Baurecht

Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgelds zur Erzwingung einer vollstreckbaren Unterlassungspflicht – Keine schuldhafte Zuwiderhandlung der Gemeinde, wenn Verkehrsteilnehmer bei Ausweichmanövern das an die öffentliche Straße angrenzende private Grundstück des Vollstreckungsgläubigers befahren

Aktenzeichen  8 C 16.1648

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG BayStrWG Art. 3 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 53 Nr. 1 u. Nr. 2
GKG GKG § 3 Abs. 2
RVG RVG § 33 Abs. 1
StVO StVO § 40 Abs. 6 u. Abs. 7, § 41 Abs. 1
VwGO VwGO § 152 Abs. 1
ZPO ZPO § 890 Abs. 1

 

Leitsatz

Aus der aus Art. 10 Abs. 1 BayStrWG hergeleiteten Verpflichtung einer Gemeinde, die schleichende Verlagerung einer Straße in angrenzende Privatgrundstücke zu unterbinden, folgen weder Handlungspflichten gegenüber sich verkehrswidrig verhaltenden Verkehrsteilnehmern noch straßenrechtliche Umstufungsverpflichtungen (in Anschluss an BayVGH, U.v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – BayVBl 2000, 345/346 f.).

Verfahrensgang

2 V 15.4720 2016-07-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Vollstreckungsgläubiger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 1.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Vollstreckungsgläubiger wendet sich gegen die Ablehnung der Festsetzung eines Ordnungsgelds zur Erzwingung einer vollstreckbaren Unterlassungspflicht.
Die Vollstreckungsschuldnerin wurde durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2013 verpflichtet, den „Feld Weg bei H …“ (FlNr. … der Gemarkung Z …) insoweit zu beseitigen, als hierfür Teilflächen aus dem Grundstück des Vollstreckungsgläubigers (FlNr. … der Gemarkung Z …) in Anspruch genommen wurden (Ziffer I), sowie hinsichtlich der fehlenden oder verschobenen Grenzzeichen an der Grenze zwischen den beiden Grundstücken die Abmarkung zu beantragen (Ziffer II). Unter Ziffer III des Urteilstenors wurde die Vollstreckungsschuldnerin verpflichtet, es künftig zu unterlassen, das Grundstück FlNr. … der Gemarkung Z … in Anspruch zu nehmen. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer III ausgesprochene Verpflichtung wurde ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 € angedroht (Ziffer IV).
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Vollstreckungsgläubigers abgelehnt, gegen die Vollstreckungsschuldnerin wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung aus Ziffer III des vollstreckbaren Urteils vom 8. Februar 2013 ein Ordnungsgeld festzusetzen. Soweit der Vollstreckungsgläubiger die Ermächtigung zur Ersatzvornahme sowie auf Kostenvorschuss hinsichtlich Ziffer I des Urteilstenors beantragt hatte, ist das Verfahren wegen Antragsrücknahme eingestellt worden.
Der Vollstreckungsgläubiger verfolgt mit der Beschwerde sein Ziel weiter, die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Vollstreckungsschuldnerin zu erreichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Vollstreckung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2013 abgelehnt.
1. Nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO setzt die Festsetzung eines Ordnungsgelds zur Erzwingung einer Unterlassungspflicht eine schuldhafte Zuwiderhandlung des Vollstreckungsschuldners gegenüber dieser Pflicht voraus. Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine solche nicht vorliegt.
Die Vollstreckungsschuldnerin wird unter Ziffer III des Urteiltenors vom 8. Februar 2013 verpflichtet, es künftig zu unterlassen, das Grundstück des Vollstreckungsgläubigers in Anspruch zu nehmen. Entgegen dem Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers ist ein Verstoß gegen diese Verpflichtung nicht ersichtlich.
Der Vollstreckungsgläubiger macht geltend, die Inanspruchnahme ergebe sich daraus, dass sein Grundstück wiederkehrend von Verkehrsteilnehmern bei Ausweichmanövern befahren werde, weil das angrenzende, als öffentlicher Feld- und Wald Weg gewidmete Straßengrundstück ohne Randstreifen bis knapp an die Grundstückgrenze asphaltiert sei. Damit macht er jedoch keine zurechenbare Inanspruchnahme seines Grundstücks durch die Vollstreckungsschuldnerin geltend; diese erfolgt vielmehr durch die besagten Verkehrsteilnehmer selbst.
Der Einwand des Vollstreckungsgläubigers, das Befahren seines Grundstücks sei der Vollstreckungsschuldnerin deshalb zuzurechnen, weil sie mit der Asphaltierung des Feldwegs bis zur Grundstückgrenze die Ursache hierfür gesetzt habe, greift nicht durch. Die Vollstreckungsschuldnerin hat damit vielmehr im Hinblick auf ihre Verpflichtung aus Ziffer III des Urteils vom 8. Februar 2013 einer erneuten Verlagerung des Wegs auf das klägerische Grundstück vorgebeugt, indem sie die Wegführung durch Asphaltierung des Feldwegs und zusätzliche Anbringung von Verkehrszeichen kenntlich gemacht hat. Das Fehlen eines Randstreifens auf der Höhe des klägerischen Grundstücks ist auf die geringe vorhandene Wegbreite zurückzuführen, andererseits wird damit nach den gegebenen Umständen bestmöglich den Anforderungen der Verkehrssicherheit Rechnung getragen. Der Erwerb von Flächen für eine Verbreiterung scheitert (derzeit) an der Weigerung des Vollstreckungsgläubigers, hierfür Grund abzutreten. Daher hat die Vollstreckungsschuldnerin durch das Aufstellen von Verkehrszeichen, nämlich des allgemeinen Gefahrzeichens „Gefahrstelle“ (Nr. 101 der Anlage 1 zu § 40 Abs. 6 und 7 StVO) in Verbindung mit dem Verkehrsverbot „tatsächliche Breite 2 m“ (Vorschriftszeichen Nr. 264 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und dem Zusatzzeichen „Bankett nicht befahrbar“ an beiden Enden des Feldwegs dessen begrenzte Breite für alle Verkehrsteilnehmer deutlich gemacht. Entgegen dem Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers ist für diese hierdurch eindeutig erkennbar, wo das Straßengrundstück endet. Außerdem wird durch die angebrachten durchgehenden Fahrbahnbegrenzungslinien (Zeichen Nr. 295 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) das auch nur teilweise Überfahren der durchgezogenen Linie und damit ein Ausweichen auf das klägerische Grundstück verboten. Wie auch die in der Behördenakte befindlichen Kontrollnachweise des Bauhofs belegen, führt die Vollstreckungsschuldnerin zudem engmaschig Kontrollfahrten durch. Damit hat sie alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um ein Befahren des klägerischen Grundstücks zu verhindern und ihrer Verpflichtung aus Ziffer III des Urteiltenors vom 8. Februar 2013 nachzukommen.
Dem kann der Vollstreckungsgläubiger nicht entgegenhalten, die Vollstreckungsschuldnerin müsse das Befahren seines Grundstücks dadurch unterbinden, dass sie die Widmung des im Streit stehenden Wegs auf Höhe des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks FlNr. … bis zur Nordgrenze des Grundstücks FlNr. … (Gemarkung Z …) beschränkt und diesen Abschnitt nicht mehr als ausgebauten öffentlichen Feld- und Wald Weg im Sinne des Art. 53 Nr. 1 BayStrWG, sondern als beschränkt öffentlichen Weg für Fußgänger und Radfahrer (Art. 53 Nr. 2 BayStrWG) einstuft. Gemäß Art. 3 Abs. 1 BayStrWG richtet sich die Klassifizierung der öffentlichen Straßen nach deren Verkehrsbedeutung, also nach den von ihnen vermittelten räumlichen Verkehrsbeziehungen (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 24.2.1999 – 8 B 98.1627 u.a. – VGH n.F. 52, 115). Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die derzeitige Einstufung des Feldwegs zutreffend. Denn die von der Voll-streckungsschuldnerin vorgelegten Einwendungsschreiben gegen die angedachte Änderung der Klassifizierung belegen, dass der Weg tatsächlich überwiegend der Bewirtschaftung der von ihm erschlossenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke dient und im geringerem Maße auch zu Freizeit- und Erholungszwecken genutzt wird (vgl. BayVGH, U.v. 27.2.2014 – 8 B 12.2268 – BayVBl 2014, 565). Dass eine Erschließung der Felder auf dem vom Kläger benannten Wegabschnitt auch anderweitig möglich wäre, wenn bestehende Wegerechte genutzt würden, ändert nichts an der tatsächlichen Nutzung und der Zweckbestimmung des im Streit stehenden Feldwegs. Ohnehin hat der Vollstreckungsgläubiger als Anlieger keinen Anspruch auf eine bestimmte Widmung einschließlich ihres Umfangs (Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand Oktober 2015, Art. 6 Rn. 28 m.w.N.). Erst recht kann er nicht verlangen, dass die Verkehrsbedeutung des Wegs nach den von ihm vorgegebenen Abschnitten bestimmt wird.
Entgegen dem Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers ist das verbotswidrige Verhalten der Verkehrsteilnehmer, die ungeachtet der straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen das klägerische Grundstück befahren (z.B. auch mit zu breiten Fahrzeugen), der Vollstreckungsschuldnerin nicht als Verstoß gegen die in Ziffer III des Urteilstenors ausgesprochene Unterlassungspflicht zuzurechnen. Dem steht nicht entgegen, dass die Vollstreckungsschuldnerin nach der Rechtsprechung des Senats als Straßenbaubehörde dafür verantwortlich ist, dass eine öffentliche Straße keine nicht gewidmeten Grundstücksflächen in Anspruch nimmt (BayVGH, U.v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – VGH n.F. 53, 22 = BayVBl 2000, 345/346 f.; vgl. auch BayVGH, U.v. 15.5.1990 – 8 B 86.558 – VGH n.F. 43, 78). Diese vorrangig aus Art. 10 Abs. 1 BayStrWG abgeleitete Verantwortung hat im Falle der Verlagerung von Verkehrsflächen eine Zurechnung im Sinne eines Rechts der Folgenbeseitigung zur Folge. Wenn der Vollstreckungsgläubiger unter Bezugnahme auf die vorgenannte Rechtsprechung geltend macht, danach sei die Vollstreckungsschuldnerin dafür verantwortlich, dass sich die Nutzung ihrer Anlage in den Grenzen des Rechts halte, weshalb sie von der Rechtsordnung nicht gedeckte Einwirkungen des Straßengrundstücks auf angrenzende Privatgrundstücke zu unterbinden habe, verkennt er, dass der diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist. Denn wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt das verbotswidrige Befahren des klägerischen Grundstücks durch einzelne Verkehrsteilnehmer -auch im Hinblick auf von der Vollstreckungsschuldnerin getroffene Maßnahmen -noch keine (Rück-)Verlagerung des Feldwegs auf das Grundstück des Vollstreckungsgläubigers dar. Darüber hinaus steht hier keine Handlungspflicht der Vollstreckungsschuldnerin, sondern die Durchsetzung des Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers auf Unterlassung der Inanspruchnahme seines Grundstücks durch diese inmitten. Wie das Verwaltungsgericht bereits im Urteil vom 2. Februar 2013 zur Begründung der Unterlassungspflicht zutreffend festgestellt hat, ist die Vollstreckungsschuldnerin nicht in der Lage, Verkehrsteilnehmer gänzlich daran zu hindern, auf das Grundstück des Klägers zu fahren. Denn eine lückenlose Überwachung des Feldwegs ist nicht möglich. Eine Begrenzung der Straße mit Holzpfosten hat sich als untauglich erwiesen; andere Abgrenzungsmöglichkeiten werden von der Polizeiinspektion aus Gründen der Verkehrssicherheit abgelehnt (vgl. Entscheidungsumdruck S. 10). Daher reicht die auf Art. 10 Abs. 1 BayStrWG beruhende Verantwortung der Vollstreckungsschuldnerin nicht so weit, dass ihr im Rahmen ihrer Verpflichtung, künftig die Inanspruchnahme des Grundstücks zu unterlassen, jede verbotswidrige Zuwiderhandlung einzelner Verkehrsteilnehmer zugerechnet werden könnte. Solche Handlungspflichten werden der Vollstreckungsschuldnerin dadurch nicht auferlegt.
Eine schuldhafte Zuwiderhandlung der Vollstreckungsschuldnerin gegenüber der Verpflichtung aus Ziffer III des Urteiltenors vom 8. Februar 2013 ist daher nicht gegeben. Damit liegen die Voraussetzungen für die beantragte Festsetzung eines Ordnungsgelds nicht vor (vgl. Gruber in Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 890 Rn. 21 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Als Gerichtsgebühr fällt im Beschwerdeverfahren eine Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) in Höhe von 60 Euro an.
3. Der gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag des Vertreters des Vollstreckungsgläubigers festzusetzende Wert der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt sich nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung für den Vollstreckungsgläubiger hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Nach dessen Ausführungen liegt dieser weit unter dem auf 5.000 Euro festgesetzten Streitwert der Hauptsache, der nicht nur den Unterlassungs-, sondern darüber hinaus auch den dort geltend gemachten Verpflichtungs- und Beseitigungsanspruch abgedeckt hat. Die Gegenseite ist dem nicht entgegengetreten. Danach erscheint es angemessen, den Gegenstandswert auf 1.000 Euro festzusetzen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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