Bankrecht

Insolvenzanfechtung

Aktenzeichen  6 U 989/18

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56756
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 17, § 19, § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für die Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags ist nicht die Krise der Gesellschaft gemäß §§ 17, 19 InsO (BGH, 30.04.2015, IX ZR 196/13, BeckRS 2015, 09443).  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Auszahlung handelt es sich um die Rückgewähr einer Forderung, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich gleichgestellt ist, § 135 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 O 6084/17 2018-05-07 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.05.2018, Az. 3 O 6084/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt die Rückzahlung von 250.000 €, die der Beklagte als Kommanditist am 08.01.2014 aus dem Vermögen der E… erhalten hat.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der E… (nachfolgend Insolvenzschuldnerin). Über deren Vermögen wurde am 01.07.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte war zu diesem Zeitpunkt Kommanditist der Insolvenzschuldnerin.
Am 09.08.2013 vereinbarten der Beklagte und sein früherer Mitgesellschafter und Kommanditist Herr O…, dass dieser seine Anteile an den Beklagten zum Preis von 250.000 € verkauft (Anlage B 2). Die Beschäftigung des Herrn O… als Geschäftsführer sollte zum 31.12.2013 enden. Gemäß dieser Vereinbarung erwarb der Beklagte mit notariellem Vertrag vom 11.09.2013 (Anlage K 3) die Anteile des Herrn O… an der Insolvenzschuldnerin und an der Komplementär-GmbH.
Am 08.01.2014 zahlte die Insolvenzschuldnerin an den Beklagten zu Lasten seines Verrechnungskontos einen Betrag in Höhe von 250.000 €, den dieser zur Bezahlung des Kaufpreises verwendete.
Mit Schreiben vom 08.09.2016 forderte der Kläger zur Rückzahlung dieses Betrags nebst Zinsen auf. Er ist der Ansicht, dass es sich bei der Auszahlung um die Erfüllung einer Forderung handelt, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich gleichgestellt sei, weshalb sie nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sei.
Erstinstanzlich beantragte der Kläger:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung, da ohne den Anteilskaufvertrag Herr O… bis März 2015 hätte weiterbeschäftigt werden müssen und dadurch Vergütungsansprüche in Höhe von 241.710 € entstanden wären. Durch die Entnahme sei die Insolvenzschuldnerin unmittelbar von dieser Verbindlichkeit befreit worden. Es habe sich um ein Bargeschäft gehandelt. Der Anteilskaufvertrag sei als Teil eines schlüssigen Sanierungskonzepts erfolgt, um Einsparungsmaßnahmen zu erzielen.
Mit Endurteil vom 07.05.2018 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe schon versäumt festzustellen, dass sich die Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Auszahlung in einer Krise befunden habe. Dies sei Voraussetzung der Anfechtung. Im Übrigen wiederholt er seine erstinstanzlichen Einwendungen.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und den tatsächlichen Feststellungen nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und die gewechselten Schriftsätze.
II.
Das Urteil des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die vom Beklagten erhobenen Rügen verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung einen Anspruch auf Rückzahlung von 250.000 € nach wirksamer Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1, § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO bejaht.
1. Die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts sind vollständig. Es kommt entscheidungserheblich nicht darauf an, ob sich die Insolvenzschuldnerin bei der Auszahlung am 08.01.2014 in einer insolvenzrechtlichen Krise befunden hat.
Entgegen der Ansicht des Beklagten setzt die Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags keine Krise der Gesellschaft gemäß §§ 17, 19 InsO voraus (BGH, 30.04.2015, IX ZR 196/13, Rn 4 und 7 – juris). Insoweit unterscheidet sich der Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 InsO von anderen Anfechtungstatbeständen, weshalb es auch keiner entsprechenden Tatsachenfeststellung bedarf.
Der Gesetzgeber hat mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Fassung von Art. 9 Nr. 5 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) bewusst auf das Merkmal der Kapitalersetzung verzichtet (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 42). Die Neuregelung verweist jedes Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Gesellschaftsinsolvenz in den Nachrang (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 26, 56). Dasselbe gilt nach Maßgabe von Art. 9 Nr. 8 MoMiG für die Neufassung von § 135 InsO. Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO n.F. stets anfechtbar (BT-Drucks. 16/6140 S. 57). Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach (BGH, Beschluss vom 30. April 2015 – IX ZR 196/13 -, Rn. 5, juris).
Weder für eine teleologische Reduktion des § 135 InsO in dem Sinne, dass dem Gesellschafter der Entlastungsbeweis ermöglicht wird, zum Zeitpunkt der Rückführung des Darlehens habe noch kein Insolvenzgrund vorgelegen, noch für eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 InsO bleibt im Hinblick auf das Gesamtkonzept der neuen Regelungen Raum. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung die Rechtslage erheblich einfacher und übersichtlicher gestalten und dadurch zu einer größeren Rechtssicherheit und einfacheren Handhabbarkeit der Eigenkapitalgrundsätze gelangen. Er hat dabei unter Abwägung der Interessen sowohl der Insolvenzgläubiger als auch der Gesellschafter die Rückzahlung des Gesellschafterkredits und eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits nicht mehr dem Kapitalerhaltungsrecht unterworfen, sondern dem durch feste Fristen gekennzeichneten Insolvenzanfechtungsrecht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 42). Damit hat er zwar einerseits die Haftung der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der Gesellschaftskrise verschärft, andererseits aber auch entschärft, weil Rückzahlungen, die außerhalb der Anfechtungsfrist erfolgen, nicht mehr unter Rückgriff auf § 31 GmbHG erstattet werden müssen (BGH, 30.04.2015, IX ZR 196/13, Rn. 7, juris m.w.N.).
2. Der Senat teilt auch die Ansicht des Landgerichts, dass es sich bei der Auszahlung um die Rückgewähr einer Forderung handelte, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich gleichgestellt ist, § 135 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
Der Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens sind Gesellschafterforderungen aus Rechtshandlungen gleichgestellt, denen eine Kreditfunktion zukommt (Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 6. Aufl., § 39 InsO, Rn. 43 – Jurion), d.h. es kommt darauf an, ob der Gesellschaft wie bei einem Darlehen zeitweise ein Kapitalwert zur Nutzung überlassen wird (Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl., § 39, Rn. 53 – beck-online). Daher sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem Darlehen ungeachtet des Entstehungsgrundes alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen vergleichbar, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wurden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt (BGH, 10.07.2014, IX ZR 192/13, Rn. 50 – Gehaltsforderung; BGH, 29.01.2015, IX ZR 279/13, Rn. 70 – Nutzungsentgelt, jew. zit. Nach juris).
a) Einem Darlehen ist ein gesellschaftsrechtlicher Gewinnanspruch dann gleichzustellen, wenn dieser bereits dem Vermögen des Gesellschafters zugeordnet werden kann, d.h. wenn der Gewinnanspruch unentziehbar und in seinem Bestand nach Grund und Höhe sicher war und nur durch Erfüllung, d.h. Auszahlung zu Fall gebracht werden konnte. Dies ist zu bejahen, wenn die Gesellschafterversammlung den Gewinnverwendungsbeschluss gefasst hat und somit ein Gläubigeranspruch entstanden ist (BGH, 12.01.1998, II ZR 82/93, Rn 12 – juris; OLG Koblenz, 15.10.2013, 3 U 635/13, Rn 20 – juris; vgl. auch Haas, ZIP 2017, 545, 549).
Ob es sich bei Geldern, die auf einem Kapitalkonto des Kommanditisten verbucht sind, um eine Beteiligung handelt oder ein Forderungsrecht ausgewiesen wird, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, ob Verluste das Konto belasten dürfen oder ob sie von einem anderen Kapitalkonto abzusetzen oder einem Verlustsonderkonto zuzuschreiben sind. Wenn spätere Verluste abgesetzt werden können, handelt es sich im Regelfall nicht um eine unentziehbare Forderung und es bleibt nur die Annahme einer Beteiligung. Weitere Auslegungskriterien (Verzinsung; Entnahmerecht; Bezeichnung des Kontos etc.) kommen grundsätzlich erst zum Tragen, wenn Verluste nicht abgesetzt werden dürfen und es um die Frage geht, ob gleichwohl von einer Beteiligung auszugehen ist (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 08.02.2017, 9 U 84/16, Rn. 31 – juris).
Nach diesen Kriterien handelt es sich bei dem auf dem Verrechnungskonto des Beklagten gebuchten Anteil am Jahresüberschuss 2012 um eine unentziehbare Forderung des Beklagten. Auch der Beklagte stellt zutreffend darauf ab, dass es ihm nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen jederzeit ohne weitere Beschlussfassung gestattet war, den streitgegenständlichen Betrag zu entnehmen. Auf dem Konto wurden anders als bei den Kapitalkonten II und III auch keine Verluste gebucht. Guthaben und Schulden wurden darüber hinaus verzinst. Es handelt sich somit nicht um eine Auszahlung aus dem Eigenkapital der Gesellschaft oder um die Rückzahlung von Einlagen wie sie der Entscheidung des OLG Schleswig (08.02.2017, 9 U 84/16) zugrunde lag und auf die der Beklagte keinen Anspruch gehabt hätte, sondern er erwarb eine Forderung, die wie ein Darlehensanspruch oder ein sonstiger Anspruch eines Drittgläubigers seinem Vermögen zuzuordnen war.
Ob auch die Ausschüttung von Gewinnvorträgen, wie sie vorliegend auf dem Kapitalkonto III zu buchen gewesen wären, wirtschaftlich der Rückzahlung eines Darlehen gleichzustellen ist oder nicht, kann daher vorliegend dahingestellt bleiben (bejahend OLG Koblenz, a.a.O. bei Alleingesellschafter-Geschäftsführer; entgegen OLG Schleswig, a.a.O.). Die Auszahlung erfolgte nicht zu Lasten des Kapitalkontos III, sondern zu Lasten des Privatkontos.
b) Hinzukommen muss, die Finanzierungsfunktion. Diese erhält eine Forderung nach ganz h.M. nicht nur im Fall der Stundung, die vorliegend zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin nicht vereinbart wurde, sondern auch dann, wenn der Gläubiger von seiner Einzugsmöglichkeit faktisch zeitnah keinen Gebrauch macht (Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 6. Aufl., § 39, Rn. 43; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 39, Rn 38 – juris; Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl., § 39, Rn. 53 – beck-online). Das Stehenlassen von Gewinnen wirkt sich im Ergebnis für die Gesellschaft wirtschaftlich gleich aus wie eine unmittelbare Ausschüttung des Gewinns und eine anschließende Darlehensgewährung (vgl. auch BGH, 26.11.1979, II ZR 104/77, Rn. 7 und 10 – juris, der stehengelassene Gewinne ohne weitere Begründung als Darlehen qualifiziert).
Es kommt daher nicht darauf an, dass der Beklagte keine Verpflichtung zur unmittelbaren Entnahme hatte. Auch die Motivation für das Stehenlassen spielt keine Rolle. Da es keiner Krise als Voraussetzung für eine Anfechtung bedarf, ist nicht entscheidend, ob eine Kreditierung objektiv geboten und subjektiv intendiert war.
Während bei Austauschgeschäften für die Bestimmung dessen was zeitnah ist, auf die Grundsätze zurückgegriffen werden kann, die zum Bargeschäft nach § 142 InsO entwickelt wurden (BGH, 10.07.2014, IX ZR 192/13, Rn. 51 – juris; BGH, 29.01.2015, IX ZR 279/13, Rn. 71 – juris; Haas ZIP 2017, 545, 550), ist dies auf die Auszahlung eines Gewinnanspruchs nicht ohne weiteres übertragbar, da die Rückzahlung eines Darlehens nicht als Bargeschäft gewertet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2006 – IX ZR 158/05, ZInsO 2006, 712 Rn. 33). Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind jedoch auch kurzfristige Überbrückungsdarlehen anfechtbar (BGH, 07.05.2013, IX ZR 271/12, Rn. 2 – juris m.w.N.). Ein Zeitraum von mehr als 8 Monaten zwischen Gewinnverwendungsbeschluss und Entnahme ist daher nicht mehr zeitnah.
c) Die Anwendung des sog. Sanierungsprivilegs nach § 39 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist ausgeschlossen. Danach entfällt der Nachrang von Darlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, die ein Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gewährt hat, wenn er Gesellschaftsanteile zum Zwecke der Sanierung der Insolvenzschuldnerin erwirbt und zwar gleichermaßen für bestehende oder neu gewährte Darlehen oder diesen wirtschaftlich gleichgestellten Forderungen.
Auch wenn § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO den Begriff des Gläubigers nicht näher bestimmt, gilt das Sanierungsprivileg nach ganz h.M. nur für Neugesellschafter oder Altgesellschafter mit einer Beteiligung unter 10 %, weil andernfalls dem Altgesellschafter die Möglichkeit eröffnet würde, sich dem Nachrang durch einen minimalen Zuerwerb von Anteilen zu entziehen (Karsten Schmidt, InsO, a.a.O., § 39, Rn. 45; Uhlenbruck, InsO, a.a.O., § 39, Rn. 65; s.a. Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57; a.A. Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605). Soweit vertreten wird, dass die Ausnahmeregelung des § 39 Abs. 4 Satz 2 auch bei Altgesellschafter für Neukredite nach Erwerb der Sanierungsbeteiligung eingreifen könnte (Preuß in Kübler/Prütting, Bork, InsO, 78. Lieferung, 11.2018, § 39, Rn. 61 – juris), ist diese Voraussetzung vorliegend nicht gegeben, da der Anspruch auf Auszahlung des auf dem Verrechnungskonto gebuchten Gewinns bereits bei Erwerb der Gesellschaftsanteile des früheren Mitgesellschafters O… begründet war.
3. Die Auszahlung von 250.000 € an den Beklagten zu Lasten seines Verrechnungskontos stellt eine die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligende Rechtshandlung dar. Auf die zutreffende Begründung des Landgerichts nimmt der Senat Bezug.
Eine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO ist anzunehmen, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung die Aktivmasse des Insolvenzschuldnervermögens verkürzt oder das Passivvermögen vermehrt wurde. Unmittelbar ist eine Benachteiligung, die ohne Hinzukommen späterer Umstände schon mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung selbst eintritt (BGH, 12.07.2007, IX ZR 235/03, Rn 9 – juris).
Dabei ist eine Einzelbetrachtung vorzunehmen, denn die einzelne anfechtbare Rechtshandlung begründet ein eigenes selbständiges Rückgewährschuldverhältnis. Es sind lediglich solche Folgen zu Gunsten des Anfechtungsgegners zu berücksichtigen, die an die angefochtene Rechtshandlung selbst anknüpfen. Eine Vorteilsausgleichung findet grundsätzlich nicht statt (st. Rspr., z.B. BGH, 07.05.2013, IX ZR 191/12, Rn. 7 – juris; 20.06.2006, IX ZR 226/03, Rn. 14 – juris; Uhlenbruck, a.a.O., § 129, Rn. 162, 238 und § 143, Rn. 106 m.w.N.).
a) Erhält der Schuldner daher für das, was er aus seinem Vermögen weggibt, unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung, liegt keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor.
Vorliegend hat der Beklagte jedoch keine unmittelbare Gegenleistung für die Auszahlung erbracht. Eine solche ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht aus der Vereinbarung vom 09.08.2013 (Anlage B 2). Darin legten die beiden Gesellschafter zwar die Konditionen für einen noch zu beurkundenden Anteilskauf durch den Beklagten und insbesondere auch den Kaufpreis fest, ebenso, dass die Beschäftigung des Gesellschafters O… zum 31.12.2013 enden sollte. Eine Einbeziehung der Insolvenzschuldnerin im Sinne einer dreiseitigen Vereinbarung war damit aber nicht verbunden. Der Anteilskauf betrifft ein Rechtsgeschäft zwischen den Gesellschaftern.
Selbst wenn man wie der Beklagte von einer Einbeziehung ausgehen wollte, wird dadurch keine unmittelbare Gegenleistung begründet. Die Vereinbarung enthält keine Regelung dazu, dass die Gesellschaft den Kaufpreis für den Beklagten entrichten und dies durch Auszahlung seines Guthabens auf seinem Verrechnungskonto geschehen sollte. Die Vereinbarung vom 09.08.2013 verhält sich ebenso wenig wie der nachfolgend geschlossene notarielle Kaufvertrag vom 11.09.2013 (Anlage K 3) dazu, wie der Kaufpreis zu zahlen ist. Alleiniger Schuldner des Kaufpreises blieb der Beklagte, nicht die spätere Insolvenzschuldnerin. Entsprechend wurde die Auszahlung auch an den Beklagten vorgenommen und dieser verwendete den Betrag zur Erfüllung seiner Kaufpreisschuld, wofür er als Gegenleistung die Anteile des früheren Mitgesellschafters erhielt.
b) Erhält der Insolvenzschuldner etwas, was zwar keine Gegenleistung darstellt, sich aber in anderer Weise als – zumindest gleichwertiger – Vorteil erweist, kommt es darauf an, ob der Vorteil unmittelbar mit dem Vermögensopfer zusammenhängt. Das ist nicht schon der Fall, wenn das Vermögensopfer gezielt eingesetzt wird, um den Vorteil zu erreichen. Vielmehr muss sich der Vorteil unmittelbar in einer – den anderweitigen Nachteil zumindest ausgleichenden – Mehrung des Schuldnervermögens niederschlagen. Hingegen bleiben entferntere Ereignisse regelmäßig sogar dann außer Betracht, wenn sie adäquat kausal verursacht sind (BGH, 12.07.2007, IX ZR 235/03, Rn. 11 – juris).
Auch nach diesen Kriterien stellt sich die Befreiung der Insolvenzschuldnerin von Gehaltsforderungen des Gesellschafters O… nicht als ein zu berücksichtigender unmittelbarer Vorteil der Entnahme dar, sondern lediglich als eine Folge des Anteilsverkaufs. Abgesehen davon, dass die Modalitäten der Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsvertrags ausdrücklich nicht im notariellen Kaufvertrag geregelt wurden (Anlage K 3, § 9 Nr. 1) und auch insoweit eine Verknüpfung mit dem Anteilskauf vertraglich nicht vereinbart worden war, hätte die Insolvenzschuldnerin diesen Vorteil auch erlangt, wenn der Beklagte den Kaufpreis anderweitig als durch eine Entnahme beglichen hätte. Auf die Entnahme kam es insoweit nicht an.
Das Landgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es an der Gleichwertigkeit schon deshalb fehlt, weil die Gesellschaft nicht nur eine Vermögensminderung in Höhe der Entnahme erleidet, sondern darüber hinaus ihren Anspruch auf die Dienstleistung des Gesellschafters O… verliert. Dass dieser weiterhin in einem angemessenen – nicht näher definierten – Umfang unentgeltlich für Auskünfte und Beratungen zur Verfügung stehen sollte, stellte keine gleichwertige Leistung für den Verzicht auf die Dienstleistungen eines Geschäftsführers dar.
An einer Unmittelbarkeit fehlt es zudem schon deshalb, da die Minderung des Aktivvermögens in voller Höhe des Kaufpreises bereits durch die Auszahlung am 08.01.2014 vollzogen war, während sich der erlangte Vorteil erst in der Zukunft realisieren konnte. Gehaltsansprüche entstehen monatlich nach Erbringung der Dienstleistung. Damit stand zum Zeitpunkt der Entnahme noch nicht fest, in welcher Höhe die Gesellschaft von Forderungen würde befreit werden.
c) Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet nicht infolge einer Zweckvereinbarung aus.
Die tatsächliche Verwendung der Entnahme ist nicht gleichbedeutend mit einer Zweckbindung. Dem Beklagten stand es frei, seinen Gewinnanspruch durch Entnahme zu realisieren. Er war in seiner Verwendung nicht durch eine Vereinbarung mit der Insolvenzschuldnerin gehindert. Daran änderte auch der Abschluss des Anteilkaufvertrags nicht. Der Beklagte konnte den entnommenen Betrag zur Begleichung seiner Kaufpreisschuld verwenden, musste dies aber nicht.
Es liegt gerade kein Fall vor, in dem der spätere Insolvenzschuldner und ein Dritter vereinbaren, dem Schuldner zur Befriedigung eines bestimmten Gläubigers ein Darlehen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen ließe dies die Gläubigerbenachteiligung nicht entfallen, da mit der Zweckbindung die Gläubigergesamtheit durch die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers benachteiligt würde. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn das Darlehen nicht an den späteren Insolvenzschuldner ausbezahlt wird, sondern vom Dritten direkt an den Gläubiger überwiesen wird (vgl. dazu Uhlenbruck, a.a.O., § 1.29, Rn. 192 ff.).
d) Die Anfechtung scheitert auch nicht daran, dass die Entnahme Teil eines Sanierungskonzepts gewesen wäre. Ein ernsthafter Sanierungsversuch kann eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ausschließen. Voraussetzung ist ein in sich schlüssiges Sanierungskonzept, das mindestens in den Anfängen schon in die Tatumgesetzt war und ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg hatte. Ein schlüssiges Sanierungskonzept hat der Beklagte jedoch nicht dargelegt.
Nach seinen Ausfürungen befand sich die spätere Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs und auch der Auszahlung noch in keiner Krise. Gleichwohl ist es zwar nachvollziehbar, dass die Reduzierung von Ausgaben durch Einsparen eines Geschäftsführergehalts grundsätzlich die Fortführungsprognose des Unternehmens erhöht. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn die künftige Ersparnis dadurch „erkauft“ wird, dass der Gesellschaft sofort Liquidität durch Auszahlung von Barmitteln in gleicher oder die Ersparnis sogar übersteigender Höhe entzogen wird. Dies gilt im Hinblick auf eine eventuelle Gläubigerbenachteiligung umso mehr, als durch die Auszahlung eine im Insolvenzfall nachrangige Gläubigerforderung befriedigt wird.
e) Die Gläubigerbenachteiligung ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Masse ausreicht, um alle Forderungen zu befriedigen. Eine Befriedigung nachrangiger Insolvenzgläubiger begründet nur dann keine Benachteiligung der gewöhnlichen Insolvenzgläübiger, solange die Masse zu deren Befriedigung reicht (Uhlenbruck, a.a.O., § 129, Rn 167).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zum einen geht auch der Beklagte nur von einer Befriedigungsquote von 98,51 % aus. Zum anderen beruht diese Annahme auf der Aufstellung des Klägers (Anlage B 6), aus der jedoch hervorgeht, dass diese Quote nur bei einer Rückzahlung der angefochtenen Entnahme erreicht wird und bei der Berechnung die Forderungen etwaig nachrangiger Gläubiger noch keine Berücksichtigung gefunden haben.
4. Die Anfechtbarkeit der Auszahlung entfällt schließlich nicht gemäß § 142 InsO. Es handelt sich um kein Bargeschäft.
Eine Bardeckung ist gemäß § 142 InsO eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt. Durch die Worte „für die“ wird ausgedrückt, dass eine Bardeckung nur vorliegt, wenn Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sind. (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – IX ZR 287/14 -, BGHZ 208, 243-265, Rn. 21 Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl, § 142, Rn 10). Die Gegenleistung muss in das Vermögen des Schuldners gelangt sein. Daher reicht die Verringerung der Passivmasse des Schuldners, wie dies die Folge einer Darlehensrückzahlung ist, für die Annahme eines Bargeschäfts ebenso wenig aus wie die Verrechnung eines bestehenden Anspruchs des Anfechtungsgegners mit einem neu entstandenen Anspruch des Schuldners (Uhlenbruck, InsO, a.a.O., § 142, Rn. 14).
Der Verzicht des früheren Gesellschafters O… auf seine Stellung als Geschäftsführer und das damit verbunden Gehalt erfüllen damit nicht die Voraussetzungen einer Gegenleistung für die Auszahlung vom Verrechnungskonto des Beklagten. Beide Rechtshandlungen sind nicht unmittelbar miteinander durch Parteivereinbarung verknüpft. Der Beklagte kaufte die Gesellschaftsanteile des Gesellschafters O… zu einem Kaufpreis von 250.000 €. Es gibt schon keine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern und Parteien des Kaufvertrags, dass der Kaufpreis aus dem Gewinnanspruch des Beklagten gegen die Insolvenzschuldnerin aufgebracht werden soll, noch hat sich die Insolvenzschuldnerin verpflichtet, den Kaufpreisanspruch des Gesellschafters O… zu erfüllen.
III.
Aus den dargelegten Gründen verspricht das Rechtsmittel des Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg, sondern ist nach gegenwärtigem Stand offensichtlich aussichtslos im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO. Umstände, die gleichwohl eine mündliche Verhandlung geboten erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte muss daher, sofern keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte hinzutreten, mit der Zurückweisung seiner Berufung rechnen (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Sollte sich der Beklagte im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Senats entschließen, sein Rechtsmittel zurückzunehmen, hätte dies gegenüber einer förmlichen Zurückweisung gebührenrechtliche Vorteile (Ersparnis zweier Gerichtsgebühren).
Der Senat beabsichtigt den Berufungsstreitwert auf 250.000 € festzusetzen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben