Bankrecht

Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für Schadensersatzanspruch wegen Verminderung des Werts einer Kommanditbeteiligung durch deliktische Verschiebung von Gesellschaftsvermögen

Aktenzeichen  42 S 1655/17

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2019, 967
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 92 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Wird der Wert einer Kommanditbeteiligung durch eine deliktische Verschiebung von Gesellschaftsvermögen vermindert, ist in der Insolvenz der Gesellschaft allein der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs berechtigt. (Rn. 2 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 C 1140/17 2017-08-04 Endurteil AGWUERZBURG AG Würzburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts … vom 04.08.2017, Az. 18 C 1140/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich als vollumfänglich unbegründet. Das Ersturteil hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der … (künftig: …) eingereichte Einzelklage des Klägers, die sich auf den Ersatz eines Teils eines Gesamtschadens richtet, widerspricht der Sperrwirkung des § 92 S. 1 InsO.
Soweit dem Kläger also hinsichtlich der geleisteten Zahlungen dadurch ein Schaden entstanden sein soll, dass die erworbene Beteiligung aufgrund der Untreuehandlungen der Beklagten wertlos geworden ist, ist er nicht berechtigt, diesen Schaden geltend zu machen.
Hinsichtlich des Wertes der Beteiligung durch die Untreuehandlungen sind die einzelnen Gesellschaften in dem Firmenkonstrukt um die … selbst geschädigt worden und die einzelnen Anleger hiervon nur reflexhaft betroffen worden. Es handelt sich insoweit um einen Gesamtschaden im Sinne von § 92 InsO, der durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist. Die einzelnen Anleger sind hingegen nicht berechtigt, diesen Schaden geltend zu machen.
Gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 InsO können Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden) während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Dies gilt nicht nur für Ansprüche gegen Gesellschafter oder Organe der insolventen Schuldnerin, sondern grundsätzlich gegenüber jedem Dritten (BGH, Urteil vom 08.05.2003, Az: IX ZR 334/01, Tz. 25). Diese Ermächtigungswirkung für den Insolvenzverwalter geht einher mit einer umfassenden Sperrwirkung. Hieraus folgt, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Ersatz von Gesamtschäden gerichtete Einzelklagen unzulässig, jedenfalls unbegründet sind.
Zwar sind die Anleger nach dem unmittelbaren Wortlaut der Bestimmung keine Insolvenzgläubiger der Gesellschaft, sondern konstituieren diese als Personengesellschaft. Nach dem Schutzzweck der Norm und der Interessenlage ist jedoch eine erweiternde Auslegung für solche Schäden möglich, die sog. „Reflexschäden“ darstellen, das heißt Schäden, die eigentlich der Gesellschaft zugefügt wurden und sich als „Reflex“ auf die Anleger auswirken. Nach der ständigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes steht nämlich einem Gesellschafter ein Anspruch auf Schadensersatz an sich persönlich wegen einer Minderung des Wertes seiner Beteiligung, die aus einer Schädigung der Gesellschaft resultiert, nicht zu. In diesem Fall kann wegen der Grundsätze der Kapitalerhaltung, der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sowie des Gebots der Gleichbehandlung aller Gesellschafter nur Leistung an die Gesellschaft verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2013 – III ZR 260/11, Tz. 35 m.w.Nachw.). Im Fall der Insolvenz der Gesellschaft käme dann ein (Teil-) Gesamtschaden in Bezug auf die Anleger mit der Möglichkeit der Bildung einer Sondermasse für die geschädigten Kommanditisten in Betracht.
Im vorliegenden Fall liegt ein Gesamtschaden im Sinne des § 92 InsO vor Ein Gesamtschaden tritt auch durch eine deliktische Verschiebung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens ein (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2003 – IX ZR 334/01, m.w. Nachw.) – so wie sie hier von Klägerseite behauptet wird Durch die – behauptete – Verschiebung des Vermögens der Beteiligungsgesellschaft ist nämlich die Durchsetzbarkeit der Insolvenzforderungen aller Gläubiger entsprechend verschlechtert worden. Auch Handlungen, die erst zum Entstehen der Krise geführt haben, gehören hierher (Uhlenbrock, InsO, 14. Aufl., Rdziff. 6 zu § 92 InsO). In solchen Fällen soll durch § 92 InsO die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gewährleistet und ein „Wettlauf“ der Gläubiger um das Vermögen der Ersatzpflichtigen ausgeschlossen werden (MK, InsO, 3. Auflage, Rdziff. 1 zu § 92 InsO). Der Insolvenzverwalter ist in diesen Fällen ausschließlich zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt im Sinne eines Treuhänders der Gläubiger (MK, a.a.O, Rdziff. 2 zu § 92 InsO). Dies führt zu einer „Sperrwirkung“. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Einzelklagen von Gläubigern, die sich auf den Ersatz von Gesamtschäden richten, nicht mehr möglich (Uhlenbrock, a.a.O., Rdziff. 27 zu § 92 InsO).
Es liegt kein Individualschaden vor. Dies ist nur dann der Fall, wenn einzelne Insolvenzgläubiger Nachteile aus der Verletzung von ihnen gegenüber obliegenden vertraglichen Verpflichtungen oder aus nur gegen sie gerichteten unerlaubten Handlungen erlitten haben (BGH a.a.O.). Hierzu gehört zum Beispiel der sog. „Kontrahierungsschaden“ (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.12.2010, Az.: 4 U 204/10). Dieser kann darin bestehen, dass der Anleger zur Zeichnung einer für ihn ungeeigneten Anlage bewegt wurde. Ein Individualschaden kann auch dann vorliegen, wenn ein Anleger durch betrügerisches Verhalten zur Zeichnung einer Kapitalanlage veranlasst wurde (OLG Nürnberg, ZIP 2011, 1015). Im Zeitpunkt der Zeichnung der Anlage war jedoch keiner der Beklagten überhaupt in die Beteiligungsgesellschaft involviert.
Es liegt auch nicht lediglich eine Vielzahl von Individualschäden vor (vgl. BGH, ZinsO 2011, 1453). Zwar wird die Meinung vertreten, dass auch deliktische Ersatzansprüche grundsätzlich individuell geltend gemacht werden müssen, da die Voraussetzungen des jeweiligen Anspruchs gegenüber jedem Gläubiger unterschiedlich sein können (Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., Rdziff. 10 zu § 92 InsO). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, Der Anspruch wird nicht auf eine individuelle Täuschung bei Zeichnung der Beteiligung gestützt, sondern auf die Entwertung der Anlage durch Verschiebung des Gesellschaftsvermögens. Diese trifft aber alle Anleger gleichmäßig. Dass sich der Gesamtschaden in verschiedene Einzelschadenspositionen mit unterschiedlicher Höhe aufgliedert, ist hierbei zwangsläufig. Maßgeblich ist lediglich, dass die Gläubigergesamtheit dadurch einen Schaden erlitten hat, dass die ihr zur Verfügung stehende Haftungsmasse verkürzt worden ist. Dies ist hier der Fall.
Im Übrigen greifen die oben dargestellten Grundsätze des „Reflexschadens“ unabhängig von der Frage der Durchsetzungssperre nach § 92 InsO wegen Vorliegens eines Gesamtschadens ein. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Konflikt, der sich daraus ergeben kann, dass neben der Gesellschaft den einzelnen Gesellschaftern einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Wertverlustes ihrer Beteiligungen zusteht, grundsätzlich dahingehend zu lösen, dass der mittelbar geschädigte Gesellschafter den Schädiger nur auf Zahlung an die Gesellschaft in Anspruch nehmen kann. Diese Ansicht berücksichtigt außer dem Grundsatz der Kapitalerhaltung vor allem die allen Gesellschaften gemeinsame Zweckwidmung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Gesellschafter. Gerade der zuletzt genannte Gesichtspunkt schließt einen Anspruch des mittelbar geschädigten Gesellschafters auf Leistung an sich persönlich im Regelfall auch aus; er gibt ihm vielmehr nur einen solchen auf Leistung an die Gesellschaft (BGH, Urteil vom 10.11.1986, Az. II ZR 140/85; Urteil vom 19.01.1987, Az. II ZR 158/86).
Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 21.03.2013, III ZR 260/11, steht dem nicht entgegen, da dieses in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Zugrunde lag ein Anspruch der Kommanditisten gegen einen Mittelverwendungskontrolleur. Es handelte sich um Schadensersatzansprüche wegen Verminderung des Wertes der Beteiligung, die allerdings im Gegensatz zu den o.g. „Reflexschäden“ nicht auf einem Gesamtschaden beruhten. Der BGH hat insoweit festgestellt, dass der Mittelverwendungskontrollvertrag ausschließlich im Interesse der einzelnen Anleger geschlossen war und keine Pflichten des Mittelverwendungskontrolleurs gegenüber der Gemeinschuldnerin bestanden, sodass deshalb kein Gesamtschaden, sondern lediglich eine Vielzahl von Individualschäden anzunehmen war Dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Daneben scheitert die Klage auch daran, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass er die – bestrittenen – Zahlungen tatsächlich erbracht hat. Als Beweis hat er lediglich die Beteiligungserklärungen sowie – bislang nicht vorgelegte – Beteiligungsurkunden angeboten. Daraus kann sich jedoch nur die Beteiligung als solche ergeben, nicht jedoch die aufgrund dessen geleisteten Zahlungen.
Zu Recht hat daher das Erstgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung des Klägers war daher als unbegründet zuruckzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Da zu der Frage des § 92 InsO unterschiedliche Entscheidungen einzelner Gerichte ergangen sind, war die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO),


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