Bankrecht

Verletzung rechtlichen Gehörs durch Übergehen von Parteivortrag

Aktenzeichen  20 U 1081/17

Datum:
10.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 595
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VermAnlG § 32 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 3
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 103

 

Leitsatz

1 Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Eine richterliche Würdigung des Parteivortrags, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe von Einzelheiten zu dem Ablauf bestimmter Ereignisse ist grundsätzlich nicht erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

32 O 9299/15 2017-02-23 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23. Februar 2017, Az. 32 O 9299/15, samt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 3) abgewiesen wurde. Die Aufhebung umfasst auch die Kostenentscheidung, soweit sie den Beklagten zu 3) betrifft.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist insoweit begründet, als der Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist, weil der Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs vom Landgericht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden und infolge dieses Verfahrensfehlers die Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme unterblieben ist, die nachzuholen sein wird (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
1. Das Verfahren im ersten Rechtszuge leidet an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ohne welche das Verfahren nicht entscheidungsreif ist.
Der klägerische Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde entscheidungserheblich verletzt:
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2000, 131; BGH, NJW-RR 2007, 714; BGH, NJW 2008, 3438 BGH, NJW 2008, 1531). Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess gehört auch, dass die Parteien wissen, was das erkennende Gericht für entscheidungserheblich hält, d.h. eine Verletzung der Hinweispflichten stellt ebenfalls eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs dar (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007, XI ZR 201/06, juris). Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008, V ZR 81/07, juris). Diesen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG ist das Landgericht nicht gerecht geworden.
a) Ob neben der gemäß § 32 Abs. 1 VermAnlG grundsätzlich auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Haftung aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG iVm § 44 Abs. 1 BörsG a.F. eine Prospekthaftung im engeren Sinne nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen in Betracht kommt, ist umstritten und noch nicht abschließend entschieden (vgl. MünchKommBGB/ Emmerich, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 136, 137 mit zahlreichen Nachweisen). Das Landgericht ist von der Anwendbarkeit der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne ausgegangen und hat zutreffend die rechtzeitige Hemmung der Verjährung angenommen. Durch die am 31.05.2015 eingereichte Klageschrift wurde die Verjährung gehemmt (§ 167 ZPO). Dass die Zustellung an den Beklagten zu 4) erst am 04.04.2016 erfolgt ist, ist dem Adressaten zuzurechnen und hindert die Rückwirkung nicht (vgl. Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 167 Rn. 13). Insbesondere war der Kläger nicht gehalten, einen Vorschuss für Übersetzungskosten einzuzahlen. Den nach der Rechtsauffassung des Landgerichts entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers zur Prospektveranlassung durch den Beklagten und seine Eigenschaft als „Hintermann“ hat das Landgericht jedoch übergangen.
Zwar verkennt das Landgericht die Voraussetzungen der „Hintermannhaftung“ nicht und legt diese zutreffend dar. Soweit es jedoch eine Prospektverantwortlichkeit des Beklagten zu 3) nach diesen Grundsätzen verneint, wird der klägerische Sachvortrag fast vollständig übergangen. Das Landgericht geht noch zutreffend davon aus, dass Anknüpfungspunkt für die Prospekthaftung derjenigen, die „hinter dem Prospekt stehen“, der unmittelbare Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts ist, da vertragliche oder persönliche vorvertragliche Beziehungen zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anleger und dem Personenkreis der Initiatoren nicht zustande kommen. Sodann wird aber unter weitestgehender Außerachtlassung des klägerischen Vortrags lediglich festgestellt, dass der Beklagte zu 3) nicht im entferntesten eine der Initiatorengruppe zuordenbare Position innegehabt habe. Darauf, dass der Kläger hierzu bereits in der Klage (Seite 16/18), in der Replik vom 19. Oktober 2016 (Seite 3 ff.) und im Schriftsatz vom 23. Januar 2017 (Seite 2 ff.) unter sehr zahlreichen Beweisangeboten zur Initiatorenrolle des Beklagten zu 3) ausführlich vorgetragen hat, wird nichts ausgeführt. Eine Begründung für die völlig unterlassene Beweiserhebung fehlt – abgesehen vom Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen Rechtsanwalt K. Dieses kommentarlose Übergehen klägerischen Vortrags lässt nur den Rückschluss zu, dass sich das Landgericht hiermit gar nicht befasst hat.
b) Eine Haftung des Beklagten zu 3) aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. aus § 311 Abs. 3 BGB hat das Landgericht zutreffend verneint. Mutmaßliche Hintermänner haften in der Regel nicht aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, weil sie gerade nicht nach außen in Erscheinung getreten sind und deshalb auch kein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben können (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012, II ZR 211/09, juris; BGH, Urteil vom 15. Juli 2010, III ZR 321/08, juris). Ein haftungsrechtlich relevantes unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004, XI ZR 41/03, juris) hat das Landgericht ebenfalls zutreffend verneint. Im Übrigen ersetzt ein solches Interesse auch nicht ein – hier nicht ersichtliches – für den Anleger erkennbares Auftreten nach außen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985, VIII ZR 210/84, juris).
c) Hinsichtlich der möglichen Haftung des Beklagten zu 3) aus unerlaubter Handlung leidet das angefochtene Urteil an mehreren Verfahrensfehlern, auf Grund derer eine umfängliche Beweisaufnahme vor dem Landgericht vermieden wurde.
aa) Aus den Urteilsgründen erschließt sich schon nicht, warum das Landgericht der Klage zwar in Richtung auf den Beklagten zu 1) durch Versäumnisurteil stattgegeben, sie jedoch in Richtung auf den Beklagten zu 3) durch das angefochtene Urteil abgewiesen hat. Warum die Klage nach Auffassung des Landgerichts in Richtung auf den Beklagten zu 1) schlüssig (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 331 Rn. 5), in Richtung auf den Beklagten zu 3) aber unschlüssig sein soll, wird nicht begründet.
bb) Nicht vertretbar ist die Auffassung des Landgerichts, das Vorbringen des Klägers zu einer deliktischen Haftung des Beklagten zu 3) sei „unsubstantiiert“ und pauschal, weshalb kein Beweis zu erheben sei.
Die Ablehnung eines Beweises kann allenfalls dann geboten sein, wenn eine beweiserhebliche Tatsache zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt, mit anderen Worten aus der Luft gegriffen ist und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (BGH, Urteil vom 23.04.1991 – X ZR 77/89 – NJW 1991, 2707/2709).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei dann ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe von Einzelheiten zu dem Ablauf bestimmter Ereignisse ist grundsätzlich nicht erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Dementsprechend ist eine Partei grundsätzlich nicht gehalten, zur Substantiierung einer Klage, die sich auf eine getroffene Einigung stützt, zu den Umständen dieser Vereinbarung, wie Zeit, Ort oder teilnehmende Personen, detailliert vorzutragen. Diese Umstände sind Gegenstand der Beweisaufnahme; diese kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie von der beweispflichtigen Partei im Einzelnen vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 19. Mai 2011, VII ZR 24/08, juris Rn. 14 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger hinreichend substantiiert vorgetragen und hätte eine Beweisaufnahme nicht unterbleiben dürfen.
Der Kläger hat in der Klageschrift vom 31. Mai 2015, der Replik vom 19. Oktober 2016 und der Triplik vom 23. Januar 2017 umfangreich, verbunden mit dem Angebot zahlreicher Zeugen, zu der von ihm behaupteten prospektwidrigen Verwendung des Anlegerkapitals durch den Beklagten zu 3) und dem von vornherein von ihm und dem Beklagten zu 1) beabsichtigten Schneeballsystem vorgetragen. Mit diesem Sachvortrag hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen von Artikel 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrages (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008, V ZR 81/07, juris).
Beispielhaft, aber nicht abschließend, wird zum klägerischen Sachvortrag und seinen Beweisangeboten verwiesen auf die Seiten 10, 32/33, 37 ff, 48 ff. und 63 ff. des Schriftsatzes vom 19. Oktober 2016 sowie auf die Seiten 13 ff. der Triplik vom 23. Januar 2017. Der Senat schließt sich im Übrigen hierzu den Entscheidungen des 19. Senats, 19 U 525/17, und des 13. Senates, 13 U 381/17, des Oberlandesgerichts München an, die in Parallelverfahren zum streitgegenständlichen Fonds ergangen sind und denen entsprechender Vortrag der Klagepartei zugrunde lag.
Die Würdigung des Landgerichts, wonach der klägerische Sachvortrag im Wesentlichen pauschal und unsubstantiiert sei, hat keinen Bestand. Es handelt sich gerade nicht um erkennbar aufs Geratewohl aufgestellte Mutmaßungen, denen jeder tatsächliche Anhaltspunkt fehlen würde. Vielmehr hat der Kläger konkrete Tatsachen schlüssig vorgetragen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Kläger entstanden erscheinen zu lassen, wobei in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass seit Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten zu 3) betrieben wird, hätte berücksichtigt werden müssen.
Auch soweit der Beklagte meint, der Kläger hätte eingeräumt, keine Erkenntnisse über den dem Beklagten zur Last gelegten Verdacht zu haben, ist anzumerken, dass es einer Partei häufig nicht erspart bleiben wird, im Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen aber erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, wobei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist, dass in der Regel nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte Willkür rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 20. Juni 2002, IX ZR 177/99, juris Rn. 17). Davon kann hier aber keine Rede sein, wie nicht zuletzt die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Beklagten belegen, ohne dass es darauf ankommt, welchen Sachverhalt diese genau betreffen.
cc) Ob die Verkennung der Substantiierungsanforderungen bereits als solches einen Verfahrensfehler darstellt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22. Januar 2016, V ZR 196/14, juris), kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls liegt ein die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigender schwerer Verfahrensfehler i.S.v. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bereits vor, weil das Landgericht unter Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs den Kern des Vorbringens einer Partei verkannt und deshalb eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt hat (BGH, Urteil vom 6. November 2000, II ZR 67/99, ZIP 2001, 28; BGH, Urteil vom 1. Februar 2010, II ZR 209/08, juris).
dd) Außerdem hätte das Landgericht gem. § 139 ZPO frühzeitig auf seine Auffassung, dass es das Vorbringen des Klägers für „pauschal“ bzw. „unsubstantiiert“ hält, hinweisen und diesem Gelegenheit zur Konkretisierung geben müssen. Den hierdurch in die zweite Instanz verlagerten ergänzenden Vortrag der Parteien wird das Landgericht bei seiner erneuten Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen haben. Dazu gehört auch, dass der vormalige Beklagte zu 1) H. nach Rechtskraft des gegen ihn gerichteten Versäumnisurteils nunmehr grundsätzlich Zeuge sein könnte.
2. Eine Erhebung der notwendigen Beweise durch das Berufungsgericht (§ 538 Abs. 1 ZPO) hält der Senat nicht für sachdienlich.
Zwar ist die Zurückverweisungsvorschrift des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Ausnahmeregelung, die den Grundsatz der Prozessbeschleunigung nur durchbricht, wenn die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers erfolgt und noch eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Bei der erforderlichen Abwägung ist auch in Erwägung zu ziehen, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer weiteren Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits und zu weiteren Nachteilen führt und dies den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16.12.2004 – VII ZR 270/03 – juris Rn. 23).
Vorliegend ist nach derzeitigem Sachstand eine äußerst umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen. Aus Parallelverfahren ist dem Senat bekannt, dass die 28. Zivilkammer des Landgerichts München I allein in einer ersten Beweisaufnahme am 22. November 2016 bereits 6 Zeugen vernommen hat. Auch fehlt bisher, wie oben dargelegt, eine konkrete Aufarbeitung des Sach- und Streitstands durch das Landgericht, die Gegenstand eines Berufungsverfahrens sein könnte. Zudem ist bedingt durch den Verstoß des Landgerichts gegen seine Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO eine weitere Ausweitung der erforderlichen Beweisaufnahme infolge ergänzenden klägerischen Vortrags wahrscheinlich. All dies spricht nach Auffassung des Senats entscheidend für die Wahrung des vollen Instanzenzuges und die Hinnahme der damit verbundenen Nachteile. Der Rechtsstreit könnte auch vom Senat nicht kurzfristig zur Entscheidungsreife gebracht werden, sodass der mit der Zurückverweisung verbundene – weitere – Zeitverlust relativ gering erscheint.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
a) Eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten hat das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe zwar grundsätzlich gesehen, allerdings (noch nicht) für gegeben gehalten. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob auch ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht (BGH, Urteil vom 10. Februar 2015, VI ZR 343/13, juris). Hier kommt bei Berücksichtigung dieser Grundsätze eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten zu 3) insbesondere im Zusammenhang mit der Verwendung der Anlegergelder in Betracht. Der Beklagte zu 3) war auch nach eigenem Vortrag für die Investition verantwortlich. Der Kläger hingegen kann nur Rückschlüsse aus Begleittatsachen ziehen.
b) Ergänzend wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2015 (III ZR 141/14, juris Rn. 33) hingewiesen wonach die Führung eines „Pilotverfahrens“ zulässig wäre. Es ist einem Gericht gestattet, aus mehreren gleichgelagerten (Massen-) Verfahren einige als „Musterverfahren“ herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern. Die Entscheidung, ein „Pilotverfahren“ durchzuführen, gehört danach zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Das Landgericht muss daher nicht zwingend alle Verfahren sofort und gleichzeitig betreiben; es könnte ggf. auch zunächst Pilotverfahren durchführen, wobei allerdings dann der Verwertung der Ergebnisse der Beweisaufnahme in den übrigen Verfahren von den Parteien zugestimmt werden müsste.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO (Zöller/Heßler, ZPO 32. Aufl. § 538 Rn. 59).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die wesentlichen Rechtsfragen bereits vom Bundesgerichtshof entschieden worden sind.


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