Bankrecht

Gerichtsstand, Gesellschaft, Aktien, Verfahren, Gerichtsstandsvereinbarung, Zustellung, Abrechnung, Wirksamkeit, Klage, Beteiligung, Anspruch, Verlust, Wert, Auflage, wichtiger Grund, Gewinn und Verlustrechnung, Zustellung der Klageschrift

Aktenzeichen  82 O 1808/19

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51077
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.481,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.07.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 578,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.11.2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.481,04 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
I.
Das angerufene Gericht ist örtlich und international zuständig. Die Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1 c, 18 Abs. 1 EuGVVO. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Regensburg. Es handelt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch um eine Verbrauchersache im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Die Verbrauchereigenschaft der Klägerin blieb unbestritten. Eine Ausrichtung der gewerblichen Tätigkeit der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und der Beklagten selbst auf Deutschland im Sinne des Art. 17 Abs. 1 c EuGVVO ist gegeben. Es wurden Anleger in Deutschland angeworben, auch die Beklagte versandte ein Schreiben an die Klägerin, das in deutscher Sprache abgefasst war und unterhält ein gleichfalls in diesem Schreiben angegebenes Konto bei der Frankfurter Sparkasse (vgl. Anlage K 6). Es kommt nach Art. 18 EuGVVO auch nicht darauf an, ob die Beklagte selbst ihren Sitz in Deutschland hat, es genügt, dass die Klägerin hier ansässig ist.
Auch die Gerichtsstandsvereinbarung in § 13 Abs. 2 der Vertragsbedingungen stünde, einer Wirksamkeit unterstellt, der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht entgegen. Zwar soll demnach der Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft sein, es heißt jedoch im Folgenden ausdrücklich, dass diese Vereinbarung das Recht eines Genussrechtsinhabers nicht beschränkt, Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen.
II.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Klage auch wirksam zugestellt. Die Zustellung der Klageschrift wurde im Wege des Einschreibens mit Rückschein veranlasst (Bl. 29 der Akte). Zwar wurde der Rückschein im Folgenden nicht zurückgesandt, jedoch haben die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 20.11.2019 unter Vollmachtsversicherung angezeigt, dass sich die Beklagte gegen die Klage verteidigen werde. Daher ist davon auszugehen, dass eine Zustellung spätestens zum 20.11.2019 erfolgt war.
2. Der Wirksamkeit der Zustellung steht auch nicht entgegen, dass die Klageschrift in deutscher Sprache abgefasst war. Die Beklagte kommuniziert mit der Klägerin selbst in deutscher Sprache.
Gemäß Art. 8 EuZVO ist darauf abzustellen, ob die Beklagte deutsch versteht, wobei nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Geschäftsleitung, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt abzustellen ist. Daran gemessen, dass entscheidend ist, ob aufgrund der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass im Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sind, welche sich um die rechtliche Auseinandersetzung mit den Kunden in Landessprache kümmern können, ist davon auszugehen, dass auf Seite der Beklagten ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte hier auch als Rechtsnachfolgerin einer bislang auf den deutschsprachigen Raum ausgerichteten Anlageberatung die Vertragspartner in deutscher Sprache (teils aus der Schweiz) anschreibt (vgl. Anlage K 4) und beispielsweise auch das Anschreiben des Directors der Limited, der im Übrigen M… K… heißt, in Deutsch verfasst wurde (Anlage K 6) und es am erforderlichen Sprachniveau dabei nicht zu fehlen scheint (so auch LG Offenburg, Urteil vom 26.09.2018, 2 O 2130/18).
3. Im Übrigen wären etwaige Zustellungsfehler nach § 189 ZPO geheilt, denn die Bevollmächtigten der Beklagten haben die Klage erhalten. § 189 ZPO ist auch bei Auslandszustellungen anwendbar (vgl. Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 41. Auflage 2020, § 189 Randnummer 3; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Auflage 2020, § 183 Randnummer 26; OLG Celle, Beschluss vom 23.08.2018, 13 U 71/18, Randnummer 10).
4. Zwar wurde tatsächlich die Einlassungsfrist gemäß § 276 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht eingehalten, hieraus folgten jedoch keine prozessualen Konsequenzen, Rechtsfolgen wurden an die (zu kurz bemessene) Frist wurden nicht geknüpft, der Erlass eines Versäumnisurteils ist ausgeschlossen. Die Gültigkeit der Klageerhebung ist hiervon nicht berührt.
Schließlich schadet es auch nicht, dass die Verfügung über das schriftliche Vorverfahren, die die Fristsetzung enthielt, nicht vom Vorsitzenden der Kammer verfügt wurde, da sich eine entsprechende Zuständigkeit des Einzelrichters für diese Verfügungen auch vor Übertragung auf den Einzelrichter aus dem Geschäftsverteilungsplan der 8. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg ergibt.
5. Soweit die Beklagte rügt, dass die Klageschrift nicht vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschrieben sei, weist das Gericht darauf hin, dass die Klageschrift elektronisch signiert wurde, dies ist auch für die Auslandszustellung geeignet. Die EugZVO regelt lediglich, wie zustellungsbedürftige Schriftstücke zu übermitteln sind, und nicht, welche Form zuzustellende Schriftstücke haben müssen (so auch LG Frankenthal, Urteil vom 17.12.2019, Az.: 3 O 186/19).
B.
I.
Die Klage ist auch begründet.
1. Der Anspruch folgt aus § 241 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 4 der Vertragsbedingungen, wonach die Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrags abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gemäß § 5 dieser Bedingungen erfolgt.
Vorliegend wurde die Beteiligung durch die Kündigung der Klägerin vom 01.07.2019 beendet. Der Klägerin steht ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, wenn ein wichtiger Grund gegeben ist. Ein solcher wichtiger Grund lag hier vor. Entgegen den Vorgaben in den Genussrechtsbedingungen sind die ehemaligen Genussrechte der Klägerin und die durch die Umwandlung erhaltenen Aktien nicht gleichwertig im Sinne dieser Bedingungen.
Die Klägerin hat insofern richtigerweise darauf hingewiesen, dass sie nunmehr nicht börsennotierte Akten erhalten habe und entgegen der Rechtslage zum Zeitpunkt des Bestehens der Genussrechte kein direkter Anspruch auf Kündigung bzw. Auszahlung der Genussrechte bestünde. Entsprechend ist bei den nunmehr der Klägerin zugeschriebenen Aktien eine Kapitalisierung nur durch Verkauf oder Rückgabe, nicht jedoch durch Kündigung möglich.
Grundsätzlich muss die Ausgestaltung der Gläubigerrechte in dem übernehmenden Rechtsträger ökonomisch betrachtet mit jenem im übertragenden Rechtsträger identisch sein. Eine solche ökonomische Gleichwertigkeit ist vorliegend nicht gegeben. Eine solche Gleichwertigkeit konnte beklagtenseits auch nicht nachgewiesen werden.
Hinzu kommt ein Verstoß gegen § 11 der Genussrechtsbedingungen durch die Umwandlung der Genussrechte in Aktien durch einseitige Willenserklärung der Beklagten. Auch hieraus leitet sich ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung aus § 314 BGB ab.
2. Der Anspruch besteht in Höhe von 6.481,04 €. Dieser Betrag ergibt sich aus der Anlegerinformation, die den rechnerischen Wert der Genussrechte per 31.12.2018 in entsprechender Höhe ausweist.
Zwar kommt grundsätzlich der Abzug eines Verlustanteils in Betracht, der nach Maßgabe des § 5 Abs. 4 der Vertragsbedingungen zu berechnen wäre. Verluste der Anlage hat die Beklagte jedoch nicht nachgewiesen. Für (klägerseits bestrittene) Verluste wäre die Beklagte nach allgemeinen Beweislastregelungen beweispflichtig. Der diesbezügliche Vortrag ist nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte verweist lediglich darauf, dass der Gesamtbuchwert des Genusswertkapitals der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Bilanzstichtag 31.12.2017 0,00 € betragen habe. Da in 2018 keine Wiederauffüllung des Genusskapitals bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgte, habe der Buchwert 0,00 € betragen.
Es mag sein, dass der Jahresabschluss als nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr bzw. der dort ausgewiesene Jahresfehlbetrag maßgeblich sein könnte (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 der Genussrechtsbedingungen). Zum einen ist jedoch vorliegend nicht der Jahresabschluss 2017 relevant, da am 01.07.2019 gekündigt wurde. Die Angabe des Nennbetrages mit 0,00 € erscheint auch nicht nachvollziehbar, da in der zur Verfügung gestellten Anlegerinformation für Vertragsnummer VAG … von einem rechnerischen Wert des Anteils der Klägerin zum 31.12.2018 von 6.481,04 € die Rede ist (vgl. Anlage K 4).
Mangels hinreichend substantiiertem Vortrag zu einem Verlustabzug besteht somit entsprechend dem vertraglichen Grundsatz ein Anspruch auf Rückzahlung in der geltend gemachten Höhe.
II.
Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Weiter hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in beantragter Höhe. Der diesbezügliche Verzinsungsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, von Rechtshängigkeit ist spätestens seit der Klageerwiderung vom 20.11.2019 auszugehen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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