Baurecht

Anfechtung der Beseitigungsanordnung für eine Freizeithütte

Aktenzeichen  1 CS 20.1334

Datum:
29.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20499
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1

 

Leitsatz

Führen bauliche Maßnahmen dazu, dass dadurch die ursprüngliche Identität der baulichen Anlage verloren geht, besteht für einen Bestandsschutz kein Raum mehr. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 S 19.5839 2020-05-11 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beschwerde gegen Ziff. I.6 des Bescheids vom 21. Oktober 2019 zurückgenommen wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Beseitigungsanordnung.
Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung N* …, das im Außenbereich liegt. Bei einer Baukontrolle wurde festgestellt, dass sich auf dem Grundstück eine Freizeithütte befindet, Mauern aus trocken aufeinandergelegten Steinen erstellt und an der Ostseite der Hütte eine Terrassenplatte betoniert wurde. Nach Anhörung der Antragstellerin schloss das Landratsamt das Beseitigungsverfahren, das auch die Beseitigung eines Jacuzzi-Pools, einer gemauerten Feuerstelle und einer Einfriedung mit Hinweisschildern umfasste, mit Bescheid vom 21. Oktober 2019 ab. Über die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Auf den gleichzeitig erhobenen Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Mai 2020 die aufschiebende Wirkung der Klage im Hinblick auf die Freizeithütte wiederhergestellt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Die Erfolgsaussichten der Klage seien im Hinblick auf die Beseitigungsanordnung der Hütte offen. Zwar spreche viel für eine fehlende Genehmigungsfähigkeit der Hütte. Die Klärung der Frage, ob es sich angesichts der Gesamtumstände um eine Freizeitnutzung handle oder ob die Hütte auch noch als Waldhütte genutzt werde und die Antragstellerin sich auf Bestandsschutz berufen könne, bleibe aber dem Hauptsacheverfahren überlassen. Die sonstigen Anlagen stünden nicht im Einklang mit materiellem Baurecht. Ein etwaiger Bestandsschutz für die Terrasse, die Feuerstelle und die Mauern sei durch die baulichen Maßnahmen der Antragstellerin erloschen. Die nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilenden Vorhaben beeinträchtigten öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren, das sich zunächst gegen die Ablehnung des Antrags im Hinblick auf die Trockenmauern, die Terrasse und die Einfriedung mit Hinweisschildern richtete, den Antrag in Bezug auf die Einfriedung zurückgenommen. Mit ihrer Beschwerde macht sie zuletzt geltend, dass die Bodenplatte an der Ostseite der Hütte, die beseitigt und durch eine kleinere Platte ohne Fundament erneuert worden sei, fehlerhaft als Terrasse bezeichnet worden sei. Bei der Bodenplatte handle es sich nur um den fortgesetzten Boden der vorhandenen Hütte. Die Arbeiten stellten verfahrensfreie Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten dar. Die im Hauptsacheverfahren zu klärende Frage des Bestandsschutzes für die Hütte würde sich (auch) auf die Bodenplatte erstrecken. Zur Sicherstellung einer denkbaren Nutzung nur für Forstzwecke wäre eine Nutzungsuntersagung (für Freizeitzwecke) ausreichend gewesen. Im Übrigen werde die außerhalb der Hütte befindliche Betonplatte zum Ablegen von Gerätschaften für die Forstwirtschaft auf dem Grundstück der Antragstellerin benötigt. Die lose Aufschichtung der Natursteine stelle keine Stützmauer dar und diene jedenfalls den Belangen des Naturschutzes und des Artenschutzes.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte verwiesen.
II.
Das Verfahren war einzustellen, soweit die Beschwerde gegen Ziff. I.6 des Bescheids vom 21. Oktober 2019 zurückgenommen wurde. Im Übrigen hat die zulässige Beschwerde keinen Erfolg.
Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin im Hinblick auf die Anordnung der Beseitigung der Trockenmauern und der Terrasse zu Recht abgelehnt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage der Antragstellerin insoweit im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben, sodass das Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse der angefochtenen Beseitigungsverfügung nachrangig ist.
An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beseitigungsanordnung in dem im Beschwerdeverfahren maßgeblichen Umfang bestehen nach summarischer Prüfung der Rechtslage keine durchgreifenden Zweifel. Sowohl die Trockenmauern als auch die Terrasse widersprechen dem materiellem Baurecht. Eine Beseitigungsanordnung kann gemäß Art. 76 Abs. 1 BayBO ergehen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurden, somit wenn die zu beseitigende Anlage sich in ihrem Bestand als formell und materiell illegal darstellt. Dass es sich bei den Trockenmauern um genehmigungspflichtige Vorhaben gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB handelt, steht angesichts ihrer Lage im Außenbereich außer Frage. Bei genehmigungsfreien Vorhaben kommt es allein auf die materielle Rechtslage an. Zwar kann die Terrasse gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. f) BayBO verfahrensfrei errichtet werden, allerdings liegt (auch) hier ein Verstoß gegen materielles Baurecht vor (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1982 – 4 C 52.78 – NVwZ 1983, 472).
Die Antragstellerin kann sich nicht auf baurechtlichen Bestandsschutz berufen. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die vorliegenden Lichtbilder umfangreich ausgeführt (BA Rn. 48 ff.), dass ein etwaiger Bestandsschutz der Trockenmauern sowie der Terrasse durch die baulichen Maßnahmen der Antragstellerin, mit dem das Vorhaben seine ursprüngliche Identität verloren hat, erloschen ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.1980 – IV C 81.77 – BVerwGE 61, 112). Aus den vorliegenden Lichtbildern ist ersichtlich, dass die Baumaterialien, die für die baulichen Nebenanlagen verwendet wurden, neu sind und der Terrassenbereich erweitert wurde. Dass die ursprüngliche Betonplatte durch eine kleinere Platte ersetzt wurde, fällt angesichts der deutlichen Erweiterung der Terrasse mit neuen Steinen nicht entscheidungstragend ins Gewicht. Damit setzt sich die Antragstellerin nicht ansatzweise auseinander (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a zur Frage der ausreichenden Darlegung). Die im Beschwerdeschriftsatz vorgenommene Beschränkung der Ausführungen auf die Betonplatte unter Außerachtlassung der vorgenommenen Erweiterungsmaßnahmen stellen keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür dar, dass es sich nur um Instandhaltungsarbeiten gehandelt haben könnte. Im Übrigen hat die Antragstellerin im Klageschriftsatz vom 21. November 2019 selbst eingestanden, dass zumindest die an der östlichen Grundstücksgrenze errichtete Mauer neu sei. Soweit sie einen Bestandsschutz (auch) daraus herleiten möchte, dass das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten bezüglich der Hütte als offen angesehen hat, übersieht sie, dass die Trockenmauern und die Terrasse als sonstige Nebenanlagen bzw. befestigte Flächen einer eigenständigen Überprüfung durch die Bauaufsichtsbehörde unterliegen. Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch in Betracht gezogen, dass eine denkbare privilegierte Nutzung in Betracht kommen kann. Denn unabhängig davon, dass eine solche privilegierte Nutzung (der Bodenplatte) als Abstellfläche für Geräte für die Forstwirtschaft nur behauptet wird, kommt es darauf nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht entscheidend an. Auch bei Annahme einer privilegierten Nutzung wären die befestigten Flächen für die Land- bzw. Forstwirtschaft nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich und damit unzulässig (BA Rn. 54). Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht schon dann, wenn es nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers für seinen Betrieb förderlich ist. Da aber auch nicht verlangt werden kann, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist, bilden die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Maßgeblich ist innerhalb dieses Rahmens, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – NVwZ-RR 1992, 401; BayVGH, B.v. 12.8.2016 – 15 ZB 15.696 – BayVBl. 2017, 524). Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen liegt dabei bei demjenigen, der sich auf die Privilegierung berufen möchte (BVerwG, B.v. 17.11.1998 – 4 B 100.98 – juris; BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 9 ZB 15.785 – juris Rn. 13).
Gemessen an diesen Vorgaben und den vorliegenden Unterlagen, die umfangreiche Rodungen der zu bewirtschaftenden Waldflächen belegen, sowie dem Beschwerdevortrag kommt eine Privilegierung der verfahrensgegenständlichen Nebenanlagen nicht in Betracht. Aus dem Vortrag der Antragstellerin lässt sich auch nicht erkennen, dass ein Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorliegen könnte.
Das Beschwerdevorbringen kann im Übrigen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilenden Vorhaben öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigen, insbesondere die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB), nicht erschüttern. Dieser öffentliche Belang dient dem Schutz der naturgegebenen Bodennutzung und der Erholungsfunktion des Außenbereichs vor dem Eindringen einer der freien Landschaft wesensfremden Bebauung. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen. Die Ausführungen der Antragstellerin zu der Betonplatte und den Einfriedungen ist erkennbar nicht geeignet, den Bauarbeiten eine besonders störende Wirkung in der im Wesentlichen unberührten Landschaft abzusprechen.
Da bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange ausreicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171), kommt es nicht darauf an, ob das Vorhaben auch noch im Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) steht bzw. die Entstehung eine Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
Ferner ist es nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die erst kürzlich erfolgte Fertigstellung der Bauarbeiten nicht plausibel, dass aus naturschutzrechtlichen Gründen vorläufig von der Beseitigung der Nebenanlagen abgesehen werden müsste (BA Rn. 64). Damit setzt sich die Antragstellerin nicht ansatzweise auseinander. Die wiederholte Behauptung, das Grundstück der Antragstellerin sei in seiner konkret bestehenden Form geeignet zur Schaffung eines Biotops und eines Biotopverbunds im Sinn des Art. 19 BayNatSchG und entspreche möglicherweise sogar einem Natura 2000-Gebiet gemäß Art. 20 BayNatSchG, genügt bereits nicht den Anforderungen an das Darlegungsgebot (vgl. Eyermann, § 146 a.a.O.). Im Übrigen war der Antragsgegner ohne konkrete Anhaltspunkte angesichts der geschilderten Zeitumstände nicht gehalten, dieser Frage im Verwaltungsverfahren nachzugehen. Aus der im Beschwerdeverfahren vorgelegten naturschutzfachlichen Stellungnahme vom 6. Juli 2020 ergibt sich nachvollziehbar, dass durch die Beseitigung der Trockenmauern und der Terrasse keine negativen Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt zu befürchten sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013) und trägt dem Umstand Rechnung, dass im Beschwerdeverfahren nur noch teilweise über die Beseitigungsanordnung zu entscheiden war.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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