Bankrecht

Darlegung des Schadens eines Aktienkäufers nach Kursverlusten im Zusammenhang mit Straftaten des Vorstands

Aktenzeichen  13 W 1347/21

Datum:
20.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41092
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 830, § 840
StGB § 288, § 263, § 266
WpHG § 120
ZPO § 916 Abs. 1, 920 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Anspruch des Aktienverkäufers auf Schadensersatz wegen Kursverlusten im Zusammenhang mit Straftaten des Vorstands setzt die konkrete Darlegung voraus, aus welchen An- und Verkaufsgeschäften sich der Schaden ergeben soll. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 10768/21 2021-08-10 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 10.08.2021, Az. 22 O 10768/21, wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert wird auf 95.929,94 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 09.08.2021, beim Landgericht München I per beA eingegangen am 10.08.2021, beantragte der Antragsteller wegen einer Schadensersatzforderung in Höhe von 287.789,82 € die Anordnung des dinglichen Arrestes in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin (Blatt 1/16 der Akten).
Der Antragsteller trug im Wesentlichen folgenden Sachverhalt vor:
Der Vorstandsvorsitzende der W. AG, M. B., sei am 22.07.2020 wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betruges und der Fälschung von Geschäftsbilanzen seit mindestens 2015 sowie wegen des Verdachts der Marktmanipulation festgenommen worden und befinde sich seither in Untersuchungshaft. Es bestehe der Verdacht, dass er mit Mittätern im Jahr 2015 übereingekommen sei, die Bilanzsumme und das Umsatzvermögen der W. AG durch vorgetäuschte Einnahmen aus Geschäften mit sog. Third-Party-Acquirern (TPA) aufzublähen, um das Unternehmen finanzkräftiger und zum Zwecke der Generierung fortwährender eigener Einkünfte für Investoren und Kunden attraktiver darzustellen. Obwohl seit Ende 2015 klar gewesen sei, dass der W.-Konzern mit tatsächlichen Geschäften insgesamt Verluste erziele, sei es angesichts angeblich vorhandener Vermögenswerte in Höhe von 1,9 Mrd. € gelungen, von den so getäuschten Banken und sonstigen Investoren Gelder in Höhe von rund 3,2 Mrd. € bereit gestellt zu erhalten, die aufgrund der Insolvenz der W. AG höchstwahrscheinlich verloren seien.
Er, der Antragsteller, habe im Zeitraum zwischen dem 05.12.2019 und dem 24.09.2020 in die Aktie der W. AG investiert und einen Verlust in Höhe von 287.789,82 € erlitten.
Hätte er, der Antragsteller, bei Kauf Kenntnis von den Machenschaften des M. B. gehabt und gewusst, dass die W. AG bereits seit 2015 eigentlich ausschließlich Verluste erwirtschaftet habe, hätte er die Aktienanteile niemals erworben.
M. B. sei auch alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der Antragsgegnerin als größter Einzelaktionärin der W. AG gewesen. M. B. habe damit jedenfalls im Außenverhältnis eine Verfügungsberechtigung über deren Vermögen besessen.
Die Antragsgegnerin habe im Mai 2020 bei der O. L. bank AG einen Kredit über 120 Mio. € aufgenommen, zu deren Sicherheit ein Aktienpaket der W. AG mit einem Wert von damals mindestens 680 Mio. € hinterlegt worden sei. Trotz dieser Übersicherung seien zusätzlich noch Pfandbestellungsverträge zwischen M. B. und der O. L.bank AG geschlossen und Simultanhypotheken im Höchstbetrag von 30 Mio. € an im Eigentum des M. B. stehenden Immobilien in Österreich begründet worden.
M. B. habe dabei im Mai 2020 schon gewusst, dass das „Modell W. AG“ aufgeflogen und eine Insolvenz sehr wahrscheinlich sei. Trotzdem habe er aufgrund der eingetragenen Pfandrechte 30 Mio. € aus seinem Vermögen in das Vermögen der Antragsgegnerin verschoben, um so an liquide Mittel von 120 Mio. € zu gelangen und Gläubigern sein Privatvermögen dauerhaft zu entziehen. Nach österreichischem Recht falle nämlich die Hypothek bei Rückzahlung des Kredits der Antragsgegnerin zu. Eine Vollstreckung durch den Antragsteller sei erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich, da die Hypotheken über 30 Mio. € den Wert der Immobilien jeweils überstiegen.
Die Antragsgegnerin habe durch ihr Verhalten Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung geleistet. Sie hafte ihm, dem Antragsteller, gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 288, 263, 266 StGB und § 120 WpHG, §§ 830, 840 BGB auf Schadensersatz.
Mit Beschluss vom 10.08.2021 (Blatt 23/27 der Akten) wies das Landgericht München I den Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestes zurück. Der geltend gemachte Arrestanspruch sei weder substantiiert noch schlüssig. Der Antragsteller habe drittbegebene Wandelanleihen auf Aktien der W. AG und nicht – wie vorgetragen werde – Aktien der W. AG erworben. Die Wandelanleihen räumten dem Käufer allenfalls eine Option zum Tausch in Aktien der W. AG ein. Ob er die Option ausgeübt habe, trage der Antragsteller nicht vor. Diesem sei allenfalls ein mittelbarer Schaden entstanden. Dass die Antragsgegnerin auch dafür haften könnte, sei nicht dargetan.
Gegen den ihm am 25.08.2021 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 06.09.2021, beim Landgericht München I per Telefax eingegangen am 08.09.2021, sofortige Beschwerde ein (Blatt 28/34 der Akten). § 111h Abs. 2 StPO stehe einer Pfändung im Arrestverfahren nicht entgegen.
Das Landgericht München I hat der sofortigen Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 14.09.2021 nicht abgeholfen und die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München verfügt (Blatt 36/37 der Akten).
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 10.08.2021 ist zwar zulässig erhoben, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig.
Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Anordnung des dinglichen Arrestes ergibt sich aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 922 Rn. 19). Die zweiwöchige Notfrist des § 569 Abs. 1 ZPO und die Formvorschriften des § 569 Abs. 2 ZPO sind gewahrt.
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
2) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Arrestanspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht (§§ 916 Abs. 1, 920 Abs. 2 ZPO).
Insbesondere fehlt es an schlüssigem Vortrag, aus welchen An- und Verkaufsgeschäften sich der geltend gemachte Schaden in Höhe von 287.789,82 € ergeben soll.
Die bloße Vorlage von Wertpapierabrechnungen (Anlagen K8 bis K11) genügt hierfür nicht, zumal es sich vorliegend offenbar nicht um den Direkterwerb von Aktien der W. AG, sondern um den Erwerb von Umtausch- bzw. Wandelanleihen auf Aktien der W. AG eines Drittanbieters („Exchangeable Notes Argentum Netherlands B.V.“) handelt. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die einzelnen Abrechnungsbelege auf ihre Verfahrensrelevanz zu überprüfen, die jeweils maßgeblichen Beträge herauszuarbeiten und anschließend eine Schadensberechnung durchzuführen. Dies wäre vielmehr Sache des Antragstellers gewesen.
2) Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift vom 06.09.2021 zu § 111h Abs. 2 StPO sind unbehelflich, weil im vorliegenden Fall nur der Erlass eines dinglichen Arrestes, nicht auch der Erlass eines Pfändungsbeschlusses beantragt wurde.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Der Senat hat den Beschwerdewert gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO auf 1/3 der im Beschwerdeverfahren gegenständlichen Hauptforderung festgesetzt (vgl. MüKo ZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Verfügung
1. Beschluss vom 20.09.2021 hinausgeben an:
Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers … Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin
2. Schlussbehandlung


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben