Baurecht

Abbrucherlaubnis für Denkmal

Aktenzeichen  M 9 K 16.5292

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11454
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DSchG (Bayern) Art. 6
GG Art. 14
VwGO § 75, § 124, § 124 a Abs. 4
RDGEG § 3,§ 5

 

Leitsatz

Bei Prüfung der Wirtschaftlichkeit ist im Rahmen der Zumutbarkeit des Erhalts des Denkmals zu prüfen, ob ein Kredit in ausreichender Höhe der Sanierungskosten durch das Eigentum am Baudenkmal gesichert werden kann. (Rn. 21 und 22)

Tenor

I. Unter Aufhebung des Bescheids vom 10. April 2017 wird der Beklagte verpflichtet, die am 1. September 2011 beantragte Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz zum Abbruch des Gebäudes auf FlNr. 150, Gemarkung K., zu erteilen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.
Die Verfahren M 9 K 16.5292 und M 9 K 17.1971 waren zu verbinden, da dem Verfahren M 9 K 16.5292 eine nach § 75 VwGO zulässige Untätigkeitsklage zu Grunde lag und die Änderung nach Erlass des Bescheides vom 10. April 2017 im Verfahren M 9 K 17.1971 notwendig und damit sachdienlich war.
Der Bescheid vom 10. April 2017 war aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, die denkmalrechtliche Genehmigung zum Abbruch des Bestandsgebäudes nach § 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG zu erteilen, da die Erhaltung den Klägern objektiv wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Der Bescheid vom 10. April 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten; sie haben Anspruch auf die beantragte Erlaubnis zum Abbruch, § 113 VwGO.
Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG kann die Erlaubnis zur Beseitigung eines Baudenkmals versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Im vorliegenden Fall sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich dies in der Regel schon aus der Eigenschaft als Baudenkmal und wird durch die ausführliche Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zur Aufnahme in die Denkmalliste fachlich überzeugend belegt.
Im vorliegenden Fall ist die Versagung der denkmalrechtlichen Erlaubnis dennoch rechtswidrig, da die Erhaltung des Denkmals den Klägern objektiv wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Auch bei Vorliegen gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustands ist das den Behörden in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG eingeräumte Ermessen wegen der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Belange des Denkmaleigentümers dahingehend reduziert, dass die Erlaubnis zum Abbruch zu erteilen ist, wenn die Erhaltung des Denkmals dem Eigentümer objektiv wirtschaftlich nicht zuzumuten ist. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Erhalt des Denkmals auf Dauer nicht aus den Erträgen zu finanzieren ist und sich das Objekt danach wirtschaftlich nicht selber trägt (BayVGH, U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79 m.w.N.; VG München, U.v. 16.3.2016 – M 9 K 14.2668).
Das verfahrensgegenständliche Gebäude ist nach seinem Erhaltungszustand in seiner derzeitigen Form nicht nutzbar (1.). Ein erheblicher Sanierungsaufwand ist zur Herstellung der Nutzbarkeit und einer wirtschaftlich sinnvollen Erhaltungsperspektive erforderlich, den die Kläger zu tragen hätten (2.). Der auf diese Weise zu sichernde Erhalt des Denkmals ist aus dem Objekt heraus nicht zu finanzieren (3.). Zur Vermeidung einer Unzumutbarkeit für die Kläger ist deshalb eine Beseitigung des Denkmals zuzulassen (4.).
1. Nach den von den Klägern vorgelegten Gutachten, dem Protokoll über die Besprechung vom 20. November 2015 mit dem LfD zur Abstimmung der notwendigen Maßnahmen und dem Ergebnis des Augenscheins ist das Gebäude in seiner derzeitigen Form ohne einen erheblichen Instandsetzungsaufwand nicht nutzbar. Nach dem aktuellen baulichen Zustand ist eine Nutzung weder zu Wohnzwecken noch zu gewerblichen oder sonstigen Zwecken möglich, ohne vorher umfangreich zu renovieren. Dies ist aufgrund der vorgelegten Sanierungs- und Instandsetzungsgutachten unstrittig. Auch der Beklagte geht fachlich von Instandsetzungskosten in Höhe von 710.000,- € aus.
2. Um die wirtschaftliche Zumutbarkeit der hier unstrittig notwendigen Maßnahmen zu bestimmen, geht die Kammer mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 12.8.2015 – 1 B 12.79) davon aus, dass im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung der durch das Baudenkmal veranlasste Aufwand dem aus dem Objekt zu erzielenden Ertrag gegenüberzustellen ist. Die zur Finanzierung der Investitionen erforderlichen Kapitalkosten sind in die Wirtschaftlichkeitsberechnung auf der Aufwandseite einzustellen, wobei ein realistischer prognostischer Zeitraum von etwa 15 Jahren zu Grunde zu legen ist. In einem ersten Schritt ist dafür das von den Klägern zu finanzierende Kapital zu ermitteln. Von den übereinstimmend festgestellten und belegten Sanierungskosten in Höhe von rund 710.000,- € errechnet sich das erforderliche Finanzierungskapital durch den Abzug der für die Sanierungsmaßnahme verbindlich zugesagten oder mit hoher Sicherheit zu erwartenden Förderbeträge der öffentlichen Hand (BayVGH a.a.O.). Im vorliegenden Fall geht der Beklagte von Fördermitteln in Höhe von 150.000,- € aus, für die es jedoch keinerlei Zusagen, Bewilligungen oder Ankündigungen gibt. Lediglich nach den Stellungnahmen der Beklagten besteht die Möglichkeit von Zuschüssen in Höhe von 150.000,- €. Selbst wenn dies eine Zusage des Beklagten sein solle verbleibt ohne Berücksichtigung möglicher Kostenerhöhungen bei Ausführung der Baumaßnahme oder im Zusammenhang mit fachlichen Vorgaben des Denkmalschutzes ein Kapitalbedarf in Höhe von 560.000,- €, wobei der Beklagte bei der im Bescheid vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsberechnung selber von 710.000,- € Finanzierungskosten ausgeht. Die im Bescheid vom 10. April 2017 und den nachfolgenden Stellungnahmen in den Raum gestellten Zuschüsse in Höhe von 150.000,- € sind danach nicht zugesichert, sondern lediglich ein Element der Wirtschaftlichkeitsberechnung.
3. Die für die Sanierung erforderliche Finanzierung von mindestens 560.000,- €, realistischerweise 710.000,- €, muss aus dem Objekt heraus zu bewältigen sein, da nur dann nach der Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass sich das Objekt selber trägt (BayVGH, U.v. 12.8.2015, a.a.O.). Diese nach ständiger Rechtsprechung vorausgesetzte Anforderung ist ein Gebot der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass die durch den Denkmalschutz einem Eigentümer auferlegten Pflichten unter Berücksichtigung des Eigentumsschutzes des Art. 14 Abs. 1 GG nur dann hinnehmbar sind, wenn diese insbesondere finanziellen Verpflichtungen sich auf eine durch den Denkmalschutz gesteigerte Sozialbindung beschränken ohne die Privatnützigkeit des Eigentums nahezu vollständig zu beseitigen (BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 und ständige Rechtsprechung; VG München vom 16.3.2016 – M 9 K 14.2668). Dies bedeutet, dass das Eigentum an einem Baudenkmal nicht dazu führen darf, dass der Denkmaleigentümer über das Eigentum an dem Denkmal hinaus noch eigenes, sonstiges Vermögen einsetzen muss, um den Erhalt des Denkmals für die Allgemeinheit zu sichern. Der Eigentümer ist deshalb auch nicht verpflichtet, weiteres Vermögen einzusetzen, um die Finanzierung des Erhalts eines Denkmals zu ermöglichen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass er das Eigentum am Denkmal und weiteres sonstiges Vermögen verliert, wenn im Rahmen des Kredits von ihm geleistete Sicherheiten in Anspruch genommen werden. Die gesteigerte Sozialbindung rechtfertigt es im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG nicht, dass im Interesse der Allgemeinheit der Erhalt eines Denkmals dazu führen kann, dass der Eigentümer finanziell ruiniert und außerordentlich belastet wird.
Auf das rechnerische Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsberechnung, wie sie der Beklagte und die Kläger in Anlehnung an die Vorgaben des Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. August 2015 (a.a.O.) vorgenommen haben, kommt es hier nicht entscheidungserheblich an, da die Erlangung eines Immobilienkredits in der erforderlichen Höhe durch eine Beleihung des verfahrensgegenständlichen Objekts weder tatsächlich noch rechtlich möglich ist. Die Kläger haben durch die Nachfrage bei ihrem Kreditinstitut belegt, dass für die Finanzierung eines Immobilienkredits in Höhe des vollen Sanierungsbetrags bei ausschließlicher Beleihung der Immobilie keine Finanzierungszusage gegeben wird. Die Volks- und Raiffeisenbank Bayern Mitte hat am 5. August 2015 eine Finanzierung auf der Grundlage von 710.000,- € Sanierungsaufwand, 100%-iger Finanzierung, Mieteinnahmen von 900,- € netto im Monat und Kapitaldienst für Zins und Tilgung ausschließlich aus der Nettokaltmiete abgelehnt. Ausgehend von Kreditzinsen zu einem Zinssatz von 1,95% bei einer 10-jährigen Zinsbindung und einer Mindesttilgung von 1% der Kreditsumme betrage die monatliche Annuität 1.745,42 € bei Einsatz einer Nettokaltmiete von 900,- €. Die Bank setze einen Eigenkapitaleinsatz von mindestens 20% der Finanzierungssumme oder alternativ den Einsatz einer Zusatzsicherheit voraus. Bei der Sanierung von Baudenkmälern ergäbe sich nach ihrer Erfahrung sehr oft ein Nachfinanzierungsbedarf, der bei den hier zu Grunde gelegten Finanzierungsrelationen nicht darstellbar sei (Anlage K13, Blatt 36 Gerichtsakte M 9 K 16.5292). Es besteht für das Gericht keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Bestätigung zu zweifeln, da sich aus den für das gesamte Bankenwesen geltenden rechtlichen Vorgaben ergibt, dass das verfahrensgegenständliche Objekt nicht mit der erforderlichen Summe beliehen werden kann. Zum einen darf die Beleihung von Immobilien selbst dann, wenn eine persönliche Haftung besteht, 80% des Marktwertes der Immobilie nach europäischem Recht nicht überschreiten (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung EU Nr. 646/2012 vom 26.6.2013, VO (EU) Nr. 575/2013), dort § 125 Abs. 2 d). Dies bedeutet, dass das sanierte Vorhaben einen Marktwert in Höhe von 710.000,- €, zumindest 560.000,- € haben müsste, um einen Immobilienkredit in Höhe von 80% dieses Marktwertes bei ausschließlicher Beleihung des Objekts zu erhalten. Aufgrund eigener Sachkenntnis und unter Auswertung der allgemein zugänglichen Quellen ist nach Überzeugung des Gerichts ein derartiger Kaufpreis für das sanierte Objekt nicht erzielbar. Bei einer Wohnfläche von 149 m² nach Sanierung ist aktuell ein Kaufpreis von 250.000,- bis ca. 340.000,- € für ein Einfamilienhaus mit Wohnflächen von 130 bis 140 m² in K. zu erzielen (Immobilienscout24.de, abgefragt am 25.5.2018, Angebot von drei Häusern in K.). Daraus folgt, dass auch für neugebaute Einfamilienhäuser mit Grundstück ein um mindestens ca. 200.000,- € höherer Preis als der aktuelle Marktwert nicht zu erzielen ist. Da ein Immobilienkredit nicht zu erlangen ist, scheidet ein Erhalt des Baudenkmals aus sich heraus aus. Bereits aus diesem Grund ist der Erhalt des Baudenkmals wirtschaftlich unzumutbar.
Soweit der Beklagte im Bescheid erstmals davon ausgeht, dass die Kläger wegen Unwirtschaftlichkeit des Erhalts verpflichtet seien, nach einem Käufer für die Immobilie zu suchen und dabei einen Verlust in Höhe von bis zu 10% als zumutbar hinzunehmen hätten, entbehrt dies jeder substantiierten rechtlichen und tatsächlichen Grundlage. Nach Aktenlage und nach dem Ergebnis des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung ist nicht ansatzweise erkennbar, dass ein leistungsfähiger und leistungswilliger Interessent ein verfallenes, denkmalgeschütztes Wohnhaus unmittelbar an der Straße in K. kaufen und darüber hinaus noch 710.000,- € investieren würde. Ausweislich des notariellen Kaufvertrags haben die Kläger im Jahre 2011 das 617 m² große Grundstück mit Altbestand von den Erben für 80.000,- € gekauft. Es ist nicht ersichtlich, dass bei dieser Differenz zwischen Wert des Grundstücks und Sanierungskosten ein Interessent gefunden wird. Auf die hier zu verneinende Rechtsfrage, ob Art. 6 DSchG die Versagung der Erlaubnis deshalb rechtfertigt, weil ein Verkauf möglich ist, kommt es nicht mehr an. Es ist regelmäßig kein sachgerechtes Kriterium im Rahmen der Abwägung des Gewichtes der privaten Interessen der Kläger als Eigentümer mit dem Allgemeininteresse der Erhaltung eines Baudenkmals, wenn von diesem der Verkauf als zumutbare wirtschaftliche Maßnahme erwartet wird.
4. Der Beklagte war zur Genehmigung zu verpflichten. Art. 6 Abs. 2 DSchG ist zwar eine Ermessensvorschrift. Diese ist jedoch so auszulegen und anzuwenden, dass die Erlaubnis erteilt werden muss, wenn die Erhaltung des Baudenkmals dem Eigentümer nicht zuzumuten ist (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 002474). Da der Erhalt für die Kläger wirtschaftlich unzumutbar ist und der im Bescheid geforderte Verkauf keine angemessene und verhältnismäßige Maßnahme zur Herstellung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit im Lichte des Eigentumsschutzes ist, besteht vorliegend kein Ermessensspielraum mehr. Da die Kläger die Sanierungskosten auch durch eine Kreditaufnahme nicht aufbringen können, würden trotz der im Bescheid in Aussicht gestellten Zuschüsse diese nicht nur eine völlige Entwertung des Eigentumsrechts, sondern darüber hinaus auch zwangsläufig eine erhebliche Verschuldung der Kläger zur Folge haben.
Nach alledem war der verfahrensgegenständliche Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, antragsgemäß die Erlaubnis zur Beseitigung des Bestandsgebäudes zu erteilen.
Der Beklagte hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selber trägt, da er sich nicht durch Stellung eines Antrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 f. ZPO.


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