Bankrecht

Fortbestand der Gesellschaft bei Eintritt der Liquidation mit geändertem Gesellschaftszweck

Aktenzeichen  12 U 288/15

Datum:
11.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134076
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
KWG § 38 Abs. 1
HGB § 105 Abs. 3, § 149, § 155, § 160 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei Eintritt der Liquidation – hier nach § 38 KWG – besteht die Gesellschaft fort und es ändert sich lediglich der Gesellschaftszweck, indem an die Stelle des auf Betrieb des Handelsgeschäfts gerichteten Zwecks der auf Abwicklung und Vollbeendigung der Gesellschaft gerichtete Zweck tritt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Leistung ausstehender Beiträge, die im Hinblick auf den werbenden Zweck der Gesellschaft versprochen wurden, ist seitens der einzelnen Gesellschafter nur noch insoweit geschuldet, als die Mittel zur Verwirklichung des neuen Gesellschaftszwecks, also zur Liquidation, benötigt werden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass von einem Gesellschafter noch geschuldete Beiträge zur Durchführung der Liquidation erforderlich wären, ist nicht hinreichend dargelegt, wenn sich der Vortrag der klagenden Gesellschaft zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mit der zu deren Beleg vorgelegten Bilanz deckt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Zum Feststellungsinteresse der klagenden Gesellschaft, dass in die Abfindungsrechnung der Parteien als unselbständiger Abrechnungsposten eine Einlageforderung einzustellen ist, wenn der Gesellschafter nicht bestreitet, dass die Einlageleistung vereinbart und bislang nicht erfüllt wurde sowie bei einem Ausgleich nach § 155 HGB entsprechend zu berücksichtigen sein werde (anders nachfolgend BGH BeckRS 2018, 14277). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

6 O 2453/13 (2) 2015-01-27 LGREGENSBURG LG Regensburg

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 27.01.2015, Az. 6 O 2453/13 (2), gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Gründe

I.
Die Klägerin, ein als KG strukturierter Leasingfonds, nimmt den Beklagten auf Zahlung rückständiger und zukünftiger Raten in Anspruch, mit welcher der Beklagte seine Einlageverpflichtung als Kommanditist zu erfüllen hatte. Hilfsweise begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die bislang noch nicht erfüllte Einlageverpflichtung als unselbständiger Abrechnungsposten in die Abfindungsrechnung der Parteien einzustellen ist.
1. Der Beklagte beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 30.05.2010 (Anlage K1) mit einer Zeichnungssumme von 144.000,00 € zzgl. eines Agios in Höhe von 8.640,00 € (6%) an der Klägerin. Die Einlage war in Form einer ersten Zahlung in Höhe von 36.000,00 € sowie in monatlichen Raten in Höhe von jeweils 1.000,00 € (bis letztmalig im Mai 2019) zu bezahlen.
Der Beklagte zahlte auf seine Einlageverpflichtung die erste Zahlung von 36.000,00 €, das Agio von 8.640,00 € sowie Raten im Wert von insgesamt 30.000,00 €. Die ab Dezember 2012 fälligen Raten zahlte der Kläger nicht mehr.
Mit Bescheid vom 06.10.2011 (Anlage K4) verfügte die BaFin die Abwicklung der Klägerin. Gemäß § 38 Abs. 1 KWG befindet sich die Klägerin seither in Liquidation.
Die Klägerin hat erstinstanzlich insbes. vorgetragen, die Klägerin benötige die rückständigen und zukünftigen Einlagezahlungen des Beklagten zur Durchführung der Liquidation. Die Jahresbilanz zum 31.12.2012 weise auf der Aktivseite Forderungen an Kreditinstitute in Höhe von rd. 2,2 Mio. € und Leasingvermögen im Wert von 5,8 Mio. € sowie auf der Passivseite Rückstellungen in Höhe von rd. 3,3 Mio. € aus. Die hierzu als Anlage K8 vorgelegte Bilanz weist allerdings andere Zahlen aus.
Unabhängig davon erfordere der Liquidationszweck auch die Berichtigung der Sozialansprüche der Gesellschafter untereinander, weshalb allein aus diesem Grund sämtliche Einlageverpflichtungen eingefordert werden könnten. Eine Verschonung der Ratenzahler verstieße zudem gegen die Gleichbehandlung von Einmalzahlern und Ratenzahlern.
Die Klägerin hat daher erstinstanzlich beantragt,
1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 17.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 1000,00 seit dem 02.11.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.01.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.02.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.03.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.04.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.05.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.06.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.07.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.08.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.09.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.10.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.11.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2013;
auf die Beteiligung mit der Vertragsnummer 40421 zu zahlen;
2. Den Beklagten zu verurteilen, ab dem 02.01.2014 jeweils am Monatsersten, 65 ratierliche Zahlungen zu je EUR 1000,00 (insgesamt EUR 65.000,00) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag auf die Beteiligung mit der Vertragsnummer 40421 an die Klägerin zu zahlen.
3. Hilfsweise festzustellen, dass in die Abfindungsrechnung der Parteien als unselbständiger Abrechnungsposten zugunsten der Klägerin eine Einlageforderung in Höhe von EUR 82.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus EUR 1000,00 seit dem 02.11.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.01.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.02.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.03.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.04.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.05.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.06.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.07.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.08.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.09.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.10.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.11.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2013;
und ab dem 02.01.2014 jeweils aus EUR 1000,00 (insgesamt EUR 65.000,00) in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag auf den Monatsersten, einzustellen ist.
Der Beklagte hat beantragt,
Klageabweisung.
Der Beklagte hat sich insbes. darauf berufen, dass die Klägerin nicht dargetan habe, dass für die Durchführung der Liquidation die Einforderung der ausstehenden Einlagen erforderlich sei.
2. Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es insbes. ausgeführt:
Ein Liquidator könne nach § 149 HGB rückständige Einlagen der Gesellschafter nur insofern einfordern, als die Mittel für die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich seien. Hierzu treffe die Gesellschaft eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der aktuellen finanziellen Situation der Gesellschaft, nachdem die Beklagte unter Bezugnahme auf einen Liquiditätsstatus zum 31.03.2013 (Anlage B1) – der nach den Angaben der Klägerin auch den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz entspreche – hinreichend substantiiert dargelegt habe, dass die Einlagen nicht zur Durchführung der Liquidation erforderlich seien. Hingegen sei der Vortrag der Klägerin zu etwaigen Ausfällen von Leasingzahlungen verbunden mit hohen Prozesskosten unsubstantiiert.
Eine Einziehung zum Zwecke der Durchführung eines Ausgleichs zwischen den Gesellschaftern – für die bei Publikumsgesellschaften der Liquidator ausnahmsweise zuständig sein könne – setze voraus, dass ein im Rahmen der Auseinandersetzungsrechnung zu erstellender Ausgleichungsplan einen Passivsaldo zu Lasten des Beklagten ergäbe.
Der Hilfsantrag sei unbegründet, da derzeit noch nicht absehbar sei, ob und in welcher Höhe die Ratenzahlungsverpflichtungen bei einer Abfindungsrechnung zu berücksichtigen sein werden.
3. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die vollinhaltlich ihre erstinstanzlichen Klageziele weiter verfolgt.
Die Klägerin rügt dabei zunächst, dass das Landgericht die Klage allenfalls „als derzeit unbegründet“ hätte abweisen dürfen, da selbst nach den Feststellungen des Landgerichts die Klageansprüche lediglich nicht fällig seien.
Die Erstellung einer Liquidationseröffnungsbilanz sei nicht erforderlich, da die Klägerin ihre Jahresrechnungslegung weiterführe. Ein Ausgleichungsplan sei entbehrlich, weil Vorabausschüttungen an sonstige Anleger nicht beabsichtigt seien und auch nicht in Betracht kämen.
Auch die Gleichbehandlung von Einmalzahlern und Ratenzahlern sowie die Beschleunigung und Förderung der Liquidation gebiete den Einzug der ausstehenden Raten.
Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, dass die Beitreibung der Raten auch deswegen erforderlich sei, weil die Klägerin Liquidationskosten in Höhe von rd. 1,93 Mio. € zu tragen habe und möglicherweise gegen die Klägerin Schadenersatzansprüche in Höhe von rd. 1,1 Mio. € geltend gemacht werden könnten.
Die Klägerin beantragt daher, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Regensburg vom 27.1.2015, Az. 6 O 2453/13 (2) zu erkennen:
1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 17.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus EUR 1000,00 seit dem 02.11.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.01.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.02.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.03.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.04.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.05.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.06.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.07.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.08.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.09.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.10.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.11.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2013;
auf die Beteiligung mit der Vertragsnummer 40421 zu zahlen;
2. Den Beklagten zu verurteilen, ab dem 02.01.2014 jeweils am Monatsersten, 65 ratierliche Zahlungen zu je EUR 1000,00 (insgesamt EUR 65.000,00) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag auf die Beteiligung mit der Vertragsnummer 40421 an die Klägerin zu zahlen.
3. Hilfsweise festzustellen, dass in die Abfindungsrechnung der Parteien als unselbständiger Abrechnungsposten zugunsten der Klägerin eine Einlageforderung in Höhe von EUR 82.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 1000,00 seit dem 02.11.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2012;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.01.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.02.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.03.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.04.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.05.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.06.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.07.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.08.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.09.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.10.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.11.2013;
– aus weiteren EUR 1000,00 seit dem 02.12.2013;
und ab dem 02.01.2014 jeweils aus EUR 1000,00 (insgesamt EUR 65.000,00) in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag auf den Monatsersten, einzustellen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Ersturteil. Insbes. führt er aus:
Die Klägerin habe entgegen ihrer sekundären Darlegungslast nicht dargelegt, dass die eingeforderten Raten für die Durchführung der Liquidation benötigt würden. Nach der als Anlage K8 vorgelegten Bilanz zum 31.12.2014 (richtig: 31.12.2012) verfüge die Klägerin über täglich fällige Forderungen in Höhe von rd. 3,6 Mio. €, denen lediglich Verbindlichkeiten in Höhe von rd. 230 T€ und Rückstellungen in Höhe von rd. 2,6 Mio. € entgegenstünden. Ungeachtet dessen, dass sich die ausgewiesenen Rückstellungen nicht notwendigerweise realisieren müssten, seien damit sämtliche relevanten Passiva durch die vorhandenen Forderungen gedeckt. Hinzu käme ein Leasingvermögen von rd. 4,0 Mio. €. Diese Liquiditätslage entspreche den Darstellungen im Statusbericht zum 31.03.2013 (Anlage B1) sowie nach den eigenen Angaben der Klägerin den Verhältnissen im Jahr 2014.
Die Durchführung des Ausgleichs zwischen den Gesellschaftern nach § 155 HGB sei nicht vom Auftrag des Abwicklers erfasst.
Auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich keine Zulässigkeit der Einforderung der Raten, da keine Vorabausschüttungen beabsichtigt seien und für solche auch keine verlässlichen Grundlagen bestünden. Die Ungleichbehandlung zwischen Einmalzahlern und Ratenzahlern sei gerechtfertigt, weil erstere zur Erzielung höherer Renditen bewusst ein höheres Anlagerisiko in Kauf genommen hätten, und würde bei der Verteilung des Liquiditätsüberschusses ausgeglichen.
Auch zur Beschleunigung der Liquidation sei die Einforderung nicht erforderlich, da ausreichende liquide Mittel vorhanden seien und daher nicht mit einer Nachschusspflicht des Beklagten zu rechnen sei.
Vielmehr würden durch die – vielfach gerichtliche – Einziehung der Raten und die damit verbundene Aufblähung der Masse sämtliche Gesellschafter geschädigt und die Liquidation verzögert. Die Einziehung widerspreche auch dem Sinn und Zweck der Verfügung der BaFin vom 06.10.2011 und des § 38 KWG, das Anlagekapital vor einer Vernichtung zu schützen.
Die Klageansprüche seien nicht nur nicht fällig, vielmehr seien die Anspruchsvoraussetzungen derzeit nicht gegeben. Dessen ungeachtet ergebe sich die Abweisung als derzeit unbegründet aus den Urteilsgründen.
II.
Die – zulässige, insbes. form- und fristgerecht eingelegte – Berufung kann keinen Erfolg haben. Der Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche steht die Einrede entgegen, dass die Mittel zur Durchführung der Liquidation nicht erforderlich sind.
1. Der Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten auf Zahlung der noch nicht entrichteten Raten der vereinbarten Einlagesumme folgt dem Grunde nach aus § 705 BGB, § 105 Abs. 3, § 160 Abs. 2 HGB. Bei Eintritt der Liquidation – im Streitfall nach § 38 KWG – besteht die Gesellschaft fort, es ändert sich lediglich der Gesellschaftszweck: An die Stelle des auf Betrieb des Handelsgeschäfts gerichteten Zwecks tritt der auf Abwicklung und Vollbeendigung der Gesellschaft gerichtete Zweck. Aufgabe der Liquidatoren ist es in diesem Stadium, offene Forderungen der Gesellschaft einzuziehen und in verteilungsfähiges Vermögen umzuwandeln, indem die Schuldner auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch genommen werden (vgl. OLG München WM 2016, 42, juris Tz. 25 ff. m.w.N.).
Dies gilt grundsätzlich auch insoweit, als es sich bei den Schuldnern um Gesellschafter und bei den Schulden um Beiträge handelt. Die Leistung ausstehender Beiträge, die im Hinblick auf den werbenden Zweck der Gesellschaft versprochen wurden, ist seitens der einzelnen Gesellschafter jedoch nur noch insoweit geschuldet, als die Mittel zur Verwirklichung des neuen Gesellschaftszwecks, also zur Liquidation, nötig sind. Die Darlegungs- und Beweislast, dass dies nicht der Fall sei, trägt dabei der Gesellschafter. Die Gesellschaft hingegen trifft eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse (BGH, Urteil vom 3. Juli 1978 – II ZR 54/77 – WM 1978, 898, juris Tz. 12 ff.; BGH, Urteil vom 5. November 1979 – II ZR 145/78 – WM 1980, 332, juris Tz. 14; OLG München WM 2016, 42, juris Tz. 30).
2. Aus dem Klagevortrag ergibt sich – wie vom Landgericht zutreffend festgestellt und im Gegensatz zum vom OLG München (WM 2016, 42, juris Tz. 32) entschiedenen Fall – gerade nicht, dass die streitgegenständlichen Raten zur Durchführung der Liquidation erforderlich wären.
a) So deckt sich der Klagevortrag zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bereits nicht mit der zu dessen Beleg als Anlage K8 vorgelegten Bilanz. Die Angaben in der Anlage K8 entsprechen vielmehr den Mitteilungen im Liquiditätsstatus zum 31.03.2013 (Anlage B1) und damit – nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (Bl. 52 d.A.) – den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz.
b) Aus den in der Anlage K8 bilanzierten Zahlen ergibt sich bei einem Vergleich der täglich fälligen Forderungen mit den Verbindlichkeiten und Rückstellungen – wie in der Berufungserwiderung dargestellt – tatsächlich ein Liquiditätsüberschuss in Höhe von rd. 740 T€. Dies gilt bereits ohne Berücksichtigung des Leasingvermögens im Wert von rd. 4 Mio. €, auf das allein sich die – unsubstantiiert – behaupteten möglichen Ausfälle beziehen können. Damit hat der Beklagte ohne weiteres dargelegt und nachgewiesen, dass die streitgegenständlichen Ratenzahlungen für die Durchführung der Liquidation nicht benötigt werden.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Vortrag im Klägerschriftsatz vom 12.11.2015.
1) Selbst bei Berücksichtigung von Liquidationskosten in Höhe von rd. 1,9 Mio. € bis zum Jahr 2018 auf der Passivseite verbleibt zumindest bei Berücksichtigung des Leasingvermögens von rd. 4 Mio. € ein Überschuss des Aktivvermögens.
Außerdem sollen rd. 1,76 Mio. € der Gesamtkosten von 1,9 Mio. € bereits bis Ende 2014 angefallen sein. Die in der Anlage B1 ausgewiesenen Liquiditätszahlen, die nach den Angaben der Klägerin den Verhältnissen bei der mündlichen Verhandlung im Januar 2015 entsprochen haben sollen, müssen daher bereits Liquidationskosten in Höhe von rd. 1,76 Mio. € berücksichtigt haben, weshalb auf der Passivseite nur noch weitere Kosten in Höhe von rd. 140 T€ anzusetzen sind. Dann reicht jedoch sogar der Bestand der täglich fälligen Forderungen aus, um sämtliche Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Liquidationskosten zu decken.
Dessen ungeachtet ist der neue Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht aufzeigt, weshalb die sich aus dem Lagebericht zum 31.12.2012 ergebenden Zahlen nicht bereits erstinstanzlich vorgetragen werden konnten.
2) Der unsubstantiierte Hinweis auf Schadensersatzforderungen, die möglicherweise auch gegen die Klägerin geltend gemacht werden könnten, ist nicht geeignet, berücksichtigungsfähige Passiva darzulegen.
Außerdem gilt auch insoweit der Ausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO, insbes. nachdem die Klägerin nicht darstellt, wann der angesprochene Güteantrag eingereicht worden sein soll.
3. Eine Einziehung der Raten ist auch nicht zur Durchführung der Ausgleichung unter den Gesellschaftern erforderlich.
a) Von der Aufgabe der Liquidatoren nach § 149 Abs. 1 HGB, Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen, zu unterscheiden ist der anschließende Ausgleich des nach Berichtigung der Schulden verbleibenden Gesellschaftsvermögens unter den Gesellschaftern nach § 155 HGB. Die Durchführung dieses Ausgleichs ist nicht zwingend Aufgabe des Liquidators, sondern muss sich aus einem besonderen Rechtsgrund, etwa aus besonderen Regelungen im Gesellschaftsvertrag ergeben (BGH, Urteil vom 14. November 1977 – II ZR 183/75 – NJW 1978, 424, juris Tz. 13). Offen gelassen hat der BGH (aaO), ob sich ein solcher Rechtsgrund bereits aus der Eigenschaft einer Gesellschaft als Publikumsgesellschaft ergibt.
Hat der Liquidator die Aufgabe, den Ausgleich durchzuführen, so steht ihm auch die Befugnis zu, ausstehende Beiträge – soweit zur Durchführung des Ausgleichs erforderlich – einzuziehen (aaO juris Tz. 14). Die Einziehung setzt jedoch im Regelfall voraus, dass ein im Rahmen der Auseinandersetzungsrechnung zu erstattender Ausgleichungsplan einen Negativsaldo zu Lasten des in Anspruch genommenen Gesellschafters ausweist (aaO). Ausnahmsweise – insbesondere wenn die Abwicklung längere Zeit dauert und den Belangen der Gläubiger schon vorher voll Rechnung getragen ist – kann es nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung gerechtfertigt sein, Vorschüsse an die ausgleichsberechtigten Gesellschafter zu zahlen und hierzu rückständige Einlagen einzufordern. Das setzt aber in jedem Falle die Feststellung voraus, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter im Ergebnis noch etwas einzuzahlen hat (aaO juris Tz. 15).
b) Nach diesen Vorgaben scheidet eine Einforderung zum Zwecke der Durchführung des Ausgleichs bereits deswegen aus, weil weder ein Ausgleichungsplan vorliegt, aus welchem sich ein Passivsaldo zu Lasten des Beklagten ergibt, noch die Zahlung von Vorabausschüttungen geplant ist. Ein Ausgleichungsplan ist unstreitig nicht aufgestellt, Vorabausschüttungen nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht geplant. Darüber hinaus steht anhand der vorgetragenen Liquiditätszahlen gerade nicht fest, dass der Beklagte im Ergebnis noch etwas einzuzahlen hat. Insofern ist hervorzuheben, dass der BGH (NJW 1978, 424, juris Tz. 15) das – auch im Streitfall gegebene – Bestehen erheblicher Rückstellungen ausdrücklich als Anhaltspunkt dafür gewertet hat, dass eine Nachschusspflicht des Gesellschafters nicht feststeht.
Dahinstehen kann daher, ob der Liquidator der Klägerin überhaupt zur Durchführung des Ausgleichs nach § 155 HGB befugt ist.
4. Die Einziehung ist auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung oder zur Beschleunigung der Liquidation erforderlich.
a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz berechtigt nicht zur Einziehung der Raten.
1) Soweit dieser nach der Rspr. des BGH eine Einziehung zur Durchführung des Ausgleichs nach § 155 HGB erfordern kann (BGH NJW 1978, 424, juris Tz. 15), liegen – wie soeben ausgeführt – die Voraussetzungen dafür nicht vor.
2) Eine Gleichbehandlung der Anleger, die ihre Einlage durch eine Einmalzahlung, und solchen, die ihre Einlage in Raten zu erbringen hatten, ist insofern nicht geboten. Die unterschiedliche Behandlung im derzeitigen Stadium folgt bereits aus der bewusst unterschiedlichen Ausgestaltung der Beteiligungen. Insbes. hätte es den Einmalzahlern frei gestanden, ihre Einlage in Raten zu erbringen und die damit verbundene Reduzierung der Renditechancen hinzunehmen. Durch den ausstehenden Ausgleich nach § 155 HGB wird sichergestellt, dass im Ergebnis eine anteilige Verteilung der Verluste auch im Verhältnis zwischen Einmalzahlern und Ratenzahlern erfolgt.
b) Nicht ansatzweise ersichtlich ist, dass die Einziehung zu einer Beschleunigung der Abwicklung nötig oder auch nur dienlich wäre.
5. Aus einer Auslegung der Urteilsgründe (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 – VII ZR 57/00 14 – NJW-RR 2001, 310, juris Tz. 14) ergibt sich in ausreichender Form, dass die streitgegenständlichen Ansprüche nicht endgültig, sondern lediglich als derzeitig nicht bestehend abgewiesen wurden. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin nicht gehindert ist, die Ansprüche erneut geltend zu machen, wenn die hindernde Einwendung des Beklagten, die Beiträge würden zur Durchführung der Liquidation nicht benötigt, wegfallen sollte (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 – VII ZR 53/99 – BGHZ 144, 242, juris Tz. 16).
6. Auch die Abweisung des Hilfsantrags ist zu Recht erfolgt.
a) Dieser ist entgegen der Ansicht des Landgerichts bereits mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Der Beklagte bestreitet nicht, dass die streitgegenständlichen Einlageleistungen vereinbart und bislang nicht erfüllt wurden sowie bei einem Ausgleich nach § 155 HGB entsprechend zu berücksichtigen sein werden. Aus der Nichtzahlung der Raten kann nichts anderes gefolgert werden, weil sich der Beklagte insofern lediglich – und zu Recht – darauf beruft, diese im Liquidationsstadium nicht erbringen zu müssen.
b) Inhaltlich zutreffend ist hingegen die Feststellung des Landgerichts, die Feststellung könne in der gewünschten Form derzeit so nicht ausgesprochen werden, da noch nicht feststehe, ob wegen einer Verschlechterung der Liquiditätsverhältnisse der Klägerin in Zukunft nicht doch noch ausstehende Einlagen eingezogen werden können. Dies korrespondiert spiegelbildlich mit der Klageabweisung im Hauptantrag nur als derzeit unbegründet.
c) Eine Korrektur des Ersturteils ist nicht erforderlich, weil das Feststellungsinteresse keine echte Prozessvoraussetzung ist, und deswegen die Abweisung als unbegründet auch bei Fehlen eines Feststellungsinteresses zulässig ist (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., Rn. 36 m.w.N.).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises. Der Senat legt aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe, denn in diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 (KV 1220) auf 2,0 (KV 1222).


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