Baurecht

Anfechtung einer wasserrechtlichen Genehmigungsfiktion

Aktenzeichen  AN 9 K 16.02544, AN 9 K 16.02545

Datum:
17.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 979
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 42a Abs. 2 S. 3
BayWG Art. 15, Art. 70 Abs. 1 Nr. 1, Art. 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 2, Abs. 3
WHG § 4 Abs. 2
BayKommZG Art. 22 Abs. 1
GG Art. 28 Abs. 2
BayGO Art. 57 Abs. 2
BV Art. 10, Art. 11 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Eine wasserrechtliche Erlaubnis mit Zulassungsfiktion (Art. 70 Abs. 1 Nr. 1 BayWG iVm Art. 42a Abs. 2 S. 3 BayVwVfG) hat dieselben Rechtswirkungen wie eine durch Verwaltungsakt erteilte inhaltsgleiche beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG. Gegen sie ist daher die Anfechtungsklage statthaft. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein kommunaler Zweckverband kann sich nicht auf den grundrechtsähnlichen Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) berufen. Er erwirbt nicht die ursprünglich seinen Verbandsmitgliedern zustehenden und verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechte. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Dem Wasserwirtschaftsamt kommt als Fachbehörde eine hervorragende Bedeutung und demzufolge seinen Auskünften und Gutachten ein besonderes Gewicht zu (ebenso BayVGH BeckRS 2014, 47188). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden verbunden und abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe

Die Klagen sind unzulässig.
Zwar ist nach Auffassung der Kammer die hier von den Klägern erhobene Anfechtungsklage statthaft und richtige Klageart, da die den Beigeladenen zugewachsene Erlaubnis mit Zulassungsfiktion gemäß Art. 70 Abs. 1 Nr. 1 BayWG dieselben Rechtswirkungen hat wie eine den Beigeladenen durch Verwaltungsakt erteilte inhaltsgleiche beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG. Die Kläger haben auch die durch die Zustellung der Mitteilung über die den Beigeladenen zugewachsene beschränkte Erlaubnis, die auch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war, in Gang gesetzte einmonatige Klagefrist ersichtlich eingehalten.
Allerdings fehlt es bei beiden Klägern an der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO.
Weder der Kläger zu 1) als Zweckverband noch der Kläger zu 2) als Gemeinde können sich im Hinblick auf die hier gegenständliche beschränkte Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Erdwärmesondenanlage auf dem Grundstück der Beigeladenen im Gemeindegebiet von … auf öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche stützen, da die nach Art. 70 Abs. 1 BayWG erteilte Erlaubnis mit Zulassungsfiktion „unbeschadet Rechte Dritter“ nach Art. 70 Abs. 3 BayWG ergeht. Darüber hinaus ist nach § 4 Abs. 2 WHG Grundwasser nicht eigentumsfähig, so dass auch insoweit kein subjektiv-öffentliches Recht der Kläger besteht.
Soweit sich die Kläger auf das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV berufen, so ist die Versorgung mit Trinkwasser Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde nach Art. 57 Abs. 2 GO, so dass das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde tangiert sein könnte. Allerdings kann der Kläger zu 1) als Zweckverband sich schon generell nicht auf den grundrechtsähnlichen Schutz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV berufen, da ein Zweckverband unabhängig von der Qualität der übertragenen Aufgaben nicht die ursprünglich seinen Verbandsmitgliedern zustehenden und verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechte erwirbt. Nach Art. 22 Abs. 1 KommZG gehen zwar Rechte und Pflichten der einzelnen Verbandsmitglieder, die dem Zweckverband übertragene Aufgabe zu erfüllen und die hierfür notwendigen Befugnisse auszuüben, auf den Zweckverband über. Dieser ist jedoch weder Gebietskörperschaft noch Gemeindeverband im Sinn von Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 10 BV, denn er besitzt keine Kompetenz für ein fest umrissenes Hoheitsgebiet, sondern lediglich für eine mit einem bestimmten Zweck zusammenhängende, ihm übertragende Aufgabe (VG München, U.v. 23.10.2009 – M 24 K 08.4958 – juris).
Aber auch der Kläger zu 2) kann sich hier nicht auf eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts berufen, da eine Beeinträchtigung oder selbst eine bloße Gefährdung der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung des Marktes … durch die gegenständliche Erdwärmesondenanlage praktisch ausgeschlossen ist.
Denn zum einen ist nach der Auffassung des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes …, dem nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als Fachbehörde eine hervorgehobene Bedeutung und demzufolge seinen Auskünften und Gutachten ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.2.2014 – 8 CS 13.1848), eine nachteilige Beeinflussung öffentlicher Belange bei einer Bohrtiefe von 55 m ausgeschlossen. Danach liegt im hier maßgeblichen Bereich der geplanten Erdwärmesonden bei der erlaubten Bohrtiefe bis 55 m keine verschiedene Grundwasserstockwerke trennende durchgehende Schicht aus wasserundurchlässigem Material vor, so dass eine Beeinträchtigung der Wasserqualität durch das Einbringen und den Betrieb der Erdwärmesonden nicht zu erwarten ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch das von den Beigeladenen mit dem Antrag auf Erteilung der Erlaubnis für die thermische Nutzung des oberflächennahen Grundwassers mit Erdwärmesonden gemäß Art. 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BayWG vorgelegte Sachverständigengutachten, das sich ebenso wie die Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes … auf die Daten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt stützt, wobei die zum Zeitpunkt der Antragstellung aktuellsten Daten (Stand 29.5.2016) des Informationssystems oberflächennahe Geothermie zugrunde gelegt wurden. Zwar haben die Kläger im Verfahren durch die von ihnen beauftragten Gutachter … und … versucht, das durchgehende Vorhandensein einer Trennschicht im gesamten Gemeindegebiet von … zwischen dem Oberen Burg-sandstein und dem Mittleren Burgsandstein darzulegen, dies ist aber nach Ansicht des Gerichts nicht gelungen. Denn die von den Klägern beauftragten Sachverständigen haben, wie sich insbesondere in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, lediglich das von ihnen angenommene Modell der geologischen Verhältnisse im Bereich des gegenständlichen Grundstücks an die Stelle der auf den Daten des LfU beruhenden Annahmen des Sachverständigen … und insbesondere auch des Wasserwirtschaftsamtes gestellt. Dabei hat der Sachverständige … in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass Daten über die geologische Beschaffenheit des Untergrunds im Bereich der vorhandenen Brunnen des Klägers zu 1) gewonnen wurden, während er bezüglich der weiter im Süden vorhandenen geologischen Formationen davon ausgehe, dass sich die bei den Bohrungen der Brunnen im Norden von … festgestellten geologischen Verhältnisse nach Süden unverändert fortsetzen. Dem stehen die Feststellungen des Wasserwirtschaftsamtes und des Landesamtes für Umwelt auf Grund der Bohrungen im Rahmen der Erkundung der ICE-Trasse … entgegen, bei denen sich nach den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes in den im Verfahren eingeholten Stellungnahmen ergeben hat, dass zwar erheblich weiter nördlich im Bereich … eine Grenzschicht vorhanden ist, auf Grund der der Untere Burgsandstein dort ein eigenständiges stark gespanntes Grundwasservorkommen bilde, das hydraulisch von den darüber liegenden Grundwasserstockwerken getrennt sei. Richtung Südosten entwickelten sich die Schichtfolgen immer sandiger, deshalb werde dort der Grundwasserstockwerksbau dadurch vollkommen aufgelöst und alle relevanten weiter im Nordwesten noch stockwerkstrennenden Tonschichten gingen in Sandstein über. Abgesehen von dem besonderen Gewicht, das der fachlichen Beurteilung des Wasserwirtschaftsamtes im Gegensatz zu Parteigutachten zukommt, ist auch ersichtlich, dass sich die zugrundeliegenden geologischen Daten aus einer von … reichenden Folge von Bohrlöchern und deren langjähriger Beobachtung im Zusammenhang mit der ICE-Neubaustrecke … ergeben, während die Brunnen des Klägers zu 1) lediglich im Bereich nordöstlich von … gelegen sind und sich deshalb Rückschlüsse auf die Situation im Bereich des Grundstücks der Beigeladenen keinesfalls mit größerer Sicherheit treffen lassen als auf Grund der Daten aus den wesentlich weiträumiger und von Norden nach Süden durchgehenden Bohrungen, die die Behörden ihrer Auffassung zugrunde gelegt haben.
Hinzu kommt, dass auch eine Beeinträchtigung der aktuellen Brunnen des Klägers zu 1), dem die Trinkwasserversorgung des Klägers zu 2) übertragen wurde, durch die hier gegenständlichen Erdwärmesonden praktisch ausgeschlossen ist. Wie sich insbesondere in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, liegt nach dem vom Wasserwirtschaftsamt vorgelegten Plan mit den Grundwasserströmungen, der vom Sachverständigen … selbst erstellt wurde, der Standort der geplanten Erdwärmesonden deutlich außerhalb des Einzugsgebietes der Brunnen I bis V des Klägers zu 1). Zudem ist die Grundwasserfließrichtung tendenziell von Ost nach West und im Bereich des Grundstücks der Beigeladenen von Südost nach Nordwest, so dass, wie von der Fachbehörde ausgeführt, das von den Erdwärmebohrungen tangierte Grundwasser in Richtung der Brunnen der … läuft, wenn auch nach Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes in einem Zeitraum von Jahrzehnten. Aus diesem Grund wäre, selbst wenn im Bereich des Grundstücks der Beigeladenen eine Trennung zwischen dem Grundwasser im Oberen Sandstein und dem im Mittleren Sandstein in Form einer Lettenschicht vorhanden wäre, die durch die Bohrungen durchstoßen würde, nicht zu erwarten, dass dies einen Einfluss auf die Brunnen des Klägers zu 1) und damit die Trinkwasserversorgung des Klägers zu 2) haben könnte. Dabei geht das Gericht nach den Ausführungen der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes und des Landratsamtes … in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass eine Änderung des Einzugsgebiets der Brunnen des Klägers zu 1) im Bereich … in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, zumal die Bewilligungen für die entsprechende Grundwasserbenutzung bis 2035 erteilt wurden. Selbst nach den Angaben der Kläger im Verfahren ist weder absehbar noch insbesondere konkret geplant, den Einzugsbereich der Brunnen zu verändern und insbesondere derart auszuweiten, dass das Grundstück der Beigeladenen im Einzugsbereich der Brunnen des Klägers zu 1) liegen würde. Soweit der Klägervertreter darauf abstellt, dass der Kläger zu 1) Trinkwasser von der … bezieht und die Lieferung dieses Trinkwassers der der … erteilten Änderung der Bewilligung zur Grundwassernutzung vom 15. Januar 2008 zugrunde gelegen habe, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass Inhaber der Bewilligung die … ist und somit allenfalls eine Geltendmachung etwaiger Beeinträchtigungen in der Trinkwassergewinnung durch die … denkbar wäre, die aber gerade trotz der ihr gegenüber erfolgten Zustellung der Mitteilung über die den Beigeladenen zugewachsene Erlaubnis keine Klage erhoben hat. Darüber hinaus erscheint es nach den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes … dahingehend, dass die hier geplanten Erdwärmesonden im äußersten Bereich des Einzugsgebietes der Brunnen der … gelegen seien und das Grundwasser einen Zeitraum von Jahrzehnten benötige, um bis zu diesen Brunnen zu gelangen, ebenfalls praktisch ausgeschlossen, dass eine relevante Beeinträchtigung der Trinkwassergewinnung durch die … durch die hier erlaubte Nutzung erfolgen könnte.
Letztendlich ist nach dem verbindlichen Inhalt der den Beigeladenen zugewachsenen beschränkten Erlaubnis selbst dann, wenn es sich um verschiedene Grundwasserstockwerke beim Oberen und Mittleren Sandstein handelte und eine dazwischen liegende Trennschicht durchgängig und auch beim Grundstück der Beigeladenen vorhanden wäre, nicht zu befürchten, dass durch die geplanten Erdwärmesonden eine Beeinträchtigung der Grundwasserqualität im mittleren und unteren Bereich erfolgen könnte. Denn wie von den Beklagtenvertretern zutreffend angeführt, enthält das mit dem Antrag vorgelegte Gutachten, das die Bedingungen für die Errichtung und den Betrieb der Erdwärmesondenanlage verbindlich regelt, in Nr. 2.2. Bauausführung genaue Auflagen für den Fall, dass während der Bohrung unerwartet eine grundwasserstauende oder hemmende Schicht berührt würde. Auch dadurch ist praktisch ausgeschlossen, dass eine relevante Schädigung der tieferliegenden Grundwasservorkommen durch die hier angefochtene Erlaubnis bewirkt werden könnte.
Damit fehlt es nach Überzeugung der Kammer hier schon an der Klagebefugnis für beide Kläger, so dass die Klagen unzulässig sind.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich weiter, dass die Klagen in jedem Fall auch unbegründet wären, da weder eine Rechtsverletzung noch eine Beeinträchtigung der Kläger bei der Gewinnung von und der Versorgung der Bevölkerung von … mit Trinkwasser durch die Erdwärmesondenanlage hervorgerufen wird, wobei im Hinblick auf den von den Klägervertretern angeführten § 12 Abs. 1 WHG eine solche Beeinträchtigung oder Schädigung „zu erwarten“ sein muss, was heißt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer solchen Folge auszugehen sein müsste. Dies ist hier aber keinesfalls gegeben, da entsprechende Negativfolgen für die Kläger durch die erteilte beschränkte Erlaubnis praktisch ausgeschlossen sind.
Deshalb war hier auch die von den Klägern beantragte Beweiserhebung nicht geboten, da zum einen nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Beurteilung der vorliegenden Daten aus den Akten durch einen weiteren Sachverständigen zu neuen und relevanten Erkenntnissen führen würde; eine konkrete Erforschung der geologischen Verhältnisse beim Grundstück der Beigeladenen haben die Kläger aus Kostengründen abgelehnt. Zudem lag hier durch die konkreten, schlüssigen Feststellungen des Wasserwirtschaftsamtes …, denen als Äußerung der zuständigen Fachbehörde besonderes Gewicht zukommt, eine hinreichende fachliche Einschätzung der unter Beweis gestellten Tatsachen vor. Die von den Klägern beauftragten Sachverständigen haben weder schlüssig darlegen, geschweige denn belegen können, dass die fachlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes unvollständig oder widersprüchlich seien, auf einem fehlerhaften Sachverhalt beruhten, dass die jeweiligen Gutachter nicht hinreichend sachkundig oder parteilich seien oder dass die Gutachter der Kläger erkennbar über überlegene Forschungsmittel verfügten (vgl. BayVGH a.a.O. juris Nr. 21).
Damit waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Eine Auferlegung der Kosten der Beigeladenen auf die Kläger war hier nicht veranlasst, da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen haben, § 162 Abs. 3 VwGO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.


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