Bankrecht

Kommanditistenhaftung bei Insolvenz nach Haftsummenherabsetzung

Aktenzeichen  19 O 2300/18

Datum:
26.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55980
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4, § 160 analog

 

Leitsatz

1. Zur substanziierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach den §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt gem. §§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen.  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf Grund der Insolvenz kann der Beklagte als Kommanditist dem Rückzahlungsanspruch nur solche persönlichen Einwendungen entgegenhalten, die ihm nicht nur gegenüber einzelnen, sondern gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern zustehen, so dass es auf den objektiv nachprüfbaren, für sämtliche Altgläubiger wirksamen und insbesondere für den Insolvenzverwalter ersichtlichen Zeitpunkt der Eintragung der Haftsummenherabsetzung gem. § 174 HGB und nicht auf die Kenntnis der (Alt-)Gläubiger ankommt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 40.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2017 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.590,91 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.01.2018 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und auch im Wesentlichen begründet.
A. Zulässigkeit
Die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Nürnberg-Fürth resultiert aus §§ 71, 23 GVG in Verbindung mit §§ 12, 13 ZPO.
Der Kläger ist in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Schifffahrtsgesellschaft … für deren Gläubiger prozessführungsbefugt. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet (hier: seit dem 11.11.2016, Anlage K1), so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht gem. § 171 Abs. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter ausgeübt.
Die Klage ist insbesondere nicht wegen eines nicht hinreichend bestimmten Klageantrags unzulässig, § 253 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO. Die von der Beklagtenseite zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.10.2006 (Aktenzeichen II ZR 193/05) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Weder handelt es sich vorliegend um eine (verdeckte) Teilklage, noch muss näher nach Entstehung und Höhe der Forderungen differenziert werden. Als Kommanditist haftet der Beklagte gemäß §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB nur begrenzt bis zur Höhe seiner Einlage und soweit die Einlage nicht geleistet worden ist bzw. als nicht geleistet gilt. Die hieraus resultierende Höhe der Haftsumme ist auf die Höhe der erhaltenen Auszahlungen (2 x 20.000,00 EUR = 40.000,00 EUR) begrenzt, insofern wird der Beklagte voll in Anspruch genommen. Es liegt darum gerade keine Teilklage vor; die geforderte Einlage darf nur zur gleichmäßigen anteiligen Befriedigung der berechtigten Gläubiger verwendet werden (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16 -, BGHZ 217, 327-340, Rn. 17).
B. Begründetheit
Die Klage ist auch im Wesentlichen begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus §§ 171, 172 HGB ein Anspruch über 40.000,00 EUR nebst Verzugszinsen zu.
1.
Der Beklagte als Kommanditist der Insolvenzschuldnerin hat seine ursprüngliche Einlage von 250.000,00 EUR in Höhe von 40.000,00 EUR im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB vor der Haftsummenreduzierung zurückgewährt erhalten und haftet den (Alt-)Gläubigern der Gesellschaft – vertreten durch den Kläger als Insolvenzverwalter, § 171 Abs. 2 HGB – daher in dieser Höhe gem. § 171 Abs. 1 HGB unmittelbar.
a) Es liegt durch die Ausschüttungen eine Entnahme im Sinne des § 174 HGB vor, obwohl diese weder mit Zustimmung noch auf entsprechende Veranlassung des Beklagten erfolgten. Eine „aufgedrängte Bereicherung“ des Beklagten liegt nicht vor. Dem Beklagten war aufgrund seiner Beteiligung an der Insolvenzschuldnerin bekannt, dass Ausschüttungen an ihn erfolgen würden. Sofern diese Ausschüttungen nicht mit seiner Zustimmung erfolgt sein sollten, hätte es dem Beklagten offengestanden, die Ausschüttungen zurück zu überweisen.
b) Die Vorschrift des § 152 Abs. 2 KAGB, auf die der Beklagte als Schutznorm verweist, weil er sich als Verbraucher und Kommanditist an einer Handelsgesellschaft beteiligt habe, gilt allein für geschlossene Investmentfonds, nicht aber für die hier vorliegende operativ tätige Insolvenzschuldnerin, vgl. § 1 Abs. 1 und 11 KAGB. Zudem finden die Vorschriften des HGB, die dem Schutz von Gesellschaftsgläubigern dienen, auch auf die … Anwendung. Hierzu zählen die §§ 171, 172 HGB (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1982 – II ZR 201/81 – juris Rz. 19). Ein etwaiger Verstoß gegen § 152 Abs. 2 KAGB würde allenfalls einen Schadensersatzanspruch im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft begründen, nicht jedoch zum Wegfall der Außenhaftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern führen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.05.2018, Az. 6 U 163/18, S. 5).
c) Bei den Ausschüttungen handelte sich auch nicht um durch Gewinne gedeckte Auszahlungen von Liquiditätsüberschüssen; vielmehr erfolgten die Ausschüttungen seitens der Gesellschaft an die Kommanditisten (so auch an den Beklagten), als die Kapitalkonten der Kommanditisten schon unter den Betrag der jeweiligen Hafteinlage herabgemindert waren.
Sofern der Beklagte geltend gemacht hat, es sei zu bestreiten, dass die Gesellschaft von Anfang an keine Gewinne gemacht und ausschließlich Verluste erzielt habe und die Jahresabschlüsse „in Frage stellt“, darüber hinaus behauptet, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass das Kommanditkapital zur Zeit der Auszahlungen an den Kläger schon unter den Betrag der Hafteinlage abgesunken war, stellt dies keinen hinreichend substanziierten Vortrag dar. Der Kläger hat unter Vorlage der Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen für die streitgegenständlichen Jahre (vgl. Anlage K3) substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass tatsächlich von Anfang an nie Gewinne durch die Gesellschaft gemacht wurden und dass bereits im Beitrittsjahr des Beklagten das Kapitalkonto unter den Betrag der Haftsumme herabgesetzt war. Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 S. 2 HGB nicht vorliegen, ist indes der Beklagte (BGH, Urteil vom 22.03.2011, Az.: II ZR 271/08, Rn. 21).
2.
Es besteht jedenfalls eine durch den Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle „für den Ausfall festgestellte“ Forderung der Altgläubigerin … über 12.700.442,33 EUR gegenüber der Gesellschaft, die die Insolvenzmasse (zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung: freie Masse von 5.093,79 EUR) inklusive der Summe der Ausschüttungen an sämtliche Kommanditisten (906.800,00 EUR) auch unter Berücksichtigung des im Wert geschätzten vorhandenen Anlagevermögens (bei Liquidation: 8.750.000 EUR laut Eröffnungsbilanz) deutlich übersteigt, so dass die Haftsumme des Beklagten auch zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 22.03.2011 – II ZR 271/08, Rn. 18).
a) Zur substanziierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach den §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt gem. §§ 129 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen (BGH, Urteil vom 20.2.2018, Az.: II ZR 272/16, Rn. 21 ff.).
Aus der seitens des Klägers vorgelegten Insolvenztabelle ergibt sich schon allein die besagte Forderung der … über 12.700.442,33 EUR. Diese wurde seitens des Klägers für den Ausfall festgestellt. Einwendungen hiergegen sind dem Beklagten folglich abgeschnitten. Insbesondere sind auch für den Ausfall festgestellte Forderungen der Gläubiger in die Forderungssumme mit einzubeziehen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2018, Az. 27 U 68/17).
b) Diese Forderung kann auch nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Sofern der Beklagte einwendet, der aktuelle Massebestand sei unklar, auf die Eröffnungsbilanz (Anlage K6) könne nicht zurückgegriffen werden, ist dieser Vortrag nicht substanziiert genug, um den Vortrag der Klagepartei hinlänglich zu bestreiten. Der Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet, wenn er geltend macht, seine Inanspruchnahme werde zur Gläubigerbefriedigung nicht benötigt (BGH, Urteil vom 20.2.2018, Az.: II ZR 272/16, Rn. 39). Konkreten und prüfbaren Vortrag dazu, woraus sich die mangelnde Notwendigkeit seiner Inanspruchnahme ergeben soll, hat der Beklagte aber gerade nicht angebracht. Insbesondere hat der Kläger dargelegt, dass das im Anlagevermögen allein befindliche Schiff für einen Betrag von umgerechnet 8.415.712,50 € veräußert werden konnte (Schriftsatz v. 05.12.2018, Bl. 65 d.A.). Insofern hält sich dies sogar unterhalb des geschätzten Anlagevermögens laut Eröffnungsbilanz.
3.
Der Anspruch des Klägers scheitert auch nicht an § 172 Abs. 5 HGB. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Beklagte die Auszahlungen auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezogen hätte. Es ist jedoch nicht ausreichend, wenn sich der Kommanditist – so wie der Beklagte hier – insofern auf periodische „Schreiben“ der Gesellschaft beruft.
4.
Der Anspruch des Klägers ist auch nicht ausgeschlossen, weil die fünfjährige Nachhaftungsfrist des § 160 HGB analog bei Klageerhebung bereits abgelaufen gewesen wäre.
a) Gemäß § 160 Abs. 1 HGB, der gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft Anwendung findet, haftet ein aus der Gesellschaft (dort: offene Handelsgesellschaft) ausscheidender Gesellschafter für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn sie vor Ablauf von 5 Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird. Die Frist beginnt mit dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird. Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedoch bei der oHG auf die positive Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers abzustellen; die Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister sei für den Fristbeginn nicht konstitutiv (BGH, Urteil vom 24.09.2007 – II ZR 284/05).
b) Die vorliegende Haftsummenherabsetzung wirkt aus Sicht der Gläubiger wie ein teilweises Ausscheiden der Kommanditisten, so dass § 160 HGB analog auf §§ 174, 175 HGB anwendbar ist (vgl. MüKoHGB/Karsten Schmidt, 3. Auflage 2012, HGB § 175 Rn. 19; Baumbach/Hopt/Roth, Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, Rn. 2).
c) Es spricht zwar viel dafür, dass auch die Rechtsprechung des BGH zum Fristbeginn mit der Kenntnis des Ausscheidens eines oHG-Gesellschafters auf den Fristbeginn mit der Kenntnis der Haftsummenherabsetzung eines Kommanditisten zu übertragen ist.
Dagegen spricht zwar, dass gemäß § 174 S. 1 HGB eine Herabsetzung der Einlage eines Kommanditisten, solange sie nicht in das Handelsregister des Gerichts, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, eingetragen ist, den Gläubigern gegenüber unwirksam ist.
Man könnte jedoch die Auffassung vertreten, dass § 174 HGB zur Vermeidung von haftungsrechtlichen Wertungswidersprüchen teleologisch dahingehend zu reduzieren ist, dass die Gläubiger im Falle der Kenntnis eines tatsächlich niedrigeren Haftbetrages nicht schutzbedürftig sind. Denn § 176 Abs. 1 S. 1 a. E. sieht vor, dass ein Kommanditist vor der Eintragung der KG in das Handelsregister einem Gläubiger, dem seine Stellung als Kommanditist bekannt war, nur als solcher und nicht gleich einem Komplementär haftet (vgl. MüKoHGB/Karsten Schmidt, 3. Auflage 2012, HGB § 175 Rn. 17; Baumbach/Hopt/Roth, Handelsgesetzbuch, 38. Auflage 2018, Rn. 1). Entsprechendes könnte daher auch innerhalb der Anwendung des § 160 HGB analog auf die Haftsummenherabsetzung gelten (vgl. insoweit Heidel/Schall, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage 2015, Rn. 2; LG Darmstadt, Urteil vom 06.12.2018, Az. 27 O 63/18). Denn Sinn und Zweck der Regelung des § 160 HGB ist, den Gesellschafter der Notwendigkeit zu entheben, alle Gläubiger einzeln in Kenntnis zu setzen, wenn ihnen die Einsichtnahme in das Handelsregister möglich ist (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 24.09.2007 – II ZR 284/05, Rn. 18). Insofern ist der Altgläubiger einer KG nicht schutzwürdiger als der Gläubiger einer oHG, für den – wie durch den BGH entschieden – auf die Kenntnis des Ausscheidens abzustellen ist.
d) Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Alt-Gläubiger selbst seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am 11.11.2016 und insoweit deutlich vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Enthaftung fünf Jahre nach Kenntniserlangung) an der Inanspruchnahme der Kommanditisten gesperrt sind und ausschließlich der Kläger als Insolvenzverwalter gem. § 171 Abs. 2 HGB für sämtliche (Alt-)Gläubiger anteilig vorgehen kann. Insofern kann der Beklagte als Kommanditist diesem Anspruch nur solche persönlichen Einwendungen entgegenhalten, die ihm nicht nur gegenüber einzelnen, sondern gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1991 – II ZR 112/90 -, BGHZ 113, 216-221, Rn. 16). Auf die Frage der Kenntnis der … (sowie ggf. der …) kommt es somit nicht an, sondern nur auf den objektiv nachprüfbaren, für sämtliche Altgläubiger wirksamen und insbesondere für den Insolvenzverwalter ersichtlichen Zeitpunkt der Eintragung gem. § 174 HGB. Etwas anderes könnte nach Auffassung der Einzelrichterin allenfalls dann gelten, wenn die Enthaftung auf Grund Kenntnis der Altgläubiger bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten wäre. Denn nur dann hätte den Altgläubigern mit Kenntnis die volle 5-Jahres-Frist zur Verfügung gestanden, um die Nachhaftung des Beklagten geltend zu machen. Wird diesen Gläubigern aber durch die Regelung des § 171 Abs. 2 HGB unmöglich gemacht, ihre Ansprüche binnen der vollen 5-Jahres-Frist geltend zu machen, so sind sie trotz eigener Kenntnis dahingehend schutzwürdig, dass der Insolvenzverwalter die nach dem Handelsregister (Eintragung der Haftsummenreduzierung) objektiv bestehende Frist ausschöpfen kann. Insofern ergibt sich auch kein Wertungswiderspruch zur BGH-Entscheidung betreffend die Kenntniserlangung bei der OHG. Denn dort gibt es keine dem § 171 Abs. 2 HGB entsprechende Vorschrift, die allein einen Dritten zur Geltendmachung der Ansprüche in der Insolvenz berechtigt.
e) Die wirksame Klageerhebung ist auch vor dem Ablauf der 5-Jahres-Frist betreffend die Eintragung der Haftsummenreduzierung erfolgt.
(1) Die Klagezustellung an den Beklagten wurde am 02.05.2018 bewirkt, somit vor Ablauf des 21.05.2018 (5 Jahre nach Eintragung der Herabsetzung der Haftsumme im Handelsregister).
(2) Die Zustellung der Klage wirkte auch verjährungshemmend in Hinblick auf die Geltendmachung der 5-jährigen Nachhaftung des Beklagten für die Altgläubiger nach der Haftsummenreduzierung, auch wenn diese nicht ausdrücklich in der Klageschrift erwähnt wurde. Aus der Klageschrift sowie der damit vorgelegten Insolvenztabelle (Anlage K5) sind sämtliche Gläubiger, für die der Kläger als Insolvenzverwalter die Einlagenrückzahlung verlangte, ersichtlich. Die Klageforderung beläuft sich unabhängig davon, ob der Kläger für sämtliche Insolvenzgläubiger oder allein für die Altgläubiger – insbesondere die … – tätig wird, auf den geltend gemachten Klagebetrag. Bei der Nachhaftungsfrist auf Grund der Haftsummenherabsetzung handelt es sich zudem um einen Einwand des Beklagten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26. 10. 1955 – 1 U 76/55, NJW 1955, 1928, 1929), der nicht vom Kläger vorweggenommen werden musste.
5.
Es gibt entgegen der Ansicht des Beklagten auch keinen Grund, den Anspruch wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben sowie unter dem Aspekt der unzulässigen Rechtsausübung zurückzuweisen. Sollte es zu Verfehlungen der Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Beklagten als „arglosem Verbraucher“ gekommen sein, ist dies nicht Angelegenheit der Gläubiger. Auch ist es irrelevant, dass die vorliegend streitgegenständliche Rückzahlung der Einlagen bereits 12 Jahre zurück liegt. Allein relevant ist, dass der Beklagte Kommanditist blieb und seine ursprüngliche Haftungseinlage, mit der er den Altgläubigern haftet, nicht mehr vollständig vorhanden ist.
6.
Der korrespondierende Zinsanspruch resultiert als Verzugszins aus §§ 286, 288 BGB. Verzug trat auf Grund der Zahlungsaufforderung des Beklagten durch den Kläger gemäß Schriftsatz vom 10.10.2017 (Anlage K 7) mit Ablauf der darin bis zum 31.10.2017 gesetzten Zahlungsfrist ein. Da es sich jedoch sowohl beim 31.10.2017 (Reformationstag im Lutherjahr, Feiertag in ganz Deutschland) sowie dem darauf folgenden 01.11.2017 (Allerheiligen, Feiertag jedenfalls in Bayern, d.h. am Wohnort des Beklagten) um Feiertage handelte, verlängerte sich die Frist bis zum 02.11.2017, so dass Verzug erst am 03.11.2017 eintrat.
II.
Der Kläger hat auch Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Begleichung seiner Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung als Verzugsschaden. Die aus Anlage K7 ersichtliche Zahlungsfrist war bei Tätigwerden der Klägervertreter bereits abgelaufen (§§ 286, 288 BGB). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein Schädiger all diejenigen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen hat, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 05.12.2017, Az.: VI ZR 24/17, Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Dies wird grundsätzlich zu bejahen sein, wenn nicht ausnahmsweise der Fall sachlich wie rechtlich einfach gelagert ist (BGH, Urteil vom 06.10.2010, Az.: VIII ZR 271/09, Rn. 9 f.) oder aus Sicht des Anspruchstellers von vorneherein zweifelsfrei klar ist, dass sein Anspruchsgegner leisten werde. Der vorliegende Fall ist in keiner Hinsicht einfach gelagert, wie schon die lebhafte rechtliche Auseinandersetzung in den Schriftsätzen der Parteien belegt. Der Kläger ist zwar Fachanwalt für Insolvenzrecht. Das Insolvenzrecht bildet im vorliegenden Verfahren allerdings lediglich den „Aufhänger“ der Auseinandersetzung, die im Kern gesellschaftsrechtlicher Natur ist. Es kann nicht einfach unterstellt werden, dass der Kläger aufgrund seiner Kenntnisse im Insolvenzrecht automatisch auch so vertiefte Kenntnisse im Gesellschaftsrecht besitzt, dass sich die Sache aus seiner Sacht als so einfach gelagert darstellen musste, dass er sich hierzu nicht mehr gesondert beraten und vertreten lassen durfte. Eine derartige Ansicht wäre nach Meinung des Gerichts aber auch schon aus Gründen der Waffengleichheit falsch. Denn nach einem ersten Anschreiben durch den Kläger persönlich an den Beklagten (Anlage K 7) bestellten sich für den Beklagten, der ebenfalls Rechtsanwalt ist und sich im Termin der mündlichen Verhandlung auch selbst vertrat, sogleich dessen Prozessbevollmächtigte und forderten den Kläger zur Substantiierung seines Rückforderungsanspruchs unter „Fristsetzung“ bis zum 30.11.2017 auf (Anlage K 8). Dass der Kläger sodann seinerseits (fach-)anwaltliche Hilfe in Anspruch nahm, kann ihm schwerlich vorgeworfen werden (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 08. November 1994 – VI ZR 3/94 -, BGHZ 127, 348-353, Rn. 11).
Die Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ist nicht zu beanstanden. Der Streitwert wurde mit 40.000 € zutreffend zu Grunde gelegt. Auch wurde nicht mehr als die Mittelgebühr (1,3 Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG) zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) gefordert.
Auch hier resultiert der korrespondierende Zinsanspruch aus §§ 286, 288 BGB. Verzug trat auf 19 O 2300/18 – Seite 13 – Grund der Zahlungsaufforderung des Beklagten durch den Klägervertreter gemäß Schriftsatz vom 18.12.2017 mit Ablauf der darin bis zum 08.01.2018 gesetzten Zahlungsfrist, mithin am 09.01.2017 ein.
III.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, weil die Zuvielforderung der Klageparte (Zinsen für zwei Tage) äußerst geringfügig war und keine höheren Kosten ausgelöst hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 2 ZPO.


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