Baurecht

Abstufung einer Gemeindestrasse zu einem beschränkt-öffentlichen Weg

Aktenzeichen  M 2 S 17.5626

Datum:
18.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 139863
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 44, § 45
BayStrWG Art. 7 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3, Art. 17 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Anlieger oder Nutzer einer Straße können eine Umstufung nach Art. 7 Abs. 1 BayStrWG ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht mit Rechtsbehelfen angreifen. Es findet keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der straßenrechtlichen Verfügung statt (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 115398). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach Art. 14 Abs. 3 BayStrWG besteht kein Rechtsanspruch auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs einer Straße. Nach Art. 17 Abs. 1 BayStrWG steht selbst Straßenanliegern kein Anspruch darauf zu, dass die Straße nicht geändert oder eingezogen wird. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich in der Hauptsache (M 2 K 17.4542) gegen die Abstufung eines Teilstücks des „… Wegs“ von einer Orts Straße zu einem beschränkt-öffentlichen Weg durch die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin machte die Abstufung des Teilstücks des „… Wegs“ auf einer Länge von 27 m an der Einmündung des „… Wegs“ in die „… Straße“ bis zur Abzweigung der „…-Straße“ in ihrem Amtsblatt, dem … Gemeindekurier, am 25. August 2017 bekannt. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks …-Straße 15. Sie macht geltend, die streitgegenständliche Abstufung des Teilstücks des „… Wegs“ habe zur Folge, dass sie als Anliegerin der …-Straße stark beeinträchtigt werde. Da das Teilstück nach der Abstufung für den Kraftfahrzeugverkehr nicht mehr passierbar sei, ziehe die Abstufung eine erheblich größere Verkehrsbelastung auf der …-Straße nach sich. Das erhöhte Verkehrsaufkommen auf der …-Straße bewirke insbesondere einen erheblichen Wertverlust der Grundstücke an der …-Straße.
Die Antragstellerin begründet ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz damit, dass die Antragsgegnerin offensichtlich nicht gewillt sei, die in § 80 Abs. 1 VwGO angeordnete aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage vom 21. September 2017 zu beachten. Die Antragsgegnerin habe am 14. November 2017 „aus Gründen der Umwidmung“ eine auf §§ 44 und 45 StVO gestützte, für sofort vollziehbar erklärte Anordnung erlassen, das streitgegenständliche Teilstück des „… Wegs“ für Krafträder, Mofa, Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge zu sperren. Hierdurch würden vollendete Tatsachen geschaffen, die im Gegensatz zum Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juli 2017 – M 23 K 16.1305 – stünden. Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht München eine verkehrsrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin mangels Rechtsgrundlage nach dem Straßenverkehrsrecht aufgehoben, durch die die Wegeverbindung der „… Straße“ in den „… Weg“ dauerhaft gesperrt wurde.
Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 21. September 2017 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat sich bislang nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 2 K 17.4542 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 21. September 2017 ist statthaft, er ist jedoch mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin als unzulässig abzulehnen.
1. Vor dem Hintergrund der vorliegend engen Verzahnung des Vollzugs des Straßenverkehrsrechts und des Straßenrechts (Vorrang des Straßenverkehrsrechts, Vorbehalt des Straßenrechts in Bezug auf den „… Weg“) ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei weiter Auslegung des § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Vollziehung des Verwaltungsakts i. S. v. § 80 Abs. 1 VwGO bedeutet jegliche Verwirklichung seines materiellen Regelungsgehalts. Die aufschiebende Wirkung untersagt, aus dem angefochtenen Verwaltungsakt unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder rechtliche Folgerungen gleich welcher Art zu ziehen. Vorliegend führt die Anordnung des sofortigen Vollzugs der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung vom 14. November 2017 dazu, dass die mit der Anfechtungsklage im Verfahren M 2 K 17.4542 angegriffene Abstufung faktisch vollzogen wird.
2. Der Antragstellerin kommt keine Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog zu. Sie kann die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten durch die streitbefangene Abstufung weder aus dem Gemeingebrauch noch aus dem Anliegergebrauch noch unmittelbar aus den Grundrechten herleiten.
Ein Anlieger oder Nutzer einer Straße kann eine Umstufung nach Art. 7 Abs. 1 BayStrWG nicht in jedem Fall mit Rechtsbehelfen angreifen. Namentlich findet ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der straßenrechtlichen Verfügung statt (BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 8 B 15.884 – juris Rn. 32, Allesch, BayVBl 2016, 217, 218 m.w.N.).
Der Gemeingebrauch (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG) gewährleistet die Benutzung öffentlicher Straßen im Rahmen der Widmung für jedermann. Jedoch besteht nach Art. 14 Abs. 3 BayStrWG auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs kein Rechtsanspruch. Der Benutzer einer Straße muss sich vielmehr mit dem abfinden, was und wie lange an Verkehrsverbindung dargeboten wird (BVerfG, B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 198/08 – juris). Die Einschränkung des Gemeingebrauchs an einem Teilstück einer öffentlichen Straße durch Abstufung begründet mithin weder eine Antragsnoch eine Klagebefugnis des Straßennutzers (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 6.10.2011 – 8 CS 11.1220).
Die Antragstellerin kann sich zur Begründung ihrer Antragsbefugnis auch nicht auf den in Bayern als Institut des einfachen Rechts gewährleisteten Anliegergebrauch (vgl. BayVGH, U.v. 31.5.2011 – 8 B 10.1653 – juris Rn. 15) berufen, da ihr Grundstück nicht an den „… Weg“ angrenzt. Abgesehen davon legt Art. 17 Abs. 1 BayStrWG ausdrücklich fest, dass Straßenanliegern kein Anspruch darauf zusteht, dass die Straße nicht geändert oder eingezogen wird.
Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG. Aus den genannten Grundrechten kann kein Anspruch auf Aufrechterhaltung des bestehenden Gemeingebrauchs an einer öffentlichen Straße abgeleitet werden (BVerfG, B.v. 10.6.2009, aaO).
Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin führt auch der Umstand, dass das Grundstück der Antragstellerin in der …-Straße infolge der streitgegenständlichen Abstufung einer erhöhten Verkehrsbelastung ausgesetzt ist, der u.U. auch einen Wertverlust zur Folge haben könnte, nicht dazu, dass die Antragstellerin antragsbefugt ist. Immissionen des Straßenverkehrs sind für die Klassifizierung einer Straße irrelevant (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2012 – 8 ZB 11.1702 – juris Rn. 8). Das Gleiche gilt für andere behauptete Nachteile wie Wertänderungen von Grundstücken (vgl. BayVGH, aaO). Eine etwaige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums ist auf die Situationsgebundenheit des Grundstücks zurückzuführen und von der Antragstellerin hinzunehmen.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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