Baurecht

Aufwendungsersatz für in Eigenregie hergestellten Grundstücksanschluss nach Teilung eines bereits angeschlossenen Grundstücks

Aktenzeichen  20 ZB 16.99

Datum:
16.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105245
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 677, § 683
WAS § 4, § 5

 

Leitsatz

Ein tatsächlich leitungsmäßig angeschlossenes Grundstück unterliegt unabhängig von einer dinglichen oder schuldrechtlichen Sicherung des Leistungsstrangs nicht (mehr) einer Anschlusspflicht. Dies gilt auch bei der nachträglichen Teilung eines bereits angeschlossenen Grundstücks. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 8 K 15.1062 2015-11-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 3.562,67 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt vom Beklagten Kostenerstattung für die Verlegung eines Grundstücksanschlusses.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 1026 (neu) der Gemarkung … Dieses ist aus einer durch das Landratsamt Amberg-Sulzbach mit Bescheid vom 18. Oktober 1988 genehmigten Teilung des Grundstücks Fl.Nr. 1026 (alt) hervorgegangen, welches im Eigentum des mittlerweile verstorbenen Vaters des Klägers stand. Das streitgegenständliche Grundstück grenzt im Süden teilweise an die T … teilweise liegt dazwischen noch die schmale Grünfläche Fl.Nr. 839/1. In östlicher Richtung grenzt es an die K … Westlich schließt sich das ebenfalls aus der Grundstücksteilung entstandene Grundstück Fl.Nr. 1026/2 an, welches auf den Bruder des Klägers überging und in westlicher Richtung an die B* … grenzt.
Der Beklagte betreibt im Gemeindegebiet eine öffentliche Wasserversorgungs- und Entwässerungsanlage. Das streitgegenständliche Grundstück, das mit einem Wohnhaus und einer Garage bebaut ist, war ursprünglich über die B … an die Wasserversorgungs- und Entwässerungsanlage angeschlossen. Die Anschlussleitungen verliefen nach der Grundstücksteilung durch das Grundstück Fl.Nr. 1026/2, und zwar nahezu parallel zur T … Anlässlich der Erbauseinandersetzung wurde dem Kläger mit notarieller Vereinbarung vom 14. August 2008 ein Durchleitungsrecht durch das Grundstück Fl.Nr. 1026/2 auf die Dauer von längstens fünf Jahren eingeräumt, welches aber im Falle der Bebauung dieses Grundstücks erlöschen sollte. Für den Fall des Eintritts der auflösenden Bedingung verpflichtete sich der Kläger, die Leitungen umgehend zu entfernen.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Kostenerstattung für die Verlegung seines Grundstücksanschlusses an die T … Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 19. Februar 2014 ab. Der Kläger ließ daraufhin den Grundstücksanschluss auf eigene Rechnung an die T … verlegen. Die Kosten hierfür beliefen sich nach der vorgelegten Rechnung der Baufirma auf 3.149,03 EUR.
Mit Urteil vom 30. November 2015 (Az. RO 8 K 15.1062), dem Klägerbevollmächtigten am 10. Dezember 2015 zugestellt, wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage auf Zahlung von 3.149,03 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß §§ 677, 683 BGB, weil er mit der Schaffung eines (zweiten) Grundstücksanschlusses kein Geschäft des Beklagten, sondern ein eigenes wahrgenommen habe.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung vom 8. Januar 2016, mit dem der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend macht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 ist zulässig, aber unbegründet, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht vorliegt (§§ 124a Abs. 5 Satz 2, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Für den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 63 m.w.N.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 20 ZB 11.1146 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 – DVBl 2004, 838). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).
Vor diesem Hintergrund liegen die geltend gemachten ernstlichen Zweifel am Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Leistungsklage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Kostenerstattung zusteht.
Der Sache nach begehrt der Kläger Aufwendungsersatz für den von ihm in Eigenregie hergestellten Grundstücksanschluss. Einen solchen Anspruch kann der Kläger jedoch nicht auf die Grundsätze der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag in rechtsähnlicher (analoger) Anwendung der §§ 677, 683 BGB stützen. Diese setzt voraus, dass der Geschäftsführer ein Geschäft für einen anderen besorgt hat, und dass die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, hat der Kläger mit der Verlegung seines Grundstücksanschlusses jedoch kein objektiv fremdes, sondern ein eigenes Geschäft wahrgenommen.
Nach § 4 Abs. 1 (Satz 1) der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungsanlage des Beklagten vom 18. Juni 1982 (Wasserabgabesatzung – WAS 1982) bzw. der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten vom 17. Juli 2014 (Entwässerungssatzung – EWS 2014) kann jeder Grundstückseigentümer verlangen, dass sein Grundstück nach Maßgabe der Satzung an die Wasserversorgungs- bzw. Entwässerungsanlage (Kanal) angeschlossen wird. Das Recht zum Anschluss ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 WAS 1982 bzw. EWS 2014 mit einem Anschlusszwang verbunden. Grundstücksanschlüsse sind die Wasser- bzw. Abwasserleitungen von der Abzweigstelle der Versorgungsleitung bzw. des Kanals bis zur jeweiligen Übergabestelle (§ 3 WAS 1982 bzw. § 3 EWS 2014). Zur Entwässerungseinrichtung gehören auch die im öffentlichen Straßengrund liegenden Teile der Grundstücksanschlüsse (§ 1 Abs. 3 EWS 2014). Deren Herstellung, Anschaffung, Verbesserung und Erneuerung werden somit in der Regel durch Beiträge finanziert, die von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet (Art. 5 KAG i.V.m. der jeweiligen Beitragssatzung). Für die Herstellung etc. desjenigen Teils des Grundstücksanschlusses, der sich nicht im öffentlichen Straßengrund befindet, kann die Gemeinde nach Art. 9 KAG i.V.m. § 8 Abs. 1 WAS bzw. EWS vom jeweiligen Grundstückseigentümer bzw. Erbbauberechtigten Kostenerstattung verlangen, soweit dieser nicht den Anschluss – wie hier der Kläger – in Eigenregie und auf eigene Rechnung herstellt (Art. 9 Abs. 5 KAG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 EWS 2014 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 3 WAS 1982). Eine Sondervereinbarung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 WAS 1982), in der eine abweichende Regelung für den Fall der nachträglichen Änderung des Anschlusses getroffen werden könnte, wurde nicht abgeschlossen.
Der Beklagte ist seiner Verpflichtung aus § 4 Abs. 1 (Satz 1) WAS 1982 bzw. EWS 2014 zur Herstellung eines Anschlusses des klägerischen Grundstücks an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwasserleitungen bereits durch den Anschluss des vormaligen Grundstücks Fl.Nr. 1026 (alt) über die B* … nachgekommen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2004 – 23 ZB 04.4 – beck-online). Wenn aber ein Grundstück bereits angeschlossen ist, kann eine Verpflichtung zur Erstattung der durch die Verlegung einer Anschlussleitung angefallenen Kosten nicht entstehen. Denn erstattungsfähig sind stets nur die Kosten für eine Leitung, die der Einrichtungsträger in Erfüllung einer dem Grundstückseigentümer abgenommenen Pflicht oder umgekehrt ein Grundstückseigentümer für die Gemeinde erbracht hat. Ein tatsächlich leitungsmäßig angeschlossenes Grundstück unterliegt unabhängig von einer dinglichen oder schuldrechtlichen Sicherung des Leitungsstrangs nicht (mehr) einer Anschlusspflicht; ein gleichwohl angeordneter Anschlusszwang ginge deshalb ins Leere (BayVGH, U.v. 6.7.2006 – 4 B 04.3427 – juris Rn. 23 f.; B.v. 11.2.2004 a.a.O.; U.v. 26.9.2000 – 23 B 00.1613 – juris Rn. 29; B.v. 20.1.1998 – 23 CS 97.3528 – juris Rn. 23).
Im vorliegenden Falle, der allerdings die Besonderheit der nachträglichen Teilung eines bereits angeschlossenen Grundstücks aufweist, kann nichts anderes gelten. Eine andere Betrachtung folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Rechtsprechung des 23. Senates, der sich auch der nunmehr für das Recht des Anschluss- und Benutzungszwangs zuständige 4. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen hat. Danach kann für ein durch Grundstücksteilung entstandenes neues Grundstück eine gesonderte Entwässerung (bzw. Wasserversorgung) nur dann verlangt werden, wenn es noch nicht an die öffentliche Einrichtung angebunden ist (BayVGH, U.v. 26.9.2000 – 23 B 00.1613 – juris Rn. 31; U.v. 6.7.2006 – 4 B 04.3427 – juris Rn. 23 ff.). Das ursprüngliche Grundstück Fl.Nr. 1026 (alt) war aber ordnungsgemäß an die öffentliche Einrichtung angebunden. Auch nach der Grundstücksteilung, welche auf dem autonomen Willensentschluss der beteiligten Privatpersonen beruhte und lediglich in bebauungsrechtlicher Hinsicht der Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit dem Beklagten bedurfte (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.d.F. vom 8.12.1986), bestand der Anschluss des neu entstandenen streitgegenständlichen Grundstücks zunächst weiter. Dass das so entstandene privatrechtliche Rechtsverhältnis der Grundstückseigentümer nach der Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Durchleitung verlangte, weil der Kläger wegen der vorhandenen anderweitigen Anschlussmöglichkeit von vornherein kein Notleitungsrecht beanspruchen konnte, war lediglich die Folge der Grundstücksteilung. Dass die getroffene Vereinbarung mit seinem Bruder lediglich ein aufschiebend bedingtes schuldrechtliches Durchleitungsrecht ohne dingliche Sicherung enthielt, beruhte ebenfalls allein auf dem autonomen Willensentschluss der Grundstücksnachbarn, auf den der Beklagte keinen Einfluss hatte. Der Beklagte hatte seine satzungsrechtliche Verpflichtung zur Schaffung eines Anschlusses bereits erfüllt. Der Umstand, dass im Falle des tatsächlichen Wegfallens des bisherigen Anschlusses und Fehlens eines weiteren Anschlusses der Anschlusszwang wieder auflebte mit der Folge, dass der Beklagte die Herstellung eines neuen Anschlusses hätte verlangen und gegebenenfalls zwangsweise durchsetzen können (BayVGH, U.v. 26.9.2000 – 23 B 00.1613 – juris Rn. 30; U.v. 6.7.2006 – 4 B 04.3427 – juris Rn. 24 f.), bestätigt gerade, dass es sich dabei nicht um ein Geschäft des Beklagten, sondern des Klägers handelte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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