Bankrecht

Versicherungsvertrag

Aktenzeichen  11 O 6915/18

Datum:
17.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54368
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 1,§ 128 Abs. 2
BGB § 138 Abs. 2, § 139, § 147,§ 307,§ 309 Nr. 2
VVG § 5 a
GVG § 23 Nr. ,§ 71 Abs. 1
EStG § 45 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Auch liegt keine Täuschung durch einen Dritten im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB vor, da … im Lager des Streithelfers steht. Die neuere Rspr. und die Lehre legen den Begriff des „Dritten“ enger aus als das Reichsgericht. Demnach kann auch jenseits von Vertretern und autorisierten Verhandlungsführern oder -gehilfen ganz allgemein von einem Dritten dann nicht gesprochen werden, wenn „dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss“.  (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dritter ist mithin nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht und als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist. Unter diesen Voraussetzungen sind Makler oder sonstige Vermittler nicht als Dritte i.S.v. Abs. 2 S. 1 anzusehen (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, BGB § 123 Rn. 73). Im Falle einer Falschberatung durch den Finanzvermittler hat der Streithelfer diesem gegenüber Schadensersatzansprüche. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dritter ist mithin nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht und als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist. Unter diesen Voraussetzungen sind Makler oder sonstige Vermittler nicht als Dritte i.S.v. Abs. 2 S. 1 anzusehen (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, BGB § 123 Rn. 73). Im Falle einer Falschberatung durch den Finanzvermittler hat der Streithelfer diesem gegenüber Schadensersatzansprüche. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte, wird verurteilt, an die Klägerin 92.339,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Steuerbescheinigung gemäß § 45 a Abs. 2 EStG nach amtlich vorgeschriebenem Muster (Muster II des BMF-Schreibens vom 20.12.2012, IV C 1-S 2401/08/10001:008) in Höhe von 10.442,92 € für die einzubehaltende Kapitalertragssteuer und in Höhe von 574,36 € für den einzubehaltenden Solidaritätszuschlag auszustellen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 109.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth gemäß § 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich und gemäß § 17 ZPO örtlich zuständig.
Die teilweise übereinstimmende Erledigterklärung sowie die erfolgte Bezifferung sind gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.
B.
Die Klage ist vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung in Höhe von 92.339,53 € nebst Zinsen und auf Erteilung der begehrten Steuerbescheinigung.
I.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Der Streithelfer hat seine Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag wirksam an die Klägerin abgetreten. Die Abtretung umfasst insbesondere auch den Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts nach Kündigung und das Recht zur Kündigung.
1. Die Versicherung ist – soweit für das Verfahren relevant – abtretbar, arg. e contr. § 400 BGB, § 17 VVG, §§ 850 ff ZPO. Wirksam abgetreten sind daher die Ansprüche aus der Lebensversicherung, einschließlich des Rechts zur Kündigung und des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufswerts (einschließlich ordnungsgemäßer Abrechnung), vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2009 – IV ZR 39/0). Forderungen sind nicht erst mit ihrer Entstehung abtretbar, sondern bereits wenn ihre Entstehung möglich erscheint (vgl. Palandt-Grüneberg, 77. Auflage, § 398 Rn. 11), so dass auch insoweit gegen die Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufswerts keine Einwände bestehen.
Mitumfasst von der Abtretung sind vorliegend auch die unselbständigen Gestaltungsrechte wie z.B. das Recht zur Kündigung, was sich daraus ergibt, dass diese in § 1 (2) des Kauf- und Abtretungsvertrags explizit aufgeführt sind.
2. Die Abtretung wurde wirksam mit Angebot des Streithelfers, § 145 BGB, und Annahme durch die Klägerin, § 147 BGB, erklärt.
3. Die Abtretung ist wirksam.
a) Insbesondere ist die Abtretung nicht infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 BGB ex tunc unwirksam.
Für einen Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB müsste die Klägerin die arglistige Täuschung verübt haben, d.h. diese müsste ihr zuzurechnen sein. Vorliegend wird beklagtenseits eine Täuschung durch den Wirtschaftsberater … behauptet. Dieser war jedoch für den Streithelfer tätig und stand damit in dessen Lager. Seine Erklärungen sind der Klägerin damit nicht nach § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Die – unterstellte – bloße Kenntnis der Klägerin von dem von diesem praktizierten Geschäftsmodell, wie beklagtenseits vorgetragen, führt nicht dazu, dass dieser zum Vertreter der Klägerin wird. Gleiches gilt für eine beklagtenseits behauptete – wie auch immer ausgestaltete – Verbindung. Eine bloße Beteiligung beispielsweise würde nicht zu einer Stellvertretung führen. Da der Streithelfer den Vertrag selbst geschlossen hat, kommt auch ein Missbrauch der Vertretungsmacht (z.B. durch kollusives Zusammenwirken) nicht in Betracht.
Auch liegt keine Täuschung durch einen Dritten im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB vor, da … im Lager des Streithelfers steht. Die neuere Rspr. und die Lehre legen den Begriff des „Dritten“ enger aus als das Reichsgericht. Demnach kann auch jenseits von Vertretern und autorisierten Verhandlungsführern oder -gehilfen ganz allgemein von einem Dritten dann nicht gesprochen werden, wenn „dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss“. Dritter ist mithin nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht und als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist. Unter diesen Voraussetzungen sind Makler oder sonstige Vermittler nicht als Dritte i.S.v. Abs. 2 S. 1 anzusehen (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, BGB § 123 Rn. 73). Im Falle einer Falschberatung durch den Finanzvermittler hat der Streithelfer diesem gegenüber Schadensersatzansprüche.
b) Die Abtretung ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 309 Nr. 2, 307 BGB unwirksam.
Ausdrücklich ist eine Beschränkung eines Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechts in dem Kauf- und Abtretungsvertrag schon nicht geregelt. Es ergibt sich allenfalls faktisch eine Einschränkung, nämlich daraus, dass die Abtretung Teil des Vertragsformulars ist und damit deren gleichzeitige Vornahme vorgesehen ist, hingegen die Bezahlung des Kaufpreises erst im Nachhinein zu erfolgen hat.
Auf die Abtretung sind die §§ 305 ff BGB jedoch nicht anwendbar. Die §§ 305 ff BGB sind nur auf allgemeine Geschäftsbedingungen, d.h. auf vorformulierten Vertragsbedingungen anwendbar. Die Abtretung selbst ist schon nicht Teil des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts und damit erst recht keine „Vertragsbedingung“. Gleiches ergibt sich nach § 306 Abs. 1 BGB. Im Falle einer unzulässigen (schuldrechtlichen) Klausel entfällt diese, während der Vertrag im Übrigen wirksam ist. Die Abtretung ist damit gerade wirksam. Die Voraussetzungen einer vollständigen Unwirksamkeit gemäß § 306 Abs. 3 BGB liegen überdies ebenfalls nicht vor. Die bloße Beschränkung eines Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechts führt nicht dazu, dass das Festhalten an dem Vertrag eine unbillige Härte darstellen würde.
c.) Auch ist die Abtretung nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 2 BGB (Wucher) oder § 138 Abs. 1 BGB (wucherähnliches Rechtsgeschäft) infolge eines auffälligen oder gar besonders groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung unwirksam.
Sittenwidrig ist, was gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dabei kann sich die Sittenwidrigkeit aus einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ergeben. Dementsprechend stellt das völlige Fehlen einer eigenen Leistung bei einem üblicherweise entgeltlichen Geschäft immer ein zureichendes objektives Sittenwidrigkeitsindiz dar (vgl. zum Wucher MüKoBGB/Armbrüster, 8. Auflage, BGB. § 138 Rn. 113 m.w.N.).
Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass das Verpflichtungsgeschäft gerade kein Geschäftsbesorgungsvertrag und auch kein Factoringvertrag war, sondern ein Kaufvertrag. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift „Kauf- und Abtretungsvertrag“ (Anlagenkonvolut K 2) und aus dem Vertragsinhalt. Demnach verpflichtet sich die Klägerin nicht gegenüber dem Versicherungsnehmer, eine Dienstleistung/Geschäftsbesorgung zu erbringen, sondern kauft die Rechte und Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen Zahlung eines „Kaufpreises“. Allein daraus, dass die Klägerin selbst auf ihrer Homepage oder in Werbefilmen mit einem Vermögensfactoring wirbt, kann sich nichts anderes ergeben. Diese umgangssprachliche Bezeichnung führt nicht dazu, dass tatsächlich von einem Factoring im rechtlichen Sinne auszugehen ist.
Bei der Beurteilung von Leistung und Gegenleistung sind damit der wirtschaftliche Wert des Kaufgegenstands und der Kaufpreis gegenüber zu stellen.
Auch ausgehend davon, dass sich der Kaufpreis (aber auch die Bearbeitungsgebühr) durch den Anfall der Kapitalertragssteuer und den Solidaritätszuschlag vermindern würde, ergäbe sich hier lediglich ein um 14,12 % gegenüber dem Auszahlungsbetrag verminderter Kaufpreis (Auszahlungsbetrag bei Kündigung und Auszahlung an den Streithelfer: 114.769,39 €; Kaufpreis = 98.564, 50 € [103.752,11 € (Auszahlungsbetrag abzgl. KESt abzgl. Solidaritätszuschlag, B 11) – 5.187,61 € (Bearbeitungsgebühr von 5 % × 103.752,11 €)]. Von einem besonders groben Missverhältnis ist hierbei keinesfalls auszugehen. Dies gilt sogar dann, wenn für den Verkauf an einen anderen Zweitmarkthändler ein um fünf Prozent gegenüber dem Auszahlungsbetrag höherer Kaufpreis hätte erzielt werden können und dieser mit dem hiesigen Kaufpreis verglichen wird. Selbst dann liegt kein grobes Missverhältnis vor.
Ein auffälliges Missverhältnis wird in der Regel angenommen, wenn die „Grenze des Doppelten“ überschritten ist (vgl. Palandt-Ellenberger, 77. Auflage, § 138 Rn. 67). Diese ist vorliegend jedoch ebenfalls bei Weitem nicht erreicht.
Auf die Frage, inwieweit bei dem Streithelfer eine Schwächesituation vorlag und die Klägerin diese ausgenutzt hat oder in verwerflicher Gesinnung gehandelt hat, kommt es daher nicht mehr an. Hinzu kommt, dass eine wirtschaftliche Zwangslage schon deshalb nicht anzunehmen ist, weil der Streithelfer vorliegend eine Umschichtung vornahm, den Kaufpreis also anderweitig anlegte.
d) Die Abtretung ist auch nicht aus sonstigen Gründen oder infolge einer Gesamtbetrachtung der Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Streithelfer wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
aa) Eine – unterstellt – unvollständige Aufklärung über wirtschaftliche Nachteile bei ebenfalls unterstellter Aufklärungspflicht und/oder die – unterstellte – Erweckung der Vorstellung weiterreichenderer Prüfungen z.B. durch eine Rechtsabteilung oder durch Versicherungsmathematiker als dann tatsächlich von der Klägerin durchgeführt, würden nicht dazu führen, dass die Abtretung oder auch der zugrundeliegende Vertrag gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen würde. Hierbei handelt es sich dann allenfalls um die Verletzung vertraglicher Pflichten, was unter Umständen Schadensersatzansprüche nach sich ziehen könnte, nicht jedoch zur Sittenwidrigkeit führt.
Gleiches gilt für die getätigten Werbeaussagen, wonach eine Prüfung der Rückkaufswerte und zum Teil eine Prüfung der Rückabwicklungsmöglichkeiten erfolgen soll und mit einer Beteiligung an etwaigen Mehrerlösen geworben wird. Soweit hierdurch bei den Zedenten geweckte Erwartungen letztlich nicht erfüllt werden, ist ebenfalls an Schadensersatzansprüche zu denken. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer besonderen Schutzbedürftigkeit von Versicherungsnehmern im Bereich der Altersvorsorge.
bb) Auch unter dem Gesichtspunkt fehlender bzw. fehlerhafter Beratung über sinnvolle Möglichkeiten einer Umschichtung und/oder fehlerhafter Information über die Leistungen der Klägerin durch den Vermittler oder einer von diesem begangenen Urkundenfälschung bzgl. des Beratungsprotokolls ergibt sich keine Sittenwidrigkeit. Dessen Handeln ist der Klägerin wie bereits ausgeführt, nicht zuzurechnen.
Der Vortrag des Streithelfers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.04.2019 ist nicht mehr zu berücksichtigen, § 296 a ZPO. Schluss der letzten mündlichen Verhandlung war am 29.03.2019. Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand nicht.
cc) Auch wenn die Klägerin eine endgültige Abrechnung gegenüber dem Streithelfer noch nicht vorgenommen hat, führt diese, nachträgliche Pflichtverletzung, nicht zur Sittenwidrigkeit sondern allenfalls zu Schadensersatzansprüchen.
dd) Hinzu kommt, dass sich all dies unmittelbar nur auf den Kaufvertrag als solches auswirken würde. Denn die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB lässt, anders als der Wucher nach § 138 Abs. 2 BGB, das abstrakte Verfügungsgeschäft unberührt (Palandt-Ellenberger, 77. Auflage, § 138 Rn. 20). Die Abtretung ist ein abstraktes Geschäft, das grundsätzlich von einer etwaigen Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Kaufvertrags unberührt bleibt. Anders ist dies allenfalls, wenn die Sittenwidrigkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt (Palandt-Ellenberger, 77. Auflage, § 138 Rn. 20) oder gemäß § 139 BGB, wenn eine Einheit von Grund- und Erfüllungsgeschäft besteht. Dann muss sich aus den Erklärungen der Parteien unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Verkehrssitte der Wille ergeben, dass die Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen (Palandt-Ellenberger, BGB, 77. Auflage, § 139 Rn. 5).
Eine Vermutung für den Einheitlichkeitswillen der Parteien in Hinblick auf das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ergibt sich entgegen dem Vortrag der Beklagten nach Ansicht des Gerichts aus der Zusammenfassung in einer Urkunde nicht. Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip stellt einen der Grundpfeiler des Zivilrechts dar. Soll dieses durchbrochen werden, bedarf es der positiven Feststellung eines Einheitlichkeitswillens. Der Zusammenfassung in einer Urkunde kommt allenfalls Indizwirkung zu, sie reicht jedoch nicht aus (Palandt-Ellenberger, BGB, 77. Auflage, § 139 Rn. 8). Eine Vermutung besteht gerade nicht.
Auch aus den Erklärungen der Parteien unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Verkehrssitte ergibt sich vorliegend nicht hinreichend deutlich ein Einheitlichkeitswille der Parteien. Allein, dass lediglich von einem Vertrag gesprochen wird, reicht für die Annahme eines einheitlichen Vertrages nicht aus. Der rechtliche Laie nimmt keine Differenzierung nach dem Abstraktionsprinzip vor. Auch aus der Bezugnahme bei der Abtretung auf den Kauf in § 1 Abs. 1 S. 1 und 2 des Kauf- und Abtretungsvertrags („Der Verkäufer tritt hierzu…“) ergibt sich kein Einheitlichkeitswille. Das Erfüllungsgeschäft wird hier vielmehr nur dem Verpflichtungsgeschäft wie üblich zugeordnet. Auch unter Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit und einer (faktischen) Vorleistung ergibt sich in der Gesamtschau kein eindeutiger Schluss auf einen bestehenden Einheitlichkeitswillen der Parteien. Auch daraus, dass die Klägerin bei einer Nichtigkeit des Kaufvertrages kein schützenswertes Interesse am Erhalt des Auszahlungsbetrags hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Interessenlage der Parteien ein einheitliches Geschäft erfordert. Es wird nämlich regelmäßig der Fall sein, dass bei Nichtigkeit des Grundgeschäfts kein schützenswertes Interesse am Vollzug des Verfügungsgeschäftes besteht. Insoweit wurde aber mit dem Abstraktionsprinzip gerade die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass Grund- und Verfügungsgeschäft voneinander unabhängig sind. Besondere Umstände, die ausnahmsweise unter Durchbrechung des Abstraktionsprinzips die Einheitlichkeit der Geschäfte begründen können, ergeben sich daraus nicht.
e) Die Abtretung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gemäß § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG nichtig.
Das Verbot nach § 3 RDG setzt voraus, dass es sich entweder um eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert, handelt (§ 2 Abs. 1 RDG) oder um eine Inkassodienstleistung (§ 2 Abs. 2 RDG).
Die Klägerin ist vorliegend aufgrund eines Vollrechtserwerbs als Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Versicherungsnehmers in dessen Rechtsposition im Verhältnis zur Beklagten als Versicherer eingetreten. Indem die Klägerin von dem vertraglich eingeräumten Recht zur Kündigung des Versicherungsverhältnisses Gebrauch macht und die Auszahlung des Rückkaufswertes von der Beklagten verlangt, übt die Klägerin eigene Rechte im eigenen Namen aus und erbringt keine „Rechtsdienstleistung“ gegenüber einer dritten Person. Es fehlt somit bereits an einer Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG. Wie die Klägerin mit den von ihr erworbenen Rechtspositionen im eigenen Interesse verfährt, unterliegt keiner Reglementierung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz. Es handelt sich um eine ausschließlich eigene Angelegenheit, die vom Anwendungsbereich des RDG ausgenommen ist, wenn die Prüfung der Werthaltigkeit der Forderung und deren Geltendmachung allein im Interesse, auf Gefahr und Rechnung des Erwerbers erfolgt (vgl. Deckenbrock/Henssler RDG, 4. Auflage, § 2 Rn. 75).
Vorliegend spricht für einen Vollrechtserwerb, dass das Bonitätsrisiko ausweislich des Kauf- und Abtretungsvertrags die Klägerin zu tragen hat. Der Streithelfer partizipiert allenfalls an einer ggf. vorzunehmenden Neuberechnung des Rückkaufwerts, an einer Steuerrückerstattung und – allenfalls noch an Zahlungen nach Ausübung anderer Gestaltungsrechte als der Kündigung. Die Entscheidung, wie weiter mit dem Vertrag verfahren wird, liegt zudem allein bei der Klägerin. Dies ergibt sich etwa aus § 1 (6) des Vertrages, in dem lediglich von einer „etwaigen Kündigung des Vertrags“ die Rede ist. Wenn sie dann von vertraglich eingeräumten Rechten wie etwa dem Kündigungsrecht Gebrauch macht und infolge dessen einen Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes geltend macht, übt die Klägerin eigene Rechte im eigenen Namen aus und erbringt damit keinerlei „Rechtsdienstleistung“ gegenüber einem Dritten (so auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 17.01.2017 – 8 U 1726/16).
Dem würde es auch nicht entgegenstehen, sollte die Klägerin zunächst nur einen Teilbetrag an die Zedenten auszahlen. Dies ändert nämlich nichts daran, dass den Zedenten unabhängig davon, ob die Versicherung zahlt oder nicht, der volle Kaufpreisanspruch zusteht. Die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung wird gemäß § 4 des Vertrages nicht von der Zahlung durch die Versicherung abhängig gemacht. Darauf, ob rein faktisch mit einem Ausfall der Forderung überhaupt zu rechnen ist, kann es für die rechtliche Beurteilung, ob ein Vollrechtserwerb vorliegt oder nicht, nicht ankommen.
Auch stehen vertragliche Lösungsrechte einem Vollrechtserwerb nicht entgegen. Bei der Ausübung eines Rücktrittsrechts wird der Vertrag lediglich rückabgewickelt, vgl. § 346 BGB.
Auch die Bestimmung in § 4 Abs. 3 des „Kauf- und Abtretungsvertrages“ enthält nichts Relevantes im Hinblick auf das Rechtsdienstleistungsgesetz. Denn die dortige Regelung, dass die Klägerin „das von der Versicherungsgesellschaft/Bausparkasse ermittelte Vertragsguthaben“ überprüft und „bei Zweifeln eine Nachberechnung auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ermittlung von Vertragsguthaben“ einfordern kann, enthält gerade keinerlei Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Zedentin zu einer rechtlichen Prüfung. Die Regelung ergänzt vielmehr § 2 des Vertrages zum Kaufpreis, indem festgelegt wird, nach welcher Maßgabe das Vertragsguthaben, das maßgeblich für die Ermittlung des Kaufpreises ist, festgelegt wird.
Auch die Werbeäußerungen der Klägerin ändern nichts an der Bewertung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Selbst wenn diese nach der Wahrnehmung des Kundenkreises auch die Prüfung des Rückkaufwertes und gegebenenfalls etwaiger Rückabwicklungsmöglichkeiten erfassen sollten, hätte dies jedenfalls in dem maßgeblichen Kauf- und Abtretungsvertrag keinen Niederschlag gefunden.
Selbst wenn man dem entgegen kein ausschließliches Eigeninteresse der Klägerin annimmt, ist ihre Tätigkeit jedenfalls als eigenständiges Geschäft des Forderungseinzugs auch auf fremde Rechnung zu qualifizieren. Die dann nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erforderliche Registrierung besitzt die Klägerin jedoch, so dass sie insoweit zur Rechtsdienstleistung berechtigt ist (Anlagenkonvolut K 2). Der Inkassodienstleister ist nicht nur zu bloßen Mahn- und Beitreibungstätigkeiten befugt, sondern auch zur rechtlichen Prüfung der Forderungen und Beratung der Auftraggeber. Dafür spricht schon, dass die Inkassodienstleistung nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG stets als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren ist (Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2. Auflage 2017, Rn. 21; Deckenbrock/Henssler RDG, 4. Auflage, § 10 Rn. 33 m.w.N.). Die noch zum Rechtsberatungsgesetz ergangene Rechtsprechung, wonach es dem Inhaber einer Inkassoerlaubnis untersagt war, seine Kunden darüber zu beraten, ob und unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten ihnen eine Forderung zusteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2000 – XI ZR 273/99 -, juris) ist auf das RDG nicht übertragbar. Leitgedanke des Rechtsberatungsgesetzes bzw. der dazu ergangenen Rechtsprechung, war, dass Inkassounternehmen die Einziehung unbestrittener Forderungen oblag. Nach dem RDG sind Inkassounternehmen hingegen zur Durchführung des Mahnverfahrens und zur Beantragung eines Vollstreckungsbescheids befugt. Dies setzt sinnvollerweise voraus, dass der Bestand der Forderung und die Werthaltigkeit von Einwendungen vorher geprüft werden. Auch die Einführung der Schlüssigkeitsprüfung bzgl. der Zinsen, § 11 a Abs. 1 Nr. 3 RDG, spricht dafür. Selbst wenn die Klägerin nach ihrer Werbung zur Überprüfung des Vertrages auf Rückabwicklungsmöglichkeiten verpflichtet wäre, wäre diese Überprüfung daher von der Registrierung umfasst. Insoweit kann es dann auch dahinstehen, ob die Klägerin durch etwaige Werbeaussagen verpflichtet war, Prüfungen für den Streithelfer vorzunehmen.
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Auszahlung jedenfalls in Höhe von 92.339,53 €, § 308 ZPO.
a) Die Klägerin hat die Kündigung mit Schreiben vom 21.02.2018, der Beklagten am 23.02.2018 zugegangen, wirksam gegenüber der Beklagten zum „nächsten, frühest möglichen Termin“ erklärt. Infolge der wirksamen Abtretung war die Klägerin auch zur Ausübung des Kündigungsrechts berechtigt.
Gemäß § 4 (1) Alt. 2 der AVB ist eine Kündigung während des Versicherungsjahres mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsschluss möglich. Die Kündigungserklärung vom 21.02.2018 beendete das Vertragsverhältnis mithin mit Ablauf des Mai 2018, so dass die Abwicklung zum 01.06.2018 vorzunehmen ist.
b) Eine nach §§ 346, 324, 241 Abs. 2 BGB vorzunehmende Rückabwicklung steht der Geltendmachung des Auszahlungsbetrags nach Kündigung durch die Klägerin nicht entgegen.
Die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB durch die Klägerin ist nicht ersichtlich. Welche konkrete Pflicht die Klägerin verletzt haben soll, wird von der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen auf Seite 5 des Kündigungsschreibens des Streithelfers (B 11) – nicht vorgetragen. Handlungen des Vermittlers können der Klägerin nicht nach § 278 BGB zugerechnet werden, denn aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass dieser Erfüllungsgehilfe der Klägerin war.
c) Ein – unterstellt noch möglicher – Widerruf steht der Geltendmachung des Auszahlungsbetrags nach Kündigung ebenfalls nicht entgegen. Insoweit fehlt es schon an einer Widerrufserklärung.
d) Auch steht eine fehlende Bezifferung des auszuurteilenden Betrages im Hinblick auf eine Kirchensteuerpflicht der Verurteilung nicht entgegen. Beklagtenseits wurde schon nicht behauptet, dass die Klägerin kirchensteuerpflichtig ist. Im Hinblick auf die Taufe können zudem grundsätzlich nur natürliche Personen Kirchenmitglieder sein.
e) Auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung greift nicht ein. Da die Klägerin bereits an den Streithelfer geleistet hat, sind schon die Voraussetzungen („Rückgewährpflicht“) nicht erfüllt. Darüber hinaus ist die Abtretung wirksam, insbesondere haben Anfechtung und Rücktritt keinen Erfolg, so dass eine Verpflichtung zur Weiterleitung der Zahlung an den Streithelfer nicht besteht.
III.
Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten, über dem Basiszinssatz seit 01.06.2018 folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 BGB.
IV.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Ausstellung einer Steuerbescheinigung nach dem amtlichen vorgeschriebenen Muster II des Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 20.12.2012 (IV C 1 – S 2401/08/10001/008) in Höhe der bei Auszahlung des Rückkaufswerts einzubehaltenden Kapitalertragsteuer und des einzubehaltenden Solidaritätszuschlags gemäß §§ 45 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG. Die Beklagte ist nach § 45 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG als Schuldnerin der Kapitalerträge verpflichtet dem Gläubiger der Kapitalerträge auf Verlangen eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster auszustellen, die die nach § 32 d erforderlichen Angaben enthält. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Erträge aus Kapitalversicherungen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Von diesen wird nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG Kapitalertragsteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben.
Gläubigerin der Kapitalerträge ist infolge der – wie bereits ausgeführt – wirksamen Abtretung der ursprünglichen Versicherungsnehmerin die Klägerin.
Diese ist auch die Steuerpflichtige:
In Rn. 53 des von der Beklagten zitierten BMF-Schreibens vom 01.10.2009 – IV C 1 – S 2252/07/0001, BStBl 2009 I, S. 1172 ist geregelt, dass bei einer Abtretung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung der Abtretungsempfänger (Zessionar) nur dann Steuerpflichtiger wird, wenn er und nicht der Abtretende (Zedent) die Erträge erzielt. Dazu wird weiter Folgendes ausgeführt: „Das Erzielen von Erträgen setzt voraus, dass nach den getroffenen Vereinbarungen die Versicherungsleistung das Vermögen des Zessionars und nicht das des Zedenten mehren soll. Dient beispielsweise die Versicherungsleistung dazu, eigene Verbindlichkeiten des Zedenten gegenüber dem Zessionar zu tilgen, bleibt der Zedent Steuerpflichtiger.“
Vorliegend wurden sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag, mithin auch die Ansprüche auf Erträge abgetreten. Sie stehen also der Klägerin zu, so dass sie steuerpflichtig ist.
Gleiches ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts, welches der Klägerin vorliegend gemäß § 1 (3) des Kauf- und Abtretungsvertrags eingeräumt wird (vgl. Rn. 52 des BMF-Schreibens vom 01.10.2009 – IV C 1 – S 2252/07/0001 BStBl 2009 I S. 1172: „Mit der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts (vgl. Rz. 10) für die steuerpflichtige Versicherungsleistung gilt grundsätzlich der Bezugsberechtigte als Steuerpflichtiger der erzielten Erträge. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht wird der Bezugsberechtigte erst bei Eintritt des Erlebensfalls Steuerpflichtiger“).
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a ZPO. Der geänderte Auskunftsantrag war zulässig und begründet, so dass die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen waren. Insbesondere war der Auskunftsantrag nicht infolge Erfüllung mit Schreiben vom 11.06.2018 unbegründet. Dort wurde für den Auszahlungsbetrag zum 01.06.2018 eine Spanne von 109.147,81 € (garantierter Betrag) und 115.164,69 € angegeben. Die mit Schreiben vom 27.02.2019 (B 11) erfolgte Bezifferung ergab einen abweichenden Betrag (B 11).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
D.
Der Streitwert bemisst sich nach der Vorstellung der Klägerin bei Klageerhebung, die den Streitwert mit 109.000,- € angab. Das im Wege der Stufenklage geltend gemachte Auskunftsbegehren ist im Zahlungsantrag enthalten, § 44 GKG.


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