Baurecht

Ablehnung eines Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Maschinenhalle

Aktenzeichen  M 9 K 17.3879

Datum:
8.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35820
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, § 117 Abs. 5
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7
BayBO Art. 71 S. 1, S. 4, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage der Prägung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und die Frage, ob eine Baulichkeit einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden kann, sind getrennt voneinander zu beurteilen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
1. Der Kläger hat aus Art. 71 Satz 1 und Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO keinen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nicht zulässig.
a) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 35 BauGB, da sich das Vorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich befindet. Es befindet sich weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist entscheidend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – juris Rn 17; B.v. 2.4.2007 – 4 B 7/07 – juris Rn. 4). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden (BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung gewinnen lässt. Die (be-)wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper (BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 f.). Für die Frage, ob ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt, kommt es weder auf die Zweckbestimmung noch auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an. Entscheidend ist grundsätzlich der tatsächlich vorhandene Bestand. Auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen (BVerwG, B.v. 5.4.2017 – 4 B 46/16 – juris Rn. 5).
Bebauung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist indes nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hieraus folgt, dass zur Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB grundsätzlich nur Bauwerke gehören, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinne „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (BVerwG, B.v. 5.4.2017 – 4 B 46/16 – juris Rn. 6).
Aus dem vom Kläger zitierten Beschluss des BayVGH vom 8. Oktober 2015 (BayVGH, U.v. 8.10.2015 – 1 BV 14.1795 – juris), folgt nichts Anderes. Hierbei ging es um die die prägende Wirkung eines Einfirsthofs für das Maß der baulichen Nutzung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Zur Frage der Herstellung eines Bebauungszusammenhangs durch einen Einfirsthof enthält der Beschluss keine Aussage. Die Frage der Prägung innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteil und die Frage, ob eine Baulichkeit einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden kann, sind getrennt voneinander zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – BVerwGE 157, 1, Rn. 13). Damit bleibt es bei der Rechtsprechung des BVerwG, dass nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen zur Bebauung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören. Der ehemalige Stall und die anderen landwirtschaftlichen Nebengebäude auf dem Vorhabengrundstück dienen nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen. Gründe für eine andere Beurteilung dieser Baulichkeiten sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermittelt die maßgebliche Bebauung auf dem Vorhabengrundstück (Zweifamilienhaus) und die Bebauung nördlich der Kreisstraße nicht den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit.
Diese Überzeugung des Gerichts stützt sich im Wesentlichem auf in der Behördenakte und Gerichtsakte vorhandenen und von den Beteiligten eingereichten Karten und Luftbilder. Des Weiteren wurde das Vorhabengrundstück und dessen Umgebung bereits im Verfahren M 9 K 15.419 durch die Kammer in Augenschein genommen. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass es im Einzelfall auch ausreichend sein kann, die Überzeugungsbildung auf Kartenmaterial, Fotos, Luftbilder oder auch auf Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter zu stützen (BVerwG, B.v. 15.9.2005 – 4 BN 37/05 – juris Rn. 4).
Während die Wohngebäude im übrigen Ortsteil B. überwiegend nah zur Kreisstr. liegen, haben die Wohngebäude B. 20 (westliches Nachbargrundstück, FlNr. 546 der Gemarkung ….) und B. 22 (Vorhabengrundstück) einen erheblichen Abstand zur Kreisstraße und zu allen anderen Wohngebäuden in B.
Die Abstände wirken zwar aufgrund der vielen landwirtschaftlichen Nebengebäude etwas geringer, sind dennoch aber so groß, dass nicht der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt wird. Dabei verkennt das Gericht nicht den oben genannten Grundsatz, dass auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen können. Maßgeblich sind aber immer die Umstände im jeweiligen Einzelfall. Das Wohngebäude B. 20 auf dem westlichen Nachbargrundstück hat bereits ca. einen Abstand von 35 m zur Kreisstraße und das Wohngebäude auf dem Vorhabengrundstück (B. 22) hat ca. einen Abstand von 40 m zur Kreisstraße. Gerade in diesem Bereich hat B. deswegen nicht den Charakter eines Straßendorfs. Südlich der Kreisstraße hebt die nach Osten in die freie Landschaft mündende Freifläche den Charakter als Straßendorf auf. Zum nächstgelegenen nördlichen Wohngebäude beträgt der Abstand bereits ca. 63 m. Die Kreisstraße wirkt nur einseitig bebaut. Einseitig bebaute Straßen haben regelmäßig trennende Wirkung (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1988 – 4 B 19/88 – juris). Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene geringe Verkehrsbedeutung der Kreisstraße ändert dies vorliegend nicht. Es handelt sich insbesondere nicht um eine bloße Erschließungsstraße.
Die nördliche Freifläche, die Kreisstraße und der … Graben führen nicht nur zu einem bloßen Zurückspringen der Grenze zum Außenbereich nach Westen, sondern trennen die Baulichkeiten auf dem Vorhabengrundstück und auch dem westlichen Nachbargrundstück insgesamt vom Innenbereich ab. Die Baulichkeiten auf dem Vorhabengrundstück stellen einen Siedlungssplitter dar.
Die Freifläche weist keine deutlichen Engstellen oder topographischen Besonderheiten auf, welche bewirken, dass die Fläche der Bebauung zugehörig erscheint. Die Fläche öffnet sich nach Osten hin Richtung freie Landschaft. Die Trennung zur restlichen Bebauung wird durch den Graben und Kreisstraße weiter vertieft. Letztlich fehlt nach Norden der Bebauungszusammenhang jedenfalls aus dem Zusammenspiel von Kreisstraße, …. Graben und Freifläche. Es entsteht der Eindruck einer Schneise, welche die nördlich der der Kreisstraße befindliche Bebauung von den südlich der Kreisstraße gelegenen Siedlungssplittern abtrennt.
b) Für eine Privilegierung der geplanten Maschinenhalle eines nicht baurechtlich genehmigten … betriebes im Außenbereich bestehen keine Anhaltspunkte. Vom Klägerbevollmächtigen wurde diesbezüglich auch nichts vorgetragen. Das Vorhaben ist deswegen nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, da die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5 und 7 BauGB beeinträchtigt werden. Diesbezüglich folgt das Gericht den zutreffenden und vom Kläger nicht bestritten Ausführungen im Bescheid vom 26. Juni 2018 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
2. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, sodass es mangels Kostenrisiko nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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