Baurecht

Ausnahmsweise Zulassung einer Kita im Gewerbegebiet

Aktenzeichen  AN 9 K 19.01775

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3882
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO 1977 § 8 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

Eine Kindertagesstätte kann bauplanungsrechtlich als Anlage für soziale Zwecke in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig sein. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nachdem der Kläger hier als Eigentümer des Nachbargrundstücks gegen die Baugenehmigung klagt, kann die Klage nur erfolgreich sein, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt ist und die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist.
Da die Kindertagesstätte als Tageseinrichtung für mehr als zehn Kinder geplant ist, ist diese als Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 Nr. 12 BayBO einzuordnen, sodass sich der Prüfungsumfang hier aus Art. 60 BayBO ergibt.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977, da der Bebauungsplan aus dem Jahr 1979 stammt und die geplante Kindertagesstätte auch nach der Ansicht der Parteien unstreitig eine Anlage für soziale Zwecke darstellt. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, der hier nach Art. 1 Abs. 3 BauNVO zum Inhalt des Bebauungsplans geworden sind, können Anlagen für soziale Zwecke im vorliegenden Gewerbegebiet ausnahmsweise zugelassen werden. Die von der Beklagten in Ziffer 4 der Baugenehmigung gewährte Ausnahme ist rechtmäßig erteilt worden.
Das hier genehmigte Vorhaben ist gebietsverträglich und widerspricht nicht der sich aus § 8 Abs. 1 BauNVO 1977 ergebenden allgemeinen Zweckbestimmung des Gewerbegebiets. Das genehmigte Vorhaben ist weder allgemein bei typisierender Betrachtungsweise gebietsunverträglich, noch ergibt sich eine Unzulässigkeit im Einzelfall aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, noch wird das aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 1977 hergeleitete Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten des Klägers verletzt.
1. Nach § 8 Abs. 1 BauNVO 1977 dient das hier festgesetzte Gewerbegebiet vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Der sich daraus ergebenden Zweckbestimmung widerspricht eine Kindertagesstätte bei typisierender Betrachtungsweise anders als eine wohnähnliche Nutzung nicht, da insbesondere der Aufenthalt von Personen in der Kinderbetreuungseinrichtung nur tagsüber erfolgt und somit eine Nutzung während der im Hinblick auf die in einem Gewerbegebiet grundsätzlich zulässigen Immissionen kritischen Nachtzeit nicht erfolgt. Auch sonst ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Kinderbetreuungseinrichtung wie das gegenständliche Vorhaben im festgesetzten GE unzumutbare Störungen auslösen könnte oder solchen ausgesetzt wäre. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den von einem derartigen Vorhaben üblicherweise ausgelösten Verkehr.
2. Der Betrieb der hier genehmigten Kindertagesstätte umfasst maximal 74 Kinder in jeweils zwei Gruppen im Kindergarten sowie zwei Gruppen in Kinderkrippen. Gerade das hier vorliegende eingeschränkte Gewerbegebiet, was den Störgrad der nach § 2 Nr. 1.2 der Satzung zulässigen Nutzungen betrifft, lässt nicht erwarten, dass die hier genehmigte Kinderbetreuungseinrichtung unzumutbaren Störungen ausgesetzt sein wird. Ebenso wenig ist im Hinblick auf die sich aus der vorgelegten Betriebsbeschreibung im Rahmenkonzept für das Kinderhaus in der …straße ergebenden Betriebszeiten Montag bis Freitag von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr, sowie auf die Art und den Umfang des Betriebs davon auszugehen, dass von dem Vorhaben unzumutbare Störungen auf die in der Umgebung vorhandenen Nutzungen ausgehen können.
Dies gilt auch durch für den vom Vorhaben ausgelösten Zu- und Abfahrtsverkehr. Insofern ist zu bedenken, dass die nach der Stellplatzsatzung der Beklagten notwendigen vier Stellplätze auf dem Baugrundstück nachgewiesen werden, wobei die Zufahrt von Norden vom Wendehammer der …straße erfolgt. Relevante Störungen von dem Verkehr auf dem Baugrundstück und den Stellplätzen dort sind im Hinblick auf die Situierung der Stellplätze und der Zufahrt im Hinblick auf die benachbarten Grundstücke nicht zu erwarten. Aber auch der Verkehr auf der …straße, die als ausgebaute Erschließungsstraße für eine Mehrzahl von Gewerbebetrieben dient und am südlichen Ende einen Wendehammer aufweist, ist, nachdem es sich ausschließlich um Pkw-Verkehr zur Tagzeit handeln dürfte, nicht geeignet, unzulässige Beeinträchtigungen, insbesondere durch Immissionen, auf den Anliegergrundstücken hervorzurufen.
Die hier gewährte ausnahmsweise Zulassung einer Anlage für soziale Zwecke auf dem Baugrundstück lässt auch nicht befürchten, dass die Festsetzung GE hier obsolet werden könnte, nachdem auf den unmittelbar nördlich angrenzenden Grundstücken entlang der …straße mehrere größere Gewerbebetriebe ansässig sind. Insofern ist das Vorhaben auch im Hinblick auf seine Größe und Lage nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 planungsrechtlich zulässig.
3. Es liegt hier auch keine Verletzung des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme, hergeleitet aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 1977, im Hinblick auf das Anwesen des Klägers vor. Weder löst das genehmigte Vorhaben im Hinblick auf den Gewerbebetrieb des Klägers und dessen Grundstück unzumutbare Belästigungen oder Störungen aus, noch ist die genehmigte Kinderbetreuungseinrichtung solchen Belästigungen oder Störungen vom klägerischen Betrieb und Betriebsgelände aus ausgesetzt.
Nach den genehmigten Plänen liegt das Bauvorhaben innerhalb der Baugrenzen und hält die Abstandsflächen nach Norden zum Anwesen des Klägers ein, entsprechende Verstöße wurden von diesem auch nicht gerügt.
Soweit der Kläger darauf abstellt, der vom Vorhaben ausgelöste Verkehr, d.h. die Fahrzeugbewegungen und Halte- bzw. Parkvorgänge der ihre Kinder bringenden oder abholenden Eltern, würden zu unzumutbaren Verkehrsverhältnissen in der …straße führen, so ist nach Ansicht der Kammer eine solche außergewöhnliche, den Betrieb des Klägers in relevanten Umfang behindernde oder beeinträchtigende Verkehrsbelastung auf der …straße als Zufahrt zu beiden Vorhaben nicht zu erwarten. So zeigen schon die vom Kläger in der Verhandlung vorgelegten Lichtbilder, die nach dem Vortrag der Klägervertreterin die bereits jetzt völlig unzumutbare Park- und Verkehrssituation in der …straße belegen sollen, keine verkehrswidrigen oder irgendeinen der Anlieger behindernden Park- oder Fahrvorgänge. Zwar ist auf den Lichtbildern ersichtlich, dass die beidseits der Fahrbahn vorhandenen Parkplätze den Lichtbildern nach zu urteilen überwiegend belegt sind. Eine bereits jetzt unzumutbare oder chaotische Parksituation ergibt sich aus den Lichtbildern aber gerade nicht. Die …straße ist als Erschließungsstraße für die angrenzenden Gewerbebetriebe soweit ersichtlich ausreichend dimensioniert, zumal neben den auf den Grundstücken für die jeweilige Nutzung notwendigen Stellplätzen durch die beidseits der …straße verlaufenden Längsparkstreifen in erheblichem Umfang zusätzlicher Parkraum zur Verfügung steht. Auch wenn der zu erwartende zusätzliche Fahr- und Parkverkehr im Hinblick auf den Betrieb des gegenständlichen Vorhabens zu einer Verschlechterung der Park- und Fahrsituation, jedenfalls zu gewissen Tageszeiten, führen kann, so liegen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass eine chaotische oder für den Kläger unzumutbare Verkehrssituation zwangsläufig entstehen muss. Zum einen ist im Hinblick auf die Zahl der Betreuungsplätze von maximal 74 Kindern auszugehen, die am Morgen gebracht und ab Mittag oder im Lauf des Nachmittags abgeholt werden dürften. Wie viele von diesen Kindern von den Eltern mit dem Pkw gebracht werden würden, ist derzeit nicht absehbar, allerdings befindet sich auch umfangreiche Wohnbebauung im näheren Umgriff, und südlich des Bauvorhabens verläuft ein Weg sowohl zur östlich gelegenen …Straße als auch zum westlich gelegenen …, sodass auch eine Ablieferung von Kindern zu Fuß oder mit dem Fahrrad möglich und wohl auch in gewissem Umfang zu erwarten ist. Hinzu kommt, dass entgegen der Angabe der Klägervertreterin die Mehrzahl der Kinder, nämlich 50 von 74, zwischen drei und sechs Jahren alt sein werden und nur zweimal 12 Kinder in den Kinderhortgruppen bis drei Jahre alt. Im Übrigen dürften sich eventuelle Verkehrsprobleme im Wesentlichen auf die Stunde zu Beginn der Öffnungszeit, also ab 7:30 Uhr, beschränken. Sollten etwa in dieser Zeit durch unzulässig parkende Eltern nennenswerte Verkehrsbehinderungen auf der …straße entstehen, könnte und ggf. müsste die Beklagte durch verkehrsrechtliche Ordnungsmaßnahmen dem entgegentreten. Auf jeden Fall hat der Kläger eine eigene Zufahrt zu seinem Grundstück nördlich des Wendehammers, dort dürfte auch der Kunden- und Lieferverkehr stattfinden, eine Beeinträchtigung insofern wäre allenfalls durch in unzulässiger Weise in der Einfahrt parkende Eltern denkbar; dem könnte aber mit zivilrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Mitteln entgegengetreten werden. Soweit der Kläger auch Lieferungen durch Lkw erhält, so ist nicht substantiiert dargetan, weshalb diese in Zukunft in unzumutbarer Weise be- oder gar verhindert werden sollten. Im Übrigen ist anzunehmen, dass ein Großteil der Eltern nur wenige Minuten am Morgen bzw. am Nachmittag zum Vorhabensgrundstück fährt bzw. in dessen Umgebung parkt, sodass von dauerhaften Behinderungen und einem Verkehrschaos wohl nicht ausgegangen werden kann.
Die von der Klägervertreterin angeführte Entscheidung des VG München vom 7. Dezember 2003, M 8 K 09.4469 betrifft die Zulässigkeit einer Kita in einem reinen Wohngebiet, in dem zudem die Z.straße als S2.straße gewidmet ist. Mit dem vorliegenden Verfahren ist dies nicht vergleichbar, gerade was den Schutzgrad der Nachbarn angeht.
Auch sonstige Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften sind hier weder dargetan noch ersichtlich.
Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Auferlegung von außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen war hier nicht veranlasst, da sich der Beigeladene weder am Verfahren beteiligt noch einen Antrag gestellt hat.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 in Höhe des vorläufig festgesetzten Streitwerts, gegen den die Beteiligten keine Einwendungen erhoben haben, festgesetzt.


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