Baurecht

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (abgelehnt), Beschwerde (erfolglos), Nachbarschutz gegen eine Baugenehmigung, Baumwurfgefahr bei Errichtung eines Wohnhauses in Waldrandnähe, Bauvorbescheid, Rücksichtnahmegebot, Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers, bauordnungsrechtliche Abweichungszulassung

Aktenzeichen  15 CS 21.1081

Datum:
26.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9446
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 146
BauGB § 34
BayBO Art. 3 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 Nr. 1, Art. 12, Art. 59 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2, Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Art. 68 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 7 S 21.183 2021-03-11 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller sind Eigentümer des ca. 0,5 – 0,6 ha großen Waldgrundstücks FlNr. … der Gemarkung W …, das sich auf einer Breite von etwa 45 m entlang der ansonsten (z.T. bis in die zweite und dritte Reihe) bebauten Südseite der Straße „In der W …“ erstreckt. Sie wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für das westlich angrenzende, nach Einstufung der Antragsgegnerin im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) liegende Baugrundstück FlNr. … (Hinterliegergrundstück in zweiter Reihe, südlich angrenzend an die unmittelbar an der Straße „In der W …“ liegende FlNr. …).
Die Beigeladene beantragte unter dem 14. Juni 2019 eine Baugenehmigung für den „Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Garage und Stellplätzen“. Nach den (später mit Genehmigungsstempel versehenen) Bauvorlagen handelt es sich um einen eingeschossigen Bungalowbau mit Flachdach (Wandhöhe 3,63 m). Während die Garage im nordöstlichen Eck des Baugrundstücks unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze errichtet werden soll, hält die Ostwand des Wohntrakts eine Abstandsfläche von 3 m zum Waldgrundstück der Antragsteller ein.
Im Baugenehmigungsverfahren gab das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) W … … folgende Stellungnahme vom 5. November 2019 ab:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
das neue Wohnhaus soll im Abstand von nur etwa 3 m und damit im Fall- und Kronenbereich der östlich auf dem Waldgrundstück Fl.Nr. … der Gmk. W … … stockenden, bis 30 m hohen Fichten errichtet werden. Aufgrund der zunehmenden extremen Witterungsereignisse ist auch entgegen der Hauptwindrichtung die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Wohnhaus in absehbarer Zukunft von umstürzenden Bäumen oder abbrechenden Kronen beschädigt wird. Zudem ist eine Verletzung von sich darin aufhaltenden Personen dann nicht auszuschließen.
Insbesondere aufgrund dieser (Personen) gefährdungslage ist h.E. das Grundstück Fl.Nr. … nicht wie vorgesehen bebaubar. Das Gefährdungspotenzial des angrenzenden hiebsreifen Fichtenbestandes könnte allerdings durch Einschlag und Umbau in einen stabilen Laub-/Mischwald minimiert werden.
Alternativ wäre aus hiesiger Sicht auch eine verstärkte Dach- und Wandkonstruktion des Wohnhauses, welche der Fallenergie umstürzender Bäume standhält, ins Auge zu fassen. Eine Haftungsverzichts- und Freistellungserklärung zugunsten des jeweiligen Eigentümers o.g. Waldgrundstückes ist vom Bauwerber in jedem Falle einzufordern.“
Mit Schreiben vom 20. November 2019 führte die von der Beigeladenen beauftragte Architektin gegenüber der Stadtverwaltung der Antragsgegnerin aus, das geplante Gebäude solle als massiver Mauerwerksbau mit einer Stahlbetondecke (Flachdach) mit massiver Attika ausgeführt werden. Diese Ausführung sei von allen konventionellen Dachausführungen diejenige, die am ehesten Krafteinwirkung von außen standhalte. Eine Gefährdung von Personen, die sich im Gebäude aufhielten, sei damit nicht gegeben. Dies könne durch den beauftragten Statiker auch nachgewiesen werden.
Unter dem 20. November 2019 (Eingang beim Bauverwaltungsamt der Antragsgegnerin am 25. November 2019) beantragte die Beigeladene die Zulassung von Abweichung von den Vorgaben des Art. 3 und des Art. 4 BayBO, als hiernach bei der Errichtung von baulichen Anlagen Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden dürften (Art. 3 Satz 1 BayBO) und das Baugrundstück nach seiner Lage für die beabsichtigte Bebauung geeignet sein müsse (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBO). Zur näheren Bezeichnung der Abweichung ist im Antrag ausgeführt, dass die geplante Bebauung in unmittelbarer Nähe zu einem Waldgrundstück errichtet werden solle, wobei der Abstand von baulichen Anlagen zu Waldflächen an sich 25 m betragen solle. Zur Begründung des Abweichungsantrags heißt es:
„Die vorgesehene Ausführung des geplanten Gebäudes lässt eine Gefährdung durch umstürzende Bäume von Personen (…) innerhalb des Gebäudes nicht zu. Es könne lediglich geringfügiger Sachschaden am Gebäude entstehen. Der Aufenthalt im Freien bei starkem Wind oder Sturm ist im Allgemeinen und überall mit Gefahren behaftet. Da innerhalb des Gebäudes Sicherheit besteht, ist die Gefahrenlage nicht höher als auf allen Straßen mit begleitendem Baumbestand. Gegenüber der Stadt W … und dem Waldeigentümer wird Haftungsverzicht erklärt.“
Mit Bescheid vom 3. Februar 2020 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung u.a. mit folgenden Nebenbestimmungen:
„2.3 Es ist der Nachweis zu erbringen, dass das Gebäude so konstruiert und einzelne Bauteile so dimensioniert sind, dass bei einem Baumwurf auf das Gebäude die sich darin aufhaltenden Personen ausreichend geschützt sind. Dies ist durch eine Bescheinigung eines Sachverständigen gemäß PrüfVBau über die Vollständigkeit und Richtigkeit des zu erstellenden Standsicherheitsnachweises und die in Bezug auf die Standsicherheit ordnungsgemäße Bauausführung nachzuweisen.
2.4 Zur Vermeidung von Waldbränden sind die geplanten Kamine, in Abstimmung mit dem zuständigen Bezirkskaminkehrer, mit sog. Funkenfluggittern auszustatten.“
Unter Nr. 3 des Bescheidtenors werden die beantragten Abweichungen von Art. 3 BayBO („Bauaufsichtliche Generalklausel“, Nr. 3.1) und von Art. 4 BayBO („Eignung des Grundstücks hinsichtlich der Lage zum östlich angrenzenden Wald“, N. 3.2) zugelassen.
Laut der Bescheidbegründung verstoße das genehmigte Vorhaben nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf die heranrückende Wohnbebauung an den östlich angrenzenden Wald der Antragsteller. Der Bauherr habe sich und seine Rechtsnachfolger u.a. gegenüber den Eigentümern des Waldgrundstücks verpflichtet, sämtliche Einwirkungen auf das Baugrundstück durch Baumwurf zu dulden und insoweit auf Schadensersatzansprüche zu verzichten, die zum Inhalt des Eigentums gehören. Der betroffene Eigentümer des Waldgrundstücks habe nach der gängigen Rechtsprechung keinen Anspruch darauf, dass der Baumwurfbereich des o.g. Baugrundstücks von jeglicher Bebauung freigehalten werde. Zudem könne in Zusammenschau mit der hier vorliegenden Lage des Waldes in Hauptwindrichtung sowie dem unter Ziffer 2.3 beauflagten statischen Nachweis über eine ausreichend gegen Baumwurf geschützte Gebäudekonstruktion und Dimensionierung der Bauteile in Abstimmung mit dem AELF die unter Ziffer 3 genannten Abweichungen von Art. 3 und Art. 4 BayBO unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO zugelassen werden. Die Auflage Nr. 2.3 diene der Verminderung der Baumwurfgefahr für Gebäudenutzer auf ein vertretbares Maß im Hinblick auf den angrenzenden Wald.
Am 2. März 2020 erhoben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg eine (dort weiterhin anhängige) Klage mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid vom 3. Februar 2020 aufzuheben (Az. RO 7 K 20.355). Ihren am 5. Februar 2021 gestellten, auf § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Eilantrag, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Mai 2021 ab. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei unbegründet, weil die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfende nachbarschützende Vorschriften verstoße. Das streitgegenständliche Vorhaben verstoße nicht zu Lasten der Antragsteller gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme [im Einzelnen vgl. Seiten 11 – 15 des Original-Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11.3.2021 sowie unten II. 2. b) ]. Das Vorhaben halte die Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts ein. Auch hinsichtlich der erteilten Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 und Art. 4 BayBO liege keine Nachbarrechtsverletzung vor. Werde von Normen abgewichen, die – wie vorliegend – ausschließlich öffentliche Belange der Allgemeinheit verfolgten, habe der Nachbar im Rahmen des aus Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme nur einen Anspruch darauf, dass seine Belange mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt würden. Dies sei ausweislich der Begründung der Baugenehmigung der Fall. Insofern sei zudem zu würdigen, dass nicht erstmals eine Bebauung in unmittelbarer Nähe des Grundstücks der Antragsteller genehmigt worden sei, sondern dass ohnehin bereits schon mehrere Haupt- und Nebengebäude auch auf anderen unmittelbar an das Waldgrundstück angrenzenden Nachbargrundstücken stünden. Art. 12 BayBO sei nicht Prüfmaßstab im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Eine Wurzelschädigung ihrer Bäume durch das Bauvorhaben könnten die Antragsteller nicht geltend machen, weil die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt werde. Insofern seien die Antragsteller auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Abwehransprüche begrenzt.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie tragen vor, Art. 3 BayBO räume ausnahmsweise Nachbarn Abwehrrechte ein, wenn durch die Bedrohung von Rechtsgütern des Einzelnen zugleich die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht sei. Davon sei im vorliegenden Fall auszugehen. Aus diesem Grund seien sie zugleich in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt. In der Sache werde ihnen aufgebürdet, ihren Waldbestand zu beseitigen. Eine Haftungsverzichtserklärung bedürfe im Einzelfall der Auslegung und führe zu Rechtsstreitigkeiten, wenn es um die Frage der Sicherheit des Baumbestands gehe. Der Versicherer werde nicht nur die Prämie der Haftpflichtversicherung wegen des in der Nachbarschaft entstehenden Wohngebäudekomplexes erhöhen, sondern ggf. auch eine Bestandsveränderung verlangen können. Dies ergebe sich aus dem Allgemeinen Versicherungsrecht und den Obliegenheiten der Versicherungsnehmer. Die Haftungsfreistellungserklärung der Beigeladenen erfasse auch nicht alle Risiken, z.B. bei Baumfällarbeiten. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vor. Eine Güterabwägung habe hinsichtlich der Abweichungserteilungen zu Art. 3 und Art. 4 BayBO nicht stattgefunden. Es klinge fragwürdig, wenn unter Nr. 2.3 der Genehmigung ein statischer Nachweis verlangt werde, dass bei Umstürzen eines Baumes die Bewohner nicht an Leib und Leben gefährdet seien, sondern die Statik einen Baumwurf aushalten müsse. Eine Ermessensausübung hinsichtlich Art. 63 Abs. 1 BayBO sei in der Sache nicht ersichtlich; ihre Interessen seien nicht bzw. nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Beigeladene habe keinen Nachweis über das Nichtbestehen einer Baumwurfgefahr vorgelegt. In vergleichbaren Fällen in der Nachbarschaft habe die Antragsgegnerin bei Identität von Baumeigentümer und Bauherrn vormals Bauvorhaben davon abhängig gemacht, dass der Baumbestand gerodet werde. Es sei nicht erklärlich, dass nunmehr andere Maßstäbe angelegt würden. Da offenbar weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene von ihnen – den Antragstellern – die Teilrodung ihres Baumbestandes beanspruchen könnten, sei eindeutig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig sei. Umgekehrt folge aus der Umsetzung der Baugenehmigung die Gefahr einer zivilrechtlichen Klage gegen sie auf Beseitigung des Waldbestandes. Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29.10.2020 (Az. 15 ZB 20.469) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt habe, dass die Brandschutzanforderungen des Art. 12 BayBO nicht Prüfmaßstab seien, sei möglicherweise das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nicht die richtige Verfahrensart. Jedenfalls sei die Abstandsfläche von 3 m nicht geeignet, ihre nachbarlichen Interessen zu schützen.
Die Antragsgegnerin, die Beigeladene sowie der Träger des öffentlichen Interesses haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert nicht daran, dass die Antragsteller keinen ausdrücklichen Beschwerdeantrag gestellt haben. Zwar verlangt § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO grundsätzlich einen bestimmten Antrag. Der Beschwerdeantrag kann sich aber auch sinngemäß aus den Beschwerdegründen ergeben. Insofern genügt es dem Antragserfordernis i.S. von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wenn sich aus dem innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO Vorgetragenen mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 21 m.w.N.; B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 13). Vorliegend ist der Beschwerdebegründung der Antragsteller gem. § 88 VwGO zu entnehmen, dass es diesen in der Sache darum geht, der Verwaltungsgerichtshof möge unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. März 2021 die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 3. Februar 2020, der gem. § 212a Abs. 1 BauGB kein Suspensiveffekt zukommt, anordnen.
2. Die so zu verstehende Beschwerde ist nach Maßgabe der von den Antragstellern dargelegten Gründe, auf die es wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Beschwerdeverfahren allein ankommt, unbegründet.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
a) Die Antragsteller können sich zur Begründung einer Nachbarrechtsverletzung durch die angefochtene Baugenehmigung nicht unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Dritte – wie hier die Antragsteller als Nachbarn – können sich mit einer Anfechtungsklage nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen einen Baugenehmigungsbescheid zur Wehr setzen, wenn dieser rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 4 m.w.N.; allg. zur Schutznormtheorie vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 15; HessVGH, B.v. 3.3.2016 – 4 B 403/16 – NVwZ 2016, 1101 = juris Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 89). Ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 GG zur Begründung des Nachbarrechtsschutzes kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, weil der Gesetzgeber in Ausfüllung seines legislatorischen Gestaltungsspielraums aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nachbarliche Abwehrrechte verfassungskonform ausgestaltet hat und unter Einschluss der Grundsätze des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme ein geschlossenes System des nachbarlichen Drittschutzes bereitstellt (BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5.87 – BVerwGE 89, 69 = juris Rn. 40; U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 40 ff.; U.v. 7.11.1997 – 4 C 7.97 – NVwZ 1998, 735 = juris Rn. 20 ff.; BayVGH, B.v. 23.2.2012 – 14 CS 11.2837 – BayVBl 2012, 727 = juris Rn. 42; B.v. 1.3.2016 – 15 CS 16.244 – juris Rn. 24; B.v. 1.6.2016 – 15 CS 16.789 – juris Rn. 15; B.v. 3.1.2018 – 15 ZB 16.2309 – juris Rn. 13). Allenfalls in Fällen, in denen das genehmigte Bauvorhaben eine unmittelbar gegenständliche Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes zur Folge hat, kann ausnahmsweise über Art. 14 GG ein Genehmigungsabwehranspruch begründet sein (für den Fall, dass die Umsetzung der Baugenehmigung die Begründung oder Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB auf dem Nachbargrundstück bewirkt, vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2018 a.a.O. juris Rn. 14 m.w.N.). Für einen solchen Ausnahmefall gibt weder die Aktenlage noch der Vortrag der Antragsteller etwas her.
b) Die Baugenehmigung verstößt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
Dem – hier entweder über § 34 Abs. 1 BauGB („einfügt“) oder über § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO anwendbaren – bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27). Eine heranrückende Wohnbebauung kann – etwa aufgrund einer zu prognostizierenden unzumutbaren Immissionsbelastung auf dem geplanten Standort – das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber einem (z.B. landwirtschaftlichen) Betrieb im Außenbereich verletzen, wenn sich hierdurch die Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage unzumutbar verschlechtern (insbes. wenn der Betrieb aufgrund der hinzutretenden Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen rechnen muss, vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27 m.w.N.; B.v. 29.10.2020 – 15 ZB 20.469 – juris Rn. 12; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris Rn. 77).
Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht, die streitgegenständliche Baugenehmigung verstoße auch mit Blick auf Baumwurfgefahren nicht gegen das Rücksichtnahmegebot wie folgt begründet: Drohende Schadenersatzansprüche beträfen keinen bodenrechtlichen Belang. Das Gebot der Rücksichtnahme gebe dem Eigentümer eines Waldgrundstücks trotz durch die Bebauung möglicherweise steigender Haftungsrisiken und unabhängig von einer etwaigen Haftungsfreistellungserklärung des Bauherrn keinen Anspruch darauf, dass der Baumwurfbereich eines benachbarten Grundstücks von jeglicher Bebauung freigehalten werde. Die Vermeidung einer Baumwurfgefahr falle in den Verantwortungsbereich des verkehrssicherungspflichtigen Waldbesitzers und bestehe daher unabhängig vom streitgegenständlichen Bauvorhaben. Zu berücksichtigen sei zudem, dass auf den unmittelbar an das Grundstück der Antragsteller westlich angrenzenden Grundstücken mit den FlNrn. … und … sowie östlich angrenzenden Grundstücken mit den FlNrn. … und … bereits mehrere Gebäude (u.a. auch Wohnhäuser) stünden. Auch auf dem Baugrundstück selbst mit der FlNr. … befinde sich bereits ein Nebengebäude. Auf diese bereits vorhandenen Gebäude hätten die Antragsteller bereits jetzt Rücksicht zu nehmen. Hinzu komme, dass das Haftungsrisiko der Antragsteller erheblich durch die Nebenbestimmung 2.3 in der Baugenehmigung reduziert werde. Gemäß der Stellungnahme des AELF vom 5. November 2019 könne das Gefährdungspotenzial durch Einschlag und Umbau in einen stabilen Laubwald/Mischbestand minimiert werden. Zudem sei von der Beigeladenen die vom AELF geforderte Haftungsverzichts- und Freistellungserklärung zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Waldgrundstücks abgegeben worden. Eine erhebliche Einschränkung der bodenrechtlichen Nutzbarkeit des an das Vorhabengrundstück angrenzenden Waldes der Antragsteller durch das Bauvorhaben sei nicht ersichtlich. Die Antragsteller könnten den an die Bebauung angrenzenden Waldstreifen nach wie vor forstwirtschaftlich nutzen. Gewisse Einschränkungen – wie z.B. die Erforderlichkeit besonderer Sicherungsmaßnahmen beim Fällen einzelner Bäume sowie erhöhte Aufwendungen zur Bewirtschaftung des relevanten Grundstücksstreifens – seien den Antragstellern in Anbetracht der relativ kleinen relevanten Flächen im Vergleich zur Gesamtgröße des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks zumutbar. Soweit in der Rechtsprechung dennoch die Frage aufgeworfen werde, ob ausnahmsweise beim Vorliegen einer ganz konkreten und nicht bloß abstrakten Baumwurfgefahr das Rücksichtnahmegebot verletzt sein könne, liege eine solche in Anlehnung an die ordnungsrechtliche Begrifflichkeit in Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG nicht vor. Die Antragsteller hätten einen entsprechenden Ausnahmefall nicht aufgezeigt. Auch aus der Stellungnahme des AELF vom 5. November 2019 ergebe sich allenfalls eine abstrakte Gefahr. Hinzukomme, dass die Antragsteller selbst schriftsätzlich vorgetragen hätten, dass sich der Baumbestand wohl seit 100 Jahren auf ihrem Grundstück befinde und noch nie jemand behauptet habe, die Bäume seien nicht verkehrssicher. Auch aus einer von der Antragstellerseite in Bezug genommenen Entscheidung des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. August 2020 (Az. 8 A 11789/10) über eine Verpflichtungsklage des dortigen Bauherrn ergebe sich nicht, dass es unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes regelmäßig eines gutachterlichen Nachweises über das Nichtbestehen einer Baumwurfgefahr bedürfe.
Die gegen die erstinstanzliche Eilentscheidung rechtzeitig (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwendungen der Antragsteller, auf die der Senat wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein einzugehen hat, vermögen die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass trotz Möglichkeit des Baumwurfs auf das Baugrundstück die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt, nicht infrage zu stellen. Aufgrund der vorgetragenen Haftungsrisiken werden die Antragsteller als Nachbarn nicht in der bodenrechtlichen Nutzungsmöglichkeit ihres (Wald-) Grundstücks eingeschränkt; insbesondere wird eine forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes der Antragsteller aufgrund der künftigen Wohnnutzung in der Nachbarschaft nicht ausgeschlossen. Tangiert wird lediglich die ihnen für ihr Grundstück obliegende Verkehrssicherungspflicht. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, dass aus dem Rücksichtnahmegebot für den Eigentümer eines Waldgrundstückes trotz durch die Bebauung möglicherweise steigender Haftungsrisiken kein Anspruch auf Freihaltung des Baumwurfbereichs von jeglicher Bebauung ableitbar ist. Waldbesitzern – hier den Antragstellern – obliegt es vielmehr grundsätzlich und damit unabhängig von einem Bauvorhaben in der Nachbarschaft, einen den Anforderungen der Verkehrssicherungspflicht genügenden Zustand zu schaffen. Der rechtliche Umfang der Verkehrssicherungspflicht hängt nicht davon ab, ob das Nachbargrundstück bebaut ist. Dass die faktisch von Waldeigentümern aufzuwendende Sorgfalt bei einer Nachbarschaft zu einem unbebauten Grundstück regelmäßig geringer sein wird und dass dann womöglich die Waldbewirtschaftung einfacher ist, als wenn Wohnbebauung angrenzt, verleiht diesen grundsätzlich keine Abwehrposition gegen eine heranrückende Bebauung unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots. Waldeigentümer müssen vielmehr, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, immer damit rechnen, dass die ihrem Wald benachbarten Grundstücke auf eine Weise genutzt werden, die für sie Wirtschaftserschwernisse und erhöhte Haftungsrisiken mit sich bringt (grundlegend BayVGH, B.v. 6.11.1989 – 14 CS 89.2551 – unveröffentlicht; vgl. auch BayVGH, B.v. 18.6.1997 – 14 ZS 97.1591 – BeckRS 1997, 23847; B.v. 5.2.1998 – 14 ZE 98.87 – juris Rn. 2; U.v. 14.1.1997 – 2 B 94.4017 – BeckRS 1997, 18666; B.v. 16.12.2019 – 1 ZB 18.268 – RdL 2020, 152 = juris Rn. 9; B.v. 29.10.2020 – 15 ZB 20.469 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 16.10.1996 – 3 S 2332/95 – NVwZ-RR 1998, 96 = juris Rn. 26; VG München, U.v. 3.11.2015 – M 1 K 15.3173 juris Rn. 26; U.v. 26.9.2017 – M 1 K 17.2753 – juris Rn. 24 f.; Wolf in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Februar 2021, Art. 4 Rn. 29 m.w.N.; a.A. noch VGH BW, U.v. 7.12.1988 – 3 S 2993/88 – BauR 1989, 441 = juris Rn. 32 f.).
Soweit in der Rechtsprechung in Erwägung gezogen wird, dass ein an einen Waldrand „heranrückendes“ Gebäude aufgrund der Gefahr umstürzender Bäume in besonderen Fallgestaltungen ggf. ausnahmsweise wegen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot bauplanungsrechtlich unzulässig sein kann, wenn eine ganz konkrete, nicht jedoch bloß abstrakte Baumwurfgefahr besteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 15 ZB 15.2668 – juris Rn. 12; B.v. 29.10.2020 a.a.O.; B.v. 16.12.2019 – 1 ZB 18.268 – RdL 2020, 152 = juris Rn. 9; zum Sonderfall der Befreiung von einer zum Nachbargrundstück hin festgesetzte Baugrenze vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2001 – 2 ZS 01.1525 – juris Rn. 6), ergibt sich auch hieraus für die vorliegende Konstellation kein nachbarliches Abwehrrecht der Antragsteller. Es ist bereits fraglich, ob auf Basis der Stellungnahme des AELF vom 5. November 2019 bereits eine hinreichend konkrete Gefahr i.S. der ordnungsrechtlichen Begrifflichkeiten des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG vorliegt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 23.8.2016 a.a.O.). Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern vorgetragen worden, weshalb sich hieraus ein Ausnahmefall von dem o.g. Grundsatz, dass eine eventuelle Verschärfung der Obliegenheiten des Nachbarn zur Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten grundsätzlich nicht den Anwendungsbereich des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots tangiert, ergeben könnte. Mit Blick auf den bodenrechtlichen Bezug des Bauplanungsrechts können eine Baumwurfgefahr und sich hieraus ergebende gesteigerte Verkehrssicherungspflichten allenfalls dann ausnahmsweise dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme widersprechen, wenn deswegen u n z u m u t b a r e Auswirkungen auf die N u t z b a r k e i t des Grundstücks, von dem eine Baumwurfgefahr ausgeht, bestehen. Für die Antragsteller derart unzumutbare Auswirkungen vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Rücksichtnahmegebot gewährt keinen Anspruch auf Abwehr jeglicher mit einer Nachbarbebauung verbundenen Änderung der bisherigen Situation. Selbst gewisse Veränderungen in den Bewirtschaftungsanforderungen und die damit verbundenen Gewinneinbußen sind hinzunehmen (BayVGH, B.v. 16.12.2019 – 1 ZB 18.268 – RdL 2020, 152 = juris Rn. 6 m.w.N.). Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich weder aus dem Beschwerdevortrag noch nach Aktenlage, dass das Grundstück der Antragsteller künftig nicht mehr (in ordnungsgemäßer Erfüllung der gebotenen Verkehrssicherungspflicht) zur Waldbewirtschaftung genutzt werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es den Antragstellern auch bei weiterer Nutzung der FlNr. … als Waldgrundstück aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sei, dem gebotenen Maß an Verkehrssicherungspflichten überhaupt bzw. rechtzeitig nachzukommen. Im Übrigen ist mit Blick auf die gebotene gegenseitige Rücksichtnahme eine Lösung des Konflikts einseitig zu Lasten der beigeladenen Bauherrin nicht rechtfertigt. Verschärfte Verkehrssicherungspflichten führen vorliegend allenfalls – wenn überhaupt – zu einer eingeschränkten Nutzung der in unmittelbarer Nähe des zu bebauenden Grundstücks angepflanzten Bäume, sofern diese aufgrund der von den Antragstellern beschriebene Gefahr für das Vorhaben der Beigeladenen möglicherweise gekürzt oder sogar vor ihrer vollen Ertragsreife geschlagen werden müssten (vgl. OVG RhPf, U.v. 29.6.1996 – 1 A 12331/95 – Rn. 19 sowie im Anschluss BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96 – NVwZ-RR 1998, 157 = juris Rn. 6 ff.). Dies ist – da ein Waldbesitzer ohnehin der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht unterliegt (s.o.) – jedenfalls zumutbar, zumal in der Stellungnahme des AELF vom 5. November 2019 der angrenzende Fichtenbestand der Antragsteller als „hiebsreif“ eingestuft wird und das diesbezügliche Gefährdungspotenzial durch Baumwurfgefahr z.B. durch Umbau in einen stabilen Laub-/ Mischwald minimiert werden kann. Zudem ist durch die Auflage Nr. 2.3 zur Baugenehmigung Sorge dafür getragen, dass sich die zu befürchtenden Schäden auf Seiten der Beigeladenen in Grenzen halten, falls trotz Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten oder unter diesbezüglicher Verletzung seitens der Antragsteller dennoch ein Baum oder Teile von Bäumen auf die streitgegenständlichen baulichen Anlagen fallen sollten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 16.12.2019 a.a.O.).
c) Ein Verstoß der Baugenehmigung gegen das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO) wird mit der Beschwerde nicht substantiiert geltend gemacht (zur grundsätzlichen Bemessung der Abstandsfläche von 0,4 H in der seit dem 1. Februar 2021 geltenden Fassung vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 15 CS 21.545 – juris Rn. 53).
d) Die erhobene Anfechtungsklage der Antragsteller wird auch nicht deshalb Erfolg haben, weil die angegriffene Baugenehmigung gegen Art. 12 BayBO verstößt. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen keinen Sonderbautatbestand i.S. von Art. 2 Abs. 4 BayBO erfüllt, wurde dieses im sog. vereinfachten Genehmigungsverfahren genehmigt. Durch Art. 59 Satz 1 BayBO ist das Prüfprogramm der Genehmigungsbehörde eingeschränkt. Dieses umfasst in der seit 1. September 2018 geltenden Fassung des Art. 59 BayBO ausschließlich die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayO, den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO, beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. Da die Beigeladene keine Abweichungszulassung hinsichtlich der Vorgaben des Art. 12 BayBO beantragt hat (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V. mit Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO), umfasst die Feststellungswirkung der angefochtenen Baugenehmigung Art. 12 BayBO vorliegend nicht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.8.2017 – 15 ZB 17.600 – juris Rn. 7; B.v. 10.1.2020 – 15 ZB 19.425 – juris Rn. 11). Da Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO, wonach die Genehmigungsbehörde den Bauantrag im Falle eines Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften außerhalb des Prüfprogramms des Genehmigungsverfahrens ablehnen darf, nicht dazu bestimmt ist, nachbarlichen Interessen zu dienen, kann sich auch hieraus kein erweiterter Nachbarschutz ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2017 a.a.O.; B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 7). Es bedarf daher keiner Bewertung des Senats, ob das streitgegenständliche Bauvorhaben wegen potenzieller Waldbrandgefahren durch einen vom Beigeladenengrundstück möglicherweise ausgehenden Funkenflug tatsächlich gegen Art. 12 BayBO verstößt und inwieweit Art. 12 BayBO in materiell-rechtlicher Hinsicht Drittschutz zugunsten des Grundstücksnachbarn vermittelt. Sollte das Bauvorhaben tatsächlich gegen Art. 12 BayBO verstoßen wäre – soweit der subjektiv-rechtliche Schutz reicht – Nachbarschutz entweder auf dem Zivilrechtsweg zu suchen (zum sog. quasinegatorischen Abwehranspruch analog § 1004 i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB, vgl. Seidel, NVwZ 2004, 139 ff.) oder über einen (hier nicht streitgegenständlichen, verwaltungsgerichtlich im Wege einer Verpflichtungsklage einzuklagenden) Schutzanspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten nach Maßgabe der (Ermessens-) Befugnisnormen gem. Art. 76 bzw. Art. 54 Abs. 2, Abs. 4 BayBO geltend zu machen (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – NVwZ-RR 2020, 1004 = juris Rn. 18 ff.).
e) Die in der Baugenehmigung vom 3. Februar 2020 erteilten Abweichungszulassungen von den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 BayBO führen ebenfalls voraussichtlich nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung im noch anhängigen Anfechtungsprozess. Die Baugenehmigung verstößt auch insofern nicht gegen Vorschriften, die dem Schutz der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
Allerdings umfasst die Feststellungswirkung der angefochtenen Baugenehmigung auch Art. 3 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 BayBO. Diese Normen gehören zwar grundsätzlich nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO (BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 1 ZB 15.2081 – juris Rn. 9; Wolf, in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Februar 2021, Art. 4 Rn. 253); dies ist vorliegend wegen Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO aber ausnahmsweise anders, weil die Antragsteller diesbezüglich ausdrücklich Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 BayBO beantragt hat. Die Anordnung eines Gebäudes im Baumwurfbereich kann aus objektiv-rechtlicher Sicht den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBO widersprechen (BayVGH, U.v. 10.3.1987 – 1 B 86.02710 – BayVBl 1987, 727; Wolf a.a.O.). Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBO fordert für die Errichtung eines Gebäudes, dass das Baugrundstück u.a. nach seiner Lage für die beabsichtigte Bebauung geeignet ist. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn durch die Situierung des Gebäudes keine Gefahren für Leib, Leben oder Sachgüter für das Gebäude selbst und seine Benutzer ausgehen. Grundsätzlich werden hiervon auch die Fälle erfasst, in denen eine Gefahrenquelle außerhalb des Baugrundstücks liegt, aber auf dieses einwirkt (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 28.12.1998 – 14 B 95.1255 – juris Rn. 23). Zudem sind nach Art. 3 Satz 1 BayBO bauliche Anlagen sowie ihre Teile so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet werden.
Mit Art. 3 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBO werden aber Interessen der Allgemeinheit verfolgt, nachbarschützender Charakter kommt ihnen grundsätzlich nicht zu (BayVGH, U.v. 10.3.1987 – 1 B 86.02710 – BayVBl 1987, 727; B.v. 23.8.2016 – 15 ZB 15.2668 – juris Rn. 11; B.v. 16.12.2019 – 1 ZB 18.268 – RdL 2020, 152 = juris Rn. 10; VG München, U.v. 26.9.2017 – M 1 K 17.2753 – juris Rn. 26; Dirnberger, in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Februar 2021, Art. 3 Rn. 150, Art. 66 Rn. 251 f.). Besondere Umstände, die es geboten erscheinen lassen könnten, den Antragstellern ausnahmsweise über die bauordnungsrechtliche Generalklausel des Art. 3 Satz 1 BayBO einen Abwehranspruch zuzubilligen, liegen nicht vor. Die Gefahr i.S. von Art. 3 Satz 1 BayBO geht in der vorliegenden Konstellation nicht vom Bauwerk der Beigeladenen, sondern vom Wald der benachbarten Antragsteller aus. Die Gefährdung ihres Vermögens in Gestalt von möglichen Schadensersatzansprüchen seitens der Beigeladenen ist lediglich eine Folge der von den Antragstellern gesetzten Gefahr. Das Vermögen der Antragsteller ist in dieser Beziehung nicht durch Art. 3 BayBO geschützt (BayVGH, U.v. 10.3.1987 a.a.O.; VG München, U.v. 26.9.2017 a.a.O.). Nachbarschützende Funktion kommt der bauordnungsrechtlichen Generalklausel allenfalls dann zu, wenn Nachbarn des Bauherrn (hier also die Antragsteller) aufgrund des Bauvorhabens in ihren elementaren, durch die Grundrechte geschützten Rechtspositionen wie Leben, Gesundheit und Eigentum gefährdet sind. Eine Gefährdung durch Baumwurf besteht vorliegend aber allenfalls für die Beigeladene selbst. Die Antragsteller gehören mithin nicht zu dem durch Art. 3 Satz 1 BayBO geschützten Personenkreis. Diese Bestimmung ist keine Schutzvorschrift für denjenigen, von dessen Grundstück eine Gefährdung ausgeht (VGH BW, U.v. 16.10.1996 – 3 S 2332/95 – NVwZ-RR 1998, 96 = juris Rn. 27). Der Eigentümer von Waldflächen kann daher auch nach Bauordnungsrecht nicht die Freihaltung der Baumfallgrenze verlangen. Eine Missachtung der diesbezüglichen bauordnungsrechtlichen Vorgaben kann der Klage und dem Antrag eines Drittbetroffenen grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen. Es kommt daher vorliegend auch nicht darauf an, ob die auf Art. 3 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBO ausgerichteten Vollzugsvorgaben im Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11. Juli 1986 – Nr. II B7-4101-4.21 (vgl. dort inbes. Nr. 5), aktualisiert durch das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. März 2009 – Nr. R 2/a-FG110-211 (jeweils abgedruckt als Anhang Nr. 81 und Nr. 81a bei Busse/Kraus, BayBO, Stand: Februar 2021), beachtet worden sind (BayVGH, U.v. 10.3.1987 a.a.O.; B.v. 16.12.2019 – 1 ZB 18.268 – RdL 2020, 152 = juris Rn. 10 m.w.N.). Ebenso für die Reichweite des Nachbarschutzes irrelevant ist, ob die Erklärung der Beigeladenen zum Haftungsverzicht bzw. zur Haftungsfreistellung mangels Eintragung im Grundbuch (vgl. VGH BW, U.v. 7.12.1988 – 3 S 2993/88 – BauR 1989, 441 = Leitsatz und juris Rn. 32) auch den Rechtsnachfolger der Beigeladenen binden könnte.
Auch soweit im Rahmen der erteilten Abweichungszulassung gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO die öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange zu würdigen sind, ergibt sich hieraus keine Nachbarrechtsverletzung der Antragsteller. Wie bei § 31 Abs. 2 BauGB (zum diesbezüglichen Nachbarschutz vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 15 CS 21.544 – juris Rn. 52 m.w.N.) ist hinsichtlich des Nachbarschutzes aus Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO wie folgt zu differenzieren (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 – 1 CS 07.1340 – NVwZ-RR 2008, 84 = juris Rn. 17): Bei einer Abweichungszulassung von einer nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Norm begründet jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB eine Nachbarrechtsverletzung. Ist hingegen – wie vorliegend – eine Abweichung von einer die Nachbarn (hier: die Antragsteller) nicht schützenden bauordnungsrechtlichen Norm zugelassen worden, richtet sich der Nachbarschutz ausschließlich nach den Leitlinien zum Rücksichtnahmegebot, das aufgrund der gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO gebotenen „Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange“ auch Eingang in die bauordnungsrechtliche Prüfung findet (BayVGH, U.v. 16.7.1999 – 2 B 96.1048 – BayVBl. 2000, 532 = juris Rn. 19 m.w.N.; Dhom/Simon in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Februar 2021, Art. 63 Rn. 31 ff.; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 32). Wie oben unter 2. b) ausgeführt wurde, scheidet aber eine Nachbarrechtsverletzung wegen Rücksichtslosigkeit bzw. Unzumutbarkeit unter dem Gesichtspunkt des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes aus.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Beigeladene trägt billigerweise ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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