Bankrecht

Umfang des Stimmrechtsverbots nach § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG

Aktenzeichen  8 HK O 6624/17

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150029
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GmbHG § 47 Abs. 4 S. 2
AktG § 179a
HGB § 116 Abs. 2

 

Leitsatz

Das Stimmrechtsverbot nach § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG gilt auch dann, wenn das Rechtsgeschäft nicht mit dem Gesellschafter direkt, sondern mit einer oder mehrerer seiner Tochtergesellschaften abgeschlossen werden soll. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 23. März 2017 zu TOP 3 mit folgendem Wortlaut:
“Die Fondsgeschäftsführung wird ermächtigt, die Immobilien und Grundstücke in … nebst Parkplatzgrundstücken) und in … sowie … zum angebotenen Kaufpreis von insgesamt 20,5 Mio. EUR an eines oder mehrere Tochterunternehmen der … zu verkaufen, sofern die Finanzierung des Erwerbs gesichert ist.“
gefasste Beschluss nichtig ist.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage erweist sich als begründet. Der streitgegenständliche Beschluss ist nichtig.
I.
Nachdem die Klägerin ordnungsgemäß gegen die Gesellschaft und innerhalb der Frist von § 6 Ziffer 9 des Gesellschaftsvertrags Klage erhoben hat, war die Nichtigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses festzustellen.
Beschlüsse bei Personengesellschaften sind grundsätzlich nichtig, wenn sie gegen das Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag verstoßen. Dies ist hier der Fall, denn die Gesellschafterin … hätte bei diesem Beschluss gemäß § 47 IV 2 Alt 1 GmbHG nicht mitstimmen dürfen und ohne die Stimmen der … ist die gemäß § 6 Ziffer 6 a) des Gesellschaftsvertrags erforderliche Mehrheit von 66 % aller abgegebenen Stimmen nicht erreicht.
Im Einzelnen:
1. § 47 IV 2 GmbHG ist nach richtiger Ansicht, der die Kammer folgt, auf den vorliegenden Fall analog anwendbar (vgl. z.B. Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage, § 119 HGB, Rn. 8). Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung liegen vor. Es besteht insbesondere eine Regelungslücke, da das Recht der Kommanditgesellschaft für die Frage des Ausschlusses vom Stimmrecht keine eigene gesetzliche Regelung hat und die Interessenlage bei Interessenkonflikten ist vergleichbar.
2. Die Voraussetzungen von § 47 IV 2 Alt. 1 GmbHG liegen vor. Danach hat ein Gesellschafter kein Stimmrecht, wenn der Beschluss die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm selber betrifft. Dies gilt auch, wenn durch den Beschluss lediglich zur Vornahme dieses Rechtsgeschäfts ermächtigt wird (Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 GmbHG, Rn. 91) und – wegen der dann gleichermaßen vorhandenen Interessenkollision – wenn das Rechtsgeschäft nicht mit dem Gesellschafter direkt, sondern mit einer oder mehrerer seiner Tochtergesellschaften abgeschlossen werden soll. Da durch den streitgegenständlichen Beschluss die Geschäftsführung der Beklagten zum Abschluss eines Kaufvertrags mit einer oder mehrerer Tochtergesellschaften der Gesellschafterin … ermächtigt wurde, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 IV 2 Alt. 1 GmbHG hier vor.
3. Die Anwendung der von § 47 VI 2 Alt. 1 GmbHG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es nach der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift und im Hinblick auf § 116 II HGB bei Beschlüssen über die innere Ordnung der Gesellschaft kein Stimmverbot wegen Interessenkollision geben darf. Auch nach Ansicht der Kammer darf einem Gesellschafter bei die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft betreffenden Beschlüssen die Mitwirkung nicht aus dem Grunde versagt werden, dass der Beschlussinhalt zugleich auf seinen persönlichen Rechtskreis einwirkt. Bei Fragen des Gesellschaftsverhältnisses an sich und seiner Gestaltung muss das Recht eines Gesellschafters zur Mitwirkung an der Willensbildung der Gesellschaft Vorrang haben.
Der streitgegenständliche Beschluss betrifft jedoch gerade nicht die innere Ordnung der beklagten Gesellschaft, sondern ein ganz konkretes Rechtsgeschäft, das zwischen der Gesellschaft einerseits und einem ihrer Gesellschafter andererseits abgeschlossen werden soll. Dieses Rechtsgeschäft könnte – anders als bei Geschäften, die die innere Ordnung der Gesellschaft betreffen – auch mit jedem beliebigen außenstehenden Dritten, der keinerlei Bezug zur Gesellschaft hat, abgeschlossen werden. Der Beschlussgegenstand beruht daher nicht auf einer gesellschaftsrechtlichen, sondern auf einer rein individualrechtlichen Beziehung der Gesellschafterin … zur Beklagten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beschluss im Wesentlichen die Veräußerung des gesamten Vermögens der Beklagten betrifft. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 09.01.1995 (NJW 1995, 596) ausgeführt, wenn eine Gesellschaft ihr gesamtes Unternehmen veräußere, dann bedeute das in aller Regel die Einstellung des eigenen Geschäftsbetriebs. Damit verliere die Gesellschaft ihre Eigenschaft als werbendes Unternehmen und dies führe, wenn es nicht sogar zu einer Auflösung der Gesellschaft zwinge, zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks. Deshalb bedürfe es hier eines Beschlusses aller Gesellschafter. Ob sich diese Entscheidung, bei der es um die Frage ging, ob der Abschluss des Veräußerungsvertrags von der Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters gedeckt war, unmittelbar auf die Problematik Stimmrechtsausschluss wegen Interessenkollision auswirkt, kann hier dahingestellt bleiben, da diese BGH-Entscheidung hier nach den vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalls jedenfalls aus anderen Gründen nicht von Relevanz ist. Der hier streitgegenständliche Beschluss betrifft schon deshalb weder die inneren Angelegenheiten der beklagten Gesellschaft noch ein Grundlagengeschäft, weil der die innere Ordnung der Gesellschaft betreffende Beschluss bereits vorab am 08.07.2015 gefasst worden ist. Am 08.07.2015 haben die Gesellschafter nämlich, ohne einen der Gesellschafter vom Stimmrecht auszuschließen und mit der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Stimmenmehrheit, beschlossen, dass die gesamten Fondsimmobilien zum Zweck der Liquidation der Beklagten veräußert werden sollen. Der streitgegenständliche Beschluss ist daher lediglich die konkrete Umsetzung des bereits im Juli 2015 gefassten Grundlagenbeschlusses. Der angefochtene Beschluss betrifft lediglich die Frage, an wen und zu welchen Konditionen die Grundstücke verkauft werden sollen. Insoweit ist die Gesellschafterin … nicht kraft ihres Mitverwaltungsrechts in inneren Angelegenheiten der Gesellschaft zur Mitwirkung an der Willensbildung berufen, sondern sie steht der Gesellschaft wie jeder andere Dritte gegenüber mit der Folge, dass § 47 VI 2 Alt. 1 GmbHG zur Anwendung kommt.
II.
Da die Nichtigkeit des Beschlusses schon aus dem oben Ausgeführten folgt, kann dahinstehen, ob gegen sonstige gesetzliche Vorschriften wie beispielsweise § 179 a AktG verstoßen wurde.
III.
Ohne entscheidungserhebliche Bedeutung ist auch die Frage, ob wegen Verschaffung eines Sondervorteils ein Treuepflichtverstoß der Gesellschaftermehrheit gegenüber der Minderheit vorliegt. Diese Frage wäre nur dann unter dem rechtlichen Gesichtspunkt Stimmrechtsschranke zu klären gewesen, wenn man ein Stimmrecht der … bejahen würde.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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