Baurecht

Abgrenzung Pizzeria zu Pizzalieferservice, Schank- und Speisewirtschaft, Laden, der Versorgung des Gebiets dienend, Grundzüge der Planung

Aktenzeichen  AN 9 K 20.02573

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12583
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30
BauNVO § 4
BayBO Art. 55

 

Leitsatz

1. Ein schwerpunktmäßig betriebener Pizzalieferservice verlässt die Variationsbreite einer bestehenden Baugenehmigung einer Schank- und Speisewirtschaft in Form einer Pizzeria und bedarf der Baugenehmigung.
2. Bei der Beurteilung, ob der Betrieb „der Versorgung des Gebiets dienend“ i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO anzusehen ist, darf sich grundsätzlich nicht auf den Geltungsbereich des Bebauungsplans beschränkt werden. Jedoch ist die fußläufige Erreichbarkeit ein wesentliches Beurteilungskriterium.
3. Der weit auszulegende Begriff des Ladens i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO beinhaltet regelmäßig, dass entsprechend des Betriebskonzepts mit einem schwerpunktmäßigen Publikumsverkehr in den Ladenräumlichkeiten zu rechnen ist

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Ablehnungsbescheid vom 2. September 2021 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO, weil das von der Klägerin beantragte Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
I. Das Bauvorhaben ist baugenehmigungspflichtig.
Das Vorhaben der Klägerin ist nach Art. 55 Abs. 1 BayBO, wonach die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung bedürfen, baugenehmigungspflichtig. Eine Baugenehmigung ist nur zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu erteilen, da ihr kein Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Nrn. 1 bis 20 BayBO zu Grunde liegt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, mit den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und mit den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO, beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.
Ob sich die Baugenehmigungspflicht nicht schon aufgrund der erheblichen baulichen Änderungen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 BayBO im Vergleich zum mit Bescheid vom 16. Januar 1976 genehmigten Bestand im Rahmen der damals erfolgten Nutzungsänderung in eine „Gast- und Schankwirtschaft“ bzw. den „Einbau einer Pizzeria“ ergibt oder diese noch als verfahrensfrei gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 BayBO einzustufen wären, kann dahinstehen.
Die beantragte und bereits vollzogene Nutzungsänderung ist jedenfalls nicht von der Variationsbreite der bislang genehmigten Nutzung umfasst und damit baugenehmigungspflichtig (Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO). Für die geänderte Nutzung kommen nämlich andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen in Betracht als für die bisherige Nutzung, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 – BVerwGE 138, 166, Rn. 12; BayVGH, B.v. 10.6.2010 – 1 ZB 09.1971 – juris, Rn. 15; B.v. 22.8.2013 – 15 ZB 12.1984 – juris, Rn. 9). Andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Anforderungen kommen nicht nur dann in Betracht, wenn für die neue Nutzung strengere Vorschriften gelten können, sondern auch, wenn die neuen Anforderungen weniger einschränkend sind (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2013 – 9 CS 13.1226 – juris, Rn. 12; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 57 Rn. 106; Busse/Kraus/Lechner/Busse, 144. EL September 2021, BayBO Art. 57 Rn. 412 f.). Das kann der Fall sein, wenn bisherige und geänderte Nutzung in unterschiedlichen Rechtsvorschriften geregelt sind oder wenn sich aus derselben Norm abweichende Anforderungen hinsichtlich der Zulässigkeit einer neuen Nutzung ergeben können (vgl. BVerwG, B.v. 7.11.2002 – 4 B 64/02 – BRS 66 Nr. 70). Voraussetzung für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist nicht, dass tatsächlich andere Anforderungen an die geänderte Nutzung gestellt werden, sondern nur, dass derartige Anforderungen in Betracht kommen können und die Frage, ob dies tatsächlich der Fall ist, in einem Genehmigungsverfahren geprüft werden muss (BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 15 CS 13.1863 – BeckRS 2014, 49146 mit Verweis auf die Rechtslage zu Art. 69 Abs. 4 BayBO 1998, vgl. LT-Drs. 13/7008 S. 42).
Nach diesen Maßstäben liegt hier eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor, weil sich die neue Nutzung mit einer Verlagerung der Geschäftstätigkeit hin zu einem verstärkten Lieferdienst von der genehmigten Nutzung als Gast- und Schankwirtschaft wegen seiner Auswirkungen auf die Nachbarschaft zumindest hinsichtlich der Lärmbelastung nach Vortrag beider Beteiligten unterscheidet und damit im Hinblick auf das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (§ 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1 BauGB i.V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) geänderte Anforderungen in Betracht kommen. Insoweit kann nach den oben dargestellten Maßstäben dahinstehen, ob durch die Nutzungsänderung die Lärmbelastung für die nähere Umgebung verstärkt oder sogar – aufgrund einer verringerten Anzahl von Gastplätzen in der Außengastronomie – vermindert wird. Unabhängig davon ergibt sich die Genehmigungspflichtigkeit der Nutzungsänderung bereits daraus, dass hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung von einem Aliud im Vergleich zur bisherigen Nutzung auszugehen ist.
II. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da es sich um einen im hier unter Ausschluss der Ausnahmen gem. § 4 Abs. 3 BauNVO festgesetzten allgemeinen Wohngebiet unzulässigen Gewerbebetrieb handelt.
Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass der einschlägige Bebauungsplan für den Vorhabenstandort hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung einen „Laden“ festsetzt. Eine nach Ansicht der Klägerin vorliegende Schank- und Speisewirtschaft widerspräche daher schon aus diesem Grunde den Festsetzungen des Bebauungsplans.
1. Das Vorhaben ist unabhängig davon keine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO.
a) Entsprechend des Betriebskonzepts der Klägerin ist schon nicht von einer Schank- und Speisewirtschaft auszugehen.
Mangels eigenständiger Definition in der BauNVO dient seit langem als Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung die bundesrechtliche Legaldefinition, die § 1 Abs. 1 Gaststättengesetzes (GastG) für die Zwecke des Gaststättenrechts enthält. Nach § 1 Abs. 1 GastG betreibt ein Gaststättengewerbe, wer im stehenden Gewerbe nach Nr. 1 Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Schankwirtschaft) oder nach Nr. 2 zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft). Unter den planungsrechtlichen Nutzungsbegriff fallen Gewerbebetriebe, in denen Getränke aller Art allein oder zusammen mit zubereiteten Speisen an Gäste zum Zwecke des Verzehrs in den Wirtschaftsräumen, ggf. auch im Freien, verabreicht werden (EZBK/Stock, 143. EL August 2021, BauNVO § 4 Rn. 58; BeckOK BauNVO/Hornmann, 28. Ed. 15.1.2022, BauNVO § 4 Rn. 58).
Entsprechend der vorgelegten Bauunterlagen, der Betriebsbeschreibung, des aktenkundigen Fotomaterials und des Internetauftritts der Klägerin ist nicht davon auszugehen, dass das Vorhaben eine im allgemeinen Wohngebiet zulässige Schank- und Speisewirtschaft gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO entsprechend der oben angeführten Maßstäbe darstellt. Vielmehr spricht vorliegend alles dafür, dass es sich schwerpunktmäßig um einen Essenslieferdienst handelt, bei welchem der Verzehr vor Ort deutlich in den Hintergrund rückt. Gegen eine Einordnung als Schank- und Speisewirtschaft gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO spricht insbesondere der erhebliche Personalaufwand von sechs Personen für die Auslieferung von Bestellungen, die stark eingeschränkte Zahl von Gastplätzen, der Internetauftritt der Klägerin, der unzweifelhaft auf die Betätigung als Lieferdienst ausgerichtet ist und Verzehr vor Ort im Gegensatz dazu nicht beworben wird (Differenzierungen finden sich lediglich hinsichtlich sog. Lieferpreise und Abholpreisen), der für Gaststätten wenig übliche, aber für Lieferdienste häufig anzutreffende fehlende Alkoholausschank vor Ort sowie die aktenkundige Einrichtung des Ladengeschäfts (vgl. zur Einordnung eines sog. „Pizza-Heimservice“ als Gewerbebetrieb: VGH Mannheim, U.v. 21.6.1994 – 5 S 1198/93 – juris, Rn. 30). Unabhängig davon spricht auch gegen die Einordnung als Schank- und Speisewirtschaft, dass entgegen der Aufforderung des Gerichts, die erbetene Gewerbeanmeldung sowie der Umsatzsteuerbescheid für den betreffenden Standort nicht vorgelegt worden ist. Gerade aus letzterem hätte sich aus den unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen im Jahr 2020 für den gastronomischen Verkauf „außer Haus“ oder „vor Ort“ wesentliche Erkenntnisse für das vorliegende Verfahren ergeben können. Dieser Mitwirkungsobliegenheit im Verwaltungsprozess ist die Klägerseite jedoch nicht nachgekommen.
b) Das Vorhaben dient darüber hinaus nicht der Versorgung des maßgeblichen Gebiets.
Dabei ist die Frage der Gebietsversorgung für jeden Einzelfall unter Würdigung der konkreten Umstände zu beantworten. Ein Indiz für die funktionale Zuordnung einer Gaststätte zu einem Wohngebiet ist neben der gebietsangemessenen Betriebsgröße und einem darauf abgestimmten Nutzungskonzept die fußläufige Erreichbarkeit der Gaststätte; umgekehrt ist die allein auf den Einrichtungstyp abstellende Annahme regelmäßig nicht gerechtfertigt (OVG Münster, B.v. 16.3.2005 – 10 B 1350/04 – BeckRS 2005, 24962). Ebenfalls nicht entscheidend ist die Grenze eines Gemeindegebiets bzw. einzelner Ortsteile oder die Grenzen eines im Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets. Dabei folgt das Gericht durchaus der vom Klägervertreter zitierten Rechtsprechung des OVG Münster, U.v. 2.3.2001 – 7 A 2432/99 – BeckRS 2001, 10936, dass sich gerade Pizzerien nach den heutigen Lebensgewohnheiten zunehmend zu Gaststätten entwickelt haben, die von der umliegenden Wohnbevölkerung gerne als „Versorgungsstützpunkt“ in Anspruch genommen werden. Sie werden häufig von Familien – auch und gerade mit Kindern – aufgesucht, um im näheren Umfeld gelegentlich „auswärts“ Essen zu gehen, und sind ein beliebter Ort, um allein oder bei Besuch von Gästen auf das Zubereiten warmer Mahlzeiten zu Hause verzichten zu können.
Nach dem Betriebskonzept der Klägerin handelt es sich aber gerade nicht um den Fall einer „klassischen“ Pizzeria, bei welcher das das Gaststättenkonzept ergänzende Angebot eines Lieferdienstes dem Grunde nach unschädlich wäre. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den in den Akten befindlichen Angaben zu dem auf Essensauslieferung und auch -abholung ausgerichteten Betriebskonzept der Klägerin, dass das Vorhaben gerade nicht zu einem wesentlichen Anteil der Gebietsversorgung dient. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass auch Wohngebiete außerhalb des Geltungsbereich des Bebauungsplans bei der Bewertung mit einzubeziehen sind, wie etwa Teile der nördlich des Plangebietes befindlichen Wohnbebauung oder in erster Linie auch Wohngebiete südlich der A* … Straße. Das Betriebskonzept zielt aber ersichtlich im maßgeblichen Umfang weit über die noch die der Gebietsversorgung umfassenden Bereiche hinaus. Entsprechend des Internetauftritts bezeichnet die Klägerin mit ihren Liefergebieten (* …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …*) Bereiche, die in Entfernungen von etwa 1 km bis zu über 5 km liegen. Unzweifelhaft handelt es sich dabei weitestgehend um nicht mehr den hier der Gebietsversorgung im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dienenden Umgriff. Gerade fußläufig zu erwartende Kunden sind hier allenfalls aus den Gebieten … und … realistisch. Folglich kann dahinstehen, dass entsprechend der Erhebungen der Klägerin 83 Prozent ihrer Auslieferungen in einem Umkreis von bis zu 3 km erfolgen. Ein von der Klägerin selbst derart weitgezogener Umgriff spricht in besonderem Maße für die Annahme, dass der Betrieb eben nicht als das Gebiet versorgend anzusehen ist (zum Umfang des heranzuziehenden Gebiets vgl. etwa: EZBK/Stock, 143. EL August 2021, BauNVO § 4 Rn. 39). Soweit die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass entsprechend einer internen Auswertung von einer Auslieferung im Umkreis von bis zu 500 m von etwa 11%, im Umkreis von bis zu 1 km von etwa 29% und im Umkreis von bis zu 1,5 km von 59,93% der zu beliefernden Kunden angefahren wurden, ergibt sich hieraus – auch im Hinblick auf die eingeschränkte Überprüfbarkeit des Vorgetragenen – kein gegenteiliger Befund. Die dem Merkmal des „Dienens“ innewohnende Sicherungsfunktion im Hinblick auf die Wahrung des Gebietscharakters und damit einhergehende funktionale Zuordnung des Betriebs zu dem Gebiet ist nicht mehr gegeben. Die wesentliche Zielgruppe des Betriebskonzepts der Klägerin geht nämlich – wie oben dargestellt – deutlich über das Gebiet im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO hinaus (siehe grundlegend: BVerwG, B.v. 3.9.1998 – 4 B 85/98 – BeckRS 1998, 30023279).
2. Ob vorliegend von einem nach den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans dem Grunde nach zulässigen „Laden“ auszugehen wäre, kann demnach dahinstehen. Nach den bereits erfolgten Ausführungen ist nämlich wiederum nicht davon auszugehen, dass ein solcher Laden entsprechend des Betriebskonzepts der Klägerin der Gebietsversorgung dienen würde.
Unabhängig davon ist auch nicht davon auszugehen, dass das von der Klägerin betriebene Nutzungskonzept unter den bauplanungsrechtlichen Begriff des „Ladens“ zu fassen ist. Ein Laden ist eine Räumlichkeit, die der gewerblichen Betätigung mit Kunden- oder Publikumsverkehr, insbesondere dem Verkauf von Waren (Einzelhandel) oder der Erbringung bestimmter versorgungsspezifischer Leistungen dient (EZBK/Stock, 143. EL August 2021, BauNVO § 4 Rn. 47 m.w.N.). Der Nutzungsbegriff „Laden“ ist aber nicht auf den Handel verengt. Vielmehr schließt er ladenmäßig betriebene Gewerbebetriebe ohne Bezug zum Handel ein (BeckOK BauNVO/Hornmann, 29. Ed. 15.4.2022, BauNVO § 4 Rn. 54 m.w.N.). Sämtlichen Definitionsansätzen und Rechtsprechungsbeispielen gemein ist jedoch, dass ein schwerpunktmäßiger Kundenverkehr in der Ladenräumlichkeiten Teil des Betriebskonzeptes darstellt. Dies ist gerade entsprechend dem oben Ausgeführtem bei dem auf Essensauslieferung ausgerichteten Betriebskonzept der Klägerin nicht der Fall.
3. Der Klägerin ist auch nicht im Rahmen einer Zulassung einer Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) oder Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) die begehrte Baugenehmigung zu erteilen.
Die Erteilung einer Ausnahme scheidet bereits deswegen aus, da eine solche nach dem hier vorliegenden Bebauungsplan nicht vorgesehen ist. Entsprechend § 3 Nr. 1 der Bebauungsplan-Satzung wurden die Ausnahmen gem. § 4 Abs. 3 BauNVO, mit Ausnahme einer Tankstelle, ausdrücklich ausgeschlossen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen ebefalls nicht vor.
Zwingende Voraussetzung dafür ist, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Was hierzu zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Nur Abweichungen, die die Planungskonzeption im Wesentlichen unangetastet lassen, berühren die Grundzüge nicht. Von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind, darf jedenfalls nicht aus Gründen befreit werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2005 – 1 ZB 04.2666 – juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet die Erteilung der beantragten Befreiung aus. Das Bauvorhaben berührt die Grundzüge der Planung. Vor allem der Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung ist als regelmäßiger Grundzug gemeindlicher Planung anzusehen EZBK/Söfker, 143. EL August 2021, BauGB § 31 Rn. 36). Dieser Wille der planungsgebenden Kommune kommt gerade hier im besonderem Maße darin zum Ausdruck, dass die Gemeinde sogar gesetzlich in § 4 Abs. 3 BauNVO angelegte Ausnahmetatbestände ausgeschlossen hat. Die Zulassung entsprechender Vorhaben im Wege der Befreiungserteilung würde diesem klar zum Ausdruck gebrachten Willen der Gemeinde augenscheinlich zuwiderlaufen.
III. Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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