Bankrecht

Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses für Ansprüche aus Prospekthaftung

Aktenzeichen  34 AR 257/15

Datum:
21.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 32b Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281

 

Leitsatz

1. Zur Frage der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, der für Ansprüche aus Prospekthaftung “im weiteren Sinne” die Anwendbarkeit von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO verneint. (amtlicher Leitsatz)
2. Ergeht auf der Grundlage eines Antrags eine Verweisung an ein anderes als zuständig erachtetes Gericht, weil das Gericht das vom Kläger bezeichnete für nicht zuständig hält, führt dies nicht zwangsläufig zur fehlenden Bindung des anderen Gerichts. (amtlicher Leitsatz)
Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses tritt ausnahmsweise nur dann nicht ein, wenn die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher willkürlich ist oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (ebenso BGH BeckRS 9998, 164592). (redaktioneller Leitsatz)
Die ausschließliche örtliche Zuständigkeit am Sitz des betroffenen Emittenten oder Anbieters nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt unter anderem voraus, dass ein – vertraglicher oder gesetzlicher – Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformation geltend gemacht wird. Dass sich die Klage zumindest auch gegen den Emittenten oder Anbieter richtet, ist im Anwendungsbereich der Nr. 1 nicht erforderlich (ebenso BGH BeckRS 2013, 14149 Rn. 28). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

35 O 6739/15 2015-10-05 Bes LGMUENCHENI LG München I

Gründe

Oberlandesgericht München
34 AR 257/15
Beschluss
vom 21.01.2016
LG Berlin – 3 O 283/15
LG München I – 35 O 6739/15
34. Zivilsenat
In dem gerichtlichen Bestimmungsverfahren
M.
– Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XY
gegen
B.
– Beklagte
Prozessbevollmächtigte: X
wegen Schadensersatz
erlässt das Oberlandesgericht München – 34. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lorbacher, die Richterin am Oberlandesgericht Paintner und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwegler am 21.01.2016 folgenden Beschluss
Örtlich zuständig ist das Landgericht Berlin.
Gründe:
I. Mit Klageschrift vom 16.4.2015 zum Landgericht München I (Az. 35 O 6739/15) begehrt der im Bezirk des Landgerichts Mannheim wohnhafte Kläger von der in Berlin ansässigen Beklagten Schadensersatz wegen einer verlustbringenden Kapitalanlage, nämlich seiner über die Beklagte vermittelten Beteiligung gemäß Erklärung vom 4.5.2005 an einem am 4.3.2005 in das Handelsregister (K 5) eingetragenen Medienfonds (Equity Pictures Medienfonds GmbH & Co. KG IV) mit Verwaltungssitz in Grünwald (Landgerichtsbezirk München I). Gründungskommanditistin war nach dem Handelsregisterauszug (K 5) eine E. P. AG, die als solche auch im Emissionsprospekt – Stand: 11.3.2005 – (K 7, S. 99) aufgeführt war.
Bei der Beklagten handelt es sich dem Klägervortrag zufolge um die Direktkommanditistin, Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin der Fondsgesellschaft. Diese wurde am 2.11.2005 unter ihrer früheren Firma als Kommanditistin im Handelsregister (K 5) eingetragen, soll jedoch bereits im Zeitpunkt des Beitritts des Klägers mit der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft über ihren Eintritt als Treuhandkommanditistin einig gewesen und damit nach Meinung des Klägers haftungsrechtlich als solche zu behandeln sein.
Seine Ansprüche stützt der Kläger auf Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus der Stellung der Beklagten als Treuhandkommanditistin, ferner auf vorsätzlich sittenwidrige Schädigung wegen tatsächlich nicht stattgefundener Mittelverwendungskontrolle. Die Beratung seines von ihm dazu eingeschalteten Vaters durch den Vermittler R. – beide ansässig im Bezirk des Landgerichts Tübingen – habe anhand des damals vorliegenden Emissionsprospekts stattgefunden. Sein Vater habe für ihn stellvertretend die Beteiligung im Büro des Vermittlers gezeichnet. Der Prospekt sei in erheblichem Umfang mangelhaft gewesen (fehlerhaft kalkulierte Rendite, Totalverlustrisiko, steuerliche Auswirkungen; unrichtige Darstellung der Mittelverwendungskontrolle); darüber sei nicht aufgeklärt worden.
Das Landgericht München I hielt sich gemäß den Parteien mitgeteilter schriftlicher Verfügung vom 27.7.2015 für örtlich nicht zuständig. Mitverklagt seien nicht die zu § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO bezeichneten Personen. Eine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil die Beklagte nach dem Klägervortrag nicht Prospektverantwortliche sei. Für eine Zuständigkeit des angegangenen Gerichts nach § 32 ZPO fehle es an schlüssigem Tatsachenvortrag.
Mit Beschluss vom 5.10.2015 hat sich das Gericht für örtlich unzuständig erklärt und „auf den Hilfsantrag des Klägers“ den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Begründet hat das Landgericht dies noch damit, dass zwar geltend gemacht sei, die Beklagte habe die Stellung einer aufklärungspflichtigen Gründungsgesellschafterin übernommen; nicht behauptet werde jedoch, sie habe etwas mit dem Management der Gesellschaft zu tun oder beherrsche sie gar, sei es nach außen hin zutage tretend oder als „Hintermann“. Ebenso wenig sei vorgetragen, dass die Beklagte eine Garantenstellung eingenommen habe und durch ihre Mitwirkung bei der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sei. Ihre Eigenschaft als Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin reiche für eine Prospektverantwortlichkeit nicht aus. Der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichenden Auffassung des Kammergerichts (Urteil vom 11.5.2015, 2 U 5/15, juris), dass jeder aufklärungspflichtige Gründungsgesellschafter einer Fonds-KG zugleich Prospektverantwortlicher i. S. v. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO sei, werde nicht gefolgt. Auch im Hinblick auf § 32 ZPO sei eine Zuständigkeit des Landgerichts München I nicht gegeben.
Die Verweisung an das als Sitzgericht örtlich zuständige Landgericht Berlin erfolge auf den Hilfsantrag des Klägers. Eine Verweisung an das Landgericht Mannheim – wie von ihm beantragt – komme nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für den Verbrauchergerichtsstand nach § 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht schlüssig dargelegt seien. Eine Haustürsituation habe offensichtlich nicht bestanden, nachdem der Kläger eingeräumt habe, dass sein Vater für ihn die Unterschrift am Unternehmenssitz des Beraters – in dessen Büro -geleistet habe.
Das Landgericht Berlin hat mit undatierter, am 22.12.2015 an die Parteien hinausgegebener Entscheidung (Az. 3 O 283/15) sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht München zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
Es hat den Standpunkt vertreten, der ergangene Verweisungsbeschluss sei wegen Fehlens jeder rechtlichen Grundlage objektiv willkürlich und für das angegangene Gericht nicht bindend. Zum einen habe sich das Landgericht München I über den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag („an das Landgericht Mannheim“) hinweggesetzt, auf dessen Grundlage nicht an das Landgericht Berlin habe verwiesen werden können. Zum anderen komme das verweisende Gericht zu einem völlig unvertretbaren Ergebnis, indem es bei § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine Tatbestandsvoraussetzung verlange, die vom Wortlaut nicht gedeckt und nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung auch nicht gefordert sei. Geltend gemacht sei ein Anspruch wegen falscher öffentlicher Kapitalmarktinformationen. Dann sei das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten/Anbieters ausschließlich zuständig. Auch Ansprüche gegen einen „sonstigen Prospektverantwortlichen“ (aus Prospekthaftung im weiteren Sinne) würden von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.7.2013 (X ARZ 320/13 = NJW-RR 2013, 1302) werde missverstanden.
II. Auf die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zulässige Vorlage ist die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin zu bestimmen. Denn dieses Gericht ist an den ergangenen Verweisungsbeschluss vom 5.10.2015 gebunden. Es wäre deshalb auch daran gehindert, auf den erneuten Hilfsantrag des Klägers vom 11.12.2015 den Rechtsstreit an das Landgericht Mannheim weiterzuverweisen (Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 281 Rn. 19).
1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung sind gegeben, nämlich einerseits der grundsätzlich bindende Verweisungsbeschluss (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) des Landgerichts München I vom 5.10.2015 und andererseits der die Entscheidungskompetenz abschließend verneinende, den Parteien unter dem 22.12.2015 bekannt gegebene Beschluss des angegangenen Landgerichts Berlin (vgl. BGH NJW-RR 2013, 764; BGHZ 102, 338/340; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 36. Aufl. § 36 Rn. 23 m. w. N.).
2. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I entfaltet Bindungswirkung, weil er jedenfalls nicht willkürlich und namentlich auch nicht unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangen ist.
a) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten; denn die Bindungswirkung wirkt im Bestimmungsverfahren fort (Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28 m. w. N.). Um langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten unter Gerichten auszuschließen, wird es hingenommen, dass auch unrichtige oder verfahrensfehlerhaft ergangene Beschlüsse in der Regel binden und demnach selbst ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss der Nachprüfung entzogen ist (Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28 m. w. N.). Nur ausnahmsweise tritt die Bindungswirkung dann nicht ein, wenn die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher willkürlich ist oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGHZ 102, 338/341 und st. Rspr.; siehe Zöller/Greger § 281 Rn. 17 und 17a; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28). Namentlich genügt es nicht, wenn ein Gericht sich mit der Norm, die seine Zuständigkeit begründet, entweder nicht befasst oder aber deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat, der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Vielmehr bedarf es besonderer Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (z. B. BGH NJW-RR 2015, 1016 bei Rn. 11). Ein Abweichen von der herrschenden Rechtsprechung als solches beseitigt nicht schon die Bindung (BGH NJW 2003, 3201; Zöller/Greger § 281 Rn. 17). Denn eine Präjudizienwirkung ist dem deutschen Recht grundsätzlich fremd (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1498). Die Bindungswirkung ist namentlich auch dann zu verneinen, wenn der Verweisungsbeschluss unter entscheidungserheblicher Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs ergangen ist (z. B. BGHZ 102, 338/341; 71, 69/72; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28), was der Fall sein kann, wenn das Gericht den Kerngehalt des Parteivortrags verkennt und ihm beispielsweise einen Sinngehalt gibt, den ihm die Partei gerade nicht beimisst (vgl. BVerfG vom 4.8.2004 – 1 BvR 698/03, 1 BvR 699/03, 1 BvR 700/03, 1 BvR 701/03 – juris; BGH NJW 2009, 2137; vom 20.10.2008 – II ZR 207/07 – juris).
b) Der Umstand, dass das Landgericht München I ohne ausdrücklichen Antrag des Klägers an das Landgericht Berlin verwiesen hat, bedingt keinen Verlust der dem Beschluss gesetzlich zuerkannten Bindungswirkung.
(1) Nach herrschender Meinung (Leipold in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 281 Rn. 22; MüKo/Prütting ZPO 4. Aufl. § 281 Rn. 33; Hk-ZPO/Saenger 6. Aufl. § 281 Rn. 14) braucht der Kläger in seinem (Hilfs-)Antrag auf Verweisung grundsätzlich nicht das nach seiner Ansicht zuständige Gericht zu bezeichnen. Bezeichnet er dies – wie hier mit dem aus seiner Sicht nach § 29c ZPO für Hautürgeschäfte zuständigen Gericht – und hält das befasste Gericht das bezeichnete Gericht für unzuständig, so ist die Klage abzuweisen, wenn der Kläger an seinem Antrag weiterhin festhält (Leipold in Stein/Jonas; MüKo/Prütting und Hk-ZPO/Saenger je a. a. O.). In diesem Sinne musste der Klägervortrag aber nicht verstanden werden.
(2) Aus dem gerichtlichen Hinweis vom 2.9.2015, dass das Landgericht München I an seiner Ansicht festhält, eine Verweisung an das „örtlich zuständige Landgericht“ beabsichtigt sei, aber das vom Kläger bezeichnete Gericht (Landgericht Mannheim) nicht als örtlich zuständig erachtet werde, konnte dieser unschwer entnehmen, dass eine Verweisung an das im Übrigen nur in Frage kommende Landgericht Berlin (§§ 12, 13, 17 ZPO) beabsichtigt war. Der Kläger hat zwar mit Schriftsatz vom 1.10.2015 nur zur „Haustürsituation“ ergänzend vorgetragen und damit deutlich gemacht, dass er den besonderen Gerichtsstand des Landgerichts Mannheim nach § 29c ZPO dennoch für begründet erachtet. Aus dem Schriftsatz ergibt sich aber nichts dafür, dass er sich einer Verweisung an ein von der befassten Kammer als zuständig erachtetes anderes Gericht widersetzt. Die Auslegung des klägerseitigen Vorbringens durch das Landgericht München I, dass der Verweisung an das Landgericht Berlin damit jedenfalls nicht die ausdrückliche Bezeichnung des Landgerichts Mannheim entgegen stehe, ist somit jedenfalls frei von Willkür und verstößt namentlich nicht gegen das Gebot rechtlichen Gehörs. Dies wird auch indirekt dadurch bestätigt, dass der Kläger im Schriftsatz vom 11.12.2015 gegenüber dem Landgericht Berlin nur erklärt, es verbleibe bei der im Schriftsatz vom 31.8.2015 vertretenen Rechtsauffassung zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim. Dass das verweisende Landgericht hingegen unter Verkennung seines ausdrücklichen – höchsthilfsweisen – Willens eine Verweisung an das nun befasste Landgericht Berlin vorgenommen hätte, wird nicht vorgebracht.
c) Auch im Übrigen bindet der landgerichtliche Verweisungsbeschluss.
(1) Dabei kann dahin stehen, ob nicht bereits der Umstand, dass die Beklagte erst nach der Prospekterstellung und nach dem Beitritt des Klägers die Stellung der vormaligen Gründungskommanditistin übernommen hatte, gegen eine Prospektverantwortlichkeit spricht (vgl. auch KG – 27. Senat – vom 12.5./16.7.2015, 27 U 31/15 – Anl. BV A 12 und 13). Die Klägerseite stützt sich insoweit allein auf die Annahme, eine mögliche Haftung der Beklagten bestehe unter dem Gesichtspunkt, dass sie „wie eine Gründungsgesellschafterin“ zu behandeln sein könnte.
(2) Die Annahme, dass sich die – ausschließliche – Zuständigkeit des Landgerichts München I nicht aus § 32b Abs. 1 (Nr. 1) ZPO ergibt, ist – zumindest – nicht willkürlich.
aa) Die ausschließliche örtliche Zuständigkeit am Sitz des betroffenen Emittenten oder Anbieters nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO (i. d. F. vom 19.10.2012, BGBl I S. 2182) – die Alternative der Nr. 2 kommt ersichtlich nicht in Betracht, weil neben einem Verwender nicht auch der Emittent oder Anbieter mitverklagt ist (BGH NJW-RR 2013, 1302, Rn. 28; Zöller/Vollkommer § 32b Rn. 7; Reuschle/Kruis in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 32b Rn. 65 f.) – setzt u. a. voraus, dass ein – vertraglicher oder gesetzlicher – Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformation geltend gemacht wird. Dass sich die Klage zumindest auch gegen den Emittenten oder Anbieter richtet, ist im Anwendungsbereich der Nr. 1 nicht erforderlich (BGH a. a. O.; Reuschle/Kruis in Wieczorek/Schütze § 32b Rn. 45 f., 49). Das Landgericht München I hat für die von ihm zutreffend herangezogene Alternative der Nr. 1 erkannt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung neben dem Emittenten oder Anbieter auch andere Personen (sonstige Prospektverantwortliche, „Garanten“; vgl. Zöller/Vollkommer § 32b Rn. 6) als Beklagte in Frage kommen, für die der Gerichtsstand des Emittenten oder Anbieters begründet ist. Es meint indessen, aus der bezeichneten Funktion allein nicht auf eine Prospektverantwortlichkeit der Beklagten im Sinne einer Zuständigkeitsbegründung nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO schließen zu können. Mit der Entscheidung des Kammergerichts vom 11.5.2015 (2 U 5/15, juris = Anl. A 18 BV) hat es sich auseinandergesetzt. Es meint jedoch, aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung in Bezug auf Prospektfehler folge nicht ohne – weiteres Prospektverantwortlichkeit, die nur einen bestimmten Personenkreis umfasse. Hierzu beruft sich das Landgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.7.2013 (Rn. 16: …“insbesondere diejenigen Personen, … die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. … namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der so genannten „Hintermänner“. … auch diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind“). Dass die Beklagte diesem Personenkreis nicht zugehört, konnte das verweisende Gericht dem Klägervortrag willkürfrei entnehmen.
bb) Der Senat hatte sich in seiner Entscheidung vom 8.10.2015 (34 AR 213/15) mit einer Anlegerklage gegen dieselbe Beklagte im Zusammenhang mit dem Vorgängerfonds (III) in der entgegengesetzten Konstellation zu befassen. Dort stützte sich ein Landgericht für seinen Beschluss nach § 281 Abs. 1 ZPO auf das Urteil des Kammergerichts vom 11.5.2015 mit der Folge, dass auch dann, wenn die Klage nicht gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet wird (§ 32b Abs. 1 letzter Halbs. ZPO), sich die ausschließliche örtliche Zuständigkeit für derartige Klagen nach dem Sitz des Prospekt-Emittenten richtet. Der Senat ist dort davon ausgegangen, dass Verweisungsbeschlüsse, die sich auf eine nicht offensichtlich abwegige obergerichtliche Rechtsprechung stützen, ihrerseits nicht greifbar gesetzeswidrig sind. Er hat auch keinen Anlass gesehen, sich vertieft mit der Entscheidung des Kammergerichts auseinanderzusetzen, und ausgeführt, der Bundesgerichtshof habe bisher – soweit ersichtlich -noch nicht abschließend entschieden (BGH NJW-RR 2008, 1129), ob allein die – unterstellte -Stellung als Gründungskommanditistin (und Treuhandkommanditistin) die Prospektverantwortlichkeit (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO) begründe. Entscheidend sei an dieser Stelle allein, dass der Verweisungsbeschluss auch dann nicht bereits schlechterdings untragbar wäre, wenn die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte ein Anwendungsfall des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bilde, fehlerhaft beurteilt worden wäre. Obgleich der Kläger keinen konkreten Sachvortrag zu einer Einflussnahme der Beklagten auf den Prospektinhalt bringe, sondern in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stelle, die Beklagte sei haftungsrechtlich wie eine Gründungskommanditistin zu behandeln, erscheine die Sicht des abgebenden Gerichts, der Klagevortrag beruhe auf einer schlüssigen Behauptung der Prospektverantwortlichkeit „als“ Gründungskommanditistin, jedenfalls nicht als willkürlich.
cc) Hier gilt für die Bindungsfrage nichts anderes. Der Kläger stützt seine Ansprüche ersichtlich auf sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne, nämlich darauf, dass die Beklagte in ihrer Rolle als Treuhandkommanditistin und/oder Mittelverwendungskontrolleurin dem Kläger aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung hafte und sie sich das Verschulden des Beraters aus unrichtiger Aufklärung – anhand des fehlerhaften Prospekts – zurechnen lassen müsse (BGH vom 14.5.2012, II ZR 69/12 = juris Rn. 9 ff.), ferner auf vorsätzlich sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) im Zusammenhang mit ungenügender Aufklärung über auch bei diesem Fonds bestehende Risiken aus der fehlenden Mittelverwendungskontrolle bei dem beworbenen Vorgängerfonds. Solche Ansprüche unterfallen einer – auch vom Senat bisher befürworteter (vgl. etwa Beschlüsse vom 9.12.2015, 34 AR 240/15 und 34 AR 211/15, vom 21.9.2015, 34 AR 166/15; aber auch vom 15.9.2015, 34 AR 189/15) – Meinung zufolge § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO, nicht jedoch § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. Reuschle/Kruis in Wieczorek/Schütze § 32b Rn. 48 a. E.: dort als „ h. M.“ bezeichnet; ferner Rn. 59; siehe auch Roth in Stein/Jonas ZPO 23. Aufl. § 32b Rn. 9 und 11; a. A. OLG Karlsruhe vom 25.2.2014, 17 U 242/12, juris). Diese Auslegung ist jedenfalls frei von Willkür, zumal die gesetzliche Neufassung durch das KapMuG 2012 die Einbeziehung von Anlageberatern oder Anlagevermittlern (Nr. 2) zum Gegenstand hatte (BT-Drucks. 17/8799, S. 27), nicht aber eine Ausdehnung des von Nr. 1 erfassten Anwendungsbereichs, der sich mit dem des § 1 Abs. 1 KapMuG deckt (vgl. BGH NJW 2007, 1364; auch OLG Karlsruhe vom 25.2.2014, juris Rn. 32; Reuschle/Kruis in Wieczorek/Schütze § 32b Rn. 59). Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüche aus der sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend gemacht werden, können jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von vornherein nicht Gegenstand eines Musterverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt (zusammenfassend BGH WM 2012, 115 Rn. 14 m. w. N.; Reuschle/Kruis in Wieczorek/Schütze § 32b Rn. 59). Insoweit verhält sich dazu auch nicht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.7.2013. Vielmehr geht es dort (u. a.) um die entgegengesetzte – verneinte – Frage, ob die Neufassung den Anwendungsbereich der Nr. 1 einschränkt (BGH a. a. O. Rn. 25; Reuschle/Kruis in Wieczorek/Schütze § 32b Rn. 17 und 47).
dd) Im Übrigen entspricht die Unterscheidung zwischen Prospektverantwortlichkeit -Prospekthaftung im engeren Sinne – und Haftung für Prospektfehler aus (vor-)vertraglicher Beziehung (§§ 311, 280, 241 Abs. 1 BGB) – Prospekthaftung im weiteren Sinne – auch aktuell der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH WM 2015, 2238 Rn. 14 f.).
(3) Dass die Verweisung aus sonstigen Gründen – etwa wegen eigener Zuständigkeit des Landgerichts München I aus § 32 ZPO – willkürlich wäre, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich.
4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Vorlagevoraussetzungen an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 ZPO nicht gegeben sind. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Senat die Bindungswirkung des Beschlusses des Landgerichts München I bejaht, welcher inhaltlich von den Entscheidungen des Kammergerichts vom 11.5.2015 sowie der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main vom 29.9.2015 und Karlsruhe vom 25.2.2014 abweicht. Denn maßgeblich ist nicht die inhaltliche Abweichung, sondern der Umstand, dass die anderweitige Rechtsansicht nicht auf Willkür beruht. Wegen § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO ist aber eine die Bindungswirkung durchbrechende (objektive) Willkür mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9 m. w. N.) nur dann anzunehmen, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Mit einer derartigen Wertung ist angesichts des prozessökonomischen Interesses, möglichst bald Klarheit über die Zuständigkeit zu schaffen, Zurückhaltung zu üben. Ersichtlich fällt der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I – ungeachtet der Frage, ob er rechtlich zutrifft – nicht in den Bereich von Willkür.
Bei der Zuständigkeit des Landgerichts Berlin hat es deshalb zu verbleiben.


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