Baurecht

4 C 7/18

Aktenzeichen  4 C 7/18

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2020:031220U4C7.18.0
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 23. Januar 2018, Az: 9 C 1852/14.T, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist, soweit sie auf die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 gestützt ist.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die weitergehende Anerkennung der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für baulichen Schallschutz gegen Fluglärm.
2
Sie ist Eigentümerin eines mit einem 1962 errichteten Wohnhaus bebauten Grundstücks, das nach der Verordnung des Landes Hessen über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main vom 30. September 2011 (GVBl. I S. 438) in der Tag-Schutzzone 1 sowie in der Nacht-Schutzzone des Flughafens liegt.
3
Am 1. März 2012 beantragte sie bei dem Beklagten Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen nach §§ 9, 10 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm. Der Beklagte sicherte ihr mit Bescheid vom 19. Juni 2013 zu, die Aufwendungen für die Durchführung von im Einzelnen aufgeführten Schallschutzmaßnahmen in einer voraussichtlichen Höhe von 1 345,10 € als erstattungsfähig anzuerkennen. Bei einem errechneten Außenpegel von LAeq Nacht 50 bis weniger als 55 dB(A) und von LAeq Tag 60 bis weniger als 65 dB(A) ging er dabei gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV von einem erforderlichen Bauschalldämm-Maß der Umfassungsbauteile von 32 dB aus. Dieses Bauschalldämm-Maß sei nach dem Ergebnis der schalltechnischen Objektbeurteilung nicht in allen Räumen eingehalten.
4
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage auf Anerkennung weiterer Aufwendungen als erstattungsfähig abgewiesen. Soweit die Klägerin ihr Begehren auf die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 stütze, könne offenbleiben, ob die Klage zulässig sei. Sie sei jedenfalls unbegründet, weil den Bescheiden nach der späteren Planfeststellung für den Ausbau des Flughafens keine Geltung mehr zukomme. Auch nach dem Fluglärmschutzgesetz stehe der Klägerin kein Anspruch auf weitergehenden Schallschutz zu. Der angegriffene Bescheid wende zutreffend § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV an, der im Fluglärmschutzgesetz eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage finde. Der Verordnungsgeber sei ermächtigt gewesen, die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Schallschutzmaßnahmen an Gebäuden, die bei der Festsetzung der Lärmschutzbereiche schon errichtet gewesen seien, abweichend von den Schallschutzanforderungen für Neubauten festzulegen. Der Abschlag von 3 Dezibel für Bestandsgebäude verstoße weder gegen das Fluglärmschutzgesetz noch gegen sonstiges höherrangiges Recht.
5
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie ist der Auffassung, der Anspruch auf Anerkennung einer weitergehenden Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für baulichen Schallschutz folge aus den gemäß § 13 FluglärmG fortgeltenden Bescheiden des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 sowie aus dem Fluglärmschutzgesetz. Für die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen an Bestandsgebäuden fehle es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung verstoße auch im Übrigen gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Bestimmtheitsgebot sowie Grundrechte. Zudem rügt die Klägerin Verfahrensfehler.
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Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7
Die Revision bleibt erfolglos. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) weitgehend im Einklang und erweist sich im Übrigen jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
8
A. Die vom Bundesverwaltungsgericht in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen nicht für alle Klagegegenstände vor.
9
Der Verwaltungsgerichtshof hätte die Klage als unzulässig abweisen müssen, soweit sie auf die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 gestützt ist. Denn grundsätzlich darf ein Gericht nach der gesetzlichen Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen als Sachurteilsvoraussetzungen gemäß §§ 40 ff. VwGO eine Sachentscheidung nur über zulässige Klagen treffen (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2017 – 8 C 2.16 – BVerwGE 157, 292 Rn. 19). Ob eine Klage ausnahmsweise dann, wenn die Rechtsschutzvoraussetzungen zweifelhaft sind und die Abweisung der Klage als unbegründet einfacher ist als eine Prüfung der Rechtsschutzvoraussetzungen, aus materiellen Gründen abgewiesen werden darf (so BVerwG, Beschluss vom 11. November 1991 – 4 B 190.91 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 237 = juris Rn. 6, offengelassen in BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2017 – 8 C 2.16 – BVerwGE 157, 292 Rn. 19 und Beschluss vom 14. Dezember 2018 – 6 B 133.18 – Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 5 Rn. 21), bedarf keiner Entscheidung. Denn bei dem auf die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 gestützten Begehren handelt es sich um einen eigenständigen Streitgegenstand, für den ersichtlich kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
10
I. Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 – 4 C 8.09 u.a. – BVerwGE 142, 234 Rn. 46 und Beschluss vom 3. Mai 2016 – 7 C 7.15 – juris Rn. 3). Bei gleichem Antrag liegt eine Mehrheit von Streitgegenständen vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet. Der Klageanspruch als prozessualer Anspruch und Rechtsfolgenbehauptung wird im Verwaltungsprozess gerade auch von der einschlägigen Rechtsschutzform bestimmt (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2016 – 7 C 7.15 – juris Rn. 3 ff.).
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Daran gemessen liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor. Der Anspruch nach den §§ 9, 10 FluglärmG i.V.m. der 2. FlugLSV betrifft die Erstattungsfähigkeit bzw. Erstattung baulicher Schallschutzmaßnahmen. Er knüpft an die Belegenheit von Wohngrundstücken in festgesetzten Lärmschutzbereichen (§ 2 ff. FluglärmG i.V.m. der 1. FlugLSV vom 27. Dezember 2008, BGBl. I S. 2980 und der Verordnung des Landes Hessen über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main vom 30. September 2011, GVBl. I S. 438) an. Die Erstattungsfähigkeit von Schallschutzmaßnahmen richtet sich u.a. nach dem jeweiligen äquivalenten Dauerschallpegel und Bauschalldämm-Maß (§ 5 der 2. FlugLSV). Demgegenüber sehen die auf § 6 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 29b Abs. 2 LuftVG gestützten Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 lärmbegrenzende Betriebsbeschränkungen für die Nachtzeit und Maßnahmen des baulichen Schallschutzes in einem festgelegten Nachtschutzgebiet vor (vgl. A II.2. und Nr. II.4. des Bescheides vom 26. April 2001 sowie Bescheid vom 25. November 2002), das mit der Nacht-Schutzzone i.S.v. § 2 Abs. 2 FluglärmG nichts gemein hat. Die Ansprüche auf baulichen Schallschutz konnten längstens bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Festlegung des Schutzgebiets geltend gemacht werden und waren unmittelbar gegen die Beigeladene zu richten (vgl. A II.7. und Nr. II.9. des Bescheides vom 26. April 2001). Die zugrundeliegenden Lebenssachverhalte unterscheiden sich damit im Tatsächlichen und in der rechtlichen Bewertung. Aus § 13 Abs. 1 FluglärmG folgt nichts Anderes.
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II. Die auf die Bescheide des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. April 2001 und vom 25. November 2002 gestützte Klage war mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die Klägerin hat keinen auf diese Bescheide gestützten Antrag gestellt. Vielmehr war ihr Antrag vom 1. März 2012 ausdrücklich auf die Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen nach den §§ 9, 10 FluglärmG gerichtet. Adressiert war er nicht an die Beigeladene, sondern an den Beklagten. Unabhängig davon wäre die unter A II.9. des Bescheides vom 26. April 2001 vorgesehene Antragsfrist von fünf Jahren nach Festsetzung des Schutzgebiets abgelaufen. Entgegen der Ansicht der Klägerin begann der Fristlauf nicht mit Festsetzung der Lärmschutzbereiche nach dem Fluglärmschutzgesetz, sondern spätestens mit der Festsetzung des durch den Bescheid vom 25. November 2002 geänderten und erweiterten Schutzgebiets.
13
III. Der Senat macht von seiner Befugnis Gebrauch, insoweit das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs in ein Prozessurteil umzuwandeln und die Klage als unzulässig abzuweisen (arg. § 144 Abs. 4 VwGO). Da der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Zulässigkeit nicht hätte offen lassen dürfen, erwachsen die entsprechenden Ausführungen zur Unbegründetheit der Klage nicht in Rechtskraft (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 – 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 und Beschluss vom 14. Dezember 2018 – 6 B 133.18 – Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 5 Rn. 22 m.w.N.).
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An einer entsprechenden Maßgabe ist der Senat hinsichtlich des auf § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG gestützten Klagebegehrens gehindert. Zwar handelt es sich auch dabei – abgesehen davon, dass das Fluglärmschutzgesetz als speziellere Regelung vorgeht (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 4 B 32.18 – juris Rn. 14) – um einen anderen Streitgegenstand. Die Vorschrift regelt den Fall, dass nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens auftreten, und knüpft damit an einen anderen Lebenssachverhalt an. Der Anspruch ist auf Erlass eines Planergänzungsbeschlusses gerichtet und setzt einen entsprechenden Antrag bei der Planfeststellungsbehörde voraus. Dieser Streitgegenstand ist aber nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
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B. Ohne Bundesrechtsverstoß geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die auf das Fluglärmschutzgesetz und die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung gestützte Klage nicht begründet ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Erstattungsfähigkeit weiterer Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen an ihrem Gebäude. Der angegriffene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 9 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz – FluglärmG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2550) i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung – 2. FlugLSV) vom 8. September 2009 (BGBl. I S. 2992). § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV ist wirksam und war bei der Bestimmung des Erstattungsanspruchs anzuwenden.
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I. Die Vorschrift regelt die Erstattungsfähigkeit von Schallschutzmaßnahmen für bauliche Anlagen nach § 1 Satz 2 der 2. FlugLSV, also (u.a.) solche schutzbedürftigen Einrichtungen und Wohnungen, die bei der Festsetzung eines Lärmschutzbereichs errichtet sind (Bestandsbauten). Aufwendungen werden für bauliche Schallschutzmaßnahmen insoweit erstattet, wie sich diese bei Bauschalldämm-Maßen ergeben, die um 3 Dezibel unter den Bauschalldämm-Maßen für die Errichtung baulicher Anlagen nach § 3 der 2. FlugLSV (Neubauten) liegen.
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§ 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 7 FluglärmG, der mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar ist. Die Vorschrift ist auch in ihrer konkreten Ausgestaltung von dieser Ermächtigungsgrundlage gedeckt.
18
Der Senat hat hierzu in seinem Urteil – 4 C 6.18 – vom gleichen Tage ausgeführt (Rn. 12 ff.):
“I. § 7 FluglärmG ermächtigt die Bundesregierung, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 15 FluglärmG) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Schallschutzanforderungen einschließlich Anforderungen an Belüftungseinrichtungen unter Beachtung des Standes der Schallschutztechnik im Hochbau festzusetzen, denen die baulichen Anlagen zum Schutz ihrer Bewohner vor Fluglärm in dem Fall des § 6 FluglärmG genügen müssen.
Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Gesetzgeber muss das zu erlassende Verordnungsrecht nach Tendenz und Programm so genau umreißen, dass sich die Grenzen des Zulässigen schon aus der Ermächtigung erkennen und vorhersehen lassen. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung müssen indes nicht ausdrücklich der Ermächtigungsnorm zu entnehmen sein. Zu deren Klärung können – wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift – der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Bestimmungen und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt sowie die Entstehungsgeschichte der Norm herangezogen werden (BVerfG, Beschlüsse vom 14. März 1989 – 1 BvR 1033/82 u.a. – BVerfGE 80, 1 und vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 – BVerfGE 143, 38 Rn. 55; BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 2017 – 5 C 17.16 – BVerwGE 161, 105 Rn. 18, vom 20. Oktober 2016 – 7 C 6.15 – NVwZ 2017, 485 Rn. 25 und vom 22. Januar 2020 – 8 CN 2.19 – BVerwGE 167, 267 Rn. 10).
1. Gemessen daran ist der Verordnungsgeber nach § 7 FluglärmG nicht nur ermächtigt, die Schallschutzanforderungen an Neubauten zu regeln, sondern auch den Rahmen zu bestimmen, innerhalb dessen Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen an Bestandsbauten erstattet werden.
§ 7 FluglärmG bezieht sich auf die Schallschutzanforderungen, denen bauliche Anlagen zum Schutz ihrer Bewohner vor Fluglärm in dem Fall des § 6 genügen müssen. § 6 bestimmt, dass die nach § 5 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 FluglärmG zulässigen baulichen Anlagen sowie Wohnungen in der Tag-Schutzzone 2 nur errichtet werden dürfen, sofern sie den nach § 7 festgesetzten Schallschutzanforderungen genügen. Damit gilt die Verordnungsermächtigung nach ihrem Wortlaut nur für Bauten, die in Lärmschutzbereichen neu errichtet werden dürfen.
§ 7 FluglärmG steht in Zusammenhang mit den §§ 5 bis 8 FluglärmG, die Bauverbote, Schallschutzanforderungen an bauliche Anlagen, die in den Schutzzonen ausnahmsweise errichtet werden dürfen, und die Entschädigung bei Bauverboten regeln. Die Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen an Gebäuden, die bei Festsetzung der Lärmschutzzonen bereits errichtet waren, regelt § 9 FluglärmG. Nach dessen Absätzen 1 und 2 werden Eigentümern von in der Tag-Schutzzone 1 und der Nacht-Schutzzone gelegenen Wohnungen oder sonstigen schutzbedürftigen Gebäuden auf Antrag Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 erstattet. Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 FluglärmG werden Aufwendungen nur erstattet, soweit sich die Maßnahmen im Rahmen der nach § 7 erlassenen Rechtsverordnung halten. Der Verweis in § 9 FluglärmG zeigt, dass die Verordnung zugleich den Rahmen zu bestimmen hat, innerhalb dessen Aufwendungen für baulichen Schallschutz an Bestandsbauten erstattet werden.
2. § 7 FluglärmG genügt dem im Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot wurzelnden Parlamentsvorbehalt. Dieser gebietet, dass in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden. Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerfG, Beschlüsse vom 1. April 2014 – 2 BvF 1, 3/12 – BVerfGE 136, 69 Rn. 102 und vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 – BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff. m.w.N.). Der Gesetzgeber hat durch die Regelungen zur Einrichtung der Lärmschutzbereiche in § 2 FluglärmG, zu Bauverboten und -beschränkungen in den §§ 5 und 6 FluglärmG sowie zu Entschädigungen und Erstattungsansprüchen in den §§ 8, 9 FluglärmG das Lärmschutzkonzept des Fluglärmschutzgesetzes hinreichend genau vorgegeben und die wesentlichen Entscheidungen damit selbst getroffen. Er durfte es dem Verordnungsgeber überlassen, die konkreten Schallschutzanforderungen an Bauten zu regeln und damit einen Bereich, der erheblichen technischen Sachverstand in einer Reihe von Detailfragen erfordert (vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand August 2020, Art. 20, VI. C. 4. e) Rn. 107).
II. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV ist von der Verordnungsermächtigung des § 7 FluglärmG umfasst. Der Verordnungsgeber durfte für Bestandsbauten Bauschalldämm-Maße vorsehen, die hinter denjenigen für Neubauten zurückbleiben.
1. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 1 FluglärmG, nach dem Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen nur erstattet werden, soweit sich die Maßnahmen “im Rahmen” der nach § 7 erlassenen Rechtsverordnung halten. Der Auftrag zur Rahmensetzung ermächtigt den Verordnungsgeber, den Rahmen näher auszugestalten und für Maßnahmen an Bestandsbauten auch Schallschutzanforderungen festzulegen, die hinter den Anforderungen für Neubauten zurückbleiben (ebenso Koch, in: Verfassung – Umwelt – Wirtschaft, FS Sellner, 2010, S. 277 ; Rathgeb, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, Stand November 2020, § 6 Rn. 173; Fellenberg, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Januar 2019, § 6 Rn. 363; kritisch Schulze/Schütte/Lieber/Arps, Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes zur Evaluation der 2. Fluglärmschutzverordnung, November 2015, S. 42 ff.).
§ 9 Abs. 4 Satz 1 FluglärmG ist schon nach seinem Wortlaut keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage, sondern verdeutlicht lediglich Funktion und Reichweite der Rechtsverordnung nach § 7 FluglärmG. Die Norm musste daher in der Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung auch nicht zitiert werden. Dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG unterfallen nur die Ermächtigungsgrundlagen selbst, nicht sämtliche für ihre Auslegung bedeutsamen Normen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 17).
2. Eine Befugnis zur Festlegung abgestufter Bauschalldämm-Maße für Neu- und Bestandsbauten folgt auch aus Sinn und Zweck des Fluglärmschutzgesetzes.
Das Fluglärmschutzgesetz 2007 ist wie seine Vorgänger ein Baubeschränkungs- und Entschädigungsgesetz. Das Fluglärmschutzgesetz von 1971 entsprach nicht mehr den aktuellen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung und entfaltete kaum noch Wirkung, weil die Lärmschutzzonen oftmals nur wenig über das Flugplatzgelände hinaus reichten. Das Gesetz war weder in der Lage, die Siedlungsentwicklung im Umland der größeren Flugplätze unter Lärmschutzgesichtspunkten wirksam zu steuern, noch vermittelte es angemessene Ansprüche auf passiven Schallschutz für die von Fluglärm betroffenen Anwohner. Mit der Neuregelung soll der Schutz der Menschen vor Fluglärm in der Umgebung der größeren zivilen und militärischen Flugplätze deutlich verbessert werden. Kern der Neuregelung ist die Ausweitung der Lärmschutzbereiche aufgrund deutlich abgesenkter Grenzwerte für die Lärmbelastung sowie die Einführung einer Nacht-Schutzzone. Zudem ist das Verfahren zur Ermittlung von Fluglärm modernisiert worden (BT-Drs. 16/508 S. 1 f., 13, 16). Den Erstattungsansprüchen für baulichen Schallschutz bei bereits vorhandenen Wohngebäuden in hochgradig lärmbelasteten Bereichen stehen abgestufte Bauverbote und Baubeschränkungen im Flugplatzumland gegenüber, die im Sinne einer vorsorgenden Konfliktvermeidung einem weiteren Heranwachsen von Wohnbebauung vorbeugen sollen (BT-Drs. 16/508 S. 1, 13).
Die Interessenlagen in den Bereichen Baubeschränkung und Entschädigung bzw. Erstattung sind strukturell verschieden. Die Steuerungsfunktion setzt strenge Schallschutzanforderungen für Neubauten voraus, deren Umsetzung vom Bauherrn zu finanzieren ist. Demgegenüber liegen bei der Erstattung von Schallschutzmaßnahmen für Bestandsbauten hohe Schallschutzanforderungen zwar im Interesse der Grundstückseigentümer, mit den Kosten werden aber gemäß § 12 FluglärmG die Flugplatzhalter belastet. Die Berücksichtigung dieser Kostenfolge war dem Gesetzgeber ein wesentliches Anliegen. Er wollte mit der Gesetzesnovelle einen auf Dauer tragfähigen Ausgleich der Belange der Luftfahrt einerseits sowie der berechtigten Lärmschutzinteressen der betroffenen Flugplatzanwohner andererseits erreichen, die Entwicklungsperspektiven des Luftverkehrs wahren sowie die strategische Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftssektors stärken (BT-Drs. 16/508 S. 1 ff.). Die Gesetzesbegründung setzt sich ausführlich mit den Ergebnissen einer eigens eingesetzten Arbeitsgruppe zur Ermittlung der Kosten auseinander (BT-Drs. 16/508 S. 14 ff.). § 9 Abs. 1 und 2 FluglärmG sieht eine zeitliche Staffelung der Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für Schallschutzmaßnahmen an Bestandsbauten in Abhängigkeit von dem durch Fluglärm hervorgerufenen äquivalenten Dauerschallpegel vor, um der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Flugplatzunternehmen Rechnung zu tragen (BT-Drs. 16/508 S. 15).
Die Vorgabe höherer Bauschalldämm-Maße für Neubauten als für Bestandsbauten entspricht dieser Interessenlage. Das gilt besonders, weil Schallschutzanforderungen bei Neubauten leichter einzuhalten sind, während bei der Nachrüstung von Bestandsbauten in der Regel nur noch eingeschränkte Möglichkeiten des baulichen Schallschutzes bestehen (vgl. hierzu die Begründung zur Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung, BR-Drs. 521/09 S. 6).
3. Die Gesetzeshistorie führt auf kein anderes Ergebnis. Zwar sah die Vorgängerregelung zur Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung, die Schallschutzverordnung vom 5. April 1974 (BGBl. I S. 903), keine Abschläge von den Schallschutzanforderungen für Bestandsbauten vor, obwohl die Verordnungsermächtigung in § 7 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl. I S. 282 – FluglärmG 1971) und die Regelung zum Erstattungsanspruch in § 9 Abs. 3 FluglärmG 1971 weitgehend identisch mit den geltenden Regelungen waren. Dass der Verordnungsgeber seinerzeit nicht generell zwischen Neu- und Bestandsbauten unterschieden hat, ist jedoch angesichts der wesentlich kleineren Lärmschutzbereiche (vgl. BT-Drs. 16/508 S. 1) von begrenzter Aussagekraft. Abgesehen davon wurde in der Vollzugspraxis davon ausgegangen, dass für Bestandsbauten im begründeten Einzelfall ein Unterschreiten der in der Verordnung für Neubauten festgesetzten bewerteten Bauschalldämm-Maße von bis zu 5 Dezibel hingenommen werden könne, ohne dass dadurch der Rahmen der Schallschutzverordnung verlassen werde (BT-Drs. 8/2254 S. 19).
4. Gegen diese Auslegung des § 7 FluglärmG lässt sich nicht einwenden, der Gesetzgeber habe die dem Verordnungsgeber eröffneten Abweichungsmöglichkeiten von den Schallschutzanforderungen für Neubauten abschließend in § 9 Abs. 4 Satz 2 FluglärmG geregelt. Diese Vorschrift ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung den Höchstbetrag der Erstattung je Quadratmeter Wohnfläche und die Berechnung der Wohnfläche, pauschalierte Erstattungsbeträge sowie Art und Umfang der erstattungsfähigen Nebenleistungen zu regeln.
Denn die Befugnis zur Festlegung differenzierter Bauschalldämm-Maße folgt bereits aus § 7 FluglärmG. Zudem spricht § 9 Abs. 4 Satz 2 FluglärmG nicht für, sondern gegen eine enge Auslegung des § 7 FluglärmG. Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber die Aufgabe zugewiesen, die Schallschutzanforderungen überhaupt sowie – erstmals mit der Gesetzesnovelle 2007 – für Bestandsbauten auch den Höchstbetrag pro Quadratmeter Wohnfläche festzusetzen. Zudem ermöglicht er die Festsetzung pauschalierter Erstattungsbeträge, die – je nach Bemessung der Pauschalen – ebenfalls Differenzierungen bei den Schallschutzanforderungen für Neu- und Bestandsbauten erlauben. Angesichts dieser umfassenden Verordnungsermächtigung liegt die Annahme fern, der Verordnungsgeber habe für Bestandsbauten strikt auf die – von ihm selbst erst festzulegenden – Schallschutzanforderungen für Neubauten verpflichtet werden sollen.”
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II. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV ist auch im Übrigen mit dem Fluglärmschutzgesetz vereinbar. Der Verordnungsgeber hat angenommen, dass sich mit den Bauschalldämm-Maßen des § 3 Abs. 1 der 2. FlugLSV nach Abzug von 3 Dezibel gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV Innenpegel von tagsüber zwischen 37 und 42 dB(A) – im Mittel von 40 dB(A) – und für Schlafräume nachts zwischen 27 und 32 dB(A) – im Mittel von 30 dB(A) – ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof ist vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass die Vorschrift nicht gegen Vorgaben des Fluglärmschutzgesetzes verstößt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Aus § 1 FluglärmG und den Werten des § 2 Abs. 2 FluglärmG lassen sich keine strengeren Schallschutzanforderungen ableiten.
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a) Gemäß § 1 FluglärmG ist Zweck des Gesetzes, in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen sicherzustellen. § 2 Abs. 1 FluglärmG sieht hierzu die Einrichtung von Lärmschutzbereichen vor, die durch § 2 Abs. 2 FluglärmG nach dem Maß der Lärmbelastung gegliedert werden. Die Tag-Schutzzonen werden durch die Kontur des äquivalenten Dauerschallpegels LAeq Tag begrenzt. Die Nacht-Schutzzonen bestimmen sich als Umhüllende der Kontur des äquivalenten Dauerschallpegels LAeq Nacht und der Kontur des häufigkeitsbezogenen Maximalpegels LAmax. Während die Dauerschallpegel Außenschallpegel darstellen, handelt es sich bei den für den Maximalpegel angegebenen Werten um Innenpegel. Zu deren Berechnung hat der Gesetzgeber das durchschnittliche Bauschalldämm-Maß von 15 dB(A) eines zu Lüftungszwecken gekippten Fensters zugrunde gelegt, das von den errechneten Außenpegeln abgezogen wird (vgl. § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 und der Anlage zu § 3 FluglärmG sowie BT-Drs. 16/508 S. 18).
22
§ 2 Abs. 2 FluglärmG ist eine Spezialregelung zu § 9 Abs. 2 LuftVG i.d.F. vom 10. Mai 2007 bzw. § 8 Abs. 1 Satz 10 LuftVG i.V.m. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. In § 2 Abs. 2 FluglärmG wird die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle bestimmt und damit die Auslösewerte, bei deren Überschreiten der Vorhabenträger die Benutzung der benachbarten Grundstücke durch Erstattung der Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Schallschutzes sicherzustellen sowie Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs zu leisten hat (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 – 4 C 8.09 u.a. – BVerwGE 142, 234 Rn. 180 und Beschluss vom 1. April 2009 – 4 B 61.08 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 Rn. 33).
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Aus den Werten des § 2 Abs. 2 FluglärmG folgt jedoch nicht, dass jedem Eigentümer eines in einem Lärmschutzbereich belegenen Wohngrundstücks ein Erstattungsanspruch nach § 9 Abs. 1 und 2 FluglärmG zusteht. Die Ausgestaltung der konkreten Schutzansprüche hat der Gesetzgeber vielmehr dem Verordnungsgeber überantwortet. Auch dieser hat keine Innenpegel festgelegt, sondern – anknüpfend an die äquivalenten Dauerschallaußenpegel – erforderliche Bauschalldämm-Maße bestimmt. Der Erstattungsanspruch hängt daher neben der Belegenheit in einer Schutzzone maßgeblich von dem baulichen Zustand des Gebäudes ab. Sofern die bereits vorhandenen Bauschalldämm-Maße den Lärm auf ein zumutbares Maß reduzieren, besteht kein Anspruch.
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b) § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV setzt die Bauschalldämm-Maße nicht so niedrig fest, dass die Erstattungsregelungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen praktisch “leerlaufen”. Nach Abzug des Abschlags verbleiben erforderliche Bauschalldämm-Maße von bis zu 47 dB.
25
2. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV verstößt nicht deshalb gegen § 1 FluglärmG, weil sich hierdurch der Schallschutz gegenüber der Vorgängerregelung verschlechtert hätte. Die Novelle des Gesetzes im Jahr 2007 war notwendig geworden, weil das Fluglärmschutzgesetz 1971 nach Auffassung des Gesetzgebers seinen Zweck nicht mehr erreichen konnte (BT-Drs. 16/508 S. 1 und S. 13). Die Klägerin meint, die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung dürfe daher keine geringeren Bauschalldämm-Maße als die frühere Schallschutzverordnung vom 5. April 1974 vorsehen. Anderenfalls werde der Zweck der Gesetzesnovelle verfehlt. Das greift zu kurz.
26
Allein mit dem Vergleich der Bauschalldämm-Maße der jeweiligen Schallschutzverordnungen lässt sich eine Verschlechterung des Schallschutzes nicht belegen. Die Ermittlung des Fluglärms unterscheidet sich nach altem und neuem Recht erheblich, so dass die daraus resultierenden Werte nicht vergleichbar sind. Vor allem aber reichten die Lärmschutzzonen unter dem Fluglärmschutzgesetz 1971 oftmals nur wenig über das Flugplatzgelände hinaus. Der Gesetzgeber hat als wesentliche Maßnahme zur Verbesserung des Schallschutzes deshalb neben der Modernisierung des Ermittlungsverfahrens für Fluglärm die deutliche Absenkung der Auslösewerte und die Einführung einer Nacht-Schutzzone gesehen, weil diese Maßnahmen zu einer relevanten Ausweitung der Schutzzonen führen (BT-Drs. 16/508 S. 1, 13 und 17). Daran sieht die Klägerin vorbei.
27
3. Die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung ist unter Beachtung des Standes der Schallschutztechnik im Sinne des § 7 FluglärmG festgesetzt.
28
Das Gebot zur Beachtung der Schallschutztechnik im Hochbau bezieht sich auf den Zeitpunkt des Verordnungserlasses. Adressat ist der Verordnungsgeber, der das im Fluglärmschutzgesetz angelegte Schallschutzkonzept untergesetzlich auszugestalten hat. Eine Pflicht, die Schallschutzanforderungen dynamisch an den Fortschritt der Schallschutztechnik anzupassen, lässt sich diesem Auftrag nicht entnehmen.
29
Die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung beachtet den Stand der Schallschutztechnik, obwohl sie von den in der DIN 4109 – Schallschutz im Hochbau – vorgesehenen Bauschalldämm-Maßen abweicht, indem sie Abschläge nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV anordnet und keinen Zuschlag für den Freifeldpegel vorsieht. Die in der DIN 4109 vorgesehenen Bauschalldämm-Maße stellen keine den Verordnungsgeber bindenden Mindestmaße dar.
30
Es ist nicht ersichtlich, dass der Stand der Schallschutztechnik im Hochbau für die nach § 7 FluglärmG festzulegenden Schallschutzanforderungen unbesehen der DIN 4109 zu entnehmen ist. Der Verordnungsgeber gibt zwar in der Begründung an, die von ihm festgelegten Schallschutzanforderungen basierten auf einer Fortschreibung und Anpassung der Anforderungen der Schallschutzverordnung 1974 und auf den einschlägigen technischen Regelwerken zum baulichen Schallschutz, insbesondere der DIN 4109, Ausgabe November 1989 (BR-Drs. 521/09 S. 6). Es gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Schallschutzanforderungen dieser technischen Vorschrift von Rechts wegen einen zwingend einzuhaltenden Minimalstandard darstellen sollen. Die DIN 4109, Ausgabe November 1989, schließt ihre Anwendbarkeit für Fluglärm, der unter das Fluglärmschutzgesetz fällt, unter Nr. 1 sogar ausdrücklich aus.
31
Abgesehen davon ließe sich eine strikte Bindung des Verordnungsgebers an eine außerrechtliche Norm mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbaren. Technische Normen wie diejenigen des Deutschen Instituts für Normung, das selbst keine Rechtssetzungsbefugnisse hat, erhalten rechtliche Relevanz nur, soweit der Gesetz- oder Verordnungsgeber sie in seinen Regelungswillen aufnimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996 – 4 B 175.96 – Buchholz 445.4 § 18b WHG Nr. 2 = juris Rn. 3). Erteilt der Gesetzgeber eine Verordnungsermächtigung, muss er deren Inhalt, Zweck und Ausmaß angeben und sich darüber Rechenschaft ablegen. Dem würde es widersprechen, den Verordnungsgeber auf eine Übernahme bestimmter Vorgaben eines außerrechtlichen Standards zu verpflichten, dessen Inhalt und Stand der Gesetzgeber zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses oder einer späteren Änderung der Verordnung nicht kennt.
32
Die Vorgabe des § 7 FluglärmG ist dennoch nicht inhaltsleer. Wo sich ein eindeutiger Stand der Schallschutztechnik bestimmen lässt, wie es insbesondere bei Fragen der technischen Ermittlung und Berechnung der Fall sein mag, darf der Verordnungsgeber keine eigenen, hiervon abweichenden Vorgaben entwickeln. Für die zentrale Frage der Ausgestaltung der Schallschutzanforderungen wird der vom Gesetzgeber abgeleitete weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 – 4 C 8.09 u.a. – BVerwGE 142, 234 Rn. 149) des Verordnungsgebers aber nicht auf die Übernahme bestimmter Werte verengt.
33
III. Die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht.
34
1. Die Verordnung wahrt die verfassungsrechtlichen Publizitätsanforderungen, obwohl sie die technische Vorschrift DIN 4109, Ausgabe November 1989, in Bezug nimmt.
35
Die Anforderungen an die Bekanntgabe einer durch Rechtsverordnung in Bezug genommenen technischen Vorschrift ergeben sich aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzip. Damit das Gebot der Rechtssicherheit gewahrt ist, muss für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar sein, welche Vorschriften im Einzelnen für ihn gelten sollen. Danach muss die Verlautbarung in Bezug genommener Regelungselemente für den Betroffenen zugänglich und ihrer Art nach für amtliche Anordnungen geeignet sein. Der Betroffene muss sich verlässlich und ohne erhebliche Schwierigkeiten Kenntnis vom Inhalt der Regelungen verschaffen können, auf die Bezug genommen wird; die Möglichkeit der Kenntnisnahme darf also nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorgangs im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 4 BN 21.10 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 46 Rn. 9 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 – 2 BvL 25.81 – BVerfGE 65, 283 ; BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 C 21.12 – BVerwGE 147, 100 Rn. 20).
36
Nach § 6 der 2. FlugLSV sind in Bezug genommene DIN-Normen bei der Beuth Verlag GmbH, Berlin, zu beziehen und beim Deutschen Patent- und Markenamt in München archivmäßig gesichert niedergelegt. Diese Angaben reichen aus. Es ist dem Betroffenen zumutbar, sich über die aktuelle Adresse sowie die Bezugs- und Einsichtnahmemöglichkeiten zu informieren. Auch der Kaufpreis führt nicht zu einer unzumutbaren Erschwernis der Kenntnisnahme. DIN-Normen können nicht nur bei dem Deutschen Patent- und Markenamt selbst, sondern auch bei den Auslegestellen für DIN-Normen eingesehen werden, über die das Amt informiert. Damit ist den Anforderungen des Publizitätsgebots genügt.
37
2. Die Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung verstößt auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 23. Oktober 1951 – 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14 und vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1876/91 u.a. – BVerfGE 98, 83 sowie Beschluss vom 12. Februar 1969 – 1 BvR 687/62 – BVerfGE 25, 216 ) oder das Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 – BVerfGE 108, 52 ).
38
a) Dass die DIN 4109, Ausgabe November 1989, unter Nr. 1 den Schutz von Aufenthaltsräumen gegen Fluglärm, soweit er im Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm geregelt ist, aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Verweise auf diese Normierung in der Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung. Dem Verordnungsgeber steht es unabhängig von dem unmittelbaren Anwendungsbereich einer technischen Vorschrift frei, deren Vorgaben durch Verweis in seinen Willen aufzunehmen, anstatt die Regelungen selbst zu treffen. Abgesehen davon sind Fragen der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung schon deshalb nicht aufgerufen, weil die DIN 4109 lediglich einen außerrechtlichen Standard darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996 – 4 B 175.96 – Buchholz 445.4 § 18b WHG Nr. 2 = juris Rn. 3).
39
b) Hinreichend bestimmt ist die Bezugnahme des § 3 Abs. 1 der 2. FlugLSV auf das “resultierende bewertete Bauschalldämm-Maß R’w,res der DIN 4109, Ausgabe November 1989”. Durch die Verwendung dieses Begriffs wird gegenüber dem noch in der Schallschutzverordnung 1974 verwandten “bewerteten Bauschalldämm-Maß R’w” klargestellt, dass die Gesamtheit der Umfassungsbauteile und nicht jedes einzelne Umfassungsbauteil den in § 3 Abs. 1 der 2. FlugLSV festgelegten Wert aufweisen muss (BR-Drs. 521/09 S. 4). Dies wird in Ziffer 5.2 der DIN 4109, Ausgabe November 1989, auch hinreichend deutlich, wonach die Anforderungen bei Außenbauteilen, die aus mehreren Teilflächen bestehen, durch das resultierende Schalldämm-Maß R’w,res bestimmt werden. Ebenfalls keinen Bundesrechtsverstoß zeigt die Revision mit der Rüge auf, die in § 3 Abs. 2 der 2. FlugLSV in Bezug genommene Gleichung 15 des Beiblatts 1 zur DIN 4109, Ausgabe 1989, sei nicht im dortigen Inhaltsverzeichnis enthalten und könne wegen ihrer Komplexität von einem Laien nicht ohne unzumutbare Schwierigkeiten angewandt werden. Das Inhaltsverzeichnis weist den Eintrag “Resultierendes Schalldämm-Maß R’w,R,res” auf, zu dessen Berechnung die genannte Formel dient. Dass sich eine Norm, die technisch komplexe Sachverhalte regelt, einem Laien nicht unmittelbar erschließt, liegt in der Natur der Sache.
40
c) Die Revision beanstandet die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. FlugLSV gewählte Überschrift “bei einem äquivalenten Dauerschallpegel für den Tag (LAeq Tag)” bzw. “für die Nacht (LAeq Nacht)” als missverständlich, weil der maßgebliche Außenlärmpegel unter Berücksichtigung der besonderen Störwirkungen des gerichteten Schalls und möglicher tieffrequenter Schallimmissionen zunächst zu ermitteln sei. Dies geht fehl.
41
Gemäß § 3 Abs. 1 und 3 der 2. FlugLSV werden die resultierenden bewerteten Bauschalldämm-Maße in Abhängigkeit von den fluglärmbedingten äquivalenten Dauerschallpegeln im Lärmschutzbereich festgelegt. Maßgeblich ist die Lage innerhalb der errechneten Isophonenbänder. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Verweis der Verordnungsbegründung auf die Gleichung (5) der VDI-Richtlinie 2719. Der Verordnungsgeber hat bewusst Bauschalldämm-Maße in Abhängigkeit von äquivalenten Dauerschallaußenpegeln angegeben und auf die Festlegung von Innenpegeln verzichtet. Dies dient der Vereinfachung des Vollzugs, da die Dämmwirkung von Umfassungsbauteilen bekannt ist, während die Einhaltung von Innenpegeln in jedem Einzelfall geprüft werden müsste. Der Hinweis der Verordnungsbegründung auf Gleichung (5) der VDI-Richtlinie 2719 zeigt lediglich, wie die vom Verordnungsgeber erwarteten Innenpegel rechnerisch ermittelt wurden (BR-Drs. 521/09 S. 10 f.). Daraus wird zugleich deutlich, dass der Verordnungsgeber den Freifeldpegel und den Korrektursummanden K bei der Festlegung der Bauschalldämm-Maße des § 3 Abs. 1 der 2. FlugLSV berücksichtigt hat.
42
3. Die Klägerin wird durch die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV nicht in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht des Staates erfordert auch Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsschädigenden und gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Fluglärm (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 15. Oktober 2009 – 1 BvR 3474/08 – NVwZ 2009, 1489 Rn. 29 und vom 2. Juli 2018 – 1 BvR 612/12 – NVwZ 2018, 1555 Rn. 39 f. m.w.N.).
43
Die in § 3 der 2. FlugLSV vorgesehenen Schallschutzanforderungen knüpfen an die für die Einrichtung von Lärmschutzbereichen maßgeblichen äquivalenten Dauerschallpegel nach § 2 Abs. 2 FluglärmG an. Dass die in § 2 Abs. 2 FluglärmG festgelegten Auslösewerte den Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschreiten, ist in der Rechtsprechung geklärt (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 – 4 C 8.09 u.a. – BVerwGE 142, 234 Rn. 151 ff.; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 – 1 BvR 612/12 – NVwZ 2018, 1555 Rn. 48 ff.).
44
Der Verwaltungsgerichtshof ist unter Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Lärmwirkungsforschung (insbesondere zum Nachtschlaf) und der Rechtsprechung des Senats zu dem Ergebnis gelangt, dass die anhand der festgelegten Außenlärmpegel und der Bauschalldämm-Maße ermittelbaren Innenpegel auch unter Berücksichtigung des Abschlags nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung nicht überschreiten (UA S. 22 ff.). An die dieser Würdigung zugrundeliegenden tatrichterlichen Feststellungen ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden, § 137 Abs. 2 VwGO.
45
Die Klägerin rügt erfolglos die Ablehnung ihres Beweisantrags Nr. 13. Mit dem Antrag wollte sie unter Beweis stellen, dass “ein um 3 dB geringeres Schutzkonzept gegenüber Fluglärm für Gebäude des Baubestandes eine Gefährdung der Gesundheit der Bewohner des klägerischen Wohnhauses bewirkt, weil sie ohne bautechnische oder bauwirtschaftliche Begründung einen geringeren Schutz als die Bewohner von Neubauten erfahren, dessen Differenz gerade zu einem Überschreiten der Gesundheitsschwelle führt”. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beweisantrag aus zwei Gründen abgelehnt. Bei der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob die differenzierende Bewertung des Schutzniveaus für Bewohner von Bestandsgebäuden gegenüber denjenigen von Neubauten nachvollziehbar sei, handele es sich um eine dem Beweis nicht zugängliche rechtliche Bewertung. Im Übrigen liege mangels Substantiierung von Anknüpfungstatsachen ein Ausforschungsbeweis vor (UA S. 31).
46
Die Verfahrensrüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin sich nur gegen den ersten Begründungsstrang wendet. Sie legt entgegen § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO insbesondere nicht dar, dass ihr Beweisantrag hinreichend substantiiert war und setzt sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, die Ermittlung von Maximalpegeln durch Sachverständige der Klägerin sei nicht nachvollziehbar, unerheblich und mit der Fluglärmermittlung nach dem Fluglärmgesetz nicht vergleichbar. Die Angabe, die Berechnungen der Maximalpegel des sachverständigen Beistandes Dr. A. beruhten auf den Daten des Planfeststellungsbeschlusses des Flughafens Frankfurt, ist insofern nicht ausreichend.
47
4. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 2. FlugLSV ist mit Art. 14 GG vereinbar. Vorschriften, die den auf einem Wohngrundstück hinzunehmenden Fluglärm regeln, sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 2009 – 1 BvR 1606/08 – NVwZ 2009, 1494). Als solche müssen sie der verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsstellung und dem Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen. Da die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflichten erfüllt werden, sind die Interessen der Eigentümer an der Nutzung ihres Wohnhauses ausreichend gewahrt.
48
5. Der Verordnungsgeber durfte Neu- und Bestandsbauten unterschiedlich behandeln, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Innerhalb des von der gesetzlichen Ermächtigung eingeräumten Spielraums muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und darf keine sachfremden Erwägungen anstellen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981 – 2 BvR 1067/80 – BVerfGE 58, 68 ). Wie aus der amtlichen Begründung der Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung hervorgeht, liegt der Differenzierung zwischen Neu- und Bestandsbauten die Erwägung zugrunde, dass bei Neubauten bereits in der Planungsphase insbesondere durch Anordnung der Räume, die Größe der Fenster und die Dämmwirkung der sonstigen Bauteile auf die Lärmschutzbelange eingegangen werden kann, während die Möglichkeiten bei der Nachrüstung eingeschränkt sind (BR-Drs. 521/09 S. 14). Diese Erwägung leuchtet ein.
49
Auch Unterschiede zwischen dem nach der Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung und dem nach der 24. BImSchV gewährten Schallschutz begründen keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Die Regelungen unterscheiden sich schon dadurch, dass das Fluglärmschutzgesetz sich auch Geltung für bestehende Flugplätze beimisst (§ 2 Abs. 2 FluglärmG), während die 24. BImSchV nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von Verkehrswegen gilt (§ 1 der 24. BImSchV). Im Übrigen sind die Vorgaben aufgrund der unterschiedlichen Charakteristik und Einwirkung des Lärms nicht vergleichbar, so dass eine Gleichbehandlung dieser Lärmarten nicht geboten ist.
50
6. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 8 EMRK vor. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre und der Wohnung ist anwendbar, wenn eine Person direkt und auf eine erhebliche Weise durch Lärm oder andere Immissionen beeinträchtigt wird und dadurch die Qualität des Privatlebens und die Möglichkeit, die Wohnung zu nutzen, durch Lärm von Flugzeugen beeinträchtigt wird, und zwar auch ohne dass ihre Gesundheit ernsthaft gefährdet wäre (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 8. Juli 2003 – Nr. 36022/97, Hatton u.a./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2004, 1465 Rn. 96 m.w.N., Entscheidung vom 10. Juni 2014 – Nr. 25330/10, Eckenbrecht u. Ruhmer/Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 2015, 1119). Mit Blick auf von einem Flughafen ausgehenden Fluglärm gesteht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Vertragsstaaten der EMRK einen Einschätzungsspielraum zu, die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 8. Juli 2003 – Nr. 36022/97, Hatton u.a./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2004, 1465 Rn. 97 und 122 f.). Dass die Erstattungsregelungen in § 9 FluglärmG und § 5 Abs. 2 der 2. FlugLSV diesen Einschätzungsspielraum überschreiten, ist nach dem Vorstehenden nicht ersichtlich.
51
IV. Die Angriffe der Klägerin gegen die Ermittlung der Bauschalldämm-Maße im Rahmen der schalltechnischen Objektbeurteilung und die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet.
52
1. Die Revision rügt erfolglos eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sie beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof die Besonderheiten des Eingangsbereichs im Wohnhaus der Klägerin und damit die Raumgeometrie des Raumes EG 1.3 nicht weiter aufgeklärt hat. Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge erfordert die Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 7 B 15.17 – Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Verfahrensrüge nicht gerecht.
53
Auch eine Überraschungsentscheidung ist nicht schlüssig dargetan. Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich als eine das rechtliche Gehör verletzende Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1991 – 5 B 80.91 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 m.w.N.). Davon kann hier keine Rede sein. Die Klägerin hat verschiedene Mängel der schalltechnischen Objektbeurteilung gerügt. Dass der Verwaltungsgerichtshof ihrer Auffassung nicht gefolgt ist, begründet keine Überraschungsentscheidung.
54
2. Die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 10, erster Teil zur Flankenschallübertragung führt ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Ein Tatsachengericht muss nur solche Tatschen aufklären, die entscheidungserheblich sind. Es muss deshalb auch nur solchen Beweisanträgen entsprechen, die auf die Klärung derartiger Tatsachen abzielen. Andere Beweisanträge kann es ablehnen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 – Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 39 und vom 16. April 2019 – 4 B 54.18 – juris Rn. 41). Maßgeblich ist dabei die materielle Rechtsauffassung des Tatsachengerichts (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ).
55
Der Verwaltungsgerichtshof durfte den Beweisantrag danach als nicht entscheidungserheblich ablehnen, weil das zugrundeliegende Gutachten des sachverständigen Beistands der Klägerin sich auf die DIN 4109, Ausgabe 2016, gestützt hat, obwohl für die schalltechnische Objektbeurteilung ausgehend von der materiell-rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichtshofs die DIN 4109, Ausgabe 1989, anzuwenden war. Soweit die Klägerin dem entgegenhält, auch die DIN 4109, Ausgabe 1989, “erkenne und berücksichtige” den Einfluss von flankierenden Bauteilen, ist damit der rechtliche Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtshofs nicht entkräftet.
56
Ebenfalls ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof es abgelehnt, den sachverständigen Beistand S. zu vernehmen, weil den von ihm vorgelegten Wandstärkenberechnungen nur spekulative Annahmen über die Wandbeschaffenheit zugrunde lagen und es an der Heranziehung und Auswertung der Daten aus der Baugenehmigung des Wohnhauses, anderer objektbezogener Unterlagen oder sonstiger konkreter Ermittlungen fehlte. Dies trifft zu. Unsubstantiierten Beweisangeboten muss ein Tatsachengericht nicht nachgehen (stRspr, vgl. Beschluss vom 29. März 1995 – 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266). Der Beweisantrag ist ferner mit der Begründung abgelehnt worden, die Beklagte habe die Flankenschallübertragung im Einklang mit den Vorgaben der DIN 4109, Ausgabe 1989, berücksichtigt. Die Revision meint, es hätte aufgrund der tatsächlichen Umstände einer besonderen Berechnung bedurft. Solche Umstände sind aber nicht festgestellt.
57
3. In Übereinstimmung mit Bundesrecht ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, die von der Klägerin im Rahmen der schalltechnischen Objektbeurteilung geforderte “Maximalpegelbetrachtung” finde in der Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung keine normative Grundlage, weil diese Bauschalldämm-Maße in Abhängigkeit von Dauerschall-Außenpegeln festlegt. Das Häufigkeits-Maximalpegelkriterium LAmax stellt einen Innenschallpegel dar, der allein zur Konturierung des Nacht-Schutzgebiets dient. Maximalpegeln wird nur indirekt – nämlich über die an den Dauerschallpegel LAeqNacht anknüpfenden Bauschalldämm-Maße – Rechnung getragen (vgl. Schulze/Schütte/Lieber/Arps, Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes zur Evaluation der 2. Fluglärmschutzverordnung, November 2015, S. 41).
58
4. Entgegen der Auffassung der Revision leidet die schalltechnische Objektbeurteilung nicht deshalb an einem Mangel, weil sie bei der Bestimmung der Bauschalldämm-Maße keine Zuschläge für tieffrequenten Lärm (sog. Ctr-Werte) vornimmt. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund des Verweises in § 3 Abs. 2 Satz 2 der 2. FlugLSV auf die Gleichung 15 des Beiblatts 1 zur DIN 4109, Ausgabe November 1989, Ctr-Werte nicht zu berücksichtigen sind. Der Einwand der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof blende § 4 Abs. 2 Satz 2 der 2. FlugLSV aus, trifft nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist auf den Stand der Schallschutztechnik zurückzugreifen, wenn Umfassungsbauteile nicht den Ausführungsbeispielen der DIN 4109, Ausgabe 1989, entsprechen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass ein solcher Fall nicht vorliegt.
59
Da es für die Ermittlung des Bauschalldämm-Maßes nach dem maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf die DIN 4109-35, Ausgabe 2016, ankommt, erweist sich auch die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 9 als verfahrensfehlerfrei. Mit diesem Antrag wollte die Klägerin unter Beweis gestellt wissen, dass die DIN 4109-35, Ausgabe 2016, dem aktuellen Stand der Schallschutztechnik entspricht.
60
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass aus der Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung kein Anspruch auf eine von einer qualifizierten Fachkraft zu erstellende Be- und Entlüftungsplanung sowie Kostenersatz für die danach vorzusehenden Maßnahmen folgt. Ein solcher Anspruch besteht schon nach dem Wortlaut der Verordnung nicht. § 3 Abs. 6 Satz 5 der 2. FlugLSV bestimmt lediglich, dass die Bemessung der Lüftungsleistung schallgedämmter Lüftungsgeräte oder sonstiger erforderlicher Belüftungseinrichtungen in Schlafräumen nach dem Stand der Schallschutztechnik im Hochbau zu erfolgen hat. Nur insofern nimmt auch die Begründung der Verordnung auf die DIN 1946-6 Bezug (BR-Drs. 521/09 S. 12 f.).
61
6. Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge der Klägerin, ihr sei das rechtliche Gehör versagt worden, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen gegeben habe, wie er die aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen bewertet. Die Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt, und ein Gericht die Beteiligten daher grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen muss (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2018 – 8 B 46.17 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dass sie sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen in der nahezu fünfstündigen mündlichen Verhandlung nicht äußern konnte, legt die Klägerin nicht dar.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.


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