Bankrecht

Unzulässiger Widerruf eines Kfz-Finanzierungsdarlehens

Aktenzeichen  5 U 4700/19

Datum:
12.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47262
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 488 Abs. 1 S. 2, § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten. Erst recht gilt dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufweisen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stehen. Dass in den Darlehensvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthalten, ist damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung (ebenso BGH BeckRS 2019, 7830). (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

29 O 7306/19 2019-07-31 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.07.2019, Aktenzeichen 29 O 7306/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.600,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von der Klägerin gegenüber der beklagten Bank erklärten Widerrufs eines Kfz-Finanzierungsdarlehens.
Die Klägerin hat in erster Instanz geltend gemacht, ihr am 07.03.2018 erklärter Widerruf des am 23.03.2016 geschlossenen Darlehensvertrags sei wirksam, weil die Beklagte sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert habe. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 31.07.2019 abgewiesen, weil der Widerruf verfristet und damit unwirksam gewesen sei. Der Klägerin seien alle erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in den ihr zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen erteilt worden. Die Beklagte könne sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen.
Dagegen richtet sich die nach Zustellung am 02.08.2019 am 21.08.2019 eingelegte Berufung, die die Klägerin nach Fristverlängerung bis zum 04.11.2019 am 04.11.2019 begründet hat. Sie trägt vor, der Klägerin seien nicht alle Pflichtangaben im Vertrag erteilt worden. Die Widerrufsinformation sei widersprüchlich. Eine Schutzwirkung des gesetzlichen Musters zu Gunsten der Beklagten komme nicht in Betracht.
Die Klägerin beantragt unter Abänderung des Ersturteils.
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten ab ihrer Widerrufserklärung vom 07.03.2018 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung des Fahrzeuges des Fabrikats BMW, Modell 520d Touring, Erstzulassung 08.09.2011, Fahrgestellnummer …57, abgeschlossenen Darlehensvertrag zu dem Darlehensvertrag Nr. …21 weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB mehr schuldet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.871,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeuges des Fabrikats BMW, Modell 520d Touring, Erstzulassung 08.09.2011, Fahrgestellnummer …57 nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch die Klägerin an die Beklagte.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeuges des Fabrikats BMW, Modell 520d Touring, Erstzulassung 08.09.2011, Fahrgestellnummer …57 in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit der Klägerin am 20.11.2019 zugestellten Beschluss vom 11.11.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es seien alle erforderlichen Pflichtangaben im Vertrag erteilt worden. Überdies könne sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des Musters berufen. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 10.12.2019 Stellung genommen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung des Musters berufen. Die Widerrufsfolgen seien falsch dargestellt und der Gesamtbetrag des Darlehens zu hoch und damit falsch angegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und den bereits zitierten Hinweisbeschluss Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.03.2019, Aktenzeichen 40 O 16160/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 10.12.2019 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung:
Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf ein Urteil des LG Ravensburg die Auffassung vertritt, dass sich die Beklagte nicht auf den Musterschutz berufen könne, da sie in Ziffer 10.3. der Allgemeinen Darlehensbedingungen die Aufrechnungsbefugnis und das Zurückbehaltungsrecht des Darlehensnehmers gravierend eingeschränkt habe, trifft das nicht zu. Diese Argumentation berücksichtigt die aktuelle BGH Rechtsprechung nicht, nach der dies auf die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung gerade keine Auswirkung hat. So hat der BGH im Beschluss vom 02.04.2019-XI ZR 463/18, juris ausdrücklich ausgeführt, dass es in der Rechtsprechung des Senats geklärt sei, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich werde, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthielten. Erst recht gelte dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufwiesen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stünden. Dass in den Darlehensvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthielten, sei damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung.
Auch die geringfügige Abweichung zwischen Ratensumme und den Einzelraten um 21 Ct. führt nicht dazu, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen ist. Denn die vom der Klägerin behaupteten Abweichungen infolge der um 21 Cent divergierenden Berechnung des Gesamtbetrags und der Summe der Raten ist derart marginal, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass dadurch der Schutzzweck von Art. 10 Abs. 2 Buchst. h VerbrKrVertrRL 2008/48/EG bzw. Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB tangiert wäre. Der Schutzzweck der mit dem (jeweiligen) Formerfordernis versehenen Informationspflicht besteht in der umfassenden Information und Warnung des Verbrauchers. Er soll die Möglichkeit erhalten, eine sachgerechte Entscheidung für oder gegen die beabsichtigte Kreditaufnahme zu fällen, und es sollen ihm die finanziellen Folgen aufgezeigt werden, die mit ihr verbunden sind; ein weiterer Zweck besteht darin, dem Verbraucher vor Vertragsschluss einen Vergleich mit Angeboten anderer Kreditgeber zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05, Rn. 26 zu der Vorläufernorm § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG in der Fassung 01.10.2000 bis 31.07.2001; Erwägungsgründe Nr. 18, 19, 27, 31, 32 VerbrKrVertrRL 2008/48/EG). Ein bloßer Rechenfehler oder das Übersehen einer – vertraglich möglicherweise geschuldeten – Notwendigkeit, die Folgen einer mathematisch korrekten Rundung durch Anpassung einer der Raten anschließend wieder auszugleichen, der zu einer Abweichung in der einer Größenordnung von 21 ct auf einen Gesamtbetrag von 20.115,69 € führt, hat keine Auswirkungen auf die Möglichkeit des Verbrauchers, die auf ihn zukommende monatliche Belastung oder Gesamtbelastung einschätzen zu können oder das ihm vorliegende Angebot mit Angeboten anderer Kreditgeber vergleichen zu können (vgl. zu der Angabe eines aufgrund eines Rechenfehlers falsch angegebenen Gesamtbetrags unter der Geltung des § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG in der Fassung 1.10.2000 – 31.7.2001 BGH, Urteil vom 14.10.2003, XI ZR 134/02, unter II.3; BGH, Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05, Rn. 28).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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