Bankrecht

Keine Wertersatzpflicht nach Widerruf bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung

Aktenzeichen  14 O 3894/20

Datum:
12.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29874
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 312g Abs. 1, § 355, § 357 Abs. 8
EGBGB Art. 246a § 1

 

Leitsatz

Entspricht die Widerrufsbelehrung nicht in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen, so besteht nach einem Widerruf keine Wertersatzpflicht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.06.2020 sowie weitere 934,03 € zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
1. Der Kläger hat den Vertrag wirksam widerrufen.
Dem Kläger steht gemäß §§ 312g Abs. 1, 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB ein Widerrufsrecht zu.
Der Kläger hat nach den unstreitigen Parteivorbringen, den Widerruf form- und fristgerecht ausgeübt (§ 355 BGB). Die Bezeichnung als „fristlose Kündigung“ ist insoweit unschädlich.
2. Infolge des wirksamen Widerrufs steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des von ihm begehrten Betrags zu (§§ 355 Abs. 3, 357 BGB). Der Kläger hat an die Beklagte 12.000,- € gezahlt.
a) Der Beklagten steht ein Wertersatzanspruch nach § 357 Abs. 8 BGB nicht zu.
Der Kläger schuldet grundsätzlich Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, da er von der Beklagten ausdrücklich verlangt hat, dass diese mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und dieses Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat (§ 357 Abs. 8 S. 1 und 3 BGB). Die Beklagte hat jedoch keinen Anspruch auf Wertersatz, für den diese in der Darlegungs- und Beweislast steht: Der Anspruch auf Wertersatz besteht nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Absatz 1 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ordnungsgemäß informiert hat, § 357 Abs. 8 S. 2 BGB. Hieran fehlt es jedoch:
Die Beklagte hat den Kläger zwar in der Anlage K5 entsprechend des Muster-Widerrufsformulars (Anlage 1 zu § 1 Art. 246a EGBGB) richtigerweise darauf hingewiesen, dass der Kläger als Folge des Widerrufs einen angemessenen Betrag zu zahlen hat, der dem Anteil der bereits erbrachten Leistung im Verhältnis zum vereinbarten Gesamtumfang zum Zeitpunkt des Widerrufs entspricht (vgl. Anlage K5). Der weitere Hinweis in Anlage K6 entspricht jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen: Erstens ist es nicht richtig, dass der Kläger sein Widerrufsrecht „verliert“. Die vollständige Vertragserfüllung hat allenfalls Auswirkungen auf die Rechtsfolgen des Widerrufs, jedoch nicht auf das gesetzliche Rücktrittsrecht an sich. Zweitens ist die Belehrung insoweit unrichtig, als darauf hingewiesen wird, dass der Kläger sein Widerrufsrecht verliere, wenn die Leistung vollständig erfüllt sei: Eine vollständige Vertragserfüllung liegt gerade nicht vor, wenn Partnervermittlungsvorschläge in der vereinbarten Zahl zugegangen sind, da der Vertrag die Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots vorsieht, die mit 20% der Gesamtvergütung zu vergüten ist. Diese geschuldete Leistung (Verwaltung und Aktualisierung für die Dauer von 6 Monaten) kann die Beklagte im Zeitpunkt eines Widerrufs innerhalb der Widerrufsfrist von 2 Wochen schon aufgrund der zeitlichen Komponente noch nicht „vollständig“ erbracht haben. Zum Zeitpunkt des Widerrufs ist die vertraglich geschuldete Leistung seitens der Beklagten also allenfalls zu 80% erbracht. Demzufolge hat aber die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 357 Abs. 8 S. 2 BGB informiert, da ein angemessener Betrag hier allenfalls bei 80% der geschuldeten Vergütung liegen würde. Folglich ist keine ordnungsgemäße Information im Sinne von § 357 Abs. 8 S. 2 BGB i.V.m. zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EGBGB dahingehend erfolgt, dass der Kläger einen angemessenen Betrag für die von der Beklagten erbrachte Leistung schuldet. Insofern weicht die Belehrung auch von Anlage 1 zu Art. 246a, § 1 Abs. Abs. 2 S. 2 EGBGB ab. 100% der Vergütung für die nicht vollständig erbrachte Leistung zu verlangen, dh. anzukündigen, das Gesamthonorar auch für eine noch geschuldete Leistung zu verlangen, die im Verhältnis zur Gesamtvergütung mit 20% zu vergüten ist, ist nicht angemessen. Tatsächlich könnte diese so erfolgte Belehrung über die Widerrufsfolgen (Anlage K6) einen Verbraucher, der die Partnervorschläge erhalten hat, vom Widerruf abhalten, und damit davon, sein gesetzliches Widerrufsrecht auszuüben. Einem „durchschnittlichen“ Verbraucher dürfte insoweit nicht klar sein, dass er in jedem Fall 20% der Vergütung zurückerhält, wenn er den Vertrag widerruft.
Da keine ordnungsgemäße Unterrichtung vorliegt, entfällt die Wertersatzpflicht. Nach herrschender Meinung umfaßt die ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung auch die Folgen des Widerrufs. Entspricht die Widerrufsbelehrung nicht in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen, so besteht keine Wertersatzpflicht (BeckOGK/Mörsdorf, 15.02.2021, BGB, § 357 Rn. 73). Hierauf hat das Gericht auch hingewiesen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2021).
b) Es kann dahin stehen, ob der Beklagten ein Wertersatzanspruch in der verlangten Höhe zusteht; diese würde sich nach § 357 Abs. 8 S. 4 und 5 BGB richten.
3. Der Anspruch auf Ersatz für außergerichtliche Kosten besteht. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 91, 709 ZPO.


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