Bankrecht

Rückzahlung des Kommanditisten von Ausschüttungen an den Insolvenzverwalter

Aktenzeichen  20 U 449/19

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2019, 1967
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 2, Abs. 4, § 178, § 201 Abs. 2, § 208 Abs. 3
BGB § 187 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 3, § 308

 

Leitsatz

1 Die widerspruchslos erfolgte Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen (BGHZ 217, 327 = BeckRS 2018, 3570).  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Insolvenzverwalter ist nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit verpflichtet, die den Gesellschaftsgläubigern gegen den Kommanditisten zustehenden Haftungsansprüche geltend zu machen, die nicht Teil der Insolvenzmasse sind. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

71 O 2943/17 2018-12-13 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 13. Dezember 2018, Az. 71 O 2943/17, dahingehend abgeändert, dass der dort ausgeurteilte Zinsanspruch erst ab 24. Juni 2017 besteht. Hinsichtlich des überschießenden Betrages wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das unter Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts ist im Umfang der Aufrechterhaltung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.250,00 € festgesetzt.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat nur insoweit Erfolg, als das Landgericht den Zinsbeginn einen Tag zu früh angenommen hat, nämlich am 23. Juni 2017 statt erst am 24. Juni 2017. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
1. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Verpflichtung des beklagten Kommanditisten zur Rückzahlung von Ausschüttungen gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB an den klagenden Insolvenzverwalter ausgesprochen.
a) Unstreitig hat der Beklagte im Zeitraum von 2003 bis 2007 als Kommanditist der Schuldnerin mit einer Einlage von € 25.000,00 Ausschüttungen in Höhe von € 11.250,00 erhalten. Durch Vorlage der Insolvenztabelle hat der Kläger eine Unterdeckung von ca. € 820.000,00 dargelegt.
b) Mit seinen Einwänden gegen das Bestehen der festgestellten Forderungen ist der Beklagte ausgeschlossen. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nimmt die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen, § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018, II ZR 272/16). Weitere Substantiierung der Forderung durch den Insolvenzverwalter abgesehen von der Vorlage der Tabelle ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018, II ZR 272/16).
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass der Kläger keine Tabelle gemäß § 178 InsO vorgelegt hat, kann dies seiner Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der klägerische Sachvortrag ist in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen hinreichend substantiiert, weshalb der Beklagte in Bezug auf jede einzelne Forderung den Akt der Feststellung zur Insolvenztabelle qualifiziert hätte bestreiten müssen. Da dies nicht geschehen ist, gilt das tatsächliche Vorbringen des Klägers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
c) Dass, wie der Beklagte behauptet, die Haftsumme zur Befriedigung der Gläubiger nicht benötigt wird, steht zur Darlegungs- und Beweislast des Beklagten (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1989, II ZR 78/89, juris Rn. 15). Der Kläger ist seiner insoweit bestehenden Darlegungslast hinsichtlich der für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft nachgekommen, indem er vorgetragen hat, in welcher Höhe Forderungen zur Tabelle angemeldet und anerkannt wurden bzw. in welcher Höhe Zahlungen zur Masse gelangt sind (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1989, II ZR 78/89, juris Rn. 15). Nach diesem Vorbringen bleibt die Masse hinter den anerkannten Forderungen zurück. Zu einer gleichmäßigen Verteilung des benötigten Betrags auf alle Gesellschafter ist der Verwalter nicht verpflichtet (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1989, II ZR 78/89, juris Rn. 16).
d) Auf die Behauptung der Masseunzulänglichkeit kommt es nicht an, da der Insolvenzverwalter selbst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet ist, § 208 Abs. 3 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2013, IX ZR 204/12, juris Rn. 9 mwN). Damit hat er weiterhin die den Gesellschaftsgläubigern gegen den Kommandisten zustehenden Haftungsansprüche gem. § 171 Abs. 1 HGB, geltend zu machen, die nicht Teil der Insolvenzmasse sind und gemäß § 171 Abs. 2 HGB nur im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft geltend gemacht werden.
e) Vom Beklagten behauptete Pflichtverletzungen des Klägers können dem Rückzahlungsanspruch schon deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil der Kläger hier keinen eigenen Anspruch gegen den Beklagten geltend macht, sondern in gesetzlicher Prozessstandschaft Ansprüche der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin. Diesen aber kann der Beklagte Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter nicht entgegenhalten.
f) Hinsichtlich der Frage der Verjährung übersieht der Beklagte, dass er nicht als Rechtsnachfolger der Treuhänderin, sondern in eigener Person als eingetragener Kommanditist in Anspruch genommen wird. Da es letztlich um die Haftung für Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger geht, ist unmaßgeblich, wann die Rückzahlungen an den Beklagten erfolgten; maßgeblich ist allenfalls die Verjährung der Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin.
2. Der gegen den Beklagten gerichtete Zahlungsanspruch ist allerdings nicht, wie das Landgericht ausgesprochen hat, bereits ab dem 23. Juni 2017 zu verzinsen, sondern gemäß § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem Folgetag, dem 24. Juni 2017. Wegen des zuviel ausgeurteilten Zinstages war das landgerichtliche Urteil auf die Berufung abzuändern.
Am 23. Juni 2017, dem Tag der Zustellung des Mahnbescheids, ist gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB Verzug eingetreten. Während des Verzugs ist eine Geldschuld zu verzinsen, § 288 Abs. 1 BGB. Auf den Eintritt der Rechtshängigkeit und die Frage der Zustellung „demnächst“ kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Zwar hat der Kläger erstinstanzlich nur Rechtshängigkeitszinsen begehrt und das Landgericht den Zinsanspruch entgegen § 308 ZPO mit dem vor Rechtshängigkeit liegenden Verzugseintritt begründet. Allerdings hat der Kläger durch seinen Antrag, die Berufung zurückzuweisen, den Verstoß genehmigt und hierdurch geheilt. Denn im Sichzueigenmachen der gegen § 308 ZPO verstoßenden Entscheidung liegt eine noch in der Berufungsinstanz mögliche Klageerweiterung (Zöller, ZPO, § 308 Rn. 7 mwN).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert entspricht dem Wert der angegriffenen Zahlungsverpflichtung.


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