Baurecht

Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Auslegung des Antrags auf Zulassung der Berufung, grenznahe Stützwand, abstandsflächenrechtliche Privilegierung, Überbau, Irrelevanz privater Rechte Dritter im Prüfprogramm des Baugenehmigungsverfahrens

Aktenzeichen  15 ZB 21.281

Datum:
20.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25009
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 1 Nrn. 1 und 2
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
VwGO § 124a Abs. 5 S. 2
BayBO a.F. Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 3, 68 Abs. 4
BGB § 912

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 6 K 20.92 2020-11-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Das Landratsamt K … erteilte den Beigeladenen mit Bescheid vom 7. Februar 2018 eine Baugenehmigung für das Vorhaben “Neubau eines Mehrfamilienhauses mit Garagen und Carport” auf den heutigen FlNrn. …3 und der … der Gemarkung S … (im Folgenden: Baugrundstück). Auf den zugrundeliegenden, vom Genehmigungsbescheid umfassten Bauvorlagen hatte der Kläger mit seiner Unterschrift seine Zustimmung hinsichtlich des Bauvorhabens erklärt. Rechtsmittel gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 7. Februar 2018 wurden nicht eingelegt.
Der Kläger wendet sich als Eigentümer des westlich angrenzenden Grundstücks FlNr. …2 derselben Gemarkung gegen eine den Beigeladenen hierzu mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 erteilte (so bezeichnete) “Tektur-Baugenehmigung”, mit der im Nachhinein neben abweichend von der Ausgangsbaugenehmigung umgesetzten Balkonanlagen und Stellplätzen eine grenznah (mit etwas mehr als 30 cm Abstand zum Klägergrundstück) errichtete Gartenmauer genehmigt wurde. Die Bauvorlagen zur Tekturgenehmigung tragen nicht die Unterschrift des Klägers.
Mit Urteil vom 24. November 2020 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage mit dem Antrag des Klägers, den (Tektur-) Bescheid vom 19. Dezember 2019 aufzuheben, ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der Senat legt die Antragsbegründung des Klägers vom 9. Februar 2021 dahingehend aus, dass mit dieser jedenfalls ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden.
Die noch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingereichte Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 9. Februar 2021 ist nach Art einer Berufungsbegründung abgefasst. Der Kläger führt aus, warum dem Verwaltungsgericht “in zwei wesentlichen Punkten” – nämlich hinsichtlich der angenommenen Abstandsflächenprivilegierung einer maximal 2 m hohen “Stützmauer” sowie hinsichtlich der vertretenen Irrelevanz eines behaupteten Überbaus (im Fundamentbereich) – “nicht zu folgen” sei, weswegen das Urteil vom 24. November 2020 “keinen Bestand haben” könne und deshalb zusammen mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 2019 “aufzuheben” sei.
Auch wenn der Kläger hiermit keinen ausdrücklichen Berufungszulassungsgrund geltend macht, geht der Senat kraft Auslegung des Schriftsatzes vom 9. Februar 2021 (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 57) davon aus, dass er sich mit der Behauptung einer fehlerhaften Rechtsanwendung in der Sache auf “ernstliche Zweifel” an der Richtigkeit des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils als Berufungszulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. im Folgenden 2.), möglicherweise ergänzend auch auf besondere tatsächlich und / oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. hierzu die ergänzenden Ausführungen unten sub 3.) stützt.
2. Ernstliche Zweifel i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können nur dann bestehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2019 – 15 ZB 19.428 – juris Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 28.3.2018 – 14 ZB 18.45 – juris Rn. 10 m.w.N.).
a) Mit den auf die Rechtsanwendung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO in der (hier noch relevanten) bis 31. Januar 2021 geltenden Fassung bezogenen Einwendungen hinsichtlich der grenznahen Gartenmauer vermag der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 24. November 2020 nicht erfolgreich darzulegen.
Gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F., der im Wesentlichen Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO in der aktuellen – seit 1. Februar 2021 geltenden – Fassung entspricht, sind Stützmauern und geschlossene Einfriedungen außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten mit einer Höhe bis zu 2 m in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden.
Schon im erstinstanzlichen Verfahren monierte der Kläger – ohne dort näher auf den abstandsflächenrechtlichen Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. einzugehen – hinsichtlich der zunächst ungenehmigt errichteten Stützmauer neben deren schlichten Existenz eine “Hinterauffüllung” bzw. “hinterliegende Aufschüttung”, also eine von der Mauer gestützte Aufschüttung auf der Seite des Baugrundstücks zur Anlage einer terrassenförmigen, annähernd ebenen Fläche (vgl. Seiten 2 ff. des Schriftsatzes vom 27.2.2020, Seite 2 des Schriftsatzes vom 5.6.2020; Ausführungen seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 24.11.2020 – Seite 2 des Protokolls; vgl. insofern auch die Darstellung des erstinstanzlichen Sachvortrags des Klägers im Tatbestand des angegriffenen Urteils vom 24.11.2020).
Das Verwaltungsgericht führt in den Entscheidungsgründen des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils vom 24. November 2020 aus, dass die grenznahe Gartenmauer nicht zu einer Abstandsflächenverletzung führe, da sie aufgrund ihrer Höhe von weniger als 2 m gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. ohne eigene Abstandsflächen zulässig sei. Die maßgebliche Wandhöhe werde gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO ab der Geländeoberfläche als unterstem Bezugspunkt gemessen. Richtiger Bezugspunkt sei dabei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und der Kommentarliteratur regelmäßig die natürliche Geländeoberfläche, d.h. die gewachsene und nicht die durch Aufschüttung oder Abgrabung veränderte Geländeoberfläche. Die Gartenmauer habe ausweislich des Eingabeplans (Ansicht Süd) an ihrer höchsten Stelle eine Höhe von insgesamt 1,70 m, gemessen ab dem bestehenden Gelände (Vorderkante Garage). Das bestehende Gelände am Wohnhaus sei sogar höher als das Gelände an der Vorderkante der Garage. Vor der Mauer seien also keine Abstandsflächen einzuhalten, da sie niedriger als 2 m und somit von dem abstandsflächenrechtlichen Privilegierungstatbestand erfasst sei. Maßgeblich sei auch im vorliegenden Fall das aus den genehmigten Eingabeplänen ersichtliche bestehende (ursprüngliche) Geländeniveau und nicht das geplante (neue) Gelände. Denn eine Festlegung einer maßgeblichen neuen Geländeoberfläche durch das Landratsamt habe nicht stattgefunden, was der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könne die Bauaufsichtsbehörde auf Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO die maßgebliche Geländeoberfläche – sei es durch Text, sei es durch Revision in den Bauzeichnungen – festlegen, wobei alle Umstände des konkreten Einzelfalls (u.a. der frühere natürliche Geländeverlauf sowie nachbarliche Belange) zu berücksichtigen seien. Für eine derartige Ausnahme sei hier nichts ersichtlich. Eine etwaige abstandsflächenpflichtige Aufschüttung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO sei von der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht umfasst, sodass eine solche der Überprüfung durch das Gericht im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits entzogen sei.
Mit seiner rechtzeitig im Rahmen der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 9. Februar 2021 lässt der Kläger vorbringen, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die grenznahe Stützmauer habe eine Höhe von weniger als 2 m. Er – der Kläger – habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Beigeladenen eine Aufschüttung vorgenommen hätten. Die Baugenehmigungsbehörde habe die Höhe vom Ende der Aufschüttung gemessen; das Verwaltungsgericht habe diese übernommen. Die Mauer habe nicht eine Höhe von deutlich unter 2 m. Dies sehe man eindeutig, wenn man sich den ersten Baugenehmigungsantrag ansehe, wo eine Auffüllung wohl schon beabsichtigt gewesen, jedoch noch nicht eingezeichnet gewesen sei. Es sei den Beigeladenen auch gelungen, seine Unterschrift für den ersten Genehmigungsantrag zu bekommen, da er von der wohl schon damals beabsichtigten Auffüllung mit Mauer nichts geahnt habe. Die Auffüllung als Veränderung des Geländeniveaus im Sinne einer Terrassenlandschaft sei im Anschluss an die ursprüngliche Genehmigung ungenehmigt erfolgt. Gehe man auf Seiten des Baugrundstücks vom ursprünglichen Geländeniveau aus, komme man zu einer tatsächlichen Mauerhöhe von 2,70 m, jedenfalls von weit über 2 m. Dies sei ohne Sachverständigengutachten allein schon durch Blick in die PIanungsunterlagen festzustellen, maßgeblich in die mit dem Ausgangsbescheid vom 7. Februar 2018 genehmigten Bauvorlagen. Die Beigeladenen seien gezielt vorgegangen, um zunächst eine Baugenehmigung ohne Mauer und Aufschüttung zu erhalten, um dann in einen “Schwarzbau” überzugehen und schließlich im Anschluss eine Tektur zu beantragen, wobei nunmehr das Abstandsproblem durch die illegale Auffüllung gelöst erschienen sei. Konkret bedeute dies, dass hinsichtlich der Mauerhöhe zwar vom Baugrundstück auszugehen sei, sich gemessen am dortigen ursprünglichen Geländeverlauf (der dem Niveau des klägerischen Nachbargrundstücks an der Grenze entspreche) dann aber eine nicht genehmigungsfähige Mauer mit einer Höhe von mehr als 2 m ergebe. Den Beigeladenen wäre – so der Kläger weiter – die Mauer im ersten Bauantragsverfahren nie genehmigt worden, wenn von vornherein eine Mauer mit hinterer Aufschüttung mit dem Argument beantragt worden wäre, die Höhe der Mauer müsse erst ab Ende Aufschüttungshöhe gemessen werden. Die nachträgliche Genehmigung im Rahmen einer Tektur verletze ihn in nachbarlichen Rechten.
Mit weiterem Schriftsatz vom 17. März 2021 lässt der Kläger unter Vorlage eines Lichtbilds von der (dem Klägergrundstück zugewandten) Westseite der grenznahen Mauer ergänzend vortragen, man sehe auf den ersten Blick, dass die Gartenmauer eine Höhe von mehr als 2 m habe. Auf der anderen Seite sei (ohne Genehmigung) aufgefüllt und dann ab der Auffüllung die Mauerhöhe gemessen worden. Dass man dann nicht auf die 2 m komme, liege auf der Hand. Wäre – wie es geboten gewesen wäre – die Mauererrichtung schon vom ersten Bauantrag umfasst gewesen, wäre die Ursprungsgenehmigung allein schon wegen der Höhe nicht erteilt worden. Aus dem ursprünglichen Eingabeplan zur Erstgenehmigung, in dem die Mauer noch nicht eingezeichnet (in der Sache aber schon längst geplant) gewesen sei, könne dies abgelesen werden.
Zuletzt reichte der Kläger im laufenden Berufungszulassungsverfahren über einen Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17. August 2021 eine von einem Ingenieurbüro angefertigte Zeichnung der Gartenmauer mit (grundbaubezogenen) Berechnungen ein, die – so der Kläger – von den Beigeladenen im parallelen Zivilrechtsstreit vorgelegt worden seien. Hieraus ergebe sich eine Wandhöhe von 2,80 m.
Unabhängig von der Frage, inwiefern die erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsätze vom 17. März 2021 und vom 17. August 2021 im Berufungszulassungsverfahren überhaupt berücksichtigt werden dürften, hat der Kläger mit der Argumentation in seinen antragsbegründenden Schriftsätzen vom 9. Februar, 17. März und 17. August 2021 den Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in einer den Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Art und Weise vorgebracht. Die hiernach geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. “Darlegen” bedeutet insoweit “erläutern”, “erklären” oder “näher auf etwas eingehen”. Erforderlich ist eine substantiierte – und auch in sich schlüssige – Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 1.2.2021 – 15 ZB 20.747 – juris Rn. 32).
Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt. Mit seinem Vorbringen vermag er nicht schlüssig die Richtigkeit der Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der gerichtlichen Annahme der Einschlägigkeit der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. für die Gartenmauer zu erschüttern. Die Richtigkeit der Ausgangsthese des Verwaltungsgerichts, dass im Rahmen der “H”-Bemessung in Anwendung von Art. 6 BayBO und damit auch für die Bestimmung der Höhe der genehmigten grenznahen Mauer grundsätzlich auf den ursprünglichen natürlichen Geländeverlauf abzustellen sei und dass vorliegend nichts Abweichendes gelte, weil die Bauaufsichtsbehörde weder eine Neufestlegung der neuen Geländeoberfläche als Bezugspunkt der Höhenbemessung für die Anwendung des Art. 6 BayBO auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO vorgenommen habe noch dazu gehalten gewesen sei, wird mit der Antragsbegründung nicht angegriffen oder infrage gestellt (zu diesbezüglichen Einzelfragen vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – RdL 2021, 246 = juris Rn. 98 ff.). Die vorgebrachten Argumente – insbesondere soweit sie sich (wie schon in den erstinstanzlichen Schriftsätzen) auf die Bemessung der Mauerhöhe ab einer behaupteten Aufschüttung auf ihrer Ostseite (also der dem Klägergrundstück abgewandten Seite) als unterem Bezugspunkt beziehen – vermögen nicht schlüssig darzulegen, warum sich eine (genehmigte) Höhe der Mauer von mehr als 2 m bzw. (wie der Kläger behauptet) sogar eine Höhe von 2,70 m bzw. (wie zuletzt behauptet) von 2,80 m ergeben soll. Weder erläutert der Kläger konkret anhand der von den beiden Genehmigungen umfassten Pläne / Bauvorlagen, wie er – entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts und gerade unter Abstellen auf die Geländeoberfläche (i.S. von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) als unterem Bezugspunkt – darauf kommt, die mit dem Tekturbescheid genehmigte Mauer sei mehr als 2 m und sogar tatsächlich 2,70 m bzw. 2,80 m hoch, noch ergibt sich aus den vorgenannten Plänen / Unterlagen zu den beiden Genehmigungen vom 7. Februar 2018 und vom 19. Dezember 2019, dass die Stützmauer gemessen vom natürlichen Gelände höher als 2 m oder sogar 2,70 m / 2,80 m hoch ist.
Den nicht näher dargelegten Behauptungen des Klägers zur Mauerhöhe widerspricht insbesondere die Darstellung “Ansicht West” in dem von der Tekturgenehmigung vom 19. Dezember 2019 umfassten Eingabeplan, wonach die Höhendifferenz zwischen der Oberkante der Mauer einerseits und dem “bestehenden Gelände an der Grenze” sowie dem “geplanten Gelände an der Gartenmauer” andererseits (jeweils in Richtung Westen, also in Richtung des Klägergrundstücks) überall deutlich weniger als 2 m (und sogar weniger als 1,50 m) aufweist. Sollte der Kläger mit dem mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17. März 2021 vorgelegten Lichtbild (unbeschriftet, ohne konkrete Maßangaben) belegen wollen, dass die Mauer in ihrem derzeitigen Zustand tatsächlich mehr als 2 m hoch ist, entspräche dies – sollte dies zutreffen – nicht den von der Tekturgenehmigung umfassten Plänen (entweder weil die Mauer höher als genehmigt errichtet wurde oder weil auf der dem Klägergrundstück zugewandten Westseite eine ungenehmigte Abgrabung durchführt wurde bzw. der plangemäße Geländeverlauf hier noch nicht wiederhergestellt wurde). Dies kann aber der streitgegenständlichen Bau- (Tektur-) Genehmigung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Etwas Anderes wäre theoretisch nur denkbar, wenn das bisher bestehende (natürliche, ursprüngliche) Gelände in den Ansichten West, Nord und Süd in dem von der Tekturgenehmigung vom 19. Dezember 2019 umfassten Eingabeplan hinsichtlich des Verlaufs bis zur Ostgrenze des Klägergrundstücks und den jeweiligen Höhenangaben falsch dargestellt wäre. Dies wird aber in den begründenden Schriftsätzen des Klägers weder konkret behauptet noch substantiiert dargelegt. Allein aus dem vom Kläger bereits erstinstanzlich erfolgten und nunmehr im Berufungszulassungsverfahren wiederholten Vortrag, wonach auf der dem Klägergrundstück abgewandten Ostseite der Mauer ungenehmigt aufgefüllt worden sei und die Mauerhöhe von dieser Auffüllung als unterem Bezugspunkt gemessen worden sei, lässt sich der Umstand, es sei eine grenznahe Mauer mit einer Höhe von über 2 m, die nicht der bauordnungsrechtlichen Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. unterfalle, nicht schlüssig begründen. Anderes ergibt sich – wie der Kläger ohne nähere Erläuterung behauptet – auch nicht aus den von der Ursprungsgenehmigung vom 7. Februar 2018 umfassten Bauvorlagen, weil der natürliche (ursprüngliche) Geländeverlauf nach Westen bis zur Ostgrenze des Klägergrundstücks im diesbezüglichen Eingabeplan insbesondere mit der “Ansicht Nord” und der “Ansicht Süd” identisch wie in den entsprechenden Ansichten zur Tekturgenehmigung dargestellt wird. Schließlich ergibt sich die Schlüssigkeit der Behauptung des Klägers, die Gartenmauer weise eine nach Art. 6 BayBO relevante Wandhöhe von über 2 m auf, nicht aus der zuletzt mit Schriftsatz vom 17. August 2021 vorgelegten Planskizze eines von den Beigeladenen im parallelen Zivilrechtsstreit beauftragten Ingenieurbüros. Nach dieser Planskizze weist die Mauer als solche zwar tatsächlich eine Höhe von 2,80 m (zzgl. 30 cm Fundamenttiefe) auf, allerdings befindet sich hiervon nach der zeichnerischen Darstellung ca. die Hälfte unterirdisch, während oberhalb der dort dargestellten Geländeoberfläche (vgl. insofern Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) lediglich 1,46 m sichtbar sind.
Ferner wurde weder vom Kläger substantiiert vorgetragen noch ergibt sich solches aus den genehmigten Plänen / Bauvorlagen, dass nach Maßgabe der (ausschlaggebenden) streitgegenständlichen Baugenehmigung hinter der genehmigten Gartenmauer eine Aufschüttung erfolgen soll, die im abstandsflächenrelevanten Bereich über die Gartenmauer derart hinausragt, dass bei Betrachtung von Mauer und dahinterliegender Aufschüttung als funktioneller Einheit der Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO a.F. nicht mehr einschlägig wäre (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – BayVBl. 2018, 526 = juris Rn. 23 ff., insbes. Rn. 26 ff. m.w.N.; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 3.4.2018 – AN 3 K 17.01187 – juris Rn. 23 ff.). Im Übrigen hat sich der Kläger nicht substantiiert mit dem Argument in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt, eine etwaige abstandsflächenpflichtige Aufschüttung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO sei von der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht umfasst, sodass sie der Überprüfung durch das Gericht im Rahmen dieses Rechtsstreits entzogen sei.
b) Auch der Vortrag, das Fundament der grenznahen Stützmauer reiche in sein Grundstück hinein, sodass er in seinem Eigentumsrecht verletzt sei, kann die Richtigkeit der erstinstanzlichen Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht nicht ernstlich infrage stellen. Eine von der Behörde erteilte Baugenehmigung kann, soweit das genehmigte Vorhaben im Falle seiner Umsetzung zu einem Überbau führt, insofern keine Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn begründen, da sie nach Art. 68 Abs. 4 BayBO in der (hier relevanten) bis 31. Januar 2021 geltenden Fassung (= Art. 68 Abs. 5 BayBO in der seit 1. Februar 2021 geltenden Fassung) unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird und damit hinsichtlich der privatrechtlichen Rechtslage keine Feststellungswirkungen trifft. Über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter mit dem Bauvorhaben im Baugenehmigungsverfahren wird m.a.W. mit Erteilung der Baugenehmigung nicht entschieden. Die Baugenehmigung sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie nicht aus. Sie stellt nicht verbindlich fest, dass das Vorhaben auch privatrechtlich zulässig oder privatrechtlich zu dulden ist (keine privatrechtsgestaltende Wirkung der Baugenehmigung). Der betroffene Nachbar wird andererseits durch die Baugenehmigung nicht gehindert, dem Vorhaben entgegenstehende private Rechte dinglicher oder obligatorischer Art vor den Zivilgerichten geltend zu machen (zum Ganzen vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Mai 2021, Art. 6 Rn. 436, speziell zum Überbau Rn. 443). Dass die Fragen, ob überhaupt ein Grenzüberbau vorliegt und ob ein Nachbar (bejahendenfalls) diesen zu dulden hat (§ 912 Abs. 1 BGB), rein zivilrechtlicher Natur und deshalb für den Erfolg einer Nachbaranfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung wegen Art. 68 Abs. 4 BayBO a.F. = Art. 68 Abs. 5 BayBO n.F. irrelevant sind, ist vom Verwaltungsgerichtshof wiederholt bestätigt worden (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.7.2013 – 15 ZB 13.1238 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 24.8.2016 – 9 CS 15.1695 – juris Rn. 22 m.w.N.; B.v. 17.9.2020 – 9 CS 20.1414 – juris Rn. 19; B.v. 19.4.2021 – 15 C 21.907 – juris Rn. 19; B.v. 27.5.2021 – 15 CS 21.1209 – juris Rn. 14).
3. Sollte der Schriftsatz vom 9. Februar 2021 dahingehend auszulegen sein, dass der Kläger implizit auch den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend macht, so vermag er auch hierüber die beantragte Zulassung der Berufung nicht zu erreichen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt bzw. nicht substantiiert dargelegt, wie sich aus den voranstehenden Ausführungen zu 2. ergibt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, § 162 Abs. 3 VwGO. Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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