im Jahre 2008, also nach Entfallen der Regelung in § 12 Abs. 1 VVG a.F., so dass die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB gilt. Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der behauptete Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Diese Voraussetzungen lagen hier im Jahre 2008 vor, so dass Verjährung zum 31.12.2011 eingetreten ist. Dass die Klägerin sich erst im Jahre 2017 hat anwaltlich beraten lassen ändert nichts daran, dass sie von den tatsächlichen Umständen, die einen etwaigen (weitergehenden) Anspruch gegen die Beklagten hinsichtlich des Rückkaufswertes begründen könnten, ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen können, nachdem ihr die Beklagte mit Abrechnungsschreiben vom 01.02.2008 (Anlage K 2) die maßgeblichen Zahlen und Berechnungsgrundlagen für die von ihr errechnete Ablaufleistung in Höhe von 216.555,78 € mitgeteilt hatte.
6. Mangels Anspruchs der Klägerin auf die mit dem Klageantrag zu 1.) im Hauptantrag und mit dem Klageantrag zu 3.) im Hilfsantrag geltend gemachten Hauptforderungen war die Klage auch in Bezug auf die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsbegehren und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) insgesamt abzuweisen.
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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