Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Kilometer-Leasingvertrages bei einem Fahrzeug der Marke BMW M140i xDrive

Aktenzeichen  20 O 2250/19

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44629
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 13, § 14, § 492 Abs. 2, § 495, § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Die Rechtsnatur des gewählten Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung entspricht nicht der einer entgeltlichen Finanzierungshilfe im Sinne von § 506 Abs. 2 BGB. Ein Verbraucherleasingnehmer hat somit keinen Anspruch auf die sonst für Darlehensverträge vorgesehenen Informationen; insbesondere steht ihm kein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gelten als entgeltliche Finanzierungshilfen im Sinne des § 491 BGB, wenn vereinbart ist, dass der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist, der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann, oder der Verbraucher bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat. (Rn. 31 – 34) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagtenpartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 22.489,44 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Sie war daher abzuweisen.
Der Leasingvertrag zwischen den Parteien besteht weiterhin; er ist aufgrund des erklärten Widerrufs des Klägers mangels Widerrufsrechts nicht rückabzuwickeln.
Dem Kläger stand insbesondere kein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
Die Rechtsnatur des vorliegenden Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung entspricht nicht der einer entgeltlichen Finanzierungshilfe im Sinne von § 506 II BGB.
Der Verbraucherleasingnehmer hat damit keinen Anspruch auf die sonst für Darlehensverträge vorgesehenen Informationen nach § 492 II BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB; insbesondere steht ihm kein gesetzliches Widerrufsrecht nach §§ 506, 492, 495 BGB zu.
Verträge zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) gelten als entgeltliche Finanzierungshilfen im Sinne des § 491 BGB, wenn vereinbart ist, dass der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist (§ 506 II S. 1 Nr. 1), der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann (Nr. 2), oder der Verbraucher bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat (Nr. 3).
Eine Anwendung des § 506 II S. 1 Nr. 3 BGB scheitert vorliegend daran, dass der Kläger nicht für den Wert des Gegenstandes nach Vertragsschluss einzustehen hat. Dies wurde ausdrücklich in der Annahmebestätigung seitens der Beklagten erklärt, in der es im letzten Satz heißt: „Das Restwertrisiko nach Vertragsende wird von der … getragen“. Die Vollamortisation am Ende des Vertrags zu erzielen ist folglich nicht Bestandteil des Kilometerleasingvertrags. Das Gesetz verlangt das Einstehen für einen bestimmten Wert, welcher in einer festen Zahl anzugeben ist (BT-Drucksache 16/11643, S. 92). Wenn, wie bei dem vorliegenden Kilometerleasingvertrag bei Laufzeitende nur für einen vertraglich festgelegten Zustand garantiert wird (siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen Ziffer 16.4), kann somit nicht von einer Restwertgarantie gesprochen werden. Der Leasingnehmer schuldet nicht den gesamten Beschaffungsaufwand, was einer Vollamortisation entsprechen würde. Eine solche ist dann erreicht, wenn zum einen das Leasingentgelt (vollständig) entrichtet wird und zum anderen der Restwert durch Leasingnehmer abgesichert wird, was eine vertragliche Regelung erfordert. Der Restwert und dessen Realisierung sind gerade nicht in das Synallagma der vertraglichen Beziehungen der Parteien einbezogen.
Der Kläger hat nur Ersatz für Mehrkilometer zu leisten (vgl. Allgemeine Geschäftsbedingungen Ziffer 16.4). Nach der Rechtsprechung des BGH soll es nicht darauf ankommen, dass Aufwand und Kosten des Leasinggebers ganz überwiegend durch Zahlungen des Leasingnehmers amortisiert werden. Es reiche vielmehr aus, dass ein so wesentlicher Teil durch die Zahlung der Leasingraten ausgeglichen werde, dass Vollamortisation durch eine Verwertung nach Rückgabe der Leasingsache erreicht wird und demnach keine Amortisationslücke für den Leasinggeber zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 11.03.1998 – VIII ZR 205-97). Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass es letztlich am Leasinggeber liegt, ob er nach Rückgabe des Leasingobjekts durch Verkauf eine Vollamortisation mittels des Verkaufserlöses erreicht. Das Restwertrisiko ist zwar beherrschbar, dennoch liegt es innerhalb der (Rechts-)sphäre des Leasinggebers, den kalkuliert Restwert endgültig durch den Verkaufserlös zu erlangen. Der Leasingnehmer steht nur für den Ausgleich eines bestimmten Kilometerstands ein. Somit trägt der Leasinggeber das Verwertungsrisiko der Leasingsache.
Eine analoge Anwendung ist abzulehnen. Die vergleichbare Interessenlage liegt ebenso wenig wie die planwidrige Regelungslücke vor.
Für eine analoge Anwendung wird angeführt, der Gesetzgeber habe nicht die Absicht gehabt, in die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung einzugreifen, die das Kfz-Leasing mit Kilometerabrechnung seit jeher dem Finanzierungsleasing zurechne. Anderenfalls laufe der von dieser Norm angestrebte Schutz des Verbraucherleasingnehmers leer (LG Bielefeld, Urteil vom 19.09.2012 – 22 S 178/12). Zur Rechtslage vor Neufassung des § 506 BGB hat der BGH die Auffassung vertreten, dass das Verbraucherkreditgesetz für Finanzierungsleasingverträge gelte (BGH, Urteil vom 11.03.1998 – VIII ZR 205-97; BGH, Urteil vom 24.04.1996 – VIII ZR 150/95).
Der Annahme eines Finanzierungsleasingvertrages stehe nicht entgegen, dass das Amortisationsziel durch Zahlungen des Leasingnehmers und durch die Verwertung der zurückgegebenen Leasingsache erreicht werde, selbst wenn das Verwertungsrisiko durch den Leasinggeber zu tragen sei. Trägt, der Leasingnehmer das Risiko einer Verschlechterung der Leasingsache durch Mängel, Schäden oder übermäßige Abnutzung, während dem Leasinggeber lediglich das Risiko der Marktgängigkeit des Fahrzeugs bei Vertragsablauf und der richtigen internen Kalkulation des Restwerts verbleibt, sei eine Amortisationslücke nicht zu erwarten.
Es besteht jedoch keine vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers wie bei Restwertgarantievereinbarungen.
Ein Verweis auf den Verbraucherschutz läuft daher leer. Es erscheint nicht gerechtfertigt die Vorschriften auf den vorliegenden Vertragstypus anzuwenden, da für den Verbraucher ein geringeres Marktwertrisiko und ein geringerer Anschaffungsaufwand besteht.
Ferner handelt es sich bei den, bei Vertragsende zu leistenden Zahlungen, um transparente, feststehende Beträge. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Ziffer 16.4 geht hervor, dass eine Nachbelastung für jeden Mehrkilometer anfällt, allerdings nur dann, wenn eine bestimmte Gesamtfahrleistung überschritten wurde. Die verbraucherschützenden Vorschriften sollen nur auf solche Nutzungsverträge anwendbar sein, bei deren Ende der Verbraucher einen im Vertrag festgesetzten Restwert garantiert (Begr. RegE, BT-Drs. 16/11643, 92). Ein festgelegter pauschaler Betrag existiert hingegen nicht. Der Leasingnehmer steuert selbst, wie viele Kilometer er fährt und ob er am Ende der Vertragslaufzeit einen Ausgleich für etwaige, zu viel gefahrene Kilometer zu leisten hat. Zudem kann der Leasingnehmer das Risiko der Fahrzeugbeschädigung auch durch eine Kasko-Versicherung mindern. Der Leasingnehmer hat es somit selbst in der Hand, ob er zum Ende der Vertragslaufzeit einen finanziellen Ausgleich zu leisten hat. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum der Leasinggeber dann mit Verbraucherschutzvorschriften zu belasten ist, wenn er das rechtliche und wirtschaftliche Risiko hinsichtlich des Abzahlungskaufes trägt.
Es fehlt auch an einer planwidrigen Regelungslücke.
Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG die Vorschrift des § 506 BGB (bis dahin § 499 BGB) zum 11.06.2010 neu gefasst. Der Begriff der „Finanzierungsleasingverträge“, wie er sich in § 499 II BGB a.F. fand, ist nunmehr entfallen.
Stattdessen wird in Absatz 2 der Vorschrift definiert, wann ein Verbrauchervertrag über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als entgeltliche Finanzierungshilfe im Sinne von § 506 I gilt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2012 – I 24 U 15/12). Zudem geht § 506 II S. 1 Nr. 3 BGB über den Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie hinaus. Der Gesetzgeber hat ausführlich begründet, warum Ziffer 3 als über die Richtlinie hinausgehende Regelung aufgenommen worden ist. Sofern dem Unternehmer eine Vollamortisation ermöglicht wird, die der Verbraucher finanziert, stehe dies Verträgen mit einer Erwerbsverpflichtung gleich (Begr. RegE, BT-Drs. 16/11643, 92). Es wird in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass sich ein Vertrag mit einer Klausel über eine Restwertgarantie so deutlich vom Leitbild des Mietvertrages unterscheidet, dass eine Besserstellung gegenüber anderen entgeltlichen Finanzierungshilfen nicht gerechtfertigt sei (BT-Drucksache 16/11643, S. 92).
Finanzierungsleasingverträge, die eine Restwertgarantie oder einen Restwertausgleich vorsehen und auf diesem Weg eine Vollamortisation sichern wollen, unterfallen damit auch den verbraucherschützenden Sonderregeln aus § 506 I BGB. Als überschießende Richtlinienumsetzung handelt es sich allerdings um einen Ausnahmetatbestand, der eng auszulegen ist.
Es ist fernliegend, dass der Kilometer Leasingvertrag bei der Gesetzesnovellierung einfach übersehen wurde, gerade im Hinblick auf seine Relevanz in der Praxis. Mit der Umsetzung der Richtlinie sollte der Verbraucherschutz gerade verbessert werden. Wenn es dem Gesetzgeber aber um den erhöhten Schutz des Verbrauchers geht, ist kaum anzunehmen, dass dieser Regelungsbereich aus Unachtsamkeit unberücksichtigt geblieben ist.
Vielmehr liegt nahe, dass gerade bei Verträgen, die das Restwertrisiko dem Leasinggeber zuschreiben, bewusst von einem Verbraucherschutz abgesehen wurde, da eine erhöhte Schutzbedürftigkeit, die eine analoge Anwendung rechtfertigen würde, nicht ersichtlich ist und der Vertrag wohl eher dem Typus eines Mietvertrages entspricht, bei welchem ebenfalls keine Erwerbspflicht oder eine Garantie für einen bestimmten Restwert zum Ende der Mietzeit besteht.
Die Gebrauchsüberlassungsverträge sind vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie nicht erfasst und sollen wegen der abweichenden Interessenlage auch von den Umsetzungsvorschriften nicht erfasst werden (Begr. RegE, BT-Drs. 16/11643, 92).
Eine analoge Anwendung des § 506 II S. 1 Nr. 3 BGB auf den vorliegenden Kilometerleasingvertrag ist somit abzulehnen. Dem Kläger steht somit kein Anspruch auf die gesetzlich vorgesehenen Informationen nach § 492 II BGB i.V.m. Art. 247 §§ 3 bis 13 EGBGB, sowie ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht zu.
Ein eventuell von der Beklagten vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht von 14 Tagen wäre verfristet (Vertragsschluss März 2017; Widerrufserklärung Juli 2018).
Für den Beginn der Widerrufsfrist kommt es nicht darauf an, ob die Widerrufsbelehrung den Anforderungen an eine Belehrung über ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht (BGH, WM 2012, 1479-1482). Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Beklagte dem Kläger nicht nur ein vertragliches Widerrufsrecht mit der in der Widerrufsbelehrung beschriebenen Ausgestaltung einräumen wollte, sondern darüber hinaus sich auch verpflichten wollte, ihm gegenüber alle im Falle eines gesetzlichen Widerrufsrechts einzuhaltenden gesetzlichen Belehrungspflichten erfüllen zu wollen, und ihm bei nicht Einhaltung ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumen wollte.
Der bloße Umstand, dass sich die Beklagte bei der Formulierung der Widerrufsbelehrung an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat, genügt insoweit nicht (OLG München, Hinweisbeschluss vom 25.2.2019 – Az. 32 U 310/19).
Auch ein mögliches Widerrufsrecht aus Fernabsatzvertrag wäre bereits gemäß § 356 III S. 2 BGB i.V.m. 355 II S. 2 BGB erloschen. § 356 III S. 3 BGB ist hingegen, wie oben ausgeführt, nicht anwendbar, da der Kilometer-Leasingvertrag kein Vertrag über Finanzierungsdiensleistungen ist.
Mangels Widerrufsrechts ging der erklärte Widerruf des Klägers somit ins Leere. Der Leasingvertrag war nicht rückabzuwickeln; er besteht weiterhin.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.


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