Bankrecht

Besteuerung des Veräußerungsgewinns bei ähnlicher wesentlicher Beteiligung an INC.

Aktenzeichen  5 K 1490/20

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47991
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 3 Nr. 40 lit. c, § 17 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Der Senat stellt als Bezugsgröße zur Bestimmung der Beteiligungshöhe bei ausländischen Kapitalgesellschaften zur Prüfung der 1%-Grenze der Beteiligung am „Kapital der Gesellschaft“ i.S. des § 17 EStG auf die tatsächlich ausgegebenen „issued and outstanding shares“ der INC. ab und sieht nicht die im Register des Secretary of State von Delaware eingetragenen genehmigten „authorized shares“ von 150 000 000 als maßgeblich an. (Rn. 120) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Finanzamt hat den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der INC. zu Recht gem. § 17 EStG im Jahr 2011 in Höhe von 2.488.120 € der Besteuerung zugrunde gelegt und als Kapital der INC. die „issued and outstanding shares“ als maßgebliche Bezugsgröße angesehen.
I. Der Veräußerungsgewinn ist gem. § 17 EStG in Höhe von 2.488.120 € zu besteuern.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG (in der im Streitjahr anwendbaren Fassung) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1% beteiligt war.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sind Anteile an Kapitalgesellschaften Aktien, Anteile an einer GmbH, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen. Als ähnliche Beteiligungen in diesem Sinne kommen insbesondere Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften in Betracht, wenn die ausländische Gesellschaft mit einer deutschen AG, GmbH oder bergrechtlichen Gewerkschaft vergleichbar ist und wenn die Anteile Gesellschafterrechte verkörpern, wie sie nach deutschem Recht beispielsweise mit Aktien oder GmbH-Anteilen verbunden sind (vgl. BFH-Urteile 22.02.1989 I R 11/85, BStBl II 1989, 794; vom 21.10.1999 I R 43, 44/98, BStBI II 2000, 424; FG Münster, Urteil vom 09.12.2016 7 K 3225/13 E, EFG 2017, 129).
Nach dem Sinn und Zweck des § 17 sollen auch Wertsteigerungen in Bezug auf Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften besteuert werden. Eine Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, d.h. einer Kapitalgesellschaft, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat, stellt einen Anteil i.S.v. § 17 EStG dar, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft ihrer Rechtsform nach einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist (in Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 40. Aufl. 2021, § 17 EStG, Rn 104, sog. Typenvergleich; vgl. Schnittker/Lemaitre, Steuersubjektqualifikation ausländischer Personen- und Kapitalgesellschaften anhand des Rechtstypenvergleichs: Welche Vergleichskriterien sind heranzuzie…, GmbHR 2003, 1314).
2. Bei den Anteilen des Steuerpflichtigen an der INC. handelt es sich um eine ähnliche Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, da die INC. für Zwecke des § 17 EStG als Kapitalgesellschaft anzusehen ist. Sie ist mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar.
Nach dem anzustellenden Rechtstypenvergleich ist die „incorporation“ nach USamerikanischem Recht einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar (vgl. BMF-Schreiben vom 24.12.1999, Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen, Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, Tabelle 1, BStBl I 1999, 1076).
Die INC. wurde nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware gegründet und ist nach dem dort geltenden Gesellschaftsrecht („Delaware General Corporation Law“ – DGCL -) als Kapitalgesellschaft ausgestaltet. Das DGCL wird auf den deutschsprachigen Internetseiten des US-Bundesstaates Delaware als „Allgemeines Aktienrecht von Delaware“ bezeichnet (https://corplaw.delaware.gov/ger/why_delaware/). Die INC. ist unter der Nummer … in das Unternehmensregister bei der Division of Corporations des „Secretary of State“, einer Abteilung der obersten Aufsichtsbehörde des US-Bundesstaates Delaware bei der Gründung von Kapital- und Personengesellschaften (funktional vergleichbar dem Innenministerium), eingetragen. Als „corporation“ besitzt sie eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist die wirtschaftlich wichtigste Gesellschaftsform für Unternehmen (vgl. Hof in: Steuerberater Rechtshandbuch, 160. Lieferung 2021, II. US-Corporation, Rn. 102). Ihre rechtliche Existenz ist von dem Bestand ihrer Anteilseigner unabhängig. Die Kapitalanteile an der INC. („shares“) waren in Form von Aktien frei übertrag- und veräußerbar und wurden hierzu – zumindest zeitweise – an einer Börse in London bzw. New York gehandelt.
Ihre Geschäftsführung oblag einem zentralen Organ, dem board of directors (vgl. § 141 im Title 1, Chapter 1 des DGCL, https://delcode.delaware.gov/title8xx), entsprechend dem Vorstand bei einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht. Die INC. wird fremdgeführt. Die Anteilseigener besitzen Rechte, die den deutschen Aktionären vergleichbar sind, wie z.B. die Stimmrechte nach § 212 DGCL, aber auch Vermögensrechte, wie den Anspruch auf Teilhabe an einer Dividendenausschüttung und dem Anteil am Liquidationserlös (Hof in: Steuerberater Rechtshandbuch, 160. Lieferung 2021, II. US-Corporation, Rn. 149).
Die INC., die als Firmenzusatz in ihrem vollen Namen „Inc.“ (für „incorporation“) trägt, ist daher einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar und mithin als Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG zu würdigen. Die Beurteilung der Anteile an der INC. als „ähnliche Beteiligung“ ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
3. Der Steuerpflichtige hielt die Beteiligung an der INC. im Privatvermögen.
Mit Vertrag vom … 2008 über die Veräußerung der Anteile der C GmbH erhielt der Steuerpflichtige u.a. als sog. „Kaufpreisaktien“ die Anteile an der INC. (vgl. Ziffer 5 des Kaufvertrages vom … 2008). Sie sind ihm persönlich wirtschaftlich zuzurechnen, da sie sich weder im Betriebsvermögen befanden noch einem Treuhänder zuzurechnen waren (vgl. hierzu auch die Zusicherungen unter Ziffer 7 des Kaufvertrages vom … 2008).
4. Das Finanzamt hat zu Recht bejaht, dass der Steuerpflichtige eine „wesentliche Beteiligung“ im Sinne des § 17 EStG an der INC. hielt.
a) Unter Beteiligung versteht man die Summe aller Anteile, die ein Anteilseigner an einer Kapitalgesellschaft hält (Schmidt in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 302. Lieferung 02.2021, § 17 EStG, Rn. 145).
Der „Anteil“ bezieht sich auf den Anteil am Nennkapital der Kapitalgesellschaft, also bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien auf die Beteiligung am Grundkapital (§§ 1 Abs. 2, 152 Abs. 1, 278 AktG) und bei der GmbH auf die Beteiligung am Stammkapital (§§ 5, 42 Nr. 4 GmbHG).
Das Grundkapital der nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) gegründeten Aktiengesellschaft ist in der Bilanz als gezeichnetes Kapital auszuweisen (§ 152 Abs. 1 AktG). Der Nennbetrag des Grundkapitals, das in Euro auszuweisen ist, ist eine satzungsmäßig festgesetzte Rechengröße, welche die Aufbringung eines Mindesthaftkapitals sichern soll (Fleischer in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 6 AktG, Rn. 2). Dabei beträgt der Mindestnennbetrag im deutschen Aktiengesetz 50.000 € (§ 7 AktG). In Abteilung B des Handelsregisters sind bei Aktiengesellschaften in Spalte 3 die jeweils aktuellen Beträge der Höhe des Grundkapitals einzutragen (§ 43 Nr. 3 Handelsregisterverordnung (HRV) in der Fassung vom 01.04.2015).
Die Anteile am Grundkapital einer dem deutschen Aktiengesetz unterliegenden Aktiengesellschaft sind die Aktien (§§ 1, 6, 8 AktG). Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet (§ 29 AktG). Der Erwerb von Aktien begründet die Gesellschafterstellung mit den darin, je nach Art der Aktie, verbrieften Mitgliedschaftsrechten des Aktionärs.
b) Die in den Aktien – „shares“ – an einer US-Corporation, wie vorliegend der INC., verkörperten Rechte sind den in einer Aktie einer nach deutschem Recht gegründeten Aktiengesellschaft verbrieften Rechten gleichartig.
Bei einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die einer Aktiengesellschaft vergleichbar ist, müssen die Anteile an dieser ebenfalls Gesellschafterrechte verkörpern, wie sie nach deutschem Recht mit Aktien oder GmbH-Anteilen verbunden sind. Wie unter Tz. I. 2. dargelegt, ist dies bei den Aktien der INC. der Fall.
Bei den streitbefangenen Anteilen („shares“) des Steuerpflichtigen an der INC. („Kaufpreisaktien“ = „Consideration Shares“) handelt es sich um gültig ausgegebene Aktien („validly issued“), die in jeder Hinsicht gleichrangig sind mit den „Stammaktien am Kapital des US-Garanten“, der INC., die zum Tag der Begebung der Kaufpreisaktien ausgegeben sind und sich im Umlauf befinden. Dies wird im Kaufvertrag vom … 2008 dazu ausdrücklich bestätigt (vgl. dazu Ziffer 5.2 des Kaufvertrags vom … 2008: „…and shall rank pari passu in all respects with the ordinary shares in the capital of the US Guarantor that are issued and outstanding at the date of issue of the Consideration Shares.”). Die eingeschränkte Übertragbarkeit der Aktien, die gemäß Ziffer 7.1 des Kaufvertrages vom … 2008 nur beschränkt übertragbar nach der Regulation S zum US-Wertpapiergesetz sind, ändert nichts an der Verbriefung gleichwertiger Mitgliedschaftsrechte zu denen von Aktieninhabern nach deutschem Aktiengesetz.
c) Die Einordnung einer Beteiligung als eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG bestimmt sich ausschließlich kapitalbezogen.
Die Beteiligung ist eine „wesentliche“, wenn der Steuerpflichtige (oder in Fällen des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG sein Rechtsvorgänger) innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung zu mindestens 1 v. H. am Nennkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt war (vgl. Strahl in: Korn, EStG, 123. EL, § 17 Rn. 29, 35). Die Höhe der Beteiligung orientiert sich damit grds. am Nennkapital (Grundkapital einer AG, §§ 6, 7 AktG, Stammkapital einer GmbH, §§ 5, 14 GmbHG), ggf. abzüglich eigener Anteile der Kapitalgesellschaft oder eingezogener Geschäftsanteile. Aus der Entstehungsgeschichte des § 17 EStG ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an das Grund- oder Stammkapital im Interesse der einfachen Handhabung der Vorschrift eine „feste Grenze“ vorsehen wollte, „ohne dass dem Ermessen der Verwaltungsbehörden noch ein weiterer Spielraum gelassen wird“ (BFH-Urteil vom 25.11.1997 VIII R 29/94, BStBl II 1998, 257, unter II.3.d) der Entscheidungsgründe m.w.N. und unter Verweis auf die amtliche Begründung zu § 30 EStG). Ob die Einlagen tatsächlich erbracht worden sind, ist unbeachtlich, grds. auch dann, wenn die Satzung die Gesellschafterrechte nach dem Verhältnis der eingezahlten Beträge bestimmt (Gosch in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2021, § 17 EStG, Rn. 19).
Die „Beteiligung am Kapital der Gesellschaft“ bestimmt sich bei einer GmbH grundsätzlich nach dem nominellen Geschäftsanteil an deren Stammkapital (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2005 VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861, Rn. 13, mit Verweis auf BFH-Urteile vom 25.11.1997 VIII R 29/94, BStBl II 1998, 257, VIII R 36/96, BFH/NV 1998, 691, sowie VIII R 49/96, BFH/NV 1998, 694, jeweils m.w.N.). Nach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum ist allein diese nominelle Beteiligung für die Qualifikation als wesentliche Beteiligung i.S. des § 17 EStG entscheidend (vgl. u.a. Schneider in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 17 Rdnr. B 122 mit Streitstand, Stand Juni 2015).
In dem Regelfall der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die nach deutschem Aktienrecht gegründet wurde, ist die Höhe der Beteiligung nach dem Verhältnis des Nennbetrags der Anteile zum Nennkapital zu bestimmen. Das Grundkapital muss auf einen Nennbetrag in Euro lauten (§ 6 AktG).
Abweichende Regelungen über das Stimmrecht, das Gewinnbezugsrecht sowie die Verteilung des Liquidationserlöses sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 25.11.1997 VIII R 29/94, BStBl II 1998, 257; Dötsch, BB 1999, 1352; Niemann, DStZ 1992, 679; gl. A. Schmidt/Weber-Grellet, 40. Aufl. 2021, EStG § 17 Rn. 56). Die Anteile müssen rechtlich bestehen und der Steuerpflichtige muss sie rechtlich und/oder wirtschlich innehaben. Durch rechtlich nicht bestehende Anteile ist eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unmöglich (Blümich/Vogt, 157. EL Mai 2021, EStG § 17 Rn. 235).
In der Maßgeblichkeit der Beteiligung am Kapital kommt der gesetzliche Zweck der Vorschrift zum Ausdruck, wonach die Beteiligung an der Substanz der Kapitalgesellschaft der Steuerverstrickung unterworfen sein soll (Frotscher/Geurts, EStG, § 17 EStG Rz. 59). Die Höhe der Beteiligung sei nach Frotscher/Geurts daher danach zu beurteilen, welcher Anteil an der Vermögenssubstanz der Kapitalgesellschaft dem Steuerpflichtigen zusteht. Besteuert wird in § 17 EStG die erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die durch die Teilhabe an der Mehrung der Vermögenssubstanz entsteht (Frotscher/Geurts, EStG, § 17 EStG Rz. 61). Schmidt sieht den Zweck des § 17 EStG darin, die mit der Anteilsveräußerung verbundene Realisierung von thesaurierten Gewinnen sowie von stillen Reserven einer Kapitalgesellschaft zu besteuern (Schmidt in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 303. Update 04/2021, 304. Lieferung 06.2021, § 17 EStG, Rn. 145).
Nicht maßgeblich ist, wie lange die Beteiligung in der notwendigen Höhe, im Streitjahr von 1%, bestanden hat oder ob von vornherein feststeht, dass dies nur von kurzer Dauer sein wird. Es genügt, dass der Steuerpflichtige einmal im Fünf-Jahreszeitraum im Sinne des § 17 EStG, und damit wesentlich mit mindestens 1%, beteiligt war (Pung/Werner in Dötsch/Punk/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 17 EStG Tz. 182, Stand: 01.11.2017). Dabei richtet sich die Höhe nach den zivilrechtlichen Regeln.
Bei eigenen Anteilen der Kapitalgesellschaft (vgl. § 71 AktG, § 33 GmbHG) ruhen die damit verbundenen Gesellschafter-Rechte; die wirtschaftliche Beteiligung entfällt nur auf die übrigen Anteile. Folglich ist von einem entsprechend geminderten Grund- oder Stammkapital auszugehen. In ähnlicher Weise verhält es sich, wenn die Kapitalgesellschaft Geschäftsanteile einzieht (§ 34 GmbHG). Zwar bleibt das Stammkapital dann unverändert, allerdings stimmt die Summe der Anteile nicht mehr mit diesem überein. Der Nennbetrag der vinkulierten Anteile ist deshalb vom Stammkapital der GmbH abzuziehen. Bei Aktien wirkt sich die Einziehung hingegen nicht aus, weil eine solche gem. § 237 AktG nur gegen Herabsetzung des Grundkapitals zulässig ist. So zieht der Ausschluss oder Austritt eines Gesellschafters die Minderung des Nennkapitals nach sich (Gosch in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2021, § 17 EStG, Rn. 21).
Nach deutschem Rechtsverständnis können nur Änderungen, die das Grund- oder Stammkapital betreffen, die Höhe des Anteils an einer Kapitalgesellschaft beeinflussen, da dieses die relevante Bezugsgröße ist (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 17 Rz. 55 m.w.N.).
Nicht von Bedeutung ist dabei die Höhe der Stimmrechte, die einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zustehen, so dass es ohne Auswirkung wäre, falls es sich um stimmrechtslose Aktien handelt.
d) Für die Bestimmung der Höhe und damit der Relevanz der prozentualen Beteiligung an der nach dem Recht des Staates Delaware gegründeten INC. ist im Ergebnis auf die Anzahl der „issued and outstanding shares“ als „Kapital“ abzustellen.
Das Finanzamt hat zu Recht angenommen, dass der Steuerpflichtige Anteile von mindestens 1% gehalten hat und damit eine wesentliche Beteiligung in dem maßgeblichen Zeitraum von 5 Jahren vor der Veräußerung innehatte.
Bei Beteiligung an einer Auslands-Kapitalgesellschaft, die über kein Grund- oder Stammkapital i.S.d. deutschen Aktien- oder GmbH-Rechts verfügt, ist auf eine „entsprechende Bezugsgröße“ abzustellen (Gosch in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2021, § 17 EStG, Rn. 19).
aa) Zur Bestimmung der Bezugsgröße bei ausländischen Kapitalgesellschaften ist der Sinn und Zweck des § 17 EStG zu berücksichtigen und die Bedeutung des Stammkapitals bzw. Grundkapitals nach deutschen Gesellschaftsrecht zu beachten.
Die Norm des § 17 EStG soll nach seinem Zweck den aufgrund der Veräußerung des Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfassen (BFH-Urteil vom 25.11.1997 VIII R 29/84, BStBl II 1995, 870, m.w.N.). Entscheidend für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns sind die Ansprüche des Gesellschafters auf Beteiligung an der Substanz. Das Stammkapital (der GmbH) bzw. Grundkapital (der AG) bezeichnet nach deutschem Recht das durch die Einlagen der Gesellschafter aufzubringende Gesellschaftsvermögen (BFH-Urteil vom 25.11.1997 VIII R 29/94, BStBl II 1998, 257, Tz. II.3.b). Die Errichtung der Aktiengesellschaft setzt die Übernahme der Aktien durch die Gründer voraus (§ 27 AktG). Dem entspricht es, für die Frage der Wesentlichkeit einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG auf die Höhe des Anteils am Nennkapital abzustellen. Denn die Vermögensrechte des Anteilseigners (Gewinnrecht und Recht auf den Liquidationserlös) bestimmen sich bei der GmbH gemäß §§ 29 Abs. 3 und 72 GmbHG nach dem Nennbetrag seines Geschäftsanteils und bei der AG gem. §§ 58 Abs. 4, 60 Abs. 1 AktG und § 271 Abs. 2 AktG nach seinem Anteil am Grundkapital.
Da im Regelfall die Aktionäre der AG im Verhältnis ihres Anteils am Grundkapital am Vermögenszuwachs der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, ist es sachgerecht, wenn § 17 Abs. 1 EStG typisierend an die Höhe der nominellen Beteiligung am Grundkapital anknüpft.
bb) Für die INC. als „corporation“, die nach dem Recht des US-Staates Delaware gegründet worden ist, ist eine „entsprechende Bezugsgrüße“ zu bestimmen.
Das Gesellschaftsrecht des Staates Delaware, wie in der Mehrheit der Einzelstaaten in den USA, kennt keinen Kapitalbegriff für Kapitalgesellschaften, der mit dem deutschen Grundkapital oder Stammkapital vergleichbar ist. Es kennt auch kein Mindestkapitalerfordernis, wie er in § 7 AktG mit 50.000 € für den Mindestnennbetrag des Grundkapitals einer deutschen Aktiengesellschaft genannt wird.
Bezüglich des Systems von Grundkapital und Nennwert der Aktien folgt Delaware – laut Hof – noch dem traditionellen System, wonach „Grundkapital“ – nach dem dortigen Verständnis – und Nennwert weiterhin von Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang führt Hof aus, dass zum „Eigenkapital“ insbesondere das Grundkapital der Gesellschaft („Stated Capital“), das sich aus dem addierten Nennwert der ausgegebenen Aktien zusammensetzt und zunächst in den Gründungsdokumenten festgelegt wird, zählt (Hof in: Steuerberater Rechtshandbuch, 157. Lieferung 2021; II. US-Corporation, Rn. 121). Dem Prinzip des festen Nennkapitals („stated capital“ oder einfach „capital“ in § 154 DGCL, https://delcode.delaware.gov/… html), kommt vor allem eine ausschüttungsbegrenzende Bedeutung zu. Das „stated capital“ setzt sich zusammen aus der Summe des Gesamtnennwertes aller zum Nennwert ausgegebenen Gesellschaftsanteile, zuzüglich der Gegenleistung für alle ohne Nennwert ausgegebenen Gesellschaftsanteile, abzüglich des Teils der Gegenleistung für nennwertlose Anteile, der den Rücklagen (surplus) zugewiesen wurde, wobei nicht die gesamte Gegenleistung den Rücklagen zugewiesen werden darf. Ferner erhöht sich das „stated capital“ um die sonstigen, dem „stated capital“ zugewiesenen Beträge (§ 154 DGCL). Die für die Ausgabe der Gesellschaftsanteile zuständige Geschäftsleitung („board of directors“) kann daher grundsätzlich frei darüber entscheiden, welcher Teil der Gegenleistung dem „stated capital“ zugewiesen wird und welcher Teil dem surplus, d.h. der Rücklage. Durch das Fehlen von Mindestkapitalvorschriften haben die Gründer es somit selbst in der Hand, die Höhe des „stated capital“ zu bestimmen (vgl. Gerber in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 3. Aufl. 2016, USA, Rn. 37), da hierfür ausschließlich auf „shares issued“, also ausgegebene Aktien abgestellt wird.
In anderer Literatur wird jedoch herausgestellt, dass bei der Registrierung das festgelegte Stammkapital nur das „Authorized Capital“ ist, weshalb dieser Betrag auch als „genehmigtes Kapital“ bezeichnet wird. Er bezeichnet nur einen Höchst- oder Grenzwert (https://www.easy-inc.com/faqs/was-ist-der-unterschied-zwischen-authorized-shares-und-issued-shares-bei-us-gesellschaften).
Das Verständnis des „Kapitals“, das in der Satzung und den Gründungsunterlagen genannt ist, als „Höchstbetrag“ der Aktien, die ausgegeben werden dürfen, entspricht auch den deutschsprachigen Ausführungen auf der Homepage der Staatlichen Behörden in Delaware, die zum Inhalt der Gründungsurkunde (vgl. auch § 102 (a) (4) DGCL) ausführen: „Aus der Gründungsurkunde muss der Name der Gesellschaft, der Name und die Adresse des eingetragenen Bevollmächtigten sowie der Name, die Adresse und die Unterschrift der Person hervorgehen, die zur Eingabe der Urkunde bevollmächtigt ist (der “Gründer”). (…) Aktiengesellschaften müssen ferner die Anzahl der genehmigten Aktien und deren Nennwert angeben“ (https://corplaw.delaware.gov/xx/). Nach dem Musterformular einer Gründungsurkunde ist zu den Aktien kein „Stated Capital“ oder seine Höhe in US-$ anzugeben, vielmehr enthält das aktuell abrufbare Formular (STATE OF DELAWARE – CERTIFICATE OF INCORPORATION – A STOCK CORPORATION) folgenden Passus: „4. The total amount of stock this corporation is authorized to issue is shares (number of authorized shares) with a par value of $ per share.“ (https://corpfiles.delaware.gov/incstk09.pdf, abgerufen am … 2021). Dies entspricht auch der Formulierung in den vorgelegten Unterlagen zur Änderung des „Certificate of Incorporation“ vom … 2007.
Auch der Inhalt der Eintragung in das Unternehmensregister, das kein Handelsregister im Sinne des deutschen Rechts mit Publizitätswirkung darstellt, weicht im Recht des US-Staates Delaware von Deutschland entsprechend ab. Gem. § 39 AktG ist die Höhe des Grundkapitals, dessen Aktien bei Gründung zu übernehmen sind, einzutragen. Nach den Vorschriften des Staates Delaware sind im Unternehmensregister nur die „Authorized Shares“ genannt, also der Höchstbetrag der Aktien, der ausgegeben werden darf, ohne je eine Aussage in diesem Register niederzulegen, in welcher Höhe Aktien tatsächlich gezeichnet oder ausgegeben („issued“) wurden. Eine Sicherung der Kapitalaufbringung sieht das Gesellschaftsrecht von Delaware erst im Fall der Ausgabe von Anteilen zum Nennwert vor, da der Wert der Gegenleistung den Nennwert nicht unterschreiten darf (§ 153(a) DGCL; Gerber in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 3. Aufl. 2016, USA, Rn. 38).
cc) Die bisher bekannten beiden Urteile des Finanzgerichts Münster zu dieser Rechtsfrage der Bezugsgröße „Kapital der Gesellschaft“ zur Bestimmung der Beteiligungshöhe bei ausländischen Kapitalgesellschaften sahen jeweils die Höhe der „authorized shares“ als maßgeblich an. Das Finanzgericht Münster stellt in seinem Urteil vom 06.12.2016 (7 K 3225/13 E, EFG 2017, 129) für den Fall einer USamerikanischen Inc. bei der Berechnung der prozentualen Beteiligung auf das im Unternehmensregister des US-Bundesstaats Nevada eingetragene „authorized capital“ ab. Im deutschen Handelsregister B war für eine Zweigniederlassung der dortigen US-Gesellschaft ein Grundkapital in Höhe von 50.000.000 US-$, d.h. in Höhe der „authorized shares“ eingetragen. Nach dem weiteren Urteil des 11. Senats des Finanzgerichts Münster vom 27.11.2013 (11 K 3468/11 E, EFG 2014, 341) zu einer GmbH englischen Rechts (Private Limited Company) kommt es auf das „Nominalgeschäftskapital (Authorised Share Capital)“ an. Die Zweigniederlassung dieser Limited war ebenfalls in das deutsche Handelsregister B mit dem Betrag der genehmigten Aktien eingetragen. Danach betrug laut Eintragung das „Stammkapital“ 12.500 € bei Anteilen von je 1 €, wobei laut Urteil des Finanzgerichts Münster tatsächlich nur 100 Anteile ausgegeben waren. Die Zahl der „issued shares“ war aus dem deutschen Handelsregister nicht zu ersehen.
dd) Der Senat stellt als Bezugsgröße zur Prüfung der 1%-Grenze der Beteiligung am „Kapital der Gesellschaft“ i.S.d. § 17 EStG auf die tatsächlich ausgegebenen „issued and outstanding shares“ der INC. ab und sieht nicht die im Register des Secretary of State von Delaware eingetragenen genehmigten „authorized shares“ von 150 000 000 als maßgeblich an.
Das Kapital i.H.v. 150 000 000 „authorized shares“ als Common Stock (Stammaktien) stellt keine „entsprechende Bezugsgröße“ dar, da es mit dem Grundkapital nach dem Rechtsverständnis des deutschen Aktienrechts nicht vergleichbar ist.
(1) Die nach dem DGCL anzugebende Zahl der „authorized shares“ in dem Unternehmensregister, d.h. die Zahl der Aktien, die sofort oder zukünftig ausgegeben werden dürfen, gibt keine Auskunft oder Gewissheit darüber, dass die US-Gesellschaft annähernd in dieser Höhe mit Kapital ausgestattet ist bzw. dass mit einer Aufbringung in dieser Höhe, vorliegend wären dies 15.000 US-$ bei einem Wert pro Stammaktie („Common Stock“) von 0,0001 US-$, durch die Aktieninhaber zu rechnen ist.
(2) Es gibt auch keine Hinweise auf die Höhe des Kapitals, an dem der Gesamtheit der Aktionäre die Gesellschafterrechte (Dividendenbezug, Teilhabe am Liquidationserlös) zustehen, da nicht erkennbar ist, inwieweit Aktien tatsächlich ausgegeben und gezeichnet wurden. Dieser Anteil lässt sich nur aus den Angaben zu den „issued and outstanding shares“ in den verpflichtenden Berichten an die SEC, der US-Börsenaufsichtsbehörde ersehen, die weltweit für jedermann über das Internet frei zugänglich einsehbar sind. Nur den Aktieninhabern der „issued and outstanding shares“ stehen die maßgeblichen Rechte eines Aktionärs zu. Die outstanding shares, „ausstehende Aktien“, beinhalten zugleich alle Aktien im Streubesitz oder im Besitz institutioneller Anleger oder auch von Vorständen, aber nicht die „eigenen Aktien“ der Gesellschaft, “treasury stock“, der ebenfalls nicht zum Kapital als Bezugsgröße für die Bestimmung der Beteiligungshöhe im § 17 EStG gehört.
(3) Das „Authorized Capital“ ist hingegen mit dem „Genehmigten Kapital“ im Sinne von § 202 AktG vergleichbar. So äußerte sich im Grundsatz auch das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 06.12.2016 (7 K 3225/13 E, EFG 2017, 129). Das genehmigte Kapital nach deutschem Aktienrecht bestimmt, bis zu welcher Höhe Aktien ausgegeben werden dürfen. Abweichend vom Begriff des „Authorized Capital“ besteht – nach deutschem Recht – die Ermächtigung des Vorstands einer AG durch die Satzung zur Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien nur in begrenztem Umfang, zeitlich begrenzt auf 5 Jahre (§ 202 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AktG) und der Höhe nach auf die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist (§ 202 Abs. 3 Satz 1 AktG). Das genehmigte Kapital gehört im deutschen Recht ausdrücklich nicht zum Grundkapital der Aktiengesellschaft (§ 39 Abs. 2 AktG) und ist im deutschen Handelsregister B in Spalte 6 und nicht wie das Grundkapital in Spalte 3 einzutragen. So sind im Handelsregister B in Spalte 6 unter Buchstabe b (…) das Bestehen eines genehmigten Kapitals unter Angabe des Beschlusses der Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung, der Höhe des genehmigten Kapitals und des Zeitpunktes, bis zu dem die Ermächtigung besteht, anzugeben (vgl. § 43 Nr. 6 Buchst. b) hh) HRV).
(4) Die Stellung und Rechte der Aktieninhaber werden nach dem Aktienrecht beider Staaten, dem deutschen Aktiengesetz und dem DGCL des Staates Delaware, erst durch die Ausgabe und Zeichnung der Aktien begründet. Nur den Inhabern der gezeichneten Aktien oder „issued shares“, d.h. von tatsächlich bestehenden Aktien, stehen u.a. die Rechte am Liquidationserlös zu.
(5) Dementsprechend stellen die streitgegenständlichen Verträge in maßgeblichen Passagen, in denen die Rechte oder Pflichten in den vorliegenden Verträgen niedergelegt sind, ebenfalls auf die „issued and outstanding shares“ und nicht auf die „authorized shares“ ab. Die Präambel („recitals“) des „Agreement and Plan of Merger“ stellt von Anfang an klar, dass jede „issued and outstanding share“ der INC./“Company“, bezeichnet als „Company Common Stock“, umgewandelt wird in das Recht, das „Verschmelzungsentgelt“ („Merger Consideration“) zu erhalten (vgl. dazu das „Agreement and Plan of Merger“, https://www.sec.gov/xx).
Die vertraglichen Regelungen sowohl des Kaufvertrags vom … 2008 über die Geschäftsanteile an der C GmbH als auch das „Agreement and Plan of Merger“ vom … 2010 nehmen auf die „issued and outstanding shares“ Bezug. Die Rechte aus dem Verschmelzungsvertrag stehen nur den Inhabern der „issued and outstanding shares“, der ausgegebenen und ausstehenden Aktien, zu (vgl. Article II Section 2.01 des „Agreement and Plan of Merger“). Die „Authorized Shares“ verkörpern keinerlei Gesellschafterrechte und begründen diese nicht, da sie einen inhaltslosen Höchstbetrag angeben, bis zu dem die Aktien der jeweiligen Aktiengattung ausgegeben werden dürfen. Auch der Kaufvertrag vom … 2008 beschreibt die Wertigkeit der Kaufpreisaktien, d.h. die Aktien an der INC. als Gegenleistung für den Steuerpflichtigen, als in jeder Hinsicht gleichrangig mit den „issued and outstanding shares“, die am Tag des Vertragsschlusses ausgegeben worden sind (vgl. Ziffer 5.2 des Kaufvertrages), denn erst in den ausgegebenen Aktien sind die Rechte der Aktionäre verbrieft.
(6) Zwar ist einzuräumen, dass die vorgelegte Übersetzung des Textes in Ziffer 5.2. der Vertrages vom … 2008 von „with the ordinary shares in the capital of the US Guarantor that are issued and outstanding at the date of issue of the Consideration Shares” in „mit den Stammaktien am Kapital des US-Garanten, die zum Tag der Begebung der Kaufpreisaktien ausgegeben sind und sich im Umlauf befinden” den Schluss nahelegt, dass zwischen den Vertragsparteien das “capital“ der INC., übersetzt mit „Kapital“ von den „issued and outstanding shares“ verschieden ist. Dies kann jedoch nicht zu einer anderen Auffassung führen, denn es ist zu bedenken, dass zum „capital“ einer Corporation nach den Bilanzierungsvorschriften auch andere Arten von Aktien gehören, wie Vorzugsaktien („preferred stock“) oder eigene Anteile („treasury stock“).
ee) Das Argument, dass nur die Beteiligung an einer „festen Bezugsgröße“ maßgeblich sein kann, rechtfertigt es nicht, bei der Beteiligung an einer UScorporation, die nicht in einem deutschen Handelsregister eingetragen ist, auf die während des Haltens der Beteiligung durch den Steuerpflichtigen unveränderte Zahl der „authorized shares“ abzustellen.
Zum einen verlangt der Begriff einer „festen Bezugsgröße“ keine unveränderliche Bezugsgröße während des Haltens der Beteiligung.
Zum anderen kann sich auch die Zahl der „authorized shares“ nach einem entsprechenden Beschluss gleichfalls ändern. Dies war nach den Veröffentlichungen der SEC bei der INC. vor dem Kaufvertrag im Jahr 2008 der Fall, wenn auch nicht während der Phase des Haltens der Beteiligung durch den Steuerpflichtigen. Die „authorized shares“ betrugen zunächst nur 25 301 475 und wurden zum … 2007 auf 150 000 000 erhöht (vgl. den Jahresbericht zum Ende des Steuerjahres am 31.12.2007, „Form 10-K“, Seite 28, https://www.sec.gov/xx).
Allein das Argument, dass eine „feste Bezugsgröße“ maßgeblich sein soll, kann nicht zur Folge haben, dass auf eine Größe abgestellt wird, die noch gar keine Rechtsstellung eines Aktionärs verkörpert, weil die Aktien noch nicht existent sind. Dies muss insbesondere gelten, wenn gleichzeitig die Anzahl der ausgegebenen Aktien aufgrund der Berichtspflichten gegenüber der Börsenaufsichtsbehörde SEC für jedes Quartal zu ermitteln ist und auch aus den maßgeblichen Verträgen hervorgeht.
ff) Das Gericht sieht die Nachweismöglichkeiten zur Anzahl der „issued and outstanding shares“ über die auf der Homepage der SEC einsehbaren Berichte als ausreichend an.
Die Bezugsgröße „issued and outstanding shares“ ist abweichend von den Urteilen des Finanzgerichts Münster auch deshalb im Streitfall als maßgeblich anzusehen, da der Nachweis über ihre Anzahl vorliegend für jedes Quartalsende ab dem Erwerb der Aktien bis zum Abschluss des Verschmelzungsvertrages vom … 2010 geführt werden kann, nachdem die INC. ihren Pflichten zur Veröffentlichung der Jahresberichte („Form 10-K“) und Quartalsberichte („Form 10-Q“) gegenüber der SEC stets nachgekommen ist. Der Nachweis der einzelnen Aktionäre ist bei der INC. als Kapitalgesellschaft mit einer Vielzahl von Aktieninhabern nicht erforderlich, da es nur auf die Höhe des „Kapitals“ als Bezugsgröße und damit die Gesamtzahl der „issued and outstanding shares“ und nicht die Namen der einzelnen Aktionäre ankommt.
Auf eine Ermittlung für jeden Tag des Innehabens der Aktien kommt es ebenfalls nicht an, da für das Überschreiten der relevanten Beteiligungsgrenze nach § 17 EStG selbst ein nur kurzer (Durchgangs-)Erwerb für eine „juristische Sekunde“ ausreichend ist (Gosch in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2021, § 17 EStG, Rn. 30), an dem zumindest 1% Anteile an dem Kapital der INC. gehalten wurden. Dies ist vorliegend gegeben.
Die Zahl der „issued and outstanding shares“ kann durch den Anteilseigner oder auch deutsche Behörden in dem vierteljährlich einzureichenden Bericht („FORM 10-Q“) oder dem Jahresbericht („FORM 10-K“) auf den Seiten der SEC für die INC. jederzeit ermittelt werden (vgl. den Link zur INC.: https://www.sec.gov/xx). Es lässt sich für jedermann weltweit und kostenfrei auf den Seiten der SEC nachsehen, wie sich die Anzahl der „issued and outstanding shares“ von einem Quartalsende zum nächsten Quartalsende entwickelt haben (vgl. z.B. das „FORM 10-K“ (zum 31.12.2007) vom … 2008, das im Vergleich – Stand vom 31.12.2006 zum Stand vom 31.12.2007 – sowohl die Erhöhung des genehmigten Kapitals („authorized shares“) von 25 301 475 auf 150 000 000 als auch die Erhöhung der ausgegebenen und im Umlauf befindlichen Aktien („issued and outstanding shares“) von 12 404 751 auf 32 199 223 ausweist (https://www.sec.gov/xx). Gleiches gilt für die Veränderungen vom 31.12.2007 zum 31.12.2008 im Jahresbericht 2008 vom … 2009, „FORM 10-K“, als sich die „issued and outstanding shares“ von 32 199 223 auf 36 746 291 erhöhten (https://www.sec.gov/xx). Dabei werden die einzelnen Vorgänge, wie der Kauf der Geschäftsanteile an der C GmbH im Jahr 2008, unter Angabe der ausgegebenen von 1 296 165 genau beschrieben (vgl. den Jahresbericht zum 31.12.2009 „FORM 10-K“, https://www.sec.gov/xx).
Veränderungen bei einer public corporation in den USA, wie der INC., lassen sich daher nicht nur aus dem Unternehmensregister ersehen („Certificate of Incorporation“ und den Änderungen der Satzung der Gesellschaft – wie vorliegend u.a. zum Namen der Gesellschaft und der Höhe des genehmigten Kapitals durch das Certificate of Amendement of Second Restated Certificate of Incorporation of D Acquisition Corporation vom … 2007), sondern auch aus den verpflichtenden Berichtsvorlagen an die Börsenaufsichtsbehörde SEC.
gg) Dem Steuerpflichtigen war die SEC als Informationsquelle für die Verhältnisse bei der INC. durch den Hinweis auf die bestehenden Vorlage- und Berichtspflichten im Kaufvertrag vom … 2008 bekannt. Er ist daher nicht dahin schutzwürdig, dass nur die Eintragungen der „authorized shares“ im Unternehmensregister des Secretary of State von Delaware maßgeblich sein dürfen.
In dem Abschnitt „Garantien“ (vgl. Ziffer 21 des Kaufvertrages vom … 2008) hat die INC. als „US-Garant“ die Einhaltung aller Verpflichtungen seit 01.12.2007 zugesichert, die sich aus den Bestimmungen des US-Wertpapiergesetzes von 1993 in seiner jeweils geltenden Fassung bzw. dem US Börsengesetz von 1934 (US Securities Exchange Act of 1934) in seiner jeweils geltenden Fassung (das US-Börsengesetz – Exchange Act -) sowie den Vorschriften und Regeln der SEC ergeben. Der Steuerpflichtige wurde bereits im Dezember 2008 auf die Jahresberichte auf Formblatt 10-K und die (ungeprüften) Quartalsberichte auf Formblatt 10-Q hingewiesen sowie darauf, dass die Finanzabschlüsse entsprechend den in den Vereinigten Staaten geltenden Rechnungslegungsvorschriften (US-GAAP) dort hinterlegt sind. Dabei wurde auch der zuletzt eingereichte Quartalsbericht auf Formblatt 10-Q (einschließlich des zugehörigen Anhangs die Bilanz – Balance Sheet -) erwähnt.
Darüber hinaus sind die Informationen aus den Veröffentlichungen der SEC für einen Steuerpflichtigen und auch für deutsche Behörden leichter zugänglich, da sie im Internet kostenfrei, im Gegensatz zu dem Registerauszug des Secretary of State aus Delaware, und jederzeit über den Namen der Gesellschaft abrufbar sind (vgl. https://www.sec.gov/xx).
hh) Ein Zurückgreifen auf eine Eintragung zum „Grundkapital“ im deutschen Handelsregister scheidet vorliegend aus, da INC. keine Niederlassung in Deutschland unterhält, die in ein Register eingetragen wurde.
Insofern unterscheidet sich der Streitfall von den Sachverhalten, die den Urteilen des Finanzgerichts Münster zugrunde lagen, da weder die INC. noch eine Niederlassung in ein deutsches Handelsregister B (für Kapitalgesellschaften) eingetragen wurde. Daher folgt aus den Gesichtspunkten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vorliegend nicht die Maßgeblichkeit der „authorized shares“ allein aufgrund der Verwendung des deutschen Begriffs „Grundkapital“ im deutschen Handelsregister B für diese Aktien. Damit kann auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Relevanz der Eintragung in das deutsche Handelsregister nicht unbenommen auf diesen Auslandssachverhalt und die ausschließliche Eintragung in das US-Unternehmensregister übernommen werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25.11.1997 VIII R 29/94, BStBl II 1998, 257). Das USamerikanische Recht kennt kein dem deutschen Handelsregister vergleichbares öffentliches Register mit Publizitätswirkung (Gerber in: Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 3. Aufl. 2016, USA, Rn. 59). Diese Bedeutung kommt dem Register bei dem Secretary of State nicht zu.
Die hiervon abweichende Meinung des Finanzgerichts Münster im Urteil vom 06.12.2016 (7 K 3225/13 E, EFG 2017, 129) war letztendlich jedoch nicht entscheidungserheblich, da die Klage auch deshalb keinen Erfolg hatte, weil der Verlust nicht im Streitjahr steuerlich zu berücksichtigen war. Der Annahme des Finanzgerichts Münster, dass ohne die Verwendung des Begriffes Grundkapital für die „authorized shares“ und ohne Angabe eines Grundkapitals mangels Kapital keine mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbare Kapitalgesellschaft vorliegen würde, folgt das Gericht nicht. Die Beurteilung der Frage, ob eine „wesentliche Beteiligung“ vorliegt, ist zu trennen von dem Vergleich der INC. mit einer deutschen Aktiengesellschaft. Für das Vorliegen einer ähnlichen Beteiligung ist die Eintragung der „authorized shares“ als Kapital der INC. ausreichend und maßgeblich, nicht jedoch als Bezugsgröße für die relevante Beteiligungshöhe.
ii) Dem Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27.11.2013 (11 K 3458/11 E, EFG 2014, 341) kann weiter nicht dahin gefolgt werden, dass die Maßgeblichkeit der „issued and outstanding shares“ dazu führt, die Beteiligung am „Kapital“ im Sinne einer Beteiligung am tatsächlichen Vermögen auszulegen. Dies ist nach Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.
Nach dem Sinn und Zweck des § 17 EStG, den realisierten Substanzzuwachs der Gesellschaft zu versteuern (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, 40. Aufl. 2021, EStG § 17 Rn. 3), sind die „issued and outstanding shares“ maßgeblich, da erst mit der Ausgabe der Aktien ein Anspruch eines shareholders am Liquidationserlös oder auf Dividendenzahlungen entsteht. Den Anteil an der Gesamtsumme der Rechte am Kapital gilt es jedoch für Zwecke des § 17 EStG festzustellen.
Das Abstellen auf die „issued and outstanding shares“ mit einem Wert von je 0,0001 US-$ lässt aber keine Schlussfolgerung dahin zu, ob die Einlagen tatsächlich erbracht sind oder das Vermögen höher ist als die „issued and outstanding shares“, weil z.B. Gewinne erzielt wurden, die nicht ausgeschüttet, sondern in das „surplus“ (Gewinnrücklagen) eingestellt worden sind. Vielmehr sind die „issued and outstanding shares“ deshalb als maßgebliches „Kapital“ anzusehen, weil sie eine vergleichbare Bezugsgröße für die wertmäßige Gesamtheit der verkörperten Gesellschafterrechte darstellen.
jj) Dabei folgt das Gericht nicht der Auffassung des Beklagten, dass auf das Kapital in Höhe der „issued and outstanding shares“ abzustellen ist, da der Beschluss der Aktieninhaber und Optionsinhaber vom … 08.2009 einer Kapitalherabsetzung bis zur Höhe der „issued and outstanding shares“ gleichkommen würde, weil die Aktien nicht mehr an einer Börse gehandelt werden sollten.
Nach dem Recht des Staates Delaware hätte die Herabsetzung der „authorized shares“ zu einer Änderung der „articles of incorporation“ führen müssen. Dies ist aber nach der im Dezember 2017 aus den USA angeforderten aktuellsten Version nicht erfolgt. Die Nennung der 37 277 808 „issued and outstanding shares“ in dem Hinweis auf die Versammlung vom … 08.2009 gab nur die Anzahl der stimmberechtigten Aktien an.
Auch aufgrund der Eintragung auf der Internetseite „NASDAQ.com“ am … 2010 mit dem Status „withdrawal“ kann nicht auf eine Herabsetzung der „authorized shares“ geschlossen werden.
Im Übrigen reichte die INC. ab der Versammlung im August 2009 weiterhin die erforderlichen Berichte bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC ein, gab am … 2010 das „FORM S-1“ („Registration Statement“) zur Registrierung unter dem Securities Act von 1933 ab, den die INC. erst am … 2011 mit dem „Form RW“ widerrufen hat. Dies sind Anzeichen, dass ein Handel der Aktien an einer US-Börse weiter nicht ausgeschlossen war.
kk) Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folgen würde, dass das Kapital in Höhe der „authorized shares“ maßgeblich sei, stand jedoch spätestens mit Unterzeichnung des Verschmelzungsvertrages am … 2010 fest, dass das „Kapital der Gesellschaft“ i.S.d. § 17 EStG nicht mehr die im „Agreement and Plan of Merger“ genannte Zahl von 37 224 215 ausgegebenen und ausstehenden Aktien, „issued and outstanding shares“, überschreiten wird.
Am Tag der Unterzeichnung des Verschmelzungsvertrags am … 2010, d.h. noch vor der Wirksamkeit der Verschmelzung, stand fest, dass 37 224 215 Aktien ausgegeben und ausstehend waren („37 224 215 shares were issued and outstanding“, vgl. Art. III Sec. 3.02 Capital Structure des Verschmelzungsvertrages), deren Inhaber stimmberechtigt waren und zu einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf ein Verschmelzungsentgelt hatten. Eine Ausgabe weiterer Aktien bis zur Höhe der „authorized shares“ war damit ausgeschlossen, so dass hilfsweise anzunehmen ist, dass sich spätestens zum Zeitpunkt der Vereinbarung und des Verschmelzungsplans vom … 2010, die Gesamtzahl der Anteile, aufgrund derer die Anteilsinhaber die Gesellschafterrechte ausüben konnten und durften und damit die Gesamtheit der Rechteinhaber am Kapital der INC. verkörperten, auf die Anzahl der „issued and outstanding shares“ reduziert haben.
e) Der Steuerpflichtige hielt zwischen dem Tag des Verschmelzungsvertrags vom … 2010 und des Kaufvertrags vom … 2008 unverändert 1 296 165 Anteile an der INC.. Dies waren über den gesamten Zeitraum von gut 2 Jahren mehr als 1% der „issued and outstanding shares“ als maßgebliche Bezugsgröße. Nach dem „Agreement and Plan of Merger“ waren 37 224 215 „issued and outstanding shares“ Gegenstand des Vertrages und konnten für ihre Inhaber („shareholder“) ein Recht auf Abfindung begründen. Dies entspricht einem Anteil von 3,48% an den „issued and outstanding shares“, so dass die Grenze von 1% überschritten ist.
5. Die Verschmelzung aufgrund des „Agreement and Plan of Merger“ ist als Veräußerungstatbestand i.S. des § 17 EStG zu beurteilen.
Unter Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des rechtlichen oder zumindest des wirtschaftlichen Eigentums von Anteilen, die zu einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG rechnen, auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen. Der Tatbestand der Veräußerung wird nicht im Zeitpunkt des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes (z.B. Kaufvertrag), sondern erst mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums verwirklicht.
Die bloße Rückgabe von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (im Rahmen eines Rückabwicklungsverhältnisses) ist keine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG, anders die Rückveräußerung. Eine Veräußerung ist aber auch dann gegeben, wenn sie nicht freiwillig erfolgt, sondern die Anteile etwa im Wege der Zwangsversteigerung entzogen werden oder die Veräußerung durch den Sicherungsnehmer, Pfandgläubiger oder Insolvenzverwalter erfolgt (vgl. Strahl in: Korn, EStG 130. EL, § 17 Rn. 52).
Mit der Einziehung von Anteilen und dem Erwerb eigener Anteile vergleichbar ist die Rechtslage beim Austritt oder Ausschluss eines Gesellschafters aus der Kapitalgesellschaft. In beiden Fällen kommt es entweder zur Einziehung der betreffenden Anteile (§ 17 Abs. 4) oder diese werden gegen finanzielle Ersatzleistung übertragen. In beiden Fällen werden folglich Besteuerungstatbestände i.S.v. § 17 erfüllt (vgl. Gosch in: Kirchhof, EStG, 20. Aufl. 2021, § 17 EStG Rn. 54).
Die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Gesellschaft im Inland (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwStG) führt mit der Eintragung des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers in das Handelsregister immer zum Erlöschen der übertragenden Kapitalgesellschaft (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwStG). Die Verschmelzung bedingt damit notwendigerweise die Auflösung der Kapitalgesellschaft als übertragenden Rechtsträger.
Auch die Umwandlung einer ausländischen Kapitalgesellschaft führt beim inländischen Anteilseigner regelmäßig ebenfalls zur Besteuerung als Auflösungstatbestand nach § 17 Abs. 4 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 22.02.1989 I R 11/85, BStBl II 1989, 794). Der Zeitpunkt des Rechtsübergangs und damit der Entstehung eines Veräußerungsverlustes oder Veräußerungsgewinns richtet sich, wenn die den Verlust auslösende Übertragung zivilrechtlich nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, nach dem betreffenden ausländischen Recht (vgl. BFH-Urteil vom 21.10.1999 I R 43, 44/98, BStBl II 2000, 424).
Die Verschmelzung und der Tausch der Anteile in ein Vermögensrecht im Gegenwert von 6,10 US-$ erfüllt den Tatbestand des § 17 Abs. 4 EStG.
Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
6. Der Beklagte hat den Gewinn aus der Veräußerung zu Recht im Jahr 2011 der Besteuerung unterworfen.
Der gewerbliche Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 EStG ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Er ist nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts zu ermitteln, abweichend von dem Zuflussprinzip des § 11 EStG. Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre.
Der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 EStG entsteht weder mit Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts noch im Zeitpunkt des Zuflusses des Kaufpreises oder des Verschmelzungsentgelts, sondern wird nach bilanzrechtlichen Grundsätzen in dem Zeitpunkt realisiert, in dem der Erwerber der Beteiligung das wirtschaftliche Eigentum erlangt und der Veräußerer es verliert (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu allgemein Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 17 Rz. 131, m.w.N., und BFH-Urteile vom 17.02.2004 VIII R 26/01, BStBl II 2004, 651; vom 19.04.2005 VIII R 68/04, BStBl II 2005, 762; vom 11.05.2010 IX R 26/09, BFH/NV 2010, 2067; vom 04.02.2020 IX R 7/18, BFH/NV 2020, 864).
Regelmäßig ist dies der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (vgl. BFH-Urteile vom 10.03.1988 IV R 226/85, BStBl II 1988, 832; vom 31.01.2017 IX R 40/15, BFH/NV 2017, 572; vom 04.02.2020 IX R 7/18, Juris). Das wiederum bestimmt sich im Regelfall nach zivilrechtlichen Kriterien (vgl. BFH-Urteil vom 16.05.1995 VIII R 33/94, BStBl II 1995, 870). Fallen rechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander, ist Letzteres maßgeblich. Auf den Zeitpunkt, in dem der zugrundeliegende Kausalvertrag geschlossen worden ist, kommt es nicht an.
Bei Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit Barabfindung nach deutschen Rechtsvorschriften (vgl § 30 UmwG) ist ein Gewinn i.S.v. § 17 zu dem Zeitpunkt realisiert, in dem die Vermögensübertragung wirksam wird (Widmann, StbJb 85/86, 113; Schmidt/Weber-Grellet, 40. Aufl. 2021, EStG § 17 Rn. 135).
Nach den Rechtsvorschriften des US-Staates Delaware wurde die Verschmelzung der Merger Sub auf die INC. und der Fortbestand von INC. als 100%-ige Niederlassung der Muttergesellschaft mit der gleichzeitigen Nichtigerklärung der Aktien und dem automatischen Recht auf Erhalt des Verschmelzungsentgelts von 6,10 US-$ je Aktie im Jahr 2011 wirksam.
Die Verschmelzung ist am … 2011 als Ergebnis der Einreichung der Verschmelzungsurkunde („Certificate of Merger“) bei dem Secretary of State von Delaware in Kraft getreten.
Neben der Unterzeichnung des Verschmelzungsvertrages mussten verschiedene andere Ereignisse eintreten, die Zustimmung durch die Mehrheit der Aktionäre, wobei die Hauptaktionäre bereits 56,8% ausmachten, sowie verschiedene Einreichungs- und Vorlagepflichten, zuletzt auch gegenüber dem Secretary of State, erfüllt werden.
Nach dem Verschmelzungsvertrag war es bis zur sog. „Effective Time“ (Article 1 Section 1.03) möglich, dass die Verschmelzung nicht bzw. zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden würde (vgl. hierzu Art. 1 Sec. 1.03 des Verschmelzungsvertrages: „[…] The Merger will become effective at such time as the Certificate of Merger has been duly filed with, and accepted by, the Secretary of State of the State of Delaware or at such later date or time as may be agreed by the Company and Parent […]” sowie auf Article VII Section 7.01: “This agreement may be terminated at any time prior to the Effective Time (notwithstanding any approval of this Agreement by the stockholders of the Company) by mutual written consent of Parent and the Company. […]“
Vgl. zur „Effective Time“ der Verschmelzung am … 2011 die verschiedenen Berichte und Einreichungen auf der Seite der Börsenaufsichtsbehörde SEC, da infolge der Verschmelzung auch die Berichtspflicht der INC. als eigenständige Gesellschaft endete: „FORM S-8 POS“ vom … 2011, (https://www.sec.gov/); „Certification and notice of termination of registration“ vom … 2011, „Form 15“ (https://www.sec.gov/) sowie den Antrag auf Rücknahme der Registrierung vom … 2011 („Request for Withdrawal of Registration Statement on Form S-1“), „FORM RW“ (https://www.sec.gov/…).
Auch die weiteren eingereichten Berichte bei der SEC nehmen ausdrücklich auf den … 2011 als Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung Bezug.
Dass die letzte Vorlage der Aktienzertifikate durch den Steuerpflichtigen und infolgedessen die letzte Teilzahlung des Verschmelzungsentgelts erst im Jahr 2012 erfolgte, hat für die Realisierung des Veräußerungsgewinns und damit das Jahr, in dem die Besteuerung zu erfolgen hat, keine Bedeutung.
7. Der Veräußerungsgewinn ist zu Recht in Höhe von 2.488.120 € besteuert worden.
Der Höhe des Veräußerungsgewinns wurde durch die Betriebsprüfung korrekt ermittelt und ist zwischen den Beteiligten unstrittig.
Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG in der im Streitjahr anwendbaren Fassung).
Das Verschmelzungsentgelt betrug umgerechnet in Euro insgesamt 5.707.840 € bei Anschaffungskosten – ermittelt durch die Betriebsnahe Veranlagung für 2008 – in Höhe von insgesamt 1.560.972 €. Der sich daraus ergebende Veräußerungsgewinn ist zu 60% von 4.146.838 € zu versteuern (§ 3 Satz 1 Nr. 40 EStG), mithin mit einem Betrag von 2.488.120 €.
II. Deutschland steht das ausschließliche Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn gem. Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 04.06.2020 (DBA-USA 2008) zu.
Gem. Art. 13 Abs. 5 DBA-USA 2008 kann die Veräußerung des in den vorgenannten Absätzen des Art. 13 DBA-USA 2008 nicht genannten Vermögens nur im Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist.
Der Steuerpflichtige war aufgrund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG und damit ansässig im Vertragsstaat Deutschland gem. Art. 4 Abs. 1 DBA-USA 2008.
Die Veräußerung von Anteilen an Gesellschaften im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA 2008, dazu zählt die INC. als juristische Person, ist in den Absätzen 1 bis 4 von Art. 13 DBA-USA 2008 nicht genannt, so dass sich das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 5 DBA-USA 2008 richtet. Die Gewinne aus der Veräußerung der im Privatvermögen gehaltenen Anteile an der INC. dürfen daher nur in Deutschland besteuert werden.
III. Das Finanzamt war berechtigt, den Einkommensteuerbescheid 2011 mit Einspruchsentscheidung vom 06.11.2020 zu Lasten des Klägers als Rechtsnachfolger des Steuerpflichtigen zu ändern und die Einkommensteuer 2011 auf 1.327.997,00 € zu erhöhen, da es den nötigen Verböserungshinweis erteilt hatte.
Gem. § 367 Abs. 2 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO).
Durch den Verböserungshinweis soll erreicht werden, dass der Steuerpflichtige einer verbösernden Entscheidung durch rechtzeitige Rücknahme seines Einspruchs zuvorkommen kann (BFH-Urteil vom 10.11.1989 VI R 124/88, BStBl II 1990, 414, Rn. 7). Eine explizite Belehrung auf diese Möglichkeit der Rücknahme ist dabei nicht erforderlich (Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 261. Lieferung 02.2021, § 367 AO, Rn. 196).
Mit Schreiben vom 22.09.2020 hat der Beklagte einen Verböserungshinweis im Sinne von § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorgenommen.
Das Finanzamt hat den steuerlichen Vertreter des Klägers darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt, den Veräußerungsgewinn um den Betrag von 444.616 € zu erhöhen. Durch die Bezugnahme auf die bereits erfolgte Ankündigung in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht Nürnberg wegen Einkommensteuer 2012 am 16.09.2020 und die ergangene Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 2012 machte das Finanzamt deutlich, dass der Veräußerungsgewinn um den Betrag erhöht wird, der bisher im Veranlagungsjahr 2012 erfasst war. In dieser Einspruchsentscheidung wurden dem Kläger auch nochmals die gesetzlichen Grundlagen und die rechtliche Auffassung des Beklagten zu den einzelnen Rechtsfragen bei der Anwendung des § 17 EStG auf den streitigen Sachverhalt dargestellt. Dem Kläger wurde im gleichen Schreiben Gelegenheit eingeräumt zur Stellungnahme zum Einspruch und zu den beabsichtigten Änderungen.
Das Gericht kann es aufgrund des vorliegenden korrekten Hinweises gem. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO dahinstehen lassen, ob der Verböserungshinweis entbehrlich war, weil der Beklagte auch nach der Rücknahme des Einspruchs berechtigt gewesen wäre, den Einkommensteuerbescheid 2011 gem. § 174 Abs. 4 AO zu ändern.
Der Kläger nahm den Einspruch nicht zurück, so dass es nicht zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheides 2011 gem. § 174 Abs. 4 AO kam.
IV. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
Das Finanzgericht Münster hat in seinen Urteilen vom 27.11.2013 (11 K 3468/11 E, EFG 2014, 341) und vom 06.12.2016 (7 K 3225/13 E, EFG 2017, 129) – in Abweichung vom vorliegenden Urteil – die „authorized shares“ als maßgebliche Bezugsgröße bei Anwendung des § 17 EStG angesehen, wobei das Urteil aus dem Jahr 2016 ebenfalls zu einer US-Corporation, gegründet nach dem Recht des Staates Nevada, ergangen ist.
V. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er in der Sache unterlegen ist.


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