Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Kfz-Finanzierungsdarlehens

Aktenzeichen  5 U 4367/19

Datum:
11.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48127
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die für einen Verbraucher günstige Behandlung der Nennung der Gruppenversicherungen als verbundene Verträge entspricht den Gestaltungshinweisen einer gesetzlichen Musterbelehrung (ebenso OLG Düsseldorf BeckRS 2019, 12780). (Rn. 12) (red. LS Andy Schmidt)
2. Der deutsche Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich festgehalten, dass die Musterwiderrufsbelehrung, die auch vorliegend verwendet wurde, dem Gesetz entspricht. Anhaltspunkte dafür, dass die Musterwiderrufsbelehrung europarechtswidrig ist, existieren nicht (ebenso BGH BeckRS 2019, 26909). (Rn. 13) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

29 O 14059/18 2019-07-10 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.07.2019, Aktenzeichen 29 O 14059/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 35.351,63 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von den Klägern gegenüber der beklagten Bank erklärten Widerrufs eines Kfz-Finanzierungsdarlehens.
Die Kläger haben in erster Instanz geltend gemacht, ihr am 11.07.2018 erklärter Widerruf des am 12.10.2016 geschlossenen Darlehensvertrags sei wirksam, weil die Beklagte sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert habe. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 10.07.2019 die Klage abgewiesen, weil der Widerruf verfristet und damit unwirksam gewesen sei. Die Beklagte könne sich auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB berufen. Die Aufnahme der freiwilligen Versicherungen als verbundene Verträge sei irrelevant. Den Klägern seien sämtliche Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2 BGB erteilt worden.
Dagegen richtet sich die nach Zustellung am 15.07.2019 am 08.08.2019 eingelegte Berufung, die die Kläger innerhalb der bis zum 16.10.2019 verlängerten Frist an diesem Tag begründet haben.
Sie tragen vor, ob alle Pflichtangaben erteilt worden seien, sei von Amts wegen zu prüfen. Die Kläger seien nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Nachdem bei verbundenen Verträgen den Darlehensnehmer keine Pflicht treffe, die Darlehenssumme zurückzuzahlen, hätte keine Belehrung darüber stattfinden dürfen. Die Angaben der Beklagten zu dem vom Darlehensnehmer zu entrichtenden Sollzinssatz bei Erklärung des Widerrufs zwischen Auszahlung und Rückzahlung seien verwirrend und fehlerhaft. Der Tageszins sei fehlerhaft angegeben. Die Widerrufsbelehrung benenne den Kaufvertrag nicht als verbundenen Vertrag. Die Berechnungsmethode zur Vorfälligkeitsentschädigung sei unzureichend angegeben. Die sog. Kaskadenverweisung sei europarechtswidrig. Wertersatz sei nicht zu leisten. Die Beklagte könne sich nicht auf den Musterschutz berufen. Es werde konsequent „Darlehn“ statt „Darlehen“ verwendet. Die Gestaltungshinweise 2a, 6a und 6b würden fehlerhaft umgesetzt. Bei der Gruppenversicherung handele es sich nicht um einen verbundenen Vertrag.
Im Berufungsverfahren beantragen die Kläger:
1. Das am 10.07.2019 verkündete und am 15.07.2019 zugestellte Urteil des Landgerichts München I, Az: 29 O 14059/18 wird aufgehoben.
2. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 15.151,85 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.07.2018 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Übergabe des PKW BMW 530Xd FIN: …75.
3. Es wird festgestellt, dass die Klagepartei seit ihrer Widerrufserklärung vom 11.07.2018 aus dem mit der Beklagtenpartei zwecks Finanzierung des in Klageantrag Ziffer 1 [richtig: 2] genannten PKWs abgeschlossenen Darlehenvertrages Nr. …84 weder Zins- noch Tilgungsleistungen schuldet.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Übernahme des im Klageantrag Ziffer 1. [richtig: 2] genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
5. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerpartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.832,01 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.07.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit den Klägern am 23.10.2019 zugestellten Beschluss vom 21.10.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte habe das Muster gem. Anlage 7 zu Art. 247 Abs. 2 Satz 3 EGBGB strikt umgesetzt. Daran würde ein offensichtlicher Schreibfehler (“Darlehn“) nichts ändern. Der Kaufvertrag sei als verbundener Vertrag bezeichnet. Es sei unschädlich, dass die Parteien vereinbarungsgemäß auch den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschuzversicherung Tod und Arbeitsunfähigkeit (AU) und den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Shortfall …Versicherung dem Regime eines verbundenen Vertrages unterstellt hätten. Die Tageszinsangabe sei weder irreführend, noch widersprüchlich. Eine genaue Berechnungsformel für die Vorfälligkeitsentschädigung sei nicht anzugeben. Die Kaskadenverweisung sei ausreichend.
Dagegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 06.11.2019 eingewandt, die Beklagte könne sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung beziehen. Die Beklagte habe darauf verzichtet, den Tageszinssatz für die zu leistenden Soll-Zinsen zwischen Vertragsschluss und Ausübung des Widerrufsrechts anzugeben. Ratenschutzversicherung und Darlehen seien keine verbundenen Verträge. Die sog. Kaskadenverweisung in der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung sei unwirksam. Die Frage wäre dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen gewesen.
II.
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.07.2019, Aktenzeichen 29 O 14059/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die 5 U 4367/19 – Seite 4 – Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen der Kläger mit Schriftsatz vom 06.11.2019 veranlassen nicht zu einer geänderten Beurteilung.
Die Beklagte kann sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen. Wie bereits hingewiesen wurde der Tageszins in der Widerrufsbelehrung angegeben. Die dem Verbraucher günstige Behandlung der Nennung der Gruppenversicherungen als verbundene Verträge entspricht den Gestaltungshinweisen der gesetzlichen Musterbelehrung (siehe OLG Düsseldorf Urt. v. 7.6.2019 – 17 U 158/18, BeckRS 2019, 12780, beckonline, Rn. 34). Die Kaskadenverweisung ist wirksam (BGH, Urteil vom 22.11.2016, XI ZR 434/15).
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Revisionszulassung liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat bereits über entsprechende Widerrufsbelehrungen entschieden (vgl. Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr.143/19 vom 05.11.2019, siehe auch BGH, Urteil vom 20. Juni 2017 – XI ZR 72/16 -, Rn. 28, juris). Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vor. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts, noch Zweifel an der Gesetzeskonformität des innerstaatlichen Umsetzungsrechts (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2018 – XI ZR 520/16; BGH, Urteil vom 22.05.2012 – XI ZR 290/11; EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – Rs 283/81, NJW 1983, 1257, Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 148 ZPO, Rn. 3b). Der deutsche Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausdrücklich festgehalten, dass die Musterwiderrufsbelehrung dem Gesetz entspricht (BT-Drs. 17/1394). Darauf, dass die Musterwiderrufsbelehrung europarechtswidrig sei, kann sich der Kläger nicht berufen (siehe BGH, Urteil vom 15.10.2019 – XI ZR 759/17, Rn. 22 und 25 m.w.N.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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