Bankrecht

Zur Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrages

Aktenzeichen  10 O 1069/20

Datum:
23.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52233
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 256
AGB Sparkassen § 26 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Negation der Kündigung stellt grundsätzlich kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd § 256 Abs. 1 ZPO dar. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch die Vereinbarung einer Laufzeit verliert die Bank das Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 S. 1 AGB Sparkassen und bringt eine eigene Bindung gegenüber ihren Kunden zum Ausdruck. Räumt sie sich andererseits zugleich ein ordentliches Kündigungsrecht ein, was letztlich die Vereinbarung zur Laufzeit vollständig entwerten würde, dürfte das zumindest überraschend sein. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Es wird festgestellt, dass der auf den Kläger lautende Prämiensparvertrag Nr. … durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 24.06.2019 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.952,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Nürnberg ist gem. §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG i.V.m. §§ 3, 9 ZPO, da hier die Feststellung betreffend eines Dauerschuldverhältnisses begehrt wird. Maßgeblich ist das 3,5fache der jährlichen Sparrate zzgl. der jährlichen Erhöhung des Sparbeitrags um 8,00 EUR abzgl. 20% i.R.d. Feststellungsklage (hier: Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung) (Zöller – Herget, ZPO, § 3, Rn. 16).
Die Negation der Kündigung stellt grundsätzlich kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO dar. Ein Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (Zöller – Greger, ZPO, § 256, Rn. 3). Im Wege der Auslegung wird der Feststellungsantrag durch das Gericht unter Beachtung des Klagevorbringens und des weiteren Akteninhalts jedoch insoweit verstanden, als dass die Feststellung des Fortbestandes des Prämiensparvertrages (als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO) begehrt wird. Der Vorrang der Leistungsklage steht dem Feststellungsinteresse im Vorliegenden nicht entgegen, da zu erwarten ist, dass die Beklagte als Anstalt des öffenltichen Rechts bereits auf ein gerichtliches Feststellungsurteil hin leisten wird (vgl. Zöller – Greger, ZPO, § 256, Rn. 8).
B.
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Prämiensparvertrag Nr. … mit ihrer Kündigung vom 24.06.2019 nicht wirksam zum 20.10.2019 gekündigt, da ihr kein Kündigungsrecht zustand.
I. Die Beklagte hat kein Kündigungsrecht gemäß § 489 BGB.
Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag unterliegen dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung nach §§ 700, 696 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, zitiert in juris).
Nach der Rechtsprechung des BGH erfolgt die Abgrenzung danach, ob die vereinbarte monatliche Sparrate als vertragliche Zahlungsverpflichtung oder nicht ausgestaltet war, ob also ein klagbarer Anspruch auf Zahlung der Sparrate seitens der Sparkasse gegen den Sparer bestand (a.o.O., Rn. 26). Der Bundesgerichtshof stellt für die Ablehnung der Verpflichtung des Sparers zur Zahlung einer monatlichen Sparrate auf den Wortlaut ab. Die Formulierung „der Sparer wird monatlich (…) einzahlen“ (vgl. Ziffer 1.1 des Sparvertrages, Anlage K1) enthalte nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs eine solche Verpflichtung nicht (a.o.O.). Eine Verpflichtung des Sparers zur Erbringung der Sparbeiträge ist auch nicht interessengerecht. Zwar habe eine Sparkasse im Einlagengeschäft typischerweise ein Interesse daran, sich über die Einlagen ihrer Kunden zu refinanzieren, jedoch korrespondiert damit keine Verpflichtung des Sparers zur Erbringung von Sparbeiträgen, insbesondere resultieren hieraus auch keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 ff. BGB. Zu einer anderen rechtlichen Einordnung führt auch die Folge der Nichtzahlung der Sparvertragsbeiträge in den Ziffern 7.3 – 7.5 und 8. des gegenständlichen Sparvertrages (vgl. Anlage K1) mit folgendem Wortlaut nicht (zu allem: OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 15 f., zitiert in juris):
„7.3 Verfügung nach Kündigung
Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Sparvertrag damit insgesamt beendet. Wird innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag nicht verfügt, so wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt.
7.4 Vorzeitige Verfügung über das Sparguthaben Wird das Sparguthaben mit Zustimmung der Sparkasse ganz oder teilweise ohne Kündigung, also vorzeitig, zurückgezahlt, so bewirkt das die Beendigung des Sparvertrages. Die Berechtigung der Sparkasse zur Berechnung eines Vorfälligkeitsentgelts oder von Vorschusszinsen bleibt unberührt.
7.5 Bei vorzeitiger Beendigung des Sparvertrages erhält der Sparer keine Prämie für das jeweils laufende Sparjahr.
(…)
8. Unterbrechung
Wenn der Sparer die vereinbarten laufenden Sparbeiträge nicht innerhalb der Nachholfrist von 6 Monaten erbringt, wird der Sparvertrag unterbrochen. Weitere Einzahlungen sind dann nicht mehr möglich. Das vorhandene Sparguthaben wird zu den Bedingungen dieses Vertrages bis zum Ende der Laufzeit weitergeführt, sofern keine vorherige Beendigung des Vertrages erfolgt.“
Aus den Ziffern 7.3 – 7.5 und 8. des gegenständlichen Vertrages (Anlage K1) lässt sich keine entsprechende (einklagbare) Verpflichtung des Sparers, die Einlagen zu erbringen, entnehmen. Es ist hierbei vielmehr von einer Obliegenheit des Sparers auszugehen (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 16, zitiert in juris).
Auf eine unregelmäßige Verwahrung nach § 700 BGB finden die §§ 488 Abs. 3, 489, 460 BGB keine Anwendung. Das Kündigungsrecht des Verwahrers richtet sich in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen und im Übrigen nach §§ 700 Abs. 1 S. 3, 696 BGB (BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XR 345/18, Rn. 40; Sprau in Palandt, 79. Auflage 2020, § 700, Rn. 3).
II. Die Beklagte konnte den Sparvertrag auch nicht gemäß Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten kündigen.
Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten in der Fassung vom 26.11.2018 hat folgenden Wortlaut (vgl. Anlage B2):
„Nr. 26 Kündigungsrecht
(1) Ordentliche Kündigung
Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen. Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages (z.B. Girovertrag oder Kartenvertrag) durch die Sparkasse beträgt die Kündigungsfrist mindestens 2 Monate.“
Entsprechend des eindeutigen Wortlautes der Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten, kann die Sparkasse bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes die Sparverträge kündigen, soweit weder Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung besteht.
1. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die AGB der Beklagten Vertragsbestandteil geworden sind. Die Einbeziehung der AGB gemäß § 305 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ergibt sich zudem aus der Klausel in Ziffer 14. der Sparurkunde (Anlage K1), in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ergänzend die derzeit geltenden Bedingungen für den Sparverkehr und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Vertragsbestandteil sind, welche in den Kassenräumen eingesehen werden können und von denen dem Kunden auf Wunsch ein Exemplar ausgehändigt wird.
2. Die Klausel in Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten begegnet zudem keinen Wirksamkeitsbedenken nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie die Wirksamkeit der Kündigung durch die Beklagte vom Vorliegen eines sachgerechten Grundes abhängig macht (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn 34).
3. Auch erfasst Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten die Kündigung eines einzelnen Sparvertrages. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nichts Gegenteiliges. Neben der Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung erlaubt sie auch die Kündigung „einzelne(r) Geschäftszweige“, worunter ohne weiteres auch einzelne Vertragsbeziehungen zu verstehen sind (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn 35).
4. Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag wurde nicht auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
a. Es liegt kein Fall im Sinne der Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten vor. Im Vorliegenden wurde unstreitig eine Laufzeit und keine Höchstfrist (vgl. OLG Dresden, Urteil vomm 21.11.2019, Az. 8 U 1770/18, Rn. 23 ff., zitiert in juris) von 1188 Monaten (99 Jahren) in der Vertragsurkunde erfasst (vgl. Ziffer 4. des Sparvertrages, Anlage K1). Rein klarstellend wird darauf hingewiesen, dass der Begriff „Laufzeit“ eindeutig ist (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az. 8 U 1770/18, Rn. 23 ff., zitiert in juris). Bei Ziffer 4. des streitgegenständlichen Vertrages einschließlich der in die Leerzeile vorausgefüllten Formulierung 1188 Monate handelt es sich unstreitig um eine seitens der Beklagten vorformulierte und gestellte Allgemeine Vertragsbedingung (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 21, zitiert in juris).
b. Dabei ist unbeachtlich, dass die Beklagte vorträgt, die Zahl 1188 sei lediglich Ausfluss des verwendeten Systems der Datenverarbeitung und lasse bei der Umschreibung von unbefristeten Verträgen dem Anwender und Benutzer keine abweichenden Auswahlmöglichkeiten. Die Beklagte hat sich bewusst für die Verwendung des gegenständlichen Datenverarbeitungssystems entschieden und hat auch handschriftlich grundsätzlich die Möglichkeit entsprechende Änderungen (z.B. durch Verwendung von Leerzeichen (…), Streichungen oder Aufnahme eines Hinweises, dass es sich hierbei lediglich um eine aus technischen Gründen verwendete Ziffernfolge handelt) vor Vorlage an den Sparer durchzuführen. Soweit die Beklagte angibt, dass sie nicht bemerkt habe, dass in den Vertragsunterlagen in Abweichung zu den ursprünglichen Verträgen die Zahl 1188 enthalten ist, so kann sie sich hierauf nicht berufen. Bei Einführung eines (neuen) Datenverarbeitungssystems obliegt es dem Verwender grundsätzlich die Daten der Eingabe zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Des Weiteren handelt es sich bei der hier gegenständlichen Eingabe von 1188 Monaten nicht um einen „versteckten Eingabefehler“, sondern dieser erscheint vielmehr auf Seite 1 unter Ziffer 4. von fünf Ziffern und folglich an exponierter, leicht erkennbare sowie übersichtliche Stelle. Darüber hinaus wird die Laufzeit auch aus der Anlage zu Nr. 3.2 des Prämiensparvertrages (Anlage K1), der Prämienstaffel, deutlich. In Abweichung zu dem bisherigen „Altvertrag“ (vgl. Anlage B1) wird in dem umgeschriebenen Sparvertrag die Prämienstaffel nicht mehr im Text mit der Formulierung:
„3 J
3,000%
(…)
(…)
4 J
4,000%
15 J
50,000%
20 J
50,000%
5 J
6,000%
15 J
50,000%
FJ
50,000%“
(vgl. Anlage B1), sondern in einer gesonderten Anlage (vgl. Anlage K1) ausgegeben:
„3.2 Prämie
Die Prämie (siehe Ziffer 3 der Vertragsbedingungen) beträgt nach Ablauf von
1 Jahr
0,000%
2 Jahren
0,000%
3 Jahren
3,000%
15 Jahren 50,000%
16 Jahren 50,000%
17 Jahren
50,000%
99 Jahren 50,000%“
Auch hieraus hätte der Beklagten ersichtlich sein müssen, dass eine (EDVveranlasste) Änderung ihrer Vertragsunterlagen bei Umschreibung erfolgte.
c. Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Zugrundlegung des Beklagtenvortrages wonach sowohl der Kläger als auch die Beklagte lediglich die Umschreibung der bisherigen unbefristeten Sparverträge der Eltern des Klägers ohne Änderung der Konditionen wollten.
Eine Vernehmung des Klägers und der für die Beklagte im gegenständlichen Fall zuständigen Mitarbeiter zur Erforschung des tatsächlichen Willens bei Umschreibung ist nicht veranlasst, da das Vorbringen der Beklagten, beide Parteien hätten sich keinen Willen bzgl. der hier gegenständlichen Ziffer 4. der Sparurkunde gemacht und wollten den Vertrag unbefristet fortbestehen lassen, unterstellt werden kann (BGH, Urteil vom 17. 2. 1970 – III ZR 139/67, NJW 1970, 946 ff, hier: 949 f.).
(1) Unstreitig wurde das aktualisierte Vertragsformular von dem Mitarbeiter der Beklagten ausgedruckt, dem Kläger zur Kenntnisnahme und Prüfung der Richtigkeit übergeben und von beiden Parteien unterzeichnet. Der für die Willenserklärung maßgebliche Zeitpunkt ist daher nicht in der Übergabe/dem Zugang des Umschreibungsersuchens zusehen, sondern in der Unterzeichnung des Formulars (vgl. Ellenberger in Palandt, 80. Auflage, § 133, Rn. 6). Ein vorhergehender oder nachträglicher Wille ist daher unbeachtlich.
(2) Bei dem von der Beklagten verwendeten Vertragsformular handelt es sich um einen Vordruck der Beklagten und damit bereits dem ersten Anschein nach um AGB. Diese sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH v. 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920, VuR 2019, 421 m. Anm. Stößer/Oriwol, Rn 28 m. w. N.). Individuelle oder einzelfallbezogene Umstände des Vertragsschlusses sind daher nicht zu berücksichtigen. Legen die Parteien der Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung bei, ist aber diese maßgebend (BGH NJW 2009, 3422; NJW-RR 2010, 63; NJW-RR 2016, 526).
Dass die Parteien der Ziffer 4. (Laufzeit 1188 Monate) übereinstimmend eine abweichende Bedeutung zugemessen hätten, wird von der Beklagten selbst nicht behauptet. Auch nach ihrem eigenen Vorbringen war die Laufzeit von 1188 Monaten überhaupt nicht Gegenstand der Gespräche der Parteien im Zusammenhang mit den Vertragsumschreibungen. Vielmehr sei die Angabe der Laufzeit erst im Nachhinein bemerkt worden.
(a) Soweit die Beklagte angibt, dass ein vom Wortlaut und dem objektiv erklärten Parteiwillen abweichender Wille, wonach die Klausel Ziffer 4. (1188 Monate) keine Wirkung entfalten solle, vorrangig zu beachten ist, ist folgendes zu berücksichtigen:
Erforderlich für den Vorrang eines vom Wortlaut und dem objektiv erklärten Parteiwillen abweichenden Willens ist (BGH, Urteil vom 15.03.1978 – VIII ZR 180/76, NJW 1978, 1050), dass die Parteien grundsätzlich die Klausel Ziffer 4. bemerkt und sich hierüber entsprechende Gedanken gemacht haben. Dies ist jedoch im Vorliegenden zum maßgeblichen Zeitpunkt der konkret betroffenen Handlung (LG Stendal, Urteil vom 14.11.2019, VuR 2020, 300, 302) bei Unterstellung des Vortrages der beklagten Partei nicht feststellbar, da die Parteien hiernach keinen auf einen bestimmten Vertragsinhalt (Vertragskonditionen) gerichteten Willen hatten (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 32 ff., zitiert in juris; vgl. dazu auch Ellenberger in Palandt, 79. Auflage, § 133, Rn. 3).
(b) Soweit die Beklagte angibt, dass ein vom Wortlaut und dem objektiv erklärten Parteiwillen abweichender Wille, wonach der Vertrag unbefristet gelten soll, vorrangig zu beachten ist (BGH, Urteil vom 15.03.1978 – VIII ZR 180/76, NJW 1978, 1050), ist folgendes zu beachten:
(aa) Aus dem Beklagtenvortrag, der Mitarbeiter der Beklagten habe sich bei Vertragsumschreibung keine Gedanken über eine Laufzeit bzw. die weiteren Vertragskonditionen gemacht, sondern lediglich die Urkunde auf den Kläger umgeschrieben, und dem Umstand, dass der Prämiensparvertrag der verstorbenen Eltern („Altvertrag“) nicht bereits durch denselben Mitarbeiter abgeschlossen wurden (vgl. Anlage B1 mit Anlage K1), ergibt sich, dass es dem Mitarbeiter nicht bekannt war, dass es sich bei dem umzuschreibenden „Altvertrag“ um einen unbefristeten Vertrag gehandelt hat (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 34, zitiert in juris). Folglich kann hier auch nicht der Wille bei Umschreibung, wonach der Vertrag unbefristet fortgelten sollte, angenommen werden.
(bb) Soweit man ein fehlendes Erklärungsbewusstsein auf Seiten der Beklagten unterstellt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben (Ellenberger in Palandt, 79. Auflage, Einf. v. § 116, Rn. 1). Dabei ist zu beachten, dass ein Verhalten, das sich für den Erklärungsempfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellt, dem Erklärenden auch dann als Willenserklärung zuzurechnen ist, wenn er klar kein Erklärungsbewusstsein hatte. Grund hierfür ist, dass die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bestehende Freiheit in der Wahl der Erklärungshandlung für den Erklärenden diesbezügliche Verantwortung begründet (Ellenberger in Palandt, 79. Auflage, Einf. v. § 116, Rn. 17, m.w.N.). Das Gesetz gewährt für diesen Fall ausdrücklich ein Anfechtungsrecht gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Ein entsprechendes Anfechtungsrecht wurde durch die Beklagte jedoch nicht ausgeübt (vgl. Ziffer 5).
(cc) Die Berufung der Beklagten auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen ist unbehelflich, da dieser gegenüber dem Kläger nicht offenbart wurde bzw. diesem auch nicht bekannt war und folglich gem. § 116 BGB unbeachtlich ist (vgl. LG Stendal, Urteil vom 14.11.2019, VuR 2020, 300, 301). Auch ein fehlender Geschäftswille berührt nicht die Wirksamkeit der Willenserklärung, sondern führt lediglich zu ihrer Anfechtbarkeit (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 35, zitiert in juris).
(dd) Es liegt in diesem Fall auch kein beiderseitiger Irrtum i.S.e. kongruenten Doppelirrtums vor. Ein beiderseitiger Irrtum würde vorliegen, wenn beide Vertragspartner bei Vertragsschluss von einer bestimmten unrichtigen Tatsache ausgehen würden und den Vertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu den vereinbarten Bedingungen geschlossen hätten (Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 32. Auflage, Bl. 187, Rn. 476). In diesem Fällen ist grundsätzlich kein Raum für den Vertrauensschutz der Parteien, da beide von einer diesbezüglichen Fehlvorstellung ausgegangen sind, und der Vertrag dahingehend zu „korrigieren“ ist, wie er von den Parteien gestaltet worden wäre, wenn sie von den richtigen Tatsachen ausgegangen wären (Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 32. Auflage, Bl. 187 f., Rn. 476). Das Gericht kann jedoch auch bei Zugrundelegung des Beklagtenvortrags nicht hinreichend feststellen, wie der streitgegenständliche Prämiensparvertrag gestaltet worden wäre, wäre die Laufzeit von 1188 Monaten und folglich die Ziffer 4. des Sparvertrages von beiden Parteien bemerkt und erkannt worden.
(c) Im Übrigen widerspricht dies auch dem Vortrag der Klagepartei, wonach der Kläger den Vertrag mit den im Vertragsformular vom 02.09.2014 enthaltenen Vertragsbedingungen, insbesondere auch der Laufzeit, übernehmen wollte. Des Weiteren entsprach es, auch nach Beklagtenvortrag, dem Konsens im Haus der Beklagten neben dem Namen des Kontoinhabers (wirtschaftlich Berechtigten) auch die Umstellung von DM in EUR vorzunehmen (keine bloße Aktualisierung der Stammdaten bestehend aus Name und Adresse).
(d) Auch ist eine am Wortlaut orientierte Auslegung, die Beklagte habe eine Laufzeit von 1188 Monaten vereinbaren wollen, nicht völlig fernliegend. Im Rahmen der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bleiben nur solche Möglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, aber praktisch völlig fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 27, zitiert in juris, m.w.N.). Ein Bindungswille der Beklagten über 1188 Monaten erscheint nicht völlig fernliegend, da es sich bei dem streitgegenständlichen Prämiensparvertrag um ein auf Rechtsnachfolger übertragbares oder abtretbares Rechtsverhältnis handelt (vgl. Übertragung auf den Kläger als Rechtsnachfolger – Anlage B4), das auch der Beklagten eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung aus wichtigem Grund ermöglicht. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Übertragbarkeit und Sicherung der hohen Prämien auch für die weiteren Rechtsnachfolger Fortgeltung haben soll. Anders wäre dies allenfalls bei einer nicht mehr überschaubaren Laufzeit betreffend einem nicht mehr näher bestimmbaren Rechtsnachfolgerkreis zu beurteilen.
Darüber hinaus wurde die Laufzeit nicht nur in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern auch in der dem Prämiensparvertrag anliegenden Anlage (Prämienstaffel) aufgenommen. Dieser doppelte Hinweis auf eine Laufzeit von 99 Jahren spricht für den unbefangenen Leser dafür, dass genau dies beabsichtigt war (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 27, zitiert in juris).
d. Die Beklagte kann sich als Erstellerin und Verwenderin des Vertragsformulars auch nicht darauf berufen, dass eine Laufzeit von 1188 Monaten gegen Treu und Glauben verstieße bzw. sittenwidrig sei, weil sie ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit beeinträchtige oder ihrem gesetzlichen Auftrag zuwiderliefe (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 37, zitiert in juris). Sittenwidrig sind Verträge, die die wirtschaftliche Freiheit des anderen Teils so sehr beschränken, dass dieser seine freie Selbstbestimmung ganz oder im Wesentlichen einbüßt (Ellenberger in Palandt, 79. Auflage, § 138, Rn. 39). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Vertrag von der Beklagten selbst vorformuliert und gestellt wurde (vgl. Ziffer B.I.4.b). Darüber hinaus verkennt das Gericht zwar nicht, dass bei einer Vielzahl von entsprechenden Verträgen die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Beklagten betroffen ist, jedoch führt dies nicht dazu, dass der einzelne Vertrag gegen Treu und Glauben verstößt oder sittenwidrig ist, insbesondere da sich hieraus gegebenenfalls ein wichtiger Kündigungsgrund ergeben kann (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 38, zitiert in juris).
e. Etwas anderes kann sich auch nicht aus der Tatsache ergeben, dass ausweislich des vorgelegten Ausdrucks der Sparurkunde es sich hierbei nicht um ein von beiden Seiten im gleichen Schriftstück unterzeichnetes Formular handelt (vgl. Anlage K1). Unstreitig wurde die Sparurkunde nach dem Ausdrucken von beiden Seiten unterzeichnet. Jedoch auch im Fall in der die Sparkurkunde lediglich eine Antwort auf das Umschreibungsbegehren des Klägers (Anlage B4) darstellt, kann aus Sicht des Gerichts, eine solche Urkunde unter Anwendung der Grundsätze der Rechtsscheins-/Vertrauenshaftung nicht rechtsfolgenlos sein, insbesondere, wenn – wie im Vorliegenden – der objektive Anschein erweckt wird, das Schriftstück sei von der Beklagten autorisiert. Folglich kann hier auch dahinstehen, ob es sich bereits bei Ziffer 4. des Prämiensparvertrages um eine AGB-Klausel entsprechend der im Umschreibungsbegehren aufgenommen Formulierung „(…) Die derzeit gültigen AGB der Sparkasse Nürnberg sind Vertragsbestandteil. (…)“ handelt (vgl. Anlage B4).
5. Die Beklagte hat ihre Willenserklärungen aus der streitgegenständlichen Sparurkunde auch nicht gemäß §§ 119 ff. BGB wegen Irrtums angefochten. Die Anfechtung hat gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich zu erfolgen. Sie muss nicht sofort, aber ohne schuldhaftes Zögern, erklärt werden (Ellenberger in Palandt, 79. Auflage, § 121, Rn. 3). Zumindest mit Schreiben des Klägers vom 30.09.2019, mit dem dieser nochmals Bezug auf die Kündigung des Prämiensparvertrages nahm, wurde die Beklagte ausdrücklich auf die vereinbarte Laufzeit von 99 Jahren hingewiesen (vgl. Anlage K3). Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte bzw. deren zuständige Mitarbeiter Kenntnis von der vereinbarten Vertragslaufzeit. In ihren Antwortschreiben vom 07.10.2019 hat die Beklagte jedoch eine entsprechende Anfechtungserklärung nicht abgegeben (vgl. Anlage K4).
Ob spätere Ausführungen der Beklagten, die Laufzeitvereinbarung wäre nicht so gemeint gewesen, im Sinne einer konkludenten Anfechtung zu sehen ist, ist unerheblich, weil sie nicht mehr unverzüglich und damit jedenfalls verfristet ist (s.o.) (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 41, zitiert in juris).
Auf die Frage, ob die Beklagte überhaupt ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen anfechten kann, kommt es damit nicht an.
Ebenso ist daher unbeachtlich, ob auch derjenige, der ein Schriftstück ungelesen unterschrieben hat, anfechten darf, wenn er sich von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH, Urteil vom 27.10.1994 – IX ZR 168/93, NJW 190, 191) bzw. sich keine Vorstellung gemacht hat (Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 32. Auflage, Bl. 166, Rn. 421).
III. Die Beklagte hat und kann sich im Schreiben vom 24.06.2019 (Anlage K2) nicht auf ein vertraglich eingeräumtes Kündigungsrecht gem. Ziffer 7. des Vertragsformulars berufen.
1. In Gesamtbetrachtung der Ziffer 7. des Vertragsformulars handelt es sich allein um ein Kündigungsrecht des Sparers.
Ziffer 7. des Vertragsformulars stellt an keiner Stelle darauf ab, wer die Kündigung erklärt. Die Regelung der Fortführungsfiktion in Ziffer 7.3 Satz 3 (vgl. Anlage K1) würde jedoch für den Fall, dass der Sparer nicht binnen eines Monats nach Ablauf der Kündigung für das Sparguthaben verfügt, eine Fortführung des Vertrages und folglich u.U. eine Aushebelung des Kündigungsrechts der Beklagten begründen (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 44, zitiert in juris). Eine Verfügung über den Betrag i.S.d. Ziffer 7.3 Satz 3 durch den Kläger wurde nicht vorgetragen. Hierbei ist insbesondere auf das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 24.06.2019 (Anlage K2) zu verweisen, wonach bei Untätigkeit das Sparguthaben nach dem 20.10.2019 mit dem variablen Zinssatz für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist verzinst wird. Eine Laufzeitvereinbarung (Ziffer 4.) und die gleichzeitige Einräumung eines an keine weiteren Voraussetzungen geknüpftes Kündigungsrecht für beide Parteien mutet an sich widersprüchlich an (Unterlaufen der angegebenen Laufzeit) (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 59, 61, zitiert in juris).
2. Unabhängig davon dürfte ein allein an die Einhaltung einer Frist geknüpftes ordentliches Kündigungsrecht aber auch AGBrechtlich unwirksam sein (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 63, zitiert in juris).
a. Durch die Vereinbarung einer Laufzeit verliert die Beklagte das Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 S. 1 AGB Sparkassen und bringt eine eigene Bindung gegenüber ihren Kunden zum Ausdruck. Räumt sie sich andererseits zugleich in Ziffer 7. ein ordentliches Kündigungsrecht ein, was letztlich die Vereinbarung zur Laufzeit vollständig entwerten würde, dürfte das zumindest überraschend sein (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 64, zitiert in juris).
b. Da die Beklagte als Sparkasse eine Anstalt des öffentlichen Rechts im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge ist, ist sie unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Eine ohne sachgerechten Grund erklärte Kündigung eines Sparvertrages verstieße gegen das in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz zum Ausdruck kommende Willkürverbot und wäre gemäß § 134 BGB nichtig (BGH, Urteil vom 5.5.2015 – XI ZR 214/14, Rn. 12, zitiert in juris, m.w.N.).
Die Voraussetzung des sachgerechten Grundes für eine Kündigung der Sparkasse können auch nicht ohne weiteres in die Klausel hineingelesen werden, um dieser so zur Geltung zu verhelfen (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 68, zitiert in juris). Für die Frage der Unwirksamkeit der Klausel kommt es in einem ersten Schritt auf ihre kundenfeindlichste Auslegung an (BGH, Urteil vom 5.5.2015 – XI ZR 214/14, Rn. 11, zitiert in juris). In diesem Fall müsste die Klausel für den Sparer und die Sparkasse unterschiedlich ausgelegt werden, d.h. ausschließlich für die Sparkasse eine weitere Kündigungsvoraussetzung hineingelesen werden.
In einem zweiten Schritt ist hinsichtlich der beiden Auslegungsmöglichkeiten – Kündigungsrecht nur des Sparers oder Kündigungsrecht beider – gemäß § 305c Abs. 2 BGB auf die für den Verbraucher, hier den Kläger, günstigere Auslegungsmöglichkeiten des alleinigen Kündigungsrechtes des Sparers abzustellen (Grüneberg in Palandt, 79. Auflage, § 305c, Rn. 18).
3. Soweit die Beklagte angibt, dass der seitens des Klägers und des Gerichts vertretenen Auffassung, bei Ziffer 7. des Vertragsformulars handele es sich lediglich um ein Kündigungsrecht des Sparers, durch den Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 12.11.2019 (Anlage B6) bereits eine Absage erteilt worden wäre, so wird darauf hingewiesen, dass der BGH hierzu folgendes ausführte (vgl. Anlage B6):
„(…) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Klausel nicht nur auf eine von dem Sparer ausgesprochene Kündigung bezieht, sondern auch die Kündigung seitens der Sparkasse erfasst. (…)“
IV. Der Beklagten steht auch kein Kündigungsrecht gem. Nr. 26 Abs. 2 der AGB der Beklagten aus wichtigem Grund zu.
Nr. 26 Abs. 2 der AGB der Beklagten hat in der Fassung vom 26.11.2018 (vgl. Anlage B2) folgenden Wortlaut:
„(2) Kündigung aus wichtigem Grund Ungeachtet anderweitiger Vereinbarungen können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, aufgrund dessen dem Kündigenden die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen nicht zugemutet werden kann (…) Für die Sparkasse ist ein solcher Kündigungsgrund insbesondere gegeben, wenn aufgrund der nachfolgend beispielhaft aufgeführten Umstände die Einhaltung der Zahlungsverpflichtung des Kunden oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Sparkasse – auch unter Verwertung etwaiger Sicherheit – gefährdet wird:
a) wenn eine wesentliche Verschlechterung oder eine erhebliche Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder in der Werthaltigkeit der für ein Darlehen gestellten Sicherheiten eintritt, insbesondere wenn der Kunde die Zahlungen einstellt oder erklärt, sie einstellen zu wollen, oder wenn von dem Kunden angenommene Wechsel zu Protest gehen;
b) wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder zur Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 22 Absatz 1) nach Aufforderung durch die Sparkasse nicht innerhalb angemessener Frist nachkommt;
c) wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht;
d) wenn gegen den Kunden eine Zwangsvollstreckung eingeleitet wird;
e) wenn sich die Vermögensverhältnisse eines Mitverpflichteten oder des persönlich haftenden Gesellschafters wesentlich verschlechtert haben oder erheblich gefährdet sind, sowie bei Tod oder Wechsel des persönlich haftenden Gesellschafters. (…)“
Die beispielhaft benannten Gründe stammen sämtlich aus der Sphäre des Kunden, hier des Klägers, sodass angenommen werden kann, dass auch in den sonstigen Fällen eines wichtigen Grundes der maßgebliche Umstand im Risikobereich des anderen Teiles, hier also des Sparers, liegt (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 70, zitiert in juris).
Ein wichtiger Grund dürfte auch nicht in der vorliegenden länger anhaltenden Niedrigzinsphase zu sehen seien, da andernfalls das Risiko (un) zutreffender Zinsprognose der Beklagten vollständig auf den Sparer bzw. Kunden abgewälzt werden könnte (OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, Az.: 8 U 1770/18, Rn. 70, zitiert in juris, m.w.N.).
Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auch nicht auf ihr Kündigungsrecht aus wichtigem Grund.
V. Die Beklagte hat auch kein vertragliches Kündigungsrecht gem. § 696 Satz 1 BGB, da im Vorliegenden kein unbefristetes Vertragsverhältnis vorliegt (s.o.).
VI. Der Beklagten steht auch kein vertraglich unabdingbares (Sprau in Palandt, 79. Auflage, § 696, Rn. 1) Kündigungsrecht nach § 696 Satz 2 BGB zu.
Der für die Kündigung gemäß § 696 Satz 2 BGB erforderliche wichtige Grund ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der wichtige Grund ist in § 314 BGB definiert, wonach ein solcher vorliegt, wenn dem gekündigten Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.
Dies ist im Vorliegenden nicht gegeben. In seinem Urteil vom 14.05.2019 hat der Bundesgerichtshof (s.o.) das veränderte Zinsumfeld (Niedrigzinsphase) als einen sachgerechten Grund für die Kündigung ausreichen lassen. Allerdings werden an einen sachgerechten Grund andere Anforderungen als an einen wichtigen Grund gestellt. Ein sachgerechter Grund liegt bereits dann vor, wenn die Umstände, die die Sparkasse zu Kündigung veranlassen, nachvollziehbar sind und die Reaktion angemessen ist. Ein wichtiger Grund erfordert gemäß § 314 BGB jedoch die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages (zu allem: BGH, Urteil vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18, Rn. 45).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben