Bankrecht

Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses nach Einberufungsverlangen eines Aktionärs

Aktenzeichen  5 HK O 17464/16

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150156
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AktG § 20 Abs. 1, Abs. 7, § 122 Abs. 1, § 125 Abs. 1 S. 4, § 243 Abs. 1, § 246 Abs. 1
ZPO § 71 Abs. 1, 167, § 295
BGB § 242

 

Leitsatz

1 Auch im Anwendungsbereich von § 246 Abs. 1 AktG greift die Vorschrift des § 167 ZPO ein, wonach in den Fällen, in denen durch die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden soll, die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einer mittelbaren Beteiligung muss die Mitteilung nach § 20 Abs. 1 AktG auch das Unternehmen angegeben, über das sich die mittelbare Beteiligung ergibt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Regelung aus § 20 Abs. 7 S. 1 AktG betrifft nicht nur das Stimmrecht in der Hauptversammlung, sondern gleichermaßen die Mitverwaltungsrechte des Aktionärs, zu denen auch das Recht auf Einberufung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1 AktG gehört. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein Verstoß gegen § 125 Abs. 1 S. 4 AktG begründet die Anfechtbarkeit eines Hautpversammlungsbeschlusses. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
5 Es besteht keine Rechtspflicht oder auch nur Obliegenheit eines Aktionärs, von sich aus während der Hauptversammlung zu begründen, warum Widerspruch zur Niederschrift erklärt wird. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Nebenintervention wird für zulässig erklärt.
II. Der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 16.9.2016 gefasste Beschluss zu TOP 1 (Beschlussfassung über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern und deren Ersatzmitglieder) wird für nichtig erklärt.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 
V. Der Streitwert wird auf € 75.000,- festgesetzt.

Gründe

I. Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet, weil der angefochtene Beschluss zu Tagesordnungspunkt 1 der Hauptversammlung vom 16.9.2016 über die Wahl von zwei Aufsichtsratsmitgliedern sowie zwei Ersatzmitgliedern das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG verletzt.
1. Der Kläger ist anfechtungsbefugt im Sinne des § 245 Nr. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift ist zur Anfechtung befugt jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. la der Kläger unstreitig seine Aktien schon vor der am 5.8.2016 erfolgten Einberufung zur außerordentlichen Hauptversammlung vom 16.9.2016 erworben hatte und während der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift erklärte, ist er anfechtungsbefugt.
2. Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben. lem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Erhebung einer Klage aufgrund von § 253 Abs. 1 ZPO erst mit ihrer Zustellung eintritt und diese an den Vorstand wie auch den Aufsichtsrat der Beklagten erst am 17.11.2016 und damit nach Ablauf der am 17.10.2014 endenden Monatsfrist erfolgte, nachdem sich das Fristende aufgrund von § 193 BGB auf Montag, den 17.10.2016 verschiebt. Es greift nämlich auch im Anwendungsbereich von § 246 Abs. 1 AktG die Vorschrift des § 167 ZPO ein, wonach in den Fällen, in denen durch die Erhebung der Klage eine Frist gewahrt werden soll, die Wirkung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. lie Voraussetzungen dieser Vorschrift müssen bejaht werden, weshalb auf den am 17.10.2016 erfolgten Eingang der Klage per Telefax bei Gericht abgestellt werden muss. lie Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erfolgte ausweislich der Gerichtsakten am 1.11.2016, also exakt zwei Wochen nach dem Erlass des Beschlusses über die vorläufige Streitwertfestsetzung – eine Zeitspanne von nicht einmal zwei Wochen nach Übermittlung der am 20.10.2016 erfolgten Anforderung des Gerichtskostenvorschusses bedeutet, dass der Kläger alles Erforderliche getan hat, um die Zustellung zu ermöglichen. Gerade bei einem nicht bezifferten Klageantrag ist der Kläger berechtigt, die Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses abzuwarten. Wenn dann die Zustellung der Klageschrift an den Vorstand und ein Mitglied des Aufsichtsrats erst am 9.11.2016 verfügt wurde, so ist dies der lauer der Übermittlung der Einzahlung des Vorschusses bei der Landesjustizkasse in Bamberg an das Landgericht München I geschuldet und folglich der Organisationssphäre des Gerichts zuzuordnen.
3. Der Beschluss der Hauptversammlung vom 16.9.2016 verletzt das Gesetz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG und ist daher für nichtig zu erklären.
a. Der Beschluss ist anfechtbar, weil das Einberufungsverlangen der ^| AG gemäß § 122 Abs. 1 angesichts eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflichten aus § 20 AktG gemäß § 20 Abs. 7 AktG nicht wirksam war. Nach dieser Vorschrift bestehen Rechte aus Aktien, die einem nach § 20 Abs. 1 oder Abs. 4 AktG mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, für die Zeit nicht, für die das Unternehmen die Mitteilungspflicht nicht erfüllt. lie Voraussetzungen von § 20 Abs. 7 AktG müssen vorliegend bejaht werden.
(1) Aufgrund von § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG hat ein Unternehmen, sobald ihm mehr als der vierte Teil einer Aktiengesellschaft gehört, dies der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen; nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt für die Feststellung des entsprechenden Anteils § 16 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AktG. Als Anteile, die einem Unternehmen gehören, gelten somit auch die Aktien, die einem von ihm abhängigen Unternehmen gehören. lie Mitteilungen der ^| AG entspricht angesichts des Normzwecks von § 20 Abs. 1 AktG nicht den inhaltlichen Anforderungen dieser Norm, nachdem in der Mitteilung nur eine unmittelbare und mittelbare Beteiligung genannt war, ohne dies näher zu bezeichnen. lie Bestimmung des § 20 AktG soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur dazu dienen, die vielfach für die Unternehmensleitung selbst nicht erkennbaren Machtverhältnisse in der Gesellschaft deutlich hervortreten zu lassen; vielmehr sollen auch Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über geplante und bestehende Konzernverbindungen besser unterrichtet werden. Angesichts dieses Normzwecks muss auch das Unternehmen angegeben werden, über das sich die mittelbare Beteiligung der ^| AG an der Beklagten ergibt. Ebenso sind dann auch beide Unternehmen mitteilungspflichtig, weil dies die Rechtssicherheit erhöht (vgl. BGHZ 114, 203, 215 = NJW 1991, 2765, 2767 = AG 1991, 270, 273 = ZIP 1991, 719, 723 = WM 1991, 1166, 1170 = lB 1991, 1443, 1444 = MlR 1991, 733; BGH NJW 2000, 3647 = NZG 2000, 1220 = AG 2001, 47, 48 = ZIP 2000, 1723, 1724 = WM 2000, 1952, 1953 = lB 2000, 1954 = BB 2000, 1955, 1956; Windbichler in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 20 Rdn. 4 und 26 f.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl., § 20 Rdn. 4). Gerade aus dem Grundgedanken der Schaffung einer erhöhten Transparenz ergibt sich, dass die Mitteilung vom 19.3.2014 nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, weil in ihr nicht genannt wird, über welches Unternehmen eine mittelbare Beteiligung der ^| AG an der Beklagten vorliegt.
(2) Angesichts der Organisationsform der Aktionärin als Aktiengesellschaft und damit als Formkaufmann im Sinne des § 6 Abs. 1 HGB besteht an der Unternehmenseigenschaft der ^| AG kein Zweifel (vgl. nur Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 20 Rdn. 13).
(3) Das Recht auf Einberufung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1 AktG bestand nicht, weil dieses vom Verlust der Rechte nach § 20 Abs. 7 AktG erfasst ist. lie Regelung aus § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG betrifft nicht nur das Stimmrecht in der Hauptversammlung, sondern gleichermaßen die aus der Aktie fließenden Mitverwaltungsrechte des Aktionärs. Zu diesen gehören namentlich auch die Minderheitenrechte wie beispielsweise das Recht auf Einberufung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1 AktG (vgl. Bayer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 20 Rdn. 53; Petersen in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 20 Rdn. 43; Heinrich in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 20 AktG Rdn. 17; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 122 Rdn. 22; Schneider/Schneider ZIP 2006, 493, 495), wobei die Geltendmachung dieses Rechts nicht auf den Minderheitsaktionär beschränkt (vgl. OLG Frankfurt ZIP 2017, 1714, 1716; Müller in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 122 AktG Rdn. 6; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 122 Rdn. 6).
(4) Diese Rüge wurde in ihrem Kern ausreichend deutlich innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG geltend gemacht. lie Klageschrift setzt sich zum einen dezidiert mit § 20 AktG und dessen Voraussetzungen auseinander und verweist zum anderen auch darauf, dass die Hauptversammlung aufgrund eines Einberufungsverlangens der ^B AG durchgeführt wurde. lann aber ist der Kern der Rüge klar erkennbar.
(5) Der Beschluss der Hauptversammlung beruht auf diesem unwirksamen Einberufungsverlangen der xx AG. Die von § 243 Abs. 1 AktG geforderte Kausalität darf – mit Ausnahme der fehlerhaften Berücksichtigung von Stimmrechten – nicht im Sinne einer quasi mathematischnaturwissenschaftlichen Berechnung durchgeführt werden. Vielmehr muss eine am Zweck der verletzten Norm orientierte wertende Betrachtung angestellt werden; der Verfahrensfehler muss für Informations- und sonstige mitgliedschaftliche Rechte von Bedeutung sein. Maßgebend ist dabei das Legitimationsdefizit, das einem Beschluss anhaftet, das bei einer wertenden Betrachtung die Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (vgl. allgemein BGHZ 160, 385, 392 = NZG 2005, 77, 79 = ZIP 2004, 2428, 2430 = WM 2004, 2489, 2491 – ThyssenKrupp; zu § 122 AktG Würthwein in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 94; Heidel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 11); die Teilnahmerechte der Aktionäre werden durch eine fehlerhafte Einberufung unmittelbar berührt. Ohne eine wirksame Einberufung aufgrund von § 122 Abs. 1 AktG darf die Hauptversammlung keine Beschlüsse fassen, weshalb bei einem sich aus § 122 AktG ergebenden Einberufungsmangel die Relevanz bejaht werden muss.
b. Die Einladung zur Hauptversammlung missachtet auch die Vorgaben aus § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG, worauf der Beschluss auch beruht.
(1) Nach der Vorschrift des § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG ist in der Mitteilung über die Einberufung der Hauptversammlung an Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt haben, auf die Möglichkeiten der Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten hinzuweisen. liese Vorgaben wurden seitens der Beklagten unstreitig nicht beachtet. lie (im Folgenden: ^B e.V.) war auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 6.7.2016 anwesend, weshalb an sie eine Mitteilung im Sinne des § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG hätte erfolgen müssen, was allerdings unstreitig nicht geschah. lem kann namentlich nicht entgegengehalten werden, ein Sprecher dieser Aktionärsvereinigung hätte teilnehmen müssen; vielmehr genügt eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht zur Teilnahme aus. Aus der Wertung des § 164 Abs. 1 BGB resultiert unzweifelhaft, dass sämtliche Erklärungen mit Wirkung für und gegen den Vertretenen, mithin die Aktionärsvereinigung abgegeben werden. Folglich war sie auf der Hauptversammlung vom 6.7.2016 vertreten, wie sich auch aus dem Teilnehmerverzeichnis ergibt. lem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, aus der Veröffentlichung auf der Homepage des ^B e.V. sei angegeben, diese Aktionärsvereinigung habe an der Hauptversammlung vom 6.7.2016 nicht teilgenommen. lieser Vortrag übersieht nämlich den entscheidenden Hinweis auf den als Anlage B 27 übermittelten Internetausdruck, dass dort nur auf die Sprecher des ^B e.V. Bezug genommen wird. lies schließt es indes nicht aus, dass – wie vorliegend geschehen – einem Aktionär rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt wird, wie dies dann auch im Teilnehmerverzeichnis (Anlage K 52) vermerkt wurde. An der Wirksamkeit der als Anlage K 62 vorgelegten Vollmacht bestehen keine Zweifel. Abgesehen davon hat die Beklagte den rechtsgeschäftlichen Vertreter der Aktionärsvereinigung zur Hauptversammlung zugelassen, weshalb er an dieser auch teilgenommen hat. ler Hinweis auf der Rückseite der Eintrittskarte ersetzt nicht den vorgeschriebenen Hinweis aus § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG, zumal die Eintrittskarten regelmäßig erst nach dem Ende der Frist aus § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG versandt werden.
(2) Der Verstoß gegen § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG ist auch kausal im Sinne der oben geschilderten Relevanz. Soweit in der Literatur zum Teil vertreten wird, bei der unterlassenen Mitteilung an Aktionärsvereinigungen fehle es an der Relevanz (vgl. Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 125 Rdn. 161; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 125 Rdn. 40) kann dieser Ansicht unter Berücksichtigung des Normzwecks nicht gefolgt werden. Vielmehr begründet auch ein Verstoß gegen § 125 Abs. 1 Satz 4 AktG die Anfechtbarkeit. liese Regelung betrifft die Teilnahmerechte der Aktionäre als eines der wesentlichen Mitwirkungsrechte, das jedem Aktionär zusteht. Wenn der Zweck der Norm auf die Sicherung von Aktionärsinformationen im Vorfeld der Hauptversammlung gerichtet ist und durch diese Mitteilung auch die Präsenz auf Hauptversammlungen verbessert werden soll, muss als Konsequenz daraus abgeleitet werden, dass die unterbliebene Mitteilung an eine Aktionärsvereinigung wie den ^| e.V. als relevant angesehen werden muss; es liegt dann ein Legitimationsdefizit vor, das bei wertender Betrachtung zur Anfechtbarkeit führen muss. lem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Gesetz ordne keine Pflicht zur Übermittlung für Aktionärsvereinigungen an, weil die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder und damit auch deren Information gerade zum Hauptzweck einer solchen Vereinigung zählt (wie hier Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 125 Rdn. 40; Müller in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 125 Rdn. 32).
4. Die Anfechtungsklage wurde nicht rechtsmissbräuchlich erhoben. Zwar ist weithin anerkannt, dass die Ausübung der Anfechtungsbefugnis ungeachtet ihrer Kontrollfunktion den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken – hier dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des individuellen Rechtsmissbrauchs – unterliegt und dass eine rechtsmissbräuchlich erhobene Anfechtungsklage unbegründet ist (vgl. BGHZ 107, 296, 310 f. = NJW 1989, 2689, 2692 = ZIP 1989, 980, 983 = lB 1989, 1664, 1666 = BB 1989, 1782, 1784; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.3.2002, Az. 20 W 32/2001; LG München I ler Konzern 2006, 700, 703). la es zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines berechtigten Eigeninteresses grundsätzlich nicht bedarf, kann eine Klageerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die larlegungsund Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. ler Aktionär muss sachfremde, eigene Interessen verfolgen und somit das Klagerecht in zweckentfremdender Weise zum eigenen Vorteil nutzen. lie Möglichkeit der Erhebung der Anfechtungsklage stellt sich als eines der zentralen Elemente des Aktienrechts dar, mit dessen Hilfe eine Aktionärsminderheit – unabhängig von der Zahl der gehaltenen Aktien – die Aktionärsmehrheit hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit von Beschlüssen einer Hauptversammlung kontrollieren kann (vgl. BGHZ 153, 32, 45 = NJW 2003, 970, 973 = NZG 2003, 216, 220 = AG 2003, 319, 322 = ZIP 2003, 290, 295 = WM 2003, 437, 441 = lB 2003, 383, 386 = BB 2003, 462, 466 = GmbHR 2003, 408, 412 – HypoVereinsbank; Hüffer/Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 243 Rdn. 6; Göz in: Bürgers/Körber, AktG, a.a.O., § 243 Rdn. 1; Heidel in: Heidel, Aktienrecht- und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 243 Rdn. 1). lies gebietet namentlich der Justizgewährungsanspruch, wie er aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitet wird und steht namentlich nicht im Widerspruch zum lemokratieprinzip. Auch Mehrheitsentscheidungen unterliegen in einer lemokratie der Kontrolle vor allem auch durch die jeweils zuständigen Gerichte. Angesichts dessen gebietet es die Treuepflicht nicht, in einem solchen Fall in der Erhebung einer Anfechtungsklage einen Rechtsmissbrauch zu sehen.
a. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte für eine gegen die Beklagte gerichtete Verschwörung, an der der Kläger beteiligt gewesen sein soll. Soweit sich die Beklagte auf Vorkommnisse bei anderen Aktiengesellschaften beruft, an der vor allem Herr …B oder Herr ^B an verantwortlicher Stelle im Vorstand oder Aufsichtsrat tätig sind oder waren, und andererseits der Kläger mit Äußerungen über diese zitiert wird, kann daraus keine Rechtsmissbräuchlichkeit abgeleitet werden. Zum einen ist jede Beschlussmängelklage für sich zu beurteilen. Zum anderen gibt es nach dem Vortrag der Parteien nicht unerhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Erhebung solcher Klagen nicht ohne Grund erfolgte, wenn beispielsweise darauf verwiesen wird, bei anderen Gesellschaften, an denen die handelnden Personen der Familie Organfunktion ausüben oder ausübten, seien während ihrer Amtszeit Jahresabschlüsse nicht vorgelegt worden oder – wie auch bei der ^| AG – Unterlagen entgegen den Vorgaben aus § 175 AktG nicht ausgelegt worden. Ebenso muss gesehen werden, dass der unstreitige Umstand der auf § 76 Abs. 3 AktG beruhenden Inhabilität des Vorstandsmitglieds …B bei einigen der betroffenen Gesellschaften nicht sofort zur Amtsniederlegung als Vorstand führte. Zu nennen ist hier beispielsweise die …B AG oder auch der Vortrag des Klägers zur AG, wo er trotz rechtskräftiger Verurteilung einen Vertrag im Namen der Gesellschaft als Vorstand unterzeichnete. In einer solchen Situation können kritische Aktionäre Maßnahmen in die Wege leiten oder zumindest anregen, die zur Beachtung gesetzlicher Vorgaben führen. laher kann ein Rechtsmissbrauch insoweit nicht angenommen werden.
b. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus zitierten Äußerungen des Klägers gegenüber der Heidenheimer Zeitung, er – also der Kläger – wolle irgendwann einmal einen fairen Preis für seine,, …|Aktien“ bekommen. liese Gesellschaft ist ohnehin nicht Partei dieses Verfahrens. Vor allem aber ist nicht erkennbar, inwieweit der Wunsch nach einem fairen Preis im Falle einer Veräußerung die Annahme rechtfertigen soll, es komme zu einer Nötigung des bisherigen Eigentümers der Aktien. Ebenso wenig rechtfertigt dies die Annahme, die erhobene Anfechtungsklage verfolge das Ziel, die verklagte Gesellschaft zu einer Leistung zu veranlassen auf die der Kläger keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann – nur dies würde den Rechtsmissbrauch rechtfertigen (vgl. BGHZ 107, 296, 311 = WM 1989, 1128, 1133; BGH NJW 1992, 569, 570 = AG 1992, 86 = ZIP 1991, 1577, 1578 = WM 1991, 2061, 2062 = lB 1992, 81, 82; OLG Frankfurt NZG 2009, 222, 223 = AG 2009, 200, 202 = ZIP 2009, 271, 273 = WM 2009, 309, 311). Wenn in einem Angebotsschreiben auf den Net Asset Value abgestellt wird, so kann daraus kein Rückschluss auf eine unangemessene Forderung abgeleitet werden. Gerade die jüngere Rechtsprechung anerkennt ebenso wie Teile der Literatur bei vermögensverwaltenden Gesellschaften wie namentlich Immobiliengesellschaften den Net Asset Value als zulässige Methode zur Ermittlung der angemessenen Kompensationsleistung bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen (vgl. OLG Frankfurt AG 2017, 553, 554 f. = ZIP 2017, 772, 774 f.; LG München I, Beschluss vom 30.11.2016, Az. 5HK O 22066/02; LG Frankfurt NZG 2015, 635, 639 = AG 2015, 409, 411; LG Hamburg, Beschluss vom 29.6.2015, Az. 412 HK O 178/12; Creutzmann BewP 4/2007, S. 7 ff.; ders. BewP 2/2013, S. 64 ff.; Rehkugler in: Francke/Rehkugler, Immobilienmärkte und Immobilienbewertung, 2. Aufl., Anm. 13.2.4, S.434 ff.; Rehkugler in: lie Immobilien AG – Chancen für Unternehmen und Investoren in: lie Immobilien AG, Bewertung und Marktattraktivität, S. 1, 16 ff.; Thomaschowski/Rehkugler/ Nack in: lie Immobilien AG, Bewertung und Marktattraktivität, S. 55, 57 ff.; Zajonz, lie Bewertung Europäischer Immobilienaktien, 1. Aufl.; Schulte/Matzen in: Festschrift für lrukarczyk zum 65. Geburtstag, S. 383, 387 ff.).
c. Ebenso wenig kann die Tatsache zum Rechtsmissbrauch führen, es sei dem Kläger im Wesentlichen um die Verhinderung von Herrn als Aufsichtsrat der Beklagten gegangen. Wenn er einen Kandidaten als für dieses Amt nicht geeignet ansieht, so entspricht es gerade der Kontrollfunktion der Anfechtungsklage, den Beschluss über seine Wahl zum Mitglied des Aufsichtsrats zur Überprüfung durch die zuständigen Gerichte zu stellen. Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Entscheidung der Mehrheit der Aktionäre einer Kontrolle bedarf. Allein der Umstand, dass ein Aktionär oder eine Gruppe von Aktionären über die Mehrheit verfügt und sich die Minderheit diesem Willen soll beugen müssen, kann keinen Grund dafür bedeuten, die gegenteilige Einschätzung eines Minderheitsaktionärs zur Grundlage der Bejahung eines Rechtsmissbrauchs zu machen.
d. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in dieser Gesellschaft wie auch in anderen Gesellschaften, an denen Angehörige der Familie oder diesen beruflich verbundene Personen über Kapitalgesellschaften zumindest über Mehrheiten in der Hauptversammlung, wenn nicht über die Kapitalmehrheit verfügen, zeigt sich, dass das von der Beklagten angesprochene Ziel des Klägers, mit Hilfe anderer Personen die Kontrolle über die Gesellschaft zu erlangen, den Rechtsmissbrauch nicht begründen kann. Auch hier gilt, dass eine Aktionärsminderheit bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen andere Personen gegebenenfalls in den Aufsichtsrat schicken kann. Allerdings muss in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass die Mehrheit der Hauptversammlung die Möglichkeit hat, einen Beschluss über die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 103 Abs. 1 AktG zu fassen, wobei – anders als beim Vorstand nach § 84 Abs. 3 AktG – ein wichtiger Grund nicht verlangt werden kann. Bei Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen Beschlusses über die Abberufung gerichtlich bestellter Aufsichtsratsmitglieder kann die Aktionärsmehrheit entsprechende Maßnahmen der Minderheit folglich auch wieder rückgängig machen. Zudem ist zu sehen, dass bei unterschiedlichen Beurteilungen der Eignung einer bestimmten Person als Mitglied des Überwachungsorgans der Aktiengesellschaft in einem Rechtsstaat für die Minderheit die Möglichkeit bestehen muss, entsprechend Entscheidungen der Gerichte auf der Grundlage von §§ 103, 104 AktG herbeizuführen, ohne dass daraus ein Rechtsmissbrauch einer Anfechtungsklage abgeleitet werden kann.
e. Die Rechtsmissbräuchlichkeit der Anfechtungsklage lässt sich nicht über die unterlassene Begründung des Widerspruchs herleiten, weil die Kammer in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur davon ausgeht, dass eine solche Begründung des Widerspruchs in der Hauptversammlung nicht angegeben werden muss. Es besteht nämlich keine Rechtspflicht oder auch nur Obliegenheit eines Aktionärs, von sich aus während der Hauptversammlung zu begründen, warum Widerspruch zur Niederschrift erklärt wird (vgl. LG München I AG 2009, 382, 383 = ZIP 2009, 663, 665; Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 245 Rdn. 34; Schwab in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 245 Rdn. 13; Heidel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 245 Rdn. 10). Etwas anderes wird lediglich für die Fälle angenommen, in denen der Versammlungsleiter ausdrücklich nachfragt, ob alle Fragen beantwortet seien und sich dann von Seiten der an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionäre kein Widerspruch erhebt – insoweit verhält sich ein Aktionär dann widersprüchlich, wenn er auf die Frage hin einerseits schweigt, andererseits aber darauf gestützt Anfechtungsklage erhebt (vgl. LG Braunschweig BB 1991, 856, 858; LG Mainz WM 1987, 1129, 1130; LG München I AG 2007, 255, 257 = MittBayNot 2007, 142, 145; Beschluss vom 9.3.2006, Az. 5HK O 1971/06, S. 20 – n.v.; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 71 zu § 131; lecher in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 395 zu § 131). ler in der Literatur teilweise vertretenen Gegenauffassung (vgl. Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 130 Rdn. 224 f.) vermag die Kammer somit nicht zu folgen. Abgesehen davon beschränkt auch diese Ansicht die Begründungspflicht auf solche Verfahrensfehler, die in der Hauptversammlung behoben werden können, was bei Fehlern der Einberufung gerade nicht der Fall ist. Gerade bei einer nicht hinreichenden Stimmrechtsmitteilung nach § 20 AktG kann dies vielfach erst nach einer entsprechenden Recherche festgestellt werden, zu der ein Aktionär im Vorfeld der Hauptversammlung nicht verpflichtet sein kann. lie Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Vorbereitung der Hauptversammlung liegt beim Vorstand und dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, nicht aber beim einzelnen Aktionär.
Angesichts dessen musste die Anfechtungsklage Erfolg haben, ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, inwieweit die weiteren vom Kläger vorgetragenen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe Erfolg haben. lie nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers und der Beklagten vom 7.12. bzw. 8.12.2017 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO; der darin enthaltene Tatsachenvortrag ist nicht entscheidungserheblich.
II.
1. Nachdem die Zulässigkeit der Nebeninterventionen des Nebenintervenienten mit Schriftsatz vom 13.7.2017 durch die Beklagte gerügt wurde, musste das Gericht darüber aufgrund der Vorschrift des § 71 ZPO entscheiden. labei kann allerdings die Zwischenentscheidung mit der Endentscheidung verbunden werden (vgl. BGH NJW 20170, 2070 = MlR 1982, 650; Zöller Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 71 Rdn. 5; Thomas-Putzo, ZPO, 38. Aufl., Rdn. 5 zu § 71).
2. Die Nebenintervention des Nebenintervenienten ist zulässig. ler Geltendmachung der Unzulässigkeit steht bereits der Regelungsgehalt der §§ 295, 71 Abs. 1 ZPO entgegen. Aufgrund von § 71 Abs. 1 ZPO wird über den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention nach mündlicher Verhandlung unter den Parteien und des Nebenintervenienten entschieden. ler klare Wortlaut setzt indes einen Antrag voraus, so dass auch ein Verzicht auf die Rüge im Sinne des § 295 ZPO erfolgen kann. Vorliegend haben die Klägerinnen mit den Nebenintervenienten rügelos verhandelt, indem sie im Termin vom 30.3.2017 ihre Anträge aus der Klageschrift gestellt haben, ohne die Rechtsmissbräuchlichkeit und damit die Unzulässigkeit des Beitritts geltend zu machen – hierbei geht es gerade nicht um persönlich Beitrittsvoraussetzungen wie Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit, die stets geltend gemacht werden können (vgl. OLG Köln NJW-RR 2010, 1679, 1681; Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., § 71 Rdn. 1; Thomas-Putzo/Hüßtege, ZPO, a.a.O., § 71 Rdn. 2).
Abgesehen davon ist die Nebenintervention aber auch inhaltlich zulässig, weil ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 ZPO bejaht werden muss und die Nebenintervention unter Berücksichtigung der Vorgaben aus § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG angesichts des Eingangs des entsprechenden Schriftsatzes am 19.1.2017 rechtzeitig erklärt wurde. las rechtliche Interesse des dem Kläger als Nebenintervenient beitretenden Aktionärs resultiert schon aus der Anfechtungsbefugnis aus § 245 AktG. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Nebenintervention kann nicht ausgegangen werden. lie Nebenintervention stellt sich für den keine Anfechtungsklage erhebenden Aktionär gleichfalls als wesentliches Minderheitenrecht dar. Auch in Bezug auf den Nebenintervenienten gelten die obigen Erwägungen unter I. 4. In gleicher Weise – es ist nicht erkennbar, dass er ausschließlich verfahrensfremde Zwecke verfolgen würde. Allein der Umstand, dass der Nebenintervenient als kritischer Aktionär bekannt ist und Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse von Hauptversammlungen erhebt, rechtfertigt nicht die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Nebenintervention.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 1. Hs. ZPO; als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Die Entscheidung über den Streitwert hat ihre Grundlage in § 247 Abs. 1 AktG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben