Bankrecht

Finanzierten Eigentumswohnungskauf im Steuersparmodell: Arglistige Täuschung des Kaufinteressenten durch Angaben im Verkaufsprospekt mit Verschleierung der Höhe einer Innenprovision; Auslegung eines formularmäßigen Vermittlungsauftrags und vorformulierter Angaben in einem Berechnungsbeispiel

Aktenzeichen  XI ZR 179/11

Datum:
5.6.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 123 BGB
§ 5 AGBG vom 09.12.1976
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 10. März 2011, Az: 8 U 55/10vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 8. März 2010, Az: 9 O 71/05

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem von der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (im Folgenden: Beklagte) finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung errichtet wurden. Die Beklagte verlangt widerklagend vom Kläger und der Drittwiderbeklagten Rückzahlung der Darlehen.
2
Der Kläger wurde 1992 von einem Anlagenvermittler geworben, zwecks Steuerersparnis eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der Wohnanlage M.             in O.       zu erwerben. Das Auftragsformular des Vermittlers und das von ihm verwandte Berechnungsbeispiel weisen eine an den Vermittler zu zahlende Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% zzgl. Umsatzsteuer aus. Im Vermittlungsauftrag heißt es außerdem:
“Die Vertriebsbeauftragte hat ihrerseits verschiedene Vermittler beauftragt, die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden. Der jeweilige Vermittler ist berechtigt, vom Auftraggeber eine Bearbeitungsgebühr von 3% des kalkulierten Aufwandes zzgl. Umsatzsteuer in jeweiliger Höhe auf eigene Rechnung zu vereinnahmen.”
3
In den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird unter “IV. Vergütung, Provision” unter anderem ausgeführt:
“Der Vermittler hat in der Regel einen Vergütungsanspruch gegenüber den vorgenannten Prospektanbietern, Beteiligungs- oder Betriebsgesellschaften auf der Grundlage der mit diesen geschlossenen Verträgen.”
4
Des Weiteren verwandte der Vermittler einen Verkaufsprospekt, der hinsichtlich des kalkulierten Gesamtaufwandes folgende Angaben enthält:
VIII. Aufteilung (in %) des kalkulierten Gesamtaufwandes, der sich aufgrund der vorgesehenen Konzeption ergibt:
        
        
100,00
a) 
Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing
        
76,70
b)
Technische Baubetreuung
        
 0,25
c)
Konzeption, Aufbereitung, Prospektgestaltung               
        
1,50
d)
Finanzierungsvermittlung
        
4,00
davon für:- Zwischenfinanzierung- Endfinanzierung- EK-Vorfinanzierung
 1,802,000,20
        
e)
Nebenkostengarantie
        
0,50
f)
Zinsgarantie
        
     2,00
davon für Leistungen:- gem. Ziff. II. des  Zinsgarantievertrages- gemäß Ziff. III. des  Zinsgarantievertrages
  1,50 0,50
        
g)
Mietvermittlung
        
0,20
h)
Mietgarantie
        
0,50
i)
Steuerberatungdavon für Leistungen:- gem. Ziff. II.2., 5.,  des Stb.-Vertrages- gem. Ziff. II. 1., 3., 4., 6.  des Stb.-Vertrages
   0,58 1,72
2,30
j)
Abwicklungsauftrag
        
2,30
k)
Bauzeitzinsen
        
5,50
l)
Notar, Gewerbesteuer und sonstiges            
        
              4,25
5
In der Position a) “Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing” waren Provisionen an Dritte in Höhe von 18,24% brutto des Gesamtaufwands enthalten.
6
Die vom Kläger bevollmächtigte C.   Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhänderin) schloss namens des Klägers mit der Bauträgerin am 30. Dezember 1992 einen notariellen “Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung” über die Eigentumswohnung Nr. ..   zum Preis von 105.498 DM. Darin übernahm er einen Anteil der auf dem Gesamtgrundstück lastenden Grundschuld, die der Beklagten zuvor von der Bauträgerin durch notarielle Urkunde vom 9. Dezember 1992 bewilligt worden und gegen den jeweiligen Eigentümer sofort vollstreckbar war. Zugleich übernahm der Kläger in Höhe des anteiligen Grundschuldbetrages von 137.546 DM die persönliche Haftung und unterwarf sich der persönlichen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
7
Darüber hinaus schloss die Treuhänderin namens des Klägers in den Jahren 1992 und 1993 mit der Beklagten mehrere Darlehensverträge, deren Valuta in Höhe von insgesamt 149.268 DM zur Finanzierung des Gesamtaufwands zuzüglich Disagio und Bearbeitungsgebühr (Agio) verwandt wurde. Die Darlehensverträge wurden auch von der Drittwiderbeklagten als Darlehensnehmerin unterzeichnet. Nachdem der Kläger und die Drittwiderbeklagte die Bedienung der Finanzierungsdarlehen eingestellt hatten, kündigte die Beklagte die Darlehen mit Schreiben vom 11. Dezember 2002 und betrieb die Zwangsvollstreckung.
8
Mit der Klage wendet sich der Kläger – gestützt unter anderem auf Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung – gegen die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen aus dem notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag sowie aus der Grundschuldbestellungsurkunde. Die Beklagte verlangt widerklagend vom Kläger und der Drittwiderbeklagten den offenen Darlehenssaldo.
9
Das Landgericht hat die Vollstreckung aus den Urkunden für unzulässig erklärt und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren und den Widerklageantrag weiter.


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