Baurecht

Anfechtung einer Baueinstellung

Aktenzeichen  1 ZB 18.146

Datum:
28.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24684
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 75 Abs. 1

 

Leitsatz

Erhebliche bauliche Änderungen wie etwa Ausbau, Umbau oder Erweiterung stellen keine Instandsetzung dar, weil Maßnahmen dieser Art nicht der Wiederherstellung eines vormals gegebenen, sondern der erstmaligen Herstellung eines neuen Zustands dienen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.3916 2017-07-27 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung einer Baueinstellung für Arbeiten zur Errichtung einer aufgeständerten Terrasse an der Bergstation nahe der Karwendelspitze auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung M* …, sowie die hierfür ausgesprochene Nutzungsuntersagung. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Bauarbeiten sowie die Nutzungsuntersagung anordnen konnte, weil das Vorhaben auf Grund der Lage im Naturschutzgebiet „K* … … …“ jedenfalls eine naturschutzrechtliche Genehmigung benötige. Die Errichtung der Terrasse stelle weder eine notwendige Unterhaltungs- noch Instandsetzungsmaßnahme im Sinn der Ausnahmevorschrift der Schutzgebietsverordnung dar.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Baueinstellungsverfügung rechtmäßig ist.
Bauarbeiten sind dann unzulässig, wenn sie entgegen öffentlich-rechtlicher Vorschriften durchgeführt werden (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Voraussetzung einer Baueinstellung sind objektiv konkrete Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht materiell oder auch formell widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht aber die tatsächliche Bestätigung dieser Vermutung (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2020 – 1 CS 20.396 – juris Rn. 2; B.v. 24.8.2018 – 1 CS 18.308 – juris Rn. 9 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bauarbeiten zur Errichtung der Terrasse bereits formell rechtswidrig sind, da hierfür nach § 6 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über das Naturschutzgebiet „K* … … …“ (nachfolgend: Schutzgebietsverordnung) jedenfalls eine naturschutzrechtliche Befreiung von dem Verbot der Errichtung baulicher Anlagen im Schutzgebiet erforderlich ist. Entgegen dem Zulassungsvorbringen stellen die Bauarbeiten auch keine Unterhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen im Sinn der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 8 Schutzgebietsverordnung dar. Eine Instandsetzung ist auf die Behebung von Mängeln zur Wiederherstellung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes der baulichen Anlage gerichtet. Sie soll nur die weitere Nutzung des bisherigen Bestandes in der bisherigen Weise ermöglichen. Erhebliche bauliche Änderungen wie etwa Ausbau, Umbau oder Erweiterung stellen keine Instandsetzung dar, weil Maßnahmen dieser Art nicht der Wiederherstellung eines vormals gegebenen, sondern der erstmaligen Herstellung eines neuen Zustands dienen (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2019 – 1 CS 19.150 – juris Rn 8 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben stellt die eingestellte Baumaßnahme keine Instandsetzung dar. Es kann offenbleiben, ob sich vormals am Vorhabenstandort überhaupt eine Terrasse befunden hat. Denn für die Errichtung der nunmehr als ebene Fläche ausgestalteten Terrasse war eine massive Holzbalkenunterkonstruktion erforderlich. Weiter wurde ein umlaufendes Geländer angebracht. Die neue Terrasse stellt damit bereits von ihrem äußeren Erscheinungsbild her eine wesentliche Änderung gegenüber einer etwaig vorhandenen früheren Terrasse dar, so dass es sich nicht mehr um eine Instandsetzung im Sinn der Ausnahmevorschrift der Schutzgebietsverordnung handelt. Es kann daher offenbleiben, ob von der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 8 Schutzgebietsverordnung ohnehin nur die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Betrieb der Seilbahn stehenden Instandsetzungsarbeiten erfasst sind.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass im Zeitpunkt der Baueinstellung die Baumaßnahme bereits fertiggestellt gewesen sei, vermag auch dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Eine Baueinstellung scheidet erst aus, wenn eindeutig feststeht, dass keine weiteren Arbeiten an der (Gesamt) Anlage mehr durchgeführt werden. Soweit noch Arbeiten zum Ausbau, zur Verbesserung, Korrektur, oder auch Nachbesserungen erfolgen, sind die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2018 – 1 CS 18.308 – juris Rn 10). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Landratsamt anhand der maßgeblichen Umstände zu Recht von einem fehlenden Abschluss der Bauarbeiten ausgegangen ist. Aufgrund der im südlichen Bereich der Anlage über den Randbereich der Terrasse hervorspringenden Längs- und Querbalken sowie der Lagerung von Baumaterial, das Ähnlichkeiten mit dem bereits verbauten Material aufweist, lagen ausreichende objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Im Übrigen wurde nach den Feststellungen der Ortseinsicht des Verwaltungsgerichts die Terrasse nachträglich noch „etwas erweitert“, so dass die Baumaßnahme entgegen dem Zulassungsvorbringen zum Zeitpunkt der Baueinstellungsverfügung augenscheinlich noch nicht abgeschlossen war.
Hinsichtlich der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung enthält das Zulassungsvorbringen keine Ausführungen. Es fehlt daher insoweit an einer Darlegung im Sinn des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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