Bankrecht

Musterbelehrung, Auslegung, Aufhebung, Unionsrecht, Verfahren, Anlage, Stellungnahme, Voraussetzungen, Vorlage, Kostenentscheidung, Gerichtshof, Verbindung, EuGH, Streitwert

Aktenzeichen  17 U 3466/20

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47047
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

40 O 16032/19 2020-05-07 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 07.05.2020, Aktenzeichen 40 O 16032/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.990 EUR festgesetzt.

Gründe

I .
Der Senat nimmt gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts.
Zum Sachvortrag im Berufungsrechtszug verweist der Senat ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf die Schriftsätze des Klägers vom 15.07.2020 (dort S. 1/2, Bl. 184/185 d.A.) und der Beklagten vom 19.06.2020 (dort S. 2, Bl. 183 d.A.).
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 07.05.2020, Aktenzeichen 40 O 16032/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
III.
Auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 11.08.2020 (Bl. 203/207 d.A.), den Klägervertretern zugestellt am 18.08.2020, wird Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägers vom 01.09.2020 (Bl. 209/221 d.A.) enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
1. Soweit der Kläger meint, in der Angabe von „0,00 €“ liege ein Abweichen von der Musterbelehrung (vgl. Stellungnahme vom 01.09.2020 unter Ziffer 1, Bl. 209/210 d.A.), greift das bereits deshalb nicht durch, weil der Zinsbetrag in der streitgegenständlichen Widerrufsinformation mit 2,41 EUR (vgl. Anlage K 1a S. 8 „Widerrufsfolgen“) angegeben ist.
2. Auch die Angaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB in Verbindung mit Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB entsprechen den gesetzlichen Vorgaben. Die Beklagte war nicht gehalten, präziser oder umfassender als der Gesetzgeber zu formulieren (BGH Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 unter B II 2 b insb. Rn. 16; vgl. auch Münscher in Schimanski/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 81 Rn. 108; vgl. vor allem BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, NJW 2020, 461 Rn. 52). Diesen Anforderungen werden die Angaben im Darlehensvertrag (dort S. 5: Wichtige Hinweise, Ausbleibende Zahlungen, Anlage K 1a) gerecht. Sie entsprechen § 288 Abs. 1 BGB. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist offen, ob und wann der Darlehensnehmer in Verzug gerät. Die Ermittlung des zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Zinssatzes ist dem verständigen Verbraucher möglich und zumutbar, da der jeweilige Basiszinssatz – worauf zudem noch in Ziffer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen (S. 10 des Darlehensvertrags, Anlage K 1a) hingewiesen wird – eindeutig durch die Deutsche Bundesbank festgelegt wird und dem Verbraucher ohne weiteres zugänglich ist. Selbst die Zwangsvollstreckung aus einem Titel mit einer derartigen Angabe ist möglich.
3. Der Bundesgerichtshof hat die Widerrufsinformationen der Beklagten mit Urteil vom 05.11.2019 einer Überprüfung unterzogen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, NJW 2020, 461). Danach sind die Widerrufsinformationen vollständig und beanstandungsfrei.
Da der Bundesgerichtshof ohne konkrete Rügen eine Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag in vollem Umfang zu überprüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 unter II 2 c insb. juris Rn. 28), kommt es zudem auf einzelne Rügen des Klägers hierzu nicht an.
Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 b AEUV sieht der Senat unter diesen Voraussetzungen ebenfalls keinen Anlass, da sonst der Bundesgerichtshof seinerseits dem Europäischen Gerichtshof die von ihm entschiedenen Verfahren hätte vorlegen müssen (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
4. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (C-66/19, NJW 2020, 1423) steht einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.
a. Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB in Verbindung mit Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.09.2019 – C-331/18, WM 2019, 2008 Rn. 56) nicht zugänglich (BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18, NJW-RR 2019, 867 unter II 2 b insb. juris Rn. 16 und 17; bestätigt nunmehr durch BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19, WM 2020, 838 unter II insb. juris Rn. 11/14 sowie durch BGH, Beschluss vom 26.05.2020 – XI ZR 569/19, juris). Ob also das deutsche Gesetzesrecht Art. 10 Abs. 2 p der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (künftig: RLEG 48/08) entspricht oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls genügt Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und bleibt daher selbst dann wirksam, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020 – 2 BvR 739/17, EuZW 2020, 324 unter B II 3 insb. juris Rn. 114/115).
b. Darüber hinaus ergibt sich aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB ausreichend ist. Mehr als der Gesetzeswortlaut vorsieht, braucht die Beklagte in Hinblick auf die Widerrufsinformation nicht zu leisten (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 unter II 2 b insb. juris Rn. 23). Auch insoweit ist eine unionsrechtskonforme Auslegung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich.
5. Insgesamt hält der Senat deshalb nach nochmaliger Überprüfung an seiner im Beschluss vom 11.08.2020 dargelegten Auffassung fest.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 708 Nr. 10 analog und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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