Bankrecht

Kaskadenverweis im Verbraucherdarlehensrecht nicht europarechtswidrig bei Berufung auf Gesetzlichkeitsfiktion

Aktenzeichen  5 U 4904/20

Datum:
15.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46498
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 247 § 6

 

Leitsatz

Die Annahme der Gesetzlichkeitsfiktion beim sog. Kaskadenverweis verstößt nicht gegen Europarecht (Rn. 12). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 2122/20 2020-08-03 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.07.2020, Aktenzeichen 22 O 2122/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.314,30 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten über den Widerruf des von der beklagten Bank gewährten  Autofinanzierungskredits.
Der Kläger nahm zur Finanzierung seines Pkw am 29.06.2017 bei der Beklagten ein Darlehen über netto 38.314,30 € auf. Er widerrief den Darlehensvertrag mit Schreiben vom März 2019.
Der Kläger war vor dem Landgericht der Meinung, sein Widerruf sei nicht verfristet gewesen, weil die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
1.Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr. …4 über nominal 38.314,30 € ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 27.03.2019 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.560,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
3.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziff. 2 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
4.Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 865,37 € freizustellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wege der Hilfswiderklage Feststellungsklage im Zusammenhang mit vom Kläger zu zahlenden Nutzungsersatz erhoben.
Der Kläger hat Abweisung der Hilfswiderklage beantragt.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 10.07.2020 abgewiesen, weil die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen gewesen sei. Gegen das ihm am 07.08.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.08.2020, eingegangen bei Gericht am 17.08.2020 Berufung eingelegt. Durch am 23.09.2020 zugestellten Beschluss vom 21.09.2020 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie aus den dort mitgeteilten Gründen keine Erfolgsaussicht habe, und dem Kläger eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen gesetzt. Der Kläger hat gegenüber der „Stellungnahme des Oberlandesgerichts“ auf den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein neues Widerrufsmuster verwiesen. Die Annahme, dass hier die Gesetzlichkeitsfiktion greife, verstoße gegen Europarecht. Außerdem sei der Generalanwalt Hogan der Meinung, dass der Widerrufsbelehrung keine Informationen beigefügt werden dürften, die diese verunklarten, daher sei unklar, ob die Meinung des XI. Senats des BGH, dass das Aufrechnungsverbot der Beklagten in deren AGB die Belehrung nicht verunklare, überhaupt noch haltbar sei. Die Stellungnahme des Generalanwalts sei entgegen der Auffassung des BGH zu beachten. Außerdem liege hier kein Ratenzahlungs-, sondern ein Annuitätendarlehen vor. Die Beklagte hätte außerdem darüber belehren müssen, dass hier kein ordentliches Kündigungsrecht „vorliege“. Wegen weiterer Fehler verweise er auf die Berufungsbegründung, die das Gericht durcharbeiten möge.
Der Kläger beantragt,
das Ersturteil abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen mit der Maßgabe, auf den Antrag 2. eine Hauptforderung von 36.465,96 € nebst Zinsen zuzusprechen, zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Weitere Einzelheiten, insbesondere auch hinsichtlich der Anträge der Beklagten im Rahmen der Hilfswiderklage, ergeben sich aus dem Ersturteil, dem bereits zitierten Hinweisbeschluss und den im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätzen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.04.2020, Aktenzeichen 3 O 5199/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf die vorausgegangenen Hinweise des Senats Bezug genommen. Natürlich hat der Senat auch in diesem Fall die ihm sattsam bekannte, aus Textbausteinen bestehende Berufungsbegründung der Klägervertreter von 56 Seiten zur Kenntnis genommen. Allerdings sah und sieht er keinen Anlass, die den Klägervertretern aus den Beschlussserien des BGH vom 26.05., 30.06., 21.07., 25.08. und 15.09.2020 bestens bekannte Rechtsprechung des BGH zum Darlehensformular der Beklagten, nach der sich die Beklagte – auch hinsichtlich des Kaskadenverweises – jedenfalls auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen kann, beliebig zu wiederholen. Für diese rechtliche Beurteilung, die der Senat, den Klägervertretern bestens bekannt, teilt, ist es unerheblich, ob und welche Gesetzentwürfe die Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 sind. Sie belegen nicht, dass die Annahme der Gesetzlichkeitsfiktion gegen Europarecht verstößt. Hinsichtlich des Aufrechnungsverbots gilt nach wie vor – wie den Klägervertretern ausweislich ihrer Stellungnahme vom 05.10.2020, S.7, bestens bekannt -, dass ein an anderer Stelle befindlicher nicht ordnungsgemäßer Zusatz eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht zu entwerten vermag. Daran ändert die bei Erlass der einschlägigen Rechtsprechung des BGH bereits veröffentlichte Rechtsprechung des EuGH (NJW 2017, 45) nichts. Die bereits zitierten Beschlussserien hat der BGH erst deutlich nach den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 19.12.2019 erlassen. Der Aufmerksamkeit des Verfassers des Schriftsatzes vom 21.09.2020 scheint entgangen zu sein, dass der BGH die auch hier erteilte Angabe zur Art des Darlehens („Ratenkredit mit gleichbleibenden Monatsraten, erhöhter Schlussrate und festem Zinssatz“) gut geheißen hat (Urt. v. 5.11.2019, XI ZR 650/18 Rn.51). Daran ändert auch die in der Berufungsbegründung zitierte instanzgerichtliche Rechtsprechung ebenso wenig wie die Meinung des Generalanwalts etwas, die dem BGH bei seinen bereits zitierten, bestätigenden Beschlüssen natürlich bekannt waren. Entsprechendes gilt für die schon grammatisch nicht nachvollziehbaren Behauptungen zur Darlehenskündigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


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