Baurecht

Außenbereich, Genehmigungspflichtigkeit, öffentliche Belange

Aktenzeichen  W 4 K 18.1365

Datum:
25.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55239
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht vorliegend ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Parteien im Rahmen des Augenscheintermins hiermit einverstanden erklärt haben.
1. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts K. vom 28. September 2018, mit dem der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes mit Sozialräumen abgelehnt wurde. Der Kläger begehrt die Aufhebung von Ziffer 1) des Bescheids und die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Baugenehmigung auf der Grundlage des Bauantrags vom 8. November 2017 zu erteilen.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage vorliegend überhaupt die richtige Klageart ist, denn laut Klagebegründung stellt das streitgegenständliche Vorhaben nach Überzeugung des Klägers und seiner Bevollmächtigten ein verfahrensfreies Vorhaben nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c BayBO dar, welches angeblich keine Genehmigung gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfe. Es spricht in einem solchen Fall viel dafür, dass als richtige Klageart nicht die Verpflichtungsklage, sondern die Feststellungsklage in Betracht zu ziehen ist (vgl. Weinmann in Beck OK, Bauordnungsrecht Bayern, 15. Edition, Stand 1.6.2020, Rn. 289 m.w.N.).
3. Doch selbst dann, wenn die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage vorliegend zulässig sein sollte, so wäre sie jedenfalls unbegründet, denn der Kläger hat zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung einer Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO zur Errichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes mit Sozialräumen im Außenbereich (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
4. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das von ihm geplante Vorhaben zunächst genehmigungspflichtig nach Art. 55 Abs. 1 BayBO und unterfällt gerade nicht Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c BayBO. Bei dieser Vorschrift ist die Errichtung von freistehenden Gebäuden ohne Feuerungsanlagen, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen, nur eingeschossig und nicht unterkellert sind, höchstens 100 m² Brutto-Grundfläche und höchstens 140 m² überdachte Fläche haben und nur zur Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind, verfahrensfrei.
Unabhängig von der Frage, ob die übrigen eben genannten Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, hat jedenfalls der Augenschein des Gerichts offensichtlich zu Tage gefördert, dass das vom Kläger teilweise schon errichtete Gebäude nicht mehr ausschließlich zur Unterbringung von Sachen bestimmt ist. Maßgeblich für die Bestimmung des Nutzungszwecks ist nicht die vom Bauherrn angegebene Zweckbestimmung. Es ist vielmehr auf objektive Kriterien, wie Größe, Bauausführung und Gestaltung abzustellen (vgl. BayVGH, BeckRS 2017, 110411; OVG Koblenz, BeckRS 2004, 21226). Weist das Gebäude einen Aufenthaltsraum auf, wobei es ausreichend ist, dass ein Raum vorhanden ist, der zwar nicht ausdrücklich hierfür bestimmt ist, aber nach Lage und Größe geeignet ist (vgl. Lechner, Busse in Simon/Busse, BayBO, Werkstand: 136. EL Januar 2020, Art. 57 Rn. 121 m.w.N.), liegt keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c BayBO vor. Gleiches gilt für einen Arbeitsraum, der als Aufenthaltsraum im vorgenannten Sinn zu betrachten ist (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.1970 – Nr. 281/II 67, BayVBl 1970, S. 367).
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen und unter Beachtung der im Rahmen des Augenscheintermins gewonnenen Erkenntnisse kann von einem Gebäude, das ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dient, keine Rede sein.
Der Kläger hat schon mit dem für die Wände verwendeten Material und der Wandhöhe die Art und Weise verlassen, in der üblicherweise landwirtschaftliche Gerätehallen ausgeführt werden.
Er hat, dies hat der Augenscheinstermin eindeutig ergeben, ein Gebäude errichtet, dass jedem beliebigen Zweck zugeführt werden kann.
Die Umstände, dass der Kläger einen Sanitärbereich geplant hat und bereits begonnen hat einen Trinkwasser- und Kanalanschluss zu errichten und dass der Einbau einer Heizung geplant ist, zeigen, dass das von ihm teilweise bereits errichtete Vorhaben offensichtlich nicht allein zur Unterbringung von Sachen dienen soll, sondern zumindest teilweise auch zum Aufenthalt.
Der Rohbau ist, auch das hat der Augenschein ergeben, bereits jetzt, obwohl die Außenwände noch nicht fertiggestellt sind und eine Außenwand komplett fehlt, schon mit vier Fenstern versehen, wobei zwei Fenster unmittelbar nebeneinanderliegen. Daneben befindet sich, äußerst ungewöhnlich, ein großes Rundbogenfenster, was offensichtlich zur Belichtung und Belüftung und damit zum Aufenthalt dienen soll.
Wenn der Kläger das Gebäude nur zur Unterbringung von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen und somit als genehmigungsfrei hätte bewertet wissen wollen, dann hätte er es ausschließlich als Betriebsgebäude für den genannten Zweck und ohne Eignung für einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen errichtet.
Ergibt sich somit, dass das Gebäude des Klägers dessen landwirtschaftlichem Betrieb nicht derart zugeordnet ist, dass es nur zur Unterbringung von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen bestimmt ist, so war eine Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c BayBO im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes nicht gegeben. Sie liegt auch jetzt nicht vor.
5. Das Vorhaben ist aber auch planungsrechtlich unzulässig, da es an den Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB fehlt. Ein vernünftiger Landwirt hätte gerade auch im Hinblick auf das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ein solches Vorhaben nicht errichtet. Ihm kommt keine dienende Funktion für eine landwirtschaftliche Nutzung zu. Bauplanungsrechtlich ist es somit als sonstiges Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Danach kann ein Bauvorhaben im Außenbereich im Einzelfall nur dann zugelassen werden, wenn durch seine Errichtung oder Nutzung keine öffentlichen Belange beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Regelbeispiele erfüllt sind. Vorliegend würde das Bauvorhaben jedenfalls die Verfestigung einer Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB befürchten lassen. Dem Begriff der Splittersiedlung steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Vorhaben nicht um ein Wohngebäude, sondern um eine, auch landwirtschaftlichen Zwecken dienende Halle handelt. Denn auch bauliche Anlagen, die mit dem nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen verbunden sind, können im Hinblick auf den Schutzzweck des öffentlichen Belangs nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB die Gefahr einer Zersiedlung begründen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1976 – IV C 42.74 – juris).
Es ist jedenfalls die Verfestigung der Splittersiedlung zu befürchten, da durch das Bauvorhaben die Bebauung des Außenbereichs fortgeführt würde. Zweck der Regelung des § 35 BauGB ist es, die Bebauung des Außenbereichs möglichst nur auf privilegierte Vorhaben zu beschränken. Dem steht die Errichtung einer Halle, welche auch dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dient, entgegen. Die Erteilung der beantragten Baugenehmigung hätte für ähnliche Bauvorhaben eine unerwünschte Vorbildwirkung.
6. Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB liegt auch eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt. Das ist hier, wie der Augenscheinstermin gezeigt hat, offensichtlich der Fall, zumal die Landschaft von nicht privilegierter Bebauung grundsätzlich freigehalten werden soll. Der geplante Vorhabensstandort ist weithin sichtbar, das Vorhaben hätte auf die Umgebung erhebliche Auswirkungen, alleine aufgrund des massiven Baus.
7. Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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