Baurecht

Anfechtungsklage der Gemeinde gegen Bauvorbescheid für Vertriebene und Spätaussiedler unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens

Aktenzeichen  1 B 19.221

Datum:
15.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18512
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1
BayBO Art. 71
BauGB § 34, § 35 Abs. 2, Abs. 3, § 36 Abs. 1, Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1. Bei der Klage einer Gemeinde gegen einen Vorbescheid, der unter Ersetzung des nach § 36 Abs. 1, 2 Satz 3 BauGB erforderlichen Einvernehmens erteilt wurde, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids abzustellen. (Rn. 20)
2. Die rechtliche Frage, ob eine nicht genehmigte Bebauung für die Beurteilung eines Bebauungszusammenhangs zu berücksichtigen ist, ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn der Beurteilungszeitpunkt ein Zeitpunkt in der Vergangenheit ist. Die Gemeinde soll auch in den Fällen, in denen ein Vorhaben ihren planerischen Vorstellungen nicht entspricht, von ihrer planungsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen können, durch Aufstellung eines Bauleitplans die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines Vorhabens zu ändern und zur Sicherung der Planung das Mittel der Veränderungssperre zu ergreifen. (Rn. 16)

Verfahrensgang

M 1 K 15.4168 2016-02-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollsteckbar. Für den Beklagten ist die Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beigeladene darf diese Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beigeladenen ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht stattgegeben, weil der dem Beigeladenen erteilte Vorbescheid zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1) rechtswidrig ist und die Klägerin in ihrer Planungshoheit verletzt (§ 113 Abs. Satz 1 VwGO). Das geplante Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig, weil der Standort des östlichsten Baukörpers auf dem Vorhabengrundstück nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 Abs. 1 BauGB liegt, sondern dem Außenbereich (§ 35 BauGB) angehört (1.). Als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt das geplante Bauvorhaben öffentliche Belange, da gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB eine Ausuferung des Ortsteils in den Außenbereich und eine Zersiedelung des Außenbereichs aufgrund der Vorbildwirkung konkret zu befürchten ist (2.). Die Lage des östlichsten Gebäudes im Außenbereich führt zur Gesamtaufhebung des Vorbescheids (3.). Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte das durch die Klägerin verweigerte Einvernehmen zu Unrecht ersetzt, da die Versagung des Einvernehmens rechtmäßig war (§ 36 Abs. 1, 2 Satz 3 BauGB).
1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des geplanten Bauvorhabens beurteilt sich nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weil der Standort des östlichsten Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück an dem Bebauungszusammenhang im Ortsteil T. nicht mehr teilnimmt.
Ein Bebauungszusammenhang im Sinn von § 34 BauGB ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275; B.v. 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – NVwZ 1991, 879). Eine unbebaute Fläche ist – als Baulücke – Teil des Bebauungszusammenhangs, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt wird, dass die Errichtung eines Gebäudes auf dieser Fläche als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheint. Bebauung im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist nicht jede beliebige Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.2018 – 4 B 51.17 – NVwZ 2018, 1651; B.v. 5.4.2017 – 4 B 46.16 – ZfBR 2017, 471; U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – BauR 2012, 1626; BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 1 ZB 19.1663 – juris Rn. 4; B.v. 31.3.2020 – 1 ZB 19.1961 – juris Rn. 5).
Gemessen an diesen Maßstäben nimmt der Standort des östlichsten Gebäudes auf dem Grundstück des Beigeladenen nicht mehr am Bebauungszusammenhang seiner Umgebungsbebauung teil. Nach dem Eindruck, den der Senat bei der Ortsbesichtigung gewonnen hat, endet der im Zusammenhang bebaute Ortsteil am östlichen Gebäuderand des Wohngebäudes auf dem Grundstück FlNrn. … Soweit der Bevollmächtigte des Beigeladenen annimmt, dass das Vorhabengrundstück sich jedenfalls in dem durch die Bebauung auf dem Grundstück FlNr. … gezogenen Rahmen halte, lässt sein Vortrag unberücksichtigt, dass die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich nicht gradlinig verlaufen muss, sondern grundsätzlich auch vor- und zurückspringen kann (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.1990 – 4 B 103.90 – BayVBl 1991, 473). Das südlich des Grundstücks des Beigeladenen gelegene Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … kann dem Standort des östlichsten Gebäudes auf dem Vorhabengrundstück keinen Bebauungszusammenhang vermitteln. Nach seinem äußeren Eindruck tritt das Gebäude als Pferdestall in Erscheinung. Eine Aufenthaltsmöglichkeit im oberen Geschoss, die beim Ortstermin sichtbar wurde, als sich eine Person an den oberen Fenstern zeigte, ist nicht genehmigt. Eine solche nicht genehmigte Bebauung ist nur zu berücksichtigen, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden haben (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2002 – 4 C 6.01 – BauR 2002, 1811; U.v. 23.11.1988 – 4 B 29.98 – NVwZ-RR 1999, 364; U.v. 14.9.1992 – 4 C 15.90 – NVwZ 1993, 985; BayVGH, U.v. 9.9.2015 – 1 B 15.251 – juris Rn. 15). Da es sich hier um eine Klage einer Gemeinde gegen einen Vorbescheid, der unter Ersetzung des nach § 36 Abs. 1, 2 Satz 3 BauGB erforderlichen Einvernehmens erteilt wurde, handelt, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids abzustellen; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen müssen unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1). Maßgeblich für die Kenntnis der Behörde ist daher auf den Zeitpunkt des Erlasses des Vorbescheids am 19. August 2015 abzustellen. In der mündlichen Verhandlung hat der langjährige Sachgebietsleiter des Bauamts angegeben, dass er von einer eventuellen Wohnnutzung in einem ausgebauten Dachgeschoss des genehmigten Pferdestalls erst seit Dezember 2020 nach Erhalt des Protokolls der Ortsbesichtigung Kenntnis erhalten hat. Im Hinblick auf die konkrete und widerspruchsfreie Zeugenaussage besteht für den Senat kein Anlass zu einer weiteren Aufklärung. Insbesondere kommt es angesichts des Zeitpunkts der Kenntnisnahme des Bauamts nicht darauf an, ob das als Pferdestall genehmigte Gebäude schon vor dem Jahr 2015 zu Wohnzwecken genutzt worden ist. Der Senat hat daher den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) als nicht entscheidungserheblich abgelehnt. Gleichermaßen ist es nicht entscheidend, seit wann der jetzige Eigentümer dort eine Wohnnutzung aufgenommen hat. Auch ob die Bauaufsichtsbehörde nunmehr nach einer durchzuführenden Baukontrolle beabsichtigt, gegen die (Wohn-)Nutzung im Obergeschoss des Pferdestalls bauaufsichtlich einzuschreiten, vermag an dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Kenntnis der Behörde nichts zu ändern. Die rechtliche Frage, ob eine nicht genehmigte Bebauung zu berücksichtigen ist, ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn der Beurteilungszeitpunkt ein Zeitpunkt in der Vergangenheit ist. Die in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgesehene Mitwirkung der Gemeinden ist auf die Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit ausgerichtet. Sie sollen im Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens mitentscheiden und beteiligt werden und auch in den Fällen, in denen ein Vorhaben ihren planerischen Vorstellungen nicht entspricht, von ihrer planungsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen können, durch Aufstellung eines Bauleitplans die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines Vorhabens zu ändern und zur Sicherung der Planung das Mittel der Veränderungssperre zu ergreifen (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 a.a.O.; U.v. 26.3.2015 – 4 C 1.14 – BayVBl 2916, 60). Das hat die Klägerin vorliegend auch getan. Nach dem am 19. Februar 2020 bekannt gemachten Bebauungsplan „N. Straße – Südlich des T.“ ist das geplante Heim für Vertriebene und Spätaussiedler bereits nach der textlichen Festsetzung 4.1, die eine solche Nutzung ausschließt, nicht mehr zulässig. Eine schutzwürdige Rechtsposition des Bauherrn besteht daher nicht. Das Wohngebäude und der Pferdestall auf den Grundstücken FlNrn. … und … sind auch nicht wegen ihrer räumlichen Anordnung als eine im Dorfgebiet typische Einheit zu sehen, insbesondere handelt es sich bei dem Pferdestall nicht um eine zu der Wohnnutzung gehörende Nutzung und damit um einen unselbständigen Annex, vergleichbar mit der auf dem Grundstück FlNr. … genehmigten Garage oder anderer Nebengebäude in der näheren Umgebung. Denn nach dem Eindruck, den der Senat bei der Ortsbesichtigung gewonnen hat, tritt der Pferdestall als eigenständiges, hinter dem Wohnhaus liegendes Gebäude in Erscheinung (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 1 ZB 20.2692, 1 ZB 20.2693 – juris Rn. 10). Als Nebengebäude dient der genehmigte Pferdestall nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen und vermag die Zurechnung des östlichsten Teils des Vorhabengrundstücks zu einem Bebauungszusammenhang nicht zu begründen. Auch die Tatsache, dass der Pferdestall mit einem Kamin genehmigt und in Massivbauweise errichtet worden ist, vermittelt dem Gebäude kein von seiner Nutzung losgelöstes städtebauliches Gepräge. Auf die Frage einer prägenden Wirkung des genehmigten Lagergebäudes auf dem nordöstlichen Teil des Vorhabengrundstücks FlNr. … sowie des als Garagengebäude genehmigten eingeschossigen Gebäudes auf dem nördlich liegenden Grundstück FlNr. … kommt es daher nicht (mehr) entscheidend an. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob es sich bei dem Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … um eine selbständige Halle handelt, die zu gewerblichen Zwecken genutzt und genehmigt worden ist. Es ist auch nicht erforderlich, die Bauakte mit der Baugenehmigung für das Grundstück FlNr. … anzufordern und einzusehen. Der Senat hat daher den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag als nicht entscheidungserheblich angesehen. Weiter kommt es auf die Fragen, ob die Lagerhalle auf dem Grundstück FlNr. … bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs vom Rechtsvorgänger auf den Beigeladenen im Jahr 2010 zu Lagerzwecken für Baumaterial und Baufahrzeuge genutzt worden ist und der Beigeladene diese Lagerung bis zum Jahr 2016 fortgeführt hat, nicht entscheidend an. Zudem sind die von dem Bevollmächtigten im Berufungsverfahren vorgelegten Lichtbilder zur Lagerung von Baumaterial und Baufahrzeugen auf dem Vorhabengrundstück Bestandteil der Gerichtsakte und dem Senat bekannt. Der Senat hat daher den entsprechenden in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag abgelehnt. Örtliche Besonderheiten, die ausnahmsweise eine Ausdehnung des Bebauungszusammenhangs nach Nordosten rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Auch der Wald, der sich nach einem an das Vorhabengrundstück angrenzenden Grünstreifen anschließt, stellt keine markante Grenze dar und vermag nach den festgestellten topografischen Gegebenheiten nicht den Eindruck der Zugehörigkeit des Baugrundstücks zum Bebauungszusammenhang zu vermitteln (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96 – BauR 1997, 807).
2. Das geplante Bauvorhaben ist als sonstiges Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, da es öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.
Die Ausweitung des Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich beeinträchtigt hier als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) öffentliche Belange. Es ist Aufgabe der Bauleitplanung oder einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB, die städtebauliche Entwicklung zu ordnen und zu lenken (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.1999 – 4 B 77.99 – BauR 2000, 1175; U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – NVwZ 1985, 747; BayVGH, B.v. 31.3.2020 -1 ZB 19.1961 – juris Rn. 8). Die Anschlussbebauung von der bebauten Ortslage aus in den Außenbereich ist in der Regel ein Vorgang der – siedlungsstrukturell unerwünschten – Zersiedelung, wenn das Vorhaben konkret geeignet ist, Nachfolgebebauung nach sich zu ziehen. In einem solchen Fall erfordern es die öffentlichen Belange, den ersten Ansätzen entgegenzutreten (BVerwG, B.v. 11.10.1999 a.a.O). Ein Ausnahmefall einer siedlungsstrukturell nicht zu missbilligenden Außenbereichsbebauung (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1985 a.a.O.) liegt hier nicht vor. Dem geplanten Bauvorhaben käme eine Bezugsfallwirkung für weitere Vorhaben zur Ausweitung der Bebauung in den Außenbereich zu. Es könnte dazu führen, dass auf dem südlich des Pferdestalls gelegenen Grundstück weitere (Haupt-)Gebäude entstehen könnten. Der Tatbestand des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB setzt nicht voraus, dass als Folge der Zulassung des insoweit öffentliche Belange beeinträchtigenden Vorhabens ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entsteht (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2019 – 1 B 17.2077 – juris Rn. 22). Es genügt, dass die Gründe, die weiteren Vorhaben entgegengehalten werden könnten, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen versagt würde, mit der Genehmigung also ein sog. Berufungsfall geschaffen würde (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – BauR 2012, 1626; BayVGH, B.v. 8.10.2020 – 1 ZB 17.2319 – juris Rn 14). Insofern ist die Gefahr einer weiteren Zersiedlung hier hinreichend konkret zu befürchten (BayVGH, B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1567 – juris Rn. 39). Die städtebauliche Entwicklung, zumindest was die Bebauung bislang unbebauter Außenbereichsflächen betrifft, durch Bebauungspläne zu ordnen und zu lenken, ist Aufgabe der Beigeladenen, die für den hier maßgeblichen Bereich zwischenzeitlich einen Bebauungsplan beschlossen hat.
3. Die Lage des östlichsten Gebäudes im Außenbereich führt zur Gesamtaufhebung des Vorbescheids. Gegenstand einer bauplanungsrechtlichen Beurteilung eines Vorbescheidsverfahrens ist das Vorhaben im Sinn von § 29 Abs. 1 BauGB. Es ist Sache des Bauherrn, durch seinen Vorbescheidsantrag den Inhalt des Vorhabens festzulegen, soweit er sich innerhalb derjenigen Grenzen hält, die einer Zusammenfassung oder Trennung objektiv gesetzt sind. Ob ein Bauherr eine selbständige Voranfrage für ein Gesamtvorhaben oder mehrere Einzelvorhaben zur Genehmigung gestellt hat, beurteilt sich nach dem jeweiligen Antrag, der unter Umständen der Auslegung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 6.2.2013 – 4 B 39.12 – juris Rn. 11; B.v. 5.3.1999 – 4 B 62.98 – BauR 1999, 1281; BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – BayVBl 2019, 562; Sächs.OVG, B.v. 13.8.2012 – 1 B 242/12 – NVwZ-RR 2013, 14). Entsprechende Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für ein mehrere Baumaßnahmen umfassendes „Gesamtvorhaben“, das objektiv betrachtet jeweils getrennt beurteilt werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2021 – 1 ZB 18.1826 – juris Rn. 5). Dass insgesamt drei Gebäude Gegenstand der Voranfrage waren, ergibt sich bei sachgerechter Auslegung der mit dem Vorbescheidsantrag vorgelegten Angaben in den Antragsunterlagen. Ob es sich dabei um drei identische Baukörper handelt, die jeweils der Unterbringung von Heimbewohnern dienen sollen, mit der Folge, dass objektiv eine Begrenzung auf zwei Hauptkörper in einem weiteren Verfahren möglich ist, vermag daran nichts zu ändern.
Damit ist von einem einheitlichen Konzept und einer einheitlichen Frage auszugehen. Da maßgeblicher Zeitpunkt für das Verfahren bei Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung bzw. des Vorbescheids ist, ist auch eine nachträgliche Begrenzung des Vorbescheidsantrags auf nur noch zwei Gebäude ohne Belang. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine entsprechende Rechtsprechung damit begründet, dass die Gemeinde bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Vorbescheid erteilt wurde, das Recht habe, die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu Lasten des Bauherrn im Wege der Bauleitplanung zu ändern (BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – BVerwGE 156, 1). Damit kann das geplante Gesamtbauvorhaben im Klageverfahren nicht in möglicherweise zulässige Einzelbauvorhaben aufgeteilt werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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