Bankrecht

Zwangsvollstreckung, Beihilfe, Gesellschafter, Kostenentscheidung, Zahlung, Vorsatz, Antragsteller, Anspruch, Schadensposition, Schaden, Wert, Arrestanspruch, Kredit, Sicherheit

Aktenzeichen  22 O 10768/21

Datum:
10.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42217
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag vom 09.08.2021 auf Erlass eines dinglichen Arrestes wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 95.929,94 € festgesetzt.

Gründe

I. Der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter der Antragsgegnerin war Vorstandsvorsitzender der … vom Januar 2002 bis Juni 2020. Die Antragsgegnerin war größter Einzelaktionär der … mit Anteile im Wert von über 1.0 Mrd. Euro.
Der Antragsteller hat am 05.12.2019 „0,5 % … im Nominalwert von 200.000,- € für 166.584,78 € zuzüglich Kommissionskosten … bei der … (Ast 8). Hierbei handelt es sich um eine Wandelanleihe auf Aktien der … und nicht – wie die Antragstellerseite vorträgt – um Aktien der …
Der Antragsteller sieht einen Arrestanspruch darin, dass die Antragsgegnerin Beihilfe zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung geleistet habe. Sie habe im Mai 2020 bei der … nämlich einen Kredit über 120 Mio. Euro abgeschlossen und erhalten. Als Sicherheit habe sie ihr Aktienpaket bei der … hinterlegt. Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin habe zudem Immobilien in … und … aus seinem Privatvermögen mit Hypotheken in Höhe von 30 Mio. Euro belastet. Dadurch sei der Geschäftsführer der Antragsgegnerin an liquide Mittel in Höhe von 120 Mio. Euro gelangt, auf die er bis heute über die Antragsgegnerin verfügen könne. Durch Zahlung des Kredits falle die Hypothek der Antragsgegnerin zu. Dadurch seien die Immobilien des Geschäftsführers der Antragsgegnerin dauerhaft dessen Privatvermögen entzogen. Der Antragsteller habe daher Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 288 STGB u.a.
Der geltend gemachte Arrestanspruch ist weder substantiiert noch schlüssig. Bei Wandelanleihen handelt es sich um Anleihen, die mit einem Wahlrecht (Option) ausgestattet sind. Die Option räumt dem Käufer das Recht ein, seine Anleihe zu einem festgelegten Preis in Aktien des ausgebenden Unternehmens zu tauschen. Übt der Anleger die Option nicht aus, wird die Anleihe am Ende der Laufzeit zum Nennwert zurückgezahlt. Da der Antragsteller nicht unmittelbar in Aktien … investiert hat, sondern in drittbegebene Anleihen, hätte er allenfalls einen mittelbaren Schaden erlitten.
Zwar können auch mittelbare Schäden eine Schädigung i.S.d. § 826 BGB begründen. Entscheidend dafür ist jedoch, dass – anders als in §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB – solche Schadensfolgen vom Vorsatz umfasst sind. Der Täter haftet also nicht bereits dann für einen mittelbaren Schaden, wenn dieser nur adäquat kausal verursacht ist, sondern er muss auch diese fernere Schadensposition in seinen Willen aufgenommen haben. Vorliegend mangelt es indes an jeglichem Sachvortrag des Antragstellers zum Vorsatz des Geschäftsführers der Antragsgegnerin mittelbar betroffene Wandelanleihe-Inhabern betreffend.
Zudem ist nach der herrschenden Meinung auch die Haftungsverantwortung nach § 826 BGB zusätzlich durch die zum Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB entwickelte Lehre vom Schutzzweck der Norm „objektiv“ auf solche Schäden zu begrenzen, welche typischerweise in den Schutzbereich der verletzten (sittlichen) Loyalitätspflicht fallen (vgl. BGH II ZR 109/84; OLG München 27.2.2008 – 20 U 3548/07; Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826, Rn. 111). Danach kann nicht jedweder Schaden ohne teleologischen Bezug zur sittenwidrigen Handlungsweise § 826 BGB unterstellt werden. So kann ein Drittbetroffener sich nicht auf § 826 BGB berufen, soweit ihm gegenüber illoyales Handeln nicht kausal für den Schaden war (Reichold in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 826 BGB Rn. 74). Zur sittlichen Loyalitätspflicht des Geschäftsführers der Antragsgegnerin trägt der Antragsteller nichts vor. Eine Ausweitung der Pflicht auf Inhaber von drittbegebenen Anleihen, die allenfalls eine Option zum Tausch in Aktien der Wirecard AG eingeräumt haben mögen – soweit sich die aus der Anlage ASt 8 überhaupt entnehmen lässt – dehnt den Schutzzweck des § 826 BGB offensichtlich zu weit aus, zumal der Antragsteller noch nicht einmal vorträgt, ob er die Option ausgeübt hat. Ein allgemeiner Schutz des getäuschten Anlegervertrauens wird nicht gewährleistet, weil er als Dauerschutz auf unabsehbare Zeit auch jedem beliebigen Investor stets zugute kommen würde.
Soweit der Antragsteller auf Entscheidungen anderer Kammern der LG München I und des OLG München verweist, ist dies vorliegend unbehelflich, denn offensichtlich betreffen sie nicht die vorliegende Fallkonstellation.
Ein Arrestanspruch für den dinglichen Arrest ist nicht gegeben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben