Bankrecht

Örtliche Zuständigkeit für die Klage einer Publikums GmbH & Co. KG gegen einen Treugeberkommanditisten auf Leistung der Einlage

Aktenzeichen  1 AR 144/19

Datum:
5.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6065
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 22, § 29c Abs. 1 S. 2, § 281
HGB § 164, § 166

 

Leitsatz

1. § 22 ZPO findet auch auf Klagen einer Publikums GmbH & Co. KG gegen einen Treugeberkommanditisten auf Leistung der Einlage Anwendung, wenn diesem wegen der Verzahnung von Gesellschafts- und Treuhandvertrag im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters (Quasi-Gesellschafter) zukommt. (Rn. 32)
2. Der in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Wenn ein bestimmter rechtlicher Vortrag einer Partei den Kern deren Vorbringens darstellt und für die Entscheidung von ausschlaggebender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, sich mit der dazu zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinanderzusetzen. (Rn. 39)

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht München.

Gründe

I.
Die in München ansässige Klägerin ist eine in Liquidation befindliche Publikumsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG.
Die im Bezirk des Amtsgerichts Freiberg wohnende Beklagte beteiligte sich im Dezember 2005 über eine Treuhandkommanditistin an der Klägerin; dazu gab sie eine Beitrittserklärung ab, die von der Klägerin angenommen wurde. Die Einlage sollte im Wesentlichen durch monatliche Ratenzahlungen erbracht werden.
Der als Teil der Anlage K 1 zur Anspruchsbegründung vorgelegte Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„§ 4 Gesellschafter, Kapital, Vermögensbeteiligung
1. Persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) ist die [S. AG], die keinen Kapitalanteil hat.
2. Weitere Kommanditisten sind die Herren [G.] und [Sch.] mit einer Kapital- und Hafteinlage von je 1.000 €, die sofort zu erbringen ist.
3. Treuhandkommanditist ist die [P. GmbH] mit einer Hafteinlage von zunächst 10.000 €, die aus der treuhänderischen Übernahme von Einlagen gemäß § 5 erbracht wird. Mit Durchführung der Kapitalerhöhungen wird für den Treuhandkommanditisten eine Hafteinlage in Höhe von 20% der gezeichneten Kapitalanteile der beitretenden Treugeber eingetragen, und zwar jeweils spätestens zum Jahresende. […] Der Treuhandkommanditist erbringt seine Kapitaleinlagen zzgl. 5% Abwicklungsgebühr durch Abtretung seiner gegen die jeweiligen Treugeber bestehenden Ansprüche an die Gesellschaft. […]
4. Weitere Kommanditisten können auch als Direktkommanditisten beitreten […].
5. „Anleger“ im Sinne dieses Vertrages sind die nach Abschluss dieses Gesellschaftsvertrages beitretenden Kommanditisten, unabhängig davon, ob sie als Direktkommanditisten oder über den Treuhandkommanditisten beitreten.
„Gesellschafter“ im Sinne dieses Vertrages sind der persönlich haftende Gesellschafter, die Kommanditisten nach § 4 Ziffer 2 und die Anleger […].

§ 5 Kapitalerhöhungen […]
1. Die Geschäftsführung ist berechtigt und verpflichtet, das Gesellschaftskapital durch Aufnahme von weiteren Kommanditisten bis zum 31.12.2005 in einem oder mehreren Schritten auf 79.002.000 € […] zu erhöhen […]
2. Der Treuhandkommanditist ist berechtigt, seinen Kapitalanteil entsprechend der Summe der von ihm treuhänderisch verwalteten Beteiligungsbeträge zu erhöhen. […]
§ 6 Direktbeteiligung/Treuhandkommanditist
1. Der Anleger kann eine Direktbeteiligung mit persönlicher Eintragung im Handelsregister oder die Beteiligung über den Treuhandkommanditisten wählen.
2. Wählt der Anleger die Beteiligung über den Treuhandkommanditisten, so wird dessen Kapitalanteil entsprechend der Summe der von ihm treuhänderisch verwalteten Beteiligungsbeträge erhöht. An diesen Kapitalerhöhungen nimmt der Treuhandkommanditist im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung des Treugebers teil.
3. Nach der im Treuhandvertrag erfolgenden Abtretung von Forderungen und Rechten an den Anleger und dessen Bevollmächtigung wird dieser im Verhältnis zur Gesellschaft und den Gesellschaftern weitestgehend wie ein Kommanditist behandelt.

5. Jeder Treugeber hat das Recht, an Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und die auf seine Beteiligung entfallenden Mitgliedschaftsrechte unmittelbar selbst oder durch einen von ihm Bevollmächtigten wahrzunehmen.

Der als weiterer Teil der Anlage K 1 vorgelegte Treuhandvertrag (im Folgenden: TrhV) enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„Präambel
Der Treugeber beabsichtigt, sich über den Treuhandkommanditisten an der [Gesellschaft] zu beteiligen.“
Mit Unterzeichnung der Beitrittserklärung gibt der Treugeber ein verbindliches Angebot zum Abschluss des vorliegenden Treuhandvertrages ab. […] Der Treuhandvertrag wird wirksam, sobald ein geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft die vom Treugeber bei der Gesellschaft eingereichte Beitrittserklärung angenommen hat. Der Treuhandkommanditist erteilt hiermit der Gesellschaft Vollmacht, die Beitrittserklärung für ihn anzunehmen. Der Treugeber verzichtet auf die ausdrückliche Erklärung der Annahmen ihm gegenüber. Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft […] ist Grundlage und Bestandteil des Treuhandvertrages.
§ 1 Gegenstand des Treuhandvertrages
1. der Treuhandkommanditist übernimmt und verwaltet für den Treugeber eine Kommanditbeteiligung an der Gesellschaft und hält diese treuhänderisch im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung des Treugebers. Die Höhe der für den Treugeber zu haltenden Kommanditbeteiligung bestimmt sich nach dem in der Beitrittserklärung vom Treugeber übernommenen Kapitalanteil. […]

3. Soweit in diesem Vertrag keine abweichenden Regelungen vorgesehen sind, gelten für den Treugeber, insbesondere hinsichtlich der ihm zuzurechnenden Beteiligung und der sich daraus ergebenden Rechte, die für den Kommanditisten geltenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages entsprechend. Der Treugeber ist wirtschaftlich Kommanditist der Gesellschaft und wird gemäß Gesellschaftsvertrag weitestgehend einem Gesellschafter gleichgestellt.
§ 2 Rechtsstellung des Treuhandkommanditisten
1. Der Treuhandkommanditist hält die Kommanditbeteiligung für alle Treugeber im Außenverhältnis als einheitlichen Gesellschaftsanteil. […]

2. Im Innenverhältnis handelt der Treuhandkommanditist ausschließlich im Auftrag und auf Rechnung des jeweiligen Treugebers.
§ 3 Aufgaben des Treuhandkommanditisten
1. Der Treuhandkommanditist […] übt seine den Treugeber betreffenden Gesellschafterrechte und -pflichten gegenüber der Gesellschaft nach Maßgabe dieses Vertrages aus.
2. Der Treuhandkommanditist nimmt im Rahmen des Gesellschaftsvertrages für den Treugeber die Stimmrechte aus dem treuhänderisch gehaltenen Anteil entsprechend den Weisungen des Treugebers wahr, soweit der Treugeber bei der betreffenden Gesellschafterversammlung nicht teilnimmt oder sich nicht durch einen von ihm bestimmten Dritten vertreten lässt.

6. Die mit der Beteiligung verbundenen Verwaltungsrechte (Auskunfts- und Kontrollrechte) übt der Treugeber grundsätzlich selbst aus.
§ 4 Pflichten des Treugebers
1. Der Treugeber hat die Kapitaleinlage zuzüglich der vereinbarten Abwicklungsgebühr entsprechend den Bedingungen der Beitrittserklärung fristgerecht auf das dort benannte Konto der Gesellschaft einzuzahlen.

16 . Der Treugeber übernimmt hiermit alle Rechte und Pflichten des Treuhandkommanditisten aus dem Gesellschaftsvertrag mit Ausnahme der gesetzlich oder in dem Gesellschaftsvertrag ausschließlich für den Treuhandkommanditisten vorgesehenen Rechte und Pflichten.

§ 6 Freistellung des Treuhandkommanditisten
1. Der Treugeber stellt den Treuhandkommanditisten von allen Verbindlichkeiten frei, die bei pflichtgemäßer Erfüllung dieses Treuhandvertrages und des Gesellschaftsvertrages im Zusammenhang mit der Übernahme, dem Halten und der Verwaltung der übernommenen Kommanditbeteiligung stehen.

§ 7 Forderungsabtretung
1. Der Treuhandkommanditist tritt hiermit dem Treugeber die Ansprüche aus dem für ihn treuhänderisch gehaltenen Kapitalanteil auf festgestellte Gewinne, beschlossene Ausschüttungen, Auseinandersetzungsguthaben in dem Umfang ab, wie diese Ansprüche dem Treugeber nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages und dieses Treuhandvertrages zustehen.
2. […] Der Treuhandkommanditist bleibt ermächtigt, die an den Treugeber abgetretenen Ansprüche im eigenen Namen einzuziehen.

§ 9 Bevollmächtigung des Treugebers
Der Treuhandkommanditist erteilt hiermit dem Treugeber Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechtes aus dem für ihn treuhänderisch gehaltenen Kapitalanteil und der ihm aus diesem Kapitalanteil zustehenden Kontroll- und Widerspruchsrechte (§§ 164, 166 HGB).
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung ausstehender Einlageraten zum Zweck des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern geltend. Nach antragsgemäß erlassenem Mahnbescheid und dagegen eingelegtem Widerspruch ist der Rechtsstreit an das im Mahnbescheid bezeichnete Amtsgericht München abgegeben worden. In ihrer Anspruchsbegründung hat sich die Klägerin darauf berufen, dass sich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München sowohl aus § 22 ZPO ergebe, weil diese Vorschrift auch auf Klagen der Gesellschaft gegen Treuhandkommanditisten Anwendung finde und die Beklagte durch die Bestimmungen des Gesellschafts- und Treuhandvertrags einem Direktkommanditisten gleichgestellt sei (sog. „Quasi-Gesellschafter“), als auch aus § 29 ZPO, weil der Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Zahlung der Einlageraten der Sitz der Gesellschaft sei.
Mit Verfügung vom 23. Mai 2019 hat das Amtsgericht München darauf hingewiesen, dass es die Klägerin nicht als aktivlegitimiert ansehe. Die Beklagte habe sich mittelbar beteiligt; unmittelbare Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag bestünden nicht. Eine Zahlungspflicht möge aus dem Treuhandvertrag gegenüber der Treuhänderin bestehen; hierzu fehle jedoch jeglicher Vortrag und es sei nicht ersichtlich, wieso die Klägerin dann Zahlung an sich verlangen könne. Die Klägerin könne insbesondere nicht Zahlung aus dem Gesellschaftsvertrag verlangen; die Beklagte sei nicht Partei dieses Vertrags. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte schuldrechtlich der Klägerin gegenüber zur Zahlung verpflichtet hätte. Außerdem hat das Amtsgericht München darauf hingewiesen, dass es sich als örtlich unzuständig ansehe. Insbesondere folge seine Zuständigkeit nicht aus § 22 bzw. § 29 ZPO (Hinweis auf verschiedene Entscheidungen des Amtsgerichts München). Eine direkte Anwendung des § 22 ZPO scheide aus. Die Beklagte sei auch als „Quasi-Gesellschafterin“ nicht Mitglied der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift; Gesellschafterin und damit Mitglied i. S. d. § 22 ZPO sei ausschließlich die Treuhänderin. Die Beklagte habe sich lediglich mittelbar als Treugeberkommanditistin beteiligt. Die Beteiligung sei – wie ein kapitalbildender Sparplan – dahin ausgestaltet, monatliche Sparraten zu erbringen; von einer unternehmerischen oder einer solchen gleichgestellten Beteiligung könne nicht im Ansatz gesprochen werden. Auf solche bloß mittelbare Beteiligungen sei § 22 ZPO nicht anwendbar. Diese Vorschrift ermögliche es, Rechtsstreitigkeiten im allgemeinen Gerichtsstand der Personenvereinigung geltend zu machen, die das Mitgliedschaftsverhältnis als solches beträfen; es gehe um die Konzentration der Rechtsstreitigkeiten, die die inneren Rechtsbeziehungen der Personenvereinigung beträfen. Das entspreche nicht der streitgegenständlichen Konstellation, in der letztlich nur ein schuldrechtlicher Anspruch aus einer treuhänderischen mittelbaren Beteiligung geltend gemacht werde. Ein Treugeberkommanditist sei gesellschaftsrechtlich gerade nicht an der Gesellschaft beteiligt; das für ihn und damit auch für die Beurteilung des streitgegenständlichen Anspruchs maßgebliche Rechtsverhältnis bestehe allein zur Treuhänderin, auf die er seine gesellschaftsrechtliche Stellung übertragen habe. Die Klägerin mache vorliegend keine eigenen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis geltend; sie gehe lediglich aus dem der Treuhänderin gegen die Beklagte zustehenden Recht vor. Auch wenn sie sich das Recht, die Forderung der Treuhänderin im eigenen Namen geltend zu machen, im Gesellschaftsvertrag habe einräumen lassen, ändere das nichts daran, dass sie Forderungen aus dem Treuhandvertrag geltend mache und nicht Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag. Daraus folge, dass sie keine Forderung gegen Mitglieder i. S. d. § 22 ZPO geltend mache, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch aus dem Treuhandverhältnis. Für eine analoge Anwendung des § 22 ZPO fehle es an planwidriger Regelungslücke und Vergleichbarkeit. Sinn und Zweck des § 22 ZPO sei eine einheitliche Anwendung und Auslegung von Satzungen, Statuten und Gesellschaftsverträgen. Für die Zahlungspflicht der Beklagten seien jedoch vor allem die Regelungen des Treuhandvertrags maßgeblich; auf die inneren gesellschaftsrechtlichen Beziehungen komme es vorliegend nicht an. Die Beklagte sei weder der Klägerin noch der Treuhänderin beigetreten; der Klägerin gesellschaftsrechtlich beigetreten sei ausschließlich die Treuhänderin. Eine Vergleichbarkeit mit den Fällen, in denen von der Rechtsprechung die Vorschrift des § 22 ZPO analog bzw. § 29 ZPO auf Fälle der nur mittelbaren Beteiligung einer Gesellschaft für anwendbar gehalten worden sei, liege ebenfalls nicht vor. Dort sei es regelmäßig um die Geltendmachung von unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag resultierenden Ansprüchen wie beispielsweise Nachschusspflichten gegangen; die streitgegenständliche Konstellation betreffe aber allein die Geltendmachung von Verpflichtungen aus der Treuhandvereinbarung. Daraus, dass der Beklagten durch die Klägerin vertraglich weitergehend die Rechte eingeräumt würden, die den gesellschaftsrechtlich Beteiligten zustünden, folge nicht, dass sich die Beklagte im Umkehrschluss auch am Gerichtsstand des Gesellschaftssitzes in Anspruch nehmen lassen müsse. Darauf, ob im Hinblick auf den Ort der Unterzeichnung der Beitrittserklärung am Wohnort der Beklagten der ausschließliche Gerichtsstand des § 29c ZPO gelte, komme es nicht an.
Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Juni 2019 erwidert, ihre Aktivlegitimation ergebe sich daraus, dass die Treugeberkommanditisten aufgrund der Verzahnung von Gesellschafts- und Treuhandvertrag als Quasi-Gesellschafter anzusehen seien und daher die Gesellschaft einen eigenen unmittelbaren Zahlungsanspruch habe, wie sich aus diversen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2018, z. B. dessen Urteil vom 30. Januar 2018, II ZR 95/16, [BGHZ 217, 237 ff.] Rn. 16 ff., ergebe. Das Amtsgericht München sei auch örtlich zuständig. Die im gerichtlichen Hinweis angeführten Urteile des Amtsgerichts München dürften überholt sein, weil der Bundesgerichtshof mittlerweile in zahlreichen Urteilen aus dem Jahr 2018 die Aktivlegitimation der jeweils klagenden Fondsgesellschaften ausdrücklich festgestellt habe. Die Annahme des Amtsgerichts, es werde nur ein schuldrechtlicher Anspruch aus einer treuhänderischen mittelbaren Beteiligung geltend gemacht, sei falsch. Aus dem Treuhandvertrag ergebe sich weder ein Zahlungsanspruch der Klägerin noch ein solcher der Treuhänderin; der streitgegenständliche Zahlungsanspruch ergebe sich nur aus dem Gesellschaftsvertrag und der Beitrittserklärung. Auch die Feststellung, der Treugeberkommanditist sei nicht an der Gesellschaft beteiligt, sei nicht nachvollziehbar; insoweit werde auf die Ausführungen zur Aktivlegitimation verwiesen. Hilfsweise werde die Verweisung des Verfahrens an das für den Wohnsitz der Beklagten zuständige Amtsgericht Freiberg beantragt.
Mit Verfügung vom 4. Juni 2019 hat das Amtsgericht München ausgeführt, dass dem Verweisungsantrag nach Aktenlage stattzugeben sei. Das Vorbringen der Klägerin in deren Schriftsatz vom 3. Juni 2019 gebe keine Veranlassung, von der in seinem Hinweis vom 23. Mai 2019 geäußerten Rechtsansicht abzuweichen. Es bleibe dabei, dass die Beklagte keine Gesellschafterin der Klägerin sei; sie sei der klägerischen Gesellschaft nicht beigetreten; als Treuhandkommanditist [gemeint: Treugeberkommanditist] sei sie nicht dinglich am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Die zwischen der Klägerin, der Treuhänderin und den Anlegern gegebenenfalls zustande gekommene Innengesellschaft sei rein schuldrechtlicher Natur, insbesondere bestehe keine Außenhaftung der Beklagten. Auf eine solche rein kapitalbildende Beteiligung finde auch bei Annahme einer reinen – schuldrechtlichen – Innengesellschaft § 22 ZPO keine Anwendung. Es könne daher weiterhin dahinstehen, ob der – ausschließliche – Gerichtsstand für Haustürgeschäfte gemäß § 29c ZPO vorliege. Diese Verfügung schließt mit dem Satz, dass Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25. Juni 2019 bestehe, und ist beiden Parteien mitgeteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2019 hat die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München gerügt und sich mit einer Verweisung an das Amtsgericht Freiberg einverstanden erklärt.
3. Daraufhin hat sich das Amtsgericht München mit Beschluss vom 17. Juni 2019 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Freiberg verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte ihren Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbereich habe. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts München ergebe sich nicht aus § 22 ZPO. Die Beklagte sei nicht Gesellschafterin der Klägerin. Eine Außenhaftung der Beklagten finde nicht statt. Es handele sich um eine rein kapitalbildende Beteiligung der Beklagten an der Klägerin, auf die § 22 ZPO keine Anwendung finde. Auf die Verfügungen vom 23. Mai und 4. Juni 2019 werde Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2019, beim Amtsgericht München im elektronischen Rechtsverkehr am selben Tag eingegangen, hat die Klägerin zur Verfügung des Amtsgerichts München vom 4. Juni 2019 Stellung genommen.
Das Amtsgericht Freiberg hat mit Verfügung vom 29. August 2019 den Parteien mitgeteilt, der Verweisungsbeschluss sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs – weil vor Ablauf der mit der Verfügung vom 4. Juni 2019 gesetzten Frist – erlassen worden, und deshalb wohl nicht bindend. Es sei jedoch möglicherweise gemäß § 29c Abs. 1 Satz 2 ZPO ausschließlich zuständig; die Parteien würden aufgefordert, zu der Frage vorzutragen, ob der streitgegenständliche Vertrag / die Beitrittserklärung außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Verfügung des Amtsgerichts München vom 4. Juni 2019 sei dahin zu verstehen, dass die Frist nur ihr gesetzt werden sollte, so dass die Verweisung nicht unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen sei. Des Weiteren hat die Beklagte erklärt, das Zeichnungsgespräch habe in den Räumen des Vermittlers stattgefunden.
Die Klägerin hat der Beurteilung des Amtsgerichts Freiberg zugestimmt, dass die Verweisung vom 17. Juni 2019 eine Gehörsverletzung darstelle, weil sie am 25. Juni 2019 innerhalb offener Frist vorgetragen habe. Im Übrigen liege eine missbräuchliche Anwendung der Verweisungsmöglichkeit aus § 281 ZPO vor; die Verweisung sei ohne ausreichende rechtliche Grundlage erfolgt, insbesondere unter Außerachtlassung der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Mit Beschluss vom 19. November 2019 hat sich das Amtsgericht Freiberg für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht München zurückverwiesen. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 17. Juni 2019 sei nicht bindend, weil er die fristgerechte Stellungnahme der Klägerin vom 25. Juni 2019 zu dem erneuten Hinweis des Gerichts vom 4. Juni 2019 nicht berücksichtigt habe. Das Amtsgericht München sei gemäß § 22 ZPO örtlich zuständig, weil die Beklagte als „Quasi-Gesellschafterin“ Mitglied der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift sei. Darüber hinaus sei das Amtsgericht München auch gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig, weil die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Anlageraten am Gesellschaftssitz zu erfüllen sei. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Freiberg gemäß § 29c ZPO i. V. m. § 312 Abs. 1 BGB a. F. sei nicht gegeben, da kein Haustürgeschäft geschlossen worden sei; unstreitig habe das Zeichnungsgespräch in den Räumen des Vermittlers stattgefunden.
Daraufhin hat das Amtsgericht München den Rechtsstreit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren vertritt die Klägerin die Auffassung, eine Verweisung von München nach Freiberg komme nicht in Betracht, weil das Amtsgericht München gemäß § 22 ZPO örtlich zuständig sei. Die Beklagte meint, dass sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts Freiberg jedenfalls aus der Verweisung ergebe; die vom Gesetz gewollte Bindungswirkung würde ausgehebelt, wenn das Gericht, an das verwiesen worden sei, durch unzulässige Zurückverweisung eine Zuständigkeitsbestimmung erzwingen könne.
II.
Auf die zulässige Vorlage ist die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München auszusprechen.
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der (örtlichen) Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor. Das Amtsgericht München hat sich durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 17. Juni 2019 für unzuständig erklärt, das Amtsgericht Freiberg durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 19. November 2019. Die jeweils ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35; jeweils m. w. N.).
Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das für die am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist und das mit der Rechtssache zuerst befasste Gericht in Bayern liegt.
2. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht München.
a) Dessen örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 22 ZPO.
aa) Nach dieser Vorschrift ist das Gericht, bei dem eine Gesellschaft ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für die Klagen zuständig, die von ihr gegen die Mitglieder als solche erhoben werden. Der allgemeine Gerichtsstand einer Kommanditgesellschaft wird gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 161 Abs. 2, § 124 Abs. 1 HGB durch deren Sitz bestimmt.
bb) Der vorliegende Rechtsstreit hat die Klage einer Gesellschaft gegen ein Mitglied als solches i. S. d. § 22 ZPO zum Gegenstand.
(1) Mit der Klage werden gesellschaftsrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemacht. Diese wird deshalb als Mitglied der Klägerin in Anspruch genommen.
(a) Der gegen einen Treugeber gerichtete Anspruch auf Leistung der Einlage steht unmittelbar der Gesellschaft zu, wenn dieser im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters (Quasi-Gesellschafter) hat bzw. haben soll. Aus dieser Stellung ergeben sich einerseits gegen die Gesellschaft bestehende Rechte der Treugeber; andererseits können gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen – wie die Verpflichtung zur Leistung der Einlage – im Innenverhältnis die Treugeber unmittelbar treffen. Im Fall einer sogenannten offenen oder qualifizierten Treuhand, gerade bei der treuhänderischen Zusammenfassung zahlreicher Geldgeber, können die an der Gesellschaft Beteiligten ihr gesellschafterliches Innenverhältnis so gestalten, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Ein solches Vertragsverhältnis mit den Gesellschaftern ist regelmäßig anzunehmen, wenn – wie bei Publikumsgesellschaften häufig – die mittelbare Beteiligung erst noch zu werbender Anleger und damit eine Verzahnung von Gesellschaft und Treuhand im Gesellschaftsvertrag von vornherein vorgesehen ist und im Hinblick darauf bestimmte Rechte und Pflichten der Anleger schon im Gesellschaftsvertrag geregelt sind (vgl. BGH, Urt. v. 30. Januar 2018, II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 Rn. 18 f.).
(b) Im Streitfall handelt es sich nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags und unter Berücksichtigung des Treuhandvertrags sowie der Beitrittserklärung der Beklagten bei dem Verhältnis zwischen dem Treuhandkommanditisten und der Klägerin einerseits und den Treugebern andererseits nicht um ein einfaches Treuhandverhältnis, sondern um eine von gesellschaftsrechtlichen Bindungen überlagerte Treuhandbeziehung.
Nach § 5 Ziff. 1 GV war von vornherein die Einwerbung weiterer Kommanditisten bis zu einem Gesamteinlagevolumen von über 79 Millionen Euro vorgesehen, die gemäß § 5 Ziff. 2, § 6 Ziff. 2 GV auch durch den Treuhandkommanditisten erfolgen konnte.
Die vertraglichen Vereinbarungen weisen eine enge Verzahnung von Gesellschaft und Treuhand auf. So erfasst nach den Definitionen in § 4 Ziff. 5 GV der Begriff des Gesellschafters auch Anleger, womit alle beitretenden Kommanditisten gemeint sind, unabhängig davon, ob der Beitritt unmittelbar oder über den Treuhandkommanditisten erfolgt. Entsprechend sieht § 6 Ziff. 3 GV vor, dass der Treugeber nach der im Treuhandvertrag erfolgenden Abtretung von Forderungen und Rechten und dessen Bevollmächtigung (zur Ausübung der dem Treuhandkommanditisten zustehenden Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte) im Verhältnis zur Gesellschaft und zu den Gesellschaftern weitestgehend wie ein Kommanditist behandelt werde. Nach § 6 Ziff. 5 GV hat jeder Treugeber das Recht, an Gesellschaftsversammlungen teilzunehmen und die auf seine Beteiligungen entfallenden Mitgliedschaftsrechte selbst auszuüben. In der Präambel des Treuhandvertrags ist bestimmt, dass der Gesellschaftsvertrag dessen Grundlage und Bestandteil sei. Darüber hinaus sind im Treuhandvertrag die wesentlichen Schritte für eine Angleichung der Befugnisse des Treugebers an eine unmittelbare Gesellschafterberechtigung angelegt bzw. vollzogen: In § 1 Ziff. 3 TrhV wird der Treugeber grundsätzlich einem Gesellschafter gleichgestellt; seine Ansprüche auf Gewinne, Ausschüttungen und Auseinandersetzungsguthaben tritt der Treuhandkommanditist bereits in § 7 Ziff. 1 TrhV an den Treugeber ab; in § 3 Ziff. 6 TrhV ist geregelt, dass der Treugeber die mit seiner Beteiligung verbundenen Auskunfts- und Kontrollrechte grundsätzlich selbst ausübt und in § 9 TrhV erteilt der Treuhandkommanditist dem Treugeber Vollmacht zur Ausübung des – als Mittel zur unmittelbaren Mitwirkung an der internen Willensbildung der Gesellschaft im Wege der Beschlussfassung besonders gewichtigen – Stimmrechts.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung dieser Regelungen sind die Rechte und Pflichten der Treugeberkommanditisten in den aufeinander bezogenen Verträgen zu Gesellschaft und Treuhand derart geregelt, dass ihnen in der Gesellschaft die Stellung eines Quasi-Gesellschafters zukommt. Sich aus dieser Stellung ergebende Ansprüche richten sich daher gegen sie als Mitglieder der Gesellschaft.
(2) Die Stellung eines Beklagten als Quasi-Gesellschafter ist auch im Rahmen der Zuständigkeitsvorschrift des § 22 ZPO maßgeblich (an die bloße Treugeberstellung anknüpfend: KG, Beschluss vom 29. Mai 2008, 2 AR 25/08, juris Rn. 3; Toussaint in BeckOK ZPO, 35. Ed. Stand: 1. Januar 2020, § 22 Rn. 2, Schultzky in Zöller, ZPO, § 22 Rn. 5; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 22 Rn. 9; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 22 Rn. 10; a. A. AG München, Urt. v. 28. April 2016, 213 C 31693/15, juris Rn. 11), weil diese mit dem Begriff der Klage gegen Mitglieder als solche keine eigenständige prozessuale Bewertung vornimmt, sondern an den materiell-rechtlichen Charakter des geltend gemachten Anspruchs anknüpft. Dass der Quasi-Gesellschafter nur im Innenverhältnis und nicht auch Dritten gegenüber als Gesellschafter behandelt wird, steht der Anwendung der Vorschrift des § 22 ZPO nicht entgegen, weil davon nur Klagen aus eben diesem Innenverhältnis erfasst werden.
cc) Da die Klägerin ihren Sitz in München hat, ist das Amtsgericht München örtlich zuständig.
b) Ob sich dessen örtliche Zuständigkeit daneben auch aus § 29 Abs. 1 ZPO als Gericht des Ortes ergibt, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
c) Ein Ausschluss der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts München durch § 29c ZPO in der vor dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung, die gemäß Art. 229 § 32 EGBGB anzuwenden ist, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für ein Haustürgeschäft gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 3 BGB in der vor dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung nicht vorliegen, insbesondere die Beklagte zur Beitrittserklärung nicht im Bereich ihrer Privatwohnung bestimmt wurde, sondern das Zeichnungsgespräch in den Räumen des Vermittlers stattfand.
d) Der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts München steht auch dessen Verweisungsbeschluss vom 17. Juni 2019 nicht entgegen.
aa) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16 f.; jeweils m. w N.).
bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs entfaltet der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München keine Bindungswirkung, weil er – unabhängig von der Frage, ob die Fristsetzung in der amtsgerichtlichen Verfügung vom 4. Juni 2019 auch für die Klägerin gegolten hat – gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstößt.
Der in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht braucht dabei zwar nicht jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken. Es müssen in den Gründen aber die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern deren Vorbringens darstellt und für die Entscheidung von ausschlaggebender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2018, 2 BvR 2821/14, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18 m. w. N.).
Die Klägerin hat sich zur Begründung ihrer – sowohl für die örtliche Zuständigkeit als auch die Aktivlegitimation maßgeblichen – Auffassung, sie mache einen eigenen gesellschaftsrechtlichen Zahlungsanspruch geltend, bereits in der Anspruchsbegründungsschrift, vor allem aber nochmals in ihrer Stellungnahme vom 3. Juni 2019 zu dem gerichtlichen Hinweis vom 23. Mai 2019 ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGHZ 217, 237 ff. berufen. Mit dieser – ersichtlich einschlägigen – Entscheidung hat sich das Amtsgericht München weder in seiner Verfügung vom 4. Juni 2019 noch in seinem Verweisungsbeschluss vom 17. Juni 2019 auseinandergesetzt. Die darin liegende Missachtung des klägerischen Vorbringens zeigt, dass das Amtsgericht München das zentrale Vorbringen der Klägerin, das nach Lage des Falles ersichtlich der inhaltlichen Würdigung bedurfte, nicht zur Kenntnis genommen hat. Darin liegt eine Verletzung der Garantie des rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013, 1 BvR 1018/13, juris Rn. 18).


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