Bankrecht

Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung

Aktenzeichen  26 O 9120/17

Datum:
18.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55161
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 5a Abs. 1 S. 1 u. 2, § 176
BGB § 147 Abs. 2, § 187
VAG § 10a
ZPO § 91

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden.
Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 11.976,99 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a. F. rechtswirksam zustande gekommen.
Einen Widerspruch gegen die Wirksamkeit hat der Kläger nicht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Versicherungsunterlagen erklärt.
Die Frist für die Ausübung des Widerspruchs betrug hier gemäß § 5a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VVG a. F. 14 Tage ab Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen. Diese Frist war von der Beklagten wirksam in Gang gesetzt worden. Auch bei einer Europarechtswidrigkeit des Policenmodells hat der Kläger sein Widerspruchsrecht im vorliegenden Fall verwirkt.
I.
Die Beklagte hatte dem Kläger in Anlage zu dem Policenbegleitschreiben vom 26.04.2004 den Versicherungsschein mit allen weiteren erforderlichen Unterlagen des Versicherungsvertrags zur Verfügung gestellt (§ 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Fall 1 VVG a. F.).
Sämtliche Informationen, die gemäß Abschnitt I. Nr. 1. a) bis h) der Anlage D zu § 10a VAG a. F. zu erteilen waren, sind im Versicherungsschein und den angegebenen Vertragsgrundlagen aufgeführt. Eine von § 147 Abs. 2 BGB abweichende Frist für eine Bindung des Klägers an seinen Antrag wurde zwischen dem Kläger und der Beklagten offensichtlich nicht vereinbart, Angaben darüber waren daher nicht erforderlich (vgl. Prölss/Martin-Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 5a, Rn. 55). Ein Recht zum Widerruf oder zum Rücktritt bestand bei dem Policenmodel! nicht, eine Belehrung war insoweit nicht erforderlich (Prölss/Martin-Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auf!. 2004, § 5a, Rn. 34).
Für die nach Nr. 2. b) erforderlichen Angaben zu den Rückkaufswerten bezieht sich der Versicherungsschein auf die Vertragsgrundlage „Rückkaufswerte und beitragsfreie Leistungen gern. § 7 und § 8 der Allgemeinen Bedingungen“. Es wird darauf hingewiesen, dass bei einerfondsgebundenen Versicherung die Rückkaufswerte nicht garantiert sind und deshalb nicht explizit angegeben werden können. Dies entspricht der damaligen gesetzlichen Regelung des § 176 VVG (Prölss/Martin-Kollhosser, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 176, Rn. 2). Die Höhe der Abzüge im Lauf der Jahre wurde mitgeteilt. Die nach Nr. 2 e) erforderlichen Angaben über die der Versicherung zu Grunde liegenden Fonds ergeben sich aus der Vertragsgrundlage „Versicherungsantrag des Versicherungsnehmers“. Die Anlagestrategien der gemanagten Investmentpolice MHHF^nd ‘n dem Versicherungsantrag beschrieben. Im Antrag des Klägers ist die Anlagestrategie „Absolute Return“ angekreuzt. Da es sich um eine langfristige Anlage mit wechselnden Investitionen handelt, können keine konkreteren Angaben gemacht werden. Da es sich insoweit um reine Informationen handelt, würde ein Unterbleiben oder eine Unvollständigkeit das Widerspruchsrecht nicht auslösen (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 5a, Rn. 48). Die nach Nr. 2. f) erforderlichen allgemeinen Angaben über die für diese Versicherungsart geltende Steuerregelung sind als Vertragsgrundlage aufgeführt und enthalten. Da es sich insoweit auch um reine Informationen handelt, löst eine Unvollständigkeit das Widerspruchsrecht nicht aus.
II.
Der Kläger wurde wirksam über sein Recht zur Ausübung des Widerspruchs belehrt (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Fall 2 VVG a. F.).
Die auf Seite 2 des Versicherungsscheins gemachte Belehrung entspricht sowohl inhaltlich als auch formal den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 Fall 2 VVG a. F.
Die für die Belehrung gewählte Formulierung enthält alle von § 5a Abs. 2 Satz 1 Fall 2, Satz 3 VVG a. F. aufgestellten Anforderungen.
Sowohl der Beginn als auch die Dauer der Widerspruchsfrist werden für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich. Der Fristbeginn von 14 Tagen hängt vom Erhalt der Versicherungsunterlagen ab, die ausdrücklich aufgeführt sind. Zudem sind alle Vertragsgrundlagen vor der Widerspruchsbelehrung aufgeführt. Eine Darstellung der Verbraucherinformationen unter einer ausdrücklich so benannten Überschrift, in einer gesonderten Urkunde oder in einem einheitlichen Text ist vom Gesetz nicht vorgeschrieben (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2016 – IV ZR 541/15, RuS 2016, 609 f„Tz. 11; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IV ZR 17/16, beijuris, Tz. 9; OLG München, Beschluss vom 21. November 2016 – 25 U 3262/16, nicht veröffentlicht). Die Beklagte hat zudem dem Policenbegleitschreiben ein Leitblatt Verbraucherinformation hinsichtlich § 10a Abs. 1 VAG beigefügt. Die mit dem Versicherungsschein übersandten Versicherungsbedingungen und weiteren gemäß § 10a VAG a. F. erforderlichen Informationen waren vollständig (s.o.).
Die Dauer der Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG a. F. ist mit 14 Tagen korrekt wiedergegeben. Für den Versicherungsnehmer wird deutlich, wann die Frist zu laufen beginnt, nämlich mit Erhalt der aufgeführten Unterlagen. Danach kann der Versicherungsnehmer die Frist ohne weiteres richtig berechnen (§ 187 BGB). Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erkennt aus der Belehrung auch, dass er schriftlich und in Textform widersprechen kann. Schriftform und Textform sind nicht gleichrangig. Die höherwertige Schriftform umfasst vielmehr auch die Anforderungen an die Textform. Dies kommt in der Formulierung zum Ausdruck, dass die Erklärung in Textform genügt.
III.
Die Widerspruchsbelehrung ist auch formal nicht zu beanstanden. Sie ist als letzter Absatz in dem zweiseitigen Versicherungsschein durchgehend in Fettdruck ausgeführt und sticht dadurch sofort ins Auge.
IV.
Unabhängig von der etwaigen Europarechtswidrigkeit des Policenmodells würde die Berufung auf ein Widerspruchsrecht bei wirksamer Widerspruchsbelehrung gegen Treu und Glauben verstoßen. Insoweit schließt sich die Kammer der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvR 2437/14) und des Bundesgerichtshofs (Az. IV ZR 73/13) an. Der Vertrag wurde im Jahr 2004 abgeschlossen und nach Kündigung 2014 abgerechnet. Erst 2016 wurde der Widerspruch erklärt. Der Kläger verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahre 2004 ungenutzt verstreichen. Der Kläger zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, bis er 2014 die Kündigung und 2016 den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Versicherungsnehmers haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für den Kläger auch erkennbar.
Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigen auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni 2015 IV ZF? 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).
V.
Da ein Anspruch des Klägers in der Hauptsache nicht besteht, steht ihm auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.


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