Baurecht

Anfechtung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses – Begriff der “Loggia”

Aktenzeichen  1 ZB 15.1513

Datum:
20.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 133167
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 20 Abs. 4
VwGO § 124 Abs. 2
BauGB § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine Loggia im Sinn von § 20 Abs. 4 BauNVO ist ein in den Baukörper einspringender, nach einer oder mehreren Seiten offener Freisitz. (Rn. 7)

Verfahrensgang

M 11 K 14.2761 2015-05-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 21. Mai 2014, mit dem den Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung G* … erteilt wurde. In den Gründen des Bescheids wird ausgeführt, dass es sich bei den beiden Gebäudeeinschnitten im ersten Obergeschoss um Loggien handle, die gemäß § 20 Abs. 4 BauNVO nicht zur Geschossfläche zählten. Da das geplante Vorhaben die festgesetzte GFZ einhalte und somit allen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 67 der Klägerin entspreche, sei die Genehmigung gemäß § 30 Abs. 1 BauGB zu erteilen, ohne dass es des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB bedürfe. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf die Einschnitte im ersten Obergeschoss eine „massive Auskragung des Dachgeschosses“ vorliege und die im Eingabeplan als „Loggien“ bezeichneten Flächen anrechnungspflichtig seien, da sie nach mehr als einer Seite geöffnet seien und damit nicht dem Begriff der Loggia im Sinn von § 20 Abs. 4 BauNVO unterfielen. Deshalb werde die im Bebauungsplan Nr. 67 festgesetzte GFZ überschritten, so dass ihr Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 1 BauGB erforderlich sei, das sie jedoch nicht erteilen werde.
2. Die von der Klägerin allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Die Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt die Formulierung einer für die Entscheidung erheblichen, klärungsbedürftigen konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage voraus, der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, B.v. 30.3.2005 – 1 B 11.05 – NVwZ 2005, 709; B.v. 9.6.1999 –11 B 47.98 – NVwZ 1999, 1231).
Der Senat legt den Vortrag der Klägerin im Berufungszulassungsantrag (vgl. S. 4/5) dahingehend aus, es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob eine Loggia im Sinn von § 20 Abs. 4 BauNVO auch dann vorliegt, wenn sie zu mehreren als einer Seite geöffnet ist (S. 4 letzter Absatz des Berufungszulassungsantrags). Zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.
2.1 Eine einheitliche Auffassung im Hinblick auf die wörtliche Auslegung des Begriffs „Loggia“ kann weder der architektonischen noch der juristischen Fachliteratur entnommen werden. Vertreten wird zum einen die Auffassung, wesentliches Gestaltungselement der Loggia sei, dass sie allseitig festummauert in den Baukörper einbezogen sei bis auf die zur Straßen- oder Gartenseite hinausführende Seite, die offen bleibe (http://www.das-baulexikon.de//Loggia). Nach einem anderen Verständnis handelt es sich um an Wohnräume anschließende laubenartige Räume, die auf einer Seite nach dem Freien offen sind und als Abschluss eine Brüstung haben, während nach wiederum anderer Meinung eine Loggia eine nach einer oder mehreren Seiten offene Halle oder Laube ist, die bei mehrgeschossigen Wohnhäusern als ein in den Baukörper einspringender, nach außen jedoch offener Freisitz angeordnet wird (vgl. zusammenfassend Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 20 BauNVO Rn. 4).
2.2 Die Antwort auf die gestellte Frage ergibt sich jedenfalls aus dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 4 BauNVO:
Nach dieser Vorschrift bleiben bei der Ermittlung der Geschossfläche u.a. Balkone, Loggien und Terrassen unberücksichtigt. Diese durch die BauNVO 1968 eingeführte Regelung soll die Schaffung der genannten Gebäudeteile im Hinblick auf ihren hohen Wohnwert begünstigen (Regierungsvorlage zur BauNVO 1968, BRDrs. 402/68, S. 12). Damit soll der Neigung der Bauherren entgegengewirkt werden, zur Ausschöpfung des Höchstmaßes an zulässiger Geschossfläche auf den Wohnwert erhöhende Elemente wie Balkone, Loggien und Terrassen zugunsten der Schaffung geschlossener Aufenthaltsräume zu verzichten. Unter Berücksichtigung dieser ratio legis erscheint es dem Senat als einzig sachgerecht, dass der Begriff der Loggia im Sinn des § 20 Abs. 4 BauNVO auch dann erfüllt ist, wenn sie nicht nur an einer, sondern auch an mehreren Seiten offen ist. Nach alledem handelt es sich bei einer Loggia i.S.v. § 20 Abs. 4 BauNVO um einen in den Baukörper einspringenden, nach einer Seite oder mehreren Seiten hin offenen Freisitz (so wohl auch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Kautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 20 BauNVO Rn. 44).
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es der Billigkeit‚ die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Klägerin aufzuerlegen‚ da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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