Baurecht

Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Gaststätte in einen gastronomischen Betrieb mit Kleinkunstbühne

Aktenzeichen  M 8 K 18.3809

Datum:
12.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33778
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Festlegung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts ist  zur Sicherung der Nachbarrechte nur dann ausreichend, wenn feststeht, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten. Daher muss, wenn die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch (weitere) konkrete Regelungen eingeschränkt werden (vgl. VGH München, BeckRS 2011, 34436 Rn. 31). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch der Lärm von Besuchern, die sich zum Rauchen oder Frischluftschnappen vor einer Gaststätte oder vergleichbaren Einrichtung aufhalten, ist dem jeweiligen Betrieb zuzurechnen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2018 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 wird aufgehoben. 
II.    Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.     
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 28. Juni 2018, in die der Nachgangsbescheid vom 9. März 2020 gemäß § 91 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wirksam einbezogen worden ist, ist zulässig und auch begründet. Die streitgegenständliche Baugenehmigung 28. Juni 2018 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 verstößt gegen im vorliegend einschlägigen Genehmigungsverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m Art. 60 Satz 1, Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 und Nr. 20 Bayerische Bauordnung (BayBO) zu prüfende, (auch) die Klägerin schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften, so dass die Baugenehmigung aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zudem zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, also die gerügte Rechtsverletzung Gegenstand des Prüfprogramms im einschlägigen Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 9; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 23). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
2. Die vorliegend streitgegenständliche Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 verstößt gegen drittschützende Rechte der Klägerin, die im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 60 Satz 1 BayBO zu prüfen waren.
a) Bauplanungsrechtlich (vgl. Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO) beurteilt sich die Genehmigungsfähigkeit der vorliegend von der Beigeladenen zur Genehmigung gestellten Nutzungsänderung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten im Anwesen … Str. 10, Gemarkung … … …, nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB), da das streitgegenständliche Grundstück im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, der lediglich Baulinien bzw. -grenzen festsetzt, sowie in einem im Zusammenhang bebauunten innerstädtischen Quartier liegt, das hinsichtlich der Art der Nutzung nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten sowie des im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins gewonnenen Eindrucks als Gemengelage mit überwiegendem Wohnanteil anzusehen ist, so dass § 34 Abs. 2 BauGB nicht einschlägig ist.
b) Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich vorliegend – wie klägerseits zutreffend erkannt – zwar nicht daraus, dass sich die genehmigte neue Nutzung der bei Errichtung als Gaststätte genehmigten Räumlichkeiten im Erd- und Untergeschoss des Gebäudes … Str. 10 ihrer Art nach (möglicherweise) objektiv nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, also innerhalb der Gemengelage mit überwiegendem Wohnanteil kein Vorbild findet bzw. den von der tatsächlich vorhandenen Bebauung gebildeten Rahmen nicht einhält und dadurch bodenrechtliche Spannungen in das Gebiet hineinträgt. Denn das Einfügungsgebot nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB als solches hat keine zumindest auch Rechte der Nachbarn schützende Funktion und vermittelt insofern dem Nachbarn keine Rechte (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1969 – IV C 234.65 – juris Rn. 15; B.v. 13.2.1981 – 4 B 14.81 – juris Rn. 2; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 12). Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 12; B.v. 13.11.1997 – 4 B 195.97 – juris Rn. 6; U.v. 5.12. 2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 21).
Daher kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob die auf der Grundlage der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen vom 21. Juni 2018 vorgenommene Einordnung der neuen Nutzung als Schankwirtschaft mit kulturellen Veranstaltungen zutreffend ist. Ohne Entscheidungserheblichkeit wird insofern darauf hingewiesen, dass an der Einordnung des Betriebs des „…“ als Schankwirtschaft nicht ganz unerhebliche Zweifel bestehen. Diese sind insbesondere durch die der Betriebsbeschreibung zu entnehmende Bedeutung von Veranstaltungen in Form von Singer/Songwriter-Konzerten, kleinen Kabarettveranstaltungen und regelmäßigen außergewöhnlichen Veranstaltungen wie Talkshows, Jam Sessions und Stand up Comedy sowie Konzert-Live-Übertragungen, Podiumsdiskussionen und Lesungen innerhalb des Betriebskonzepts in Verbindung mit dem in der Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 im Unterschied zu den ersten Betriebsbeschreibungen vom 23. November 2017 und vom 7. Mai 2018 genannten, nicht näher bestimmten Ausklingen der Livemusik im Konzertraum an den Wochenenden, den vorgesehenen Öffnungszeiten bis 1:00 Uhr bzw. 3:00 Uhr und der in den Bauantragsunterlagen vorgesehenen Zahl an Sitzplätzen (UG: 50, EG: 16) im Verhältnis zur Zahl der Gastplätze insgesamt (UG: 90, EG: 40) begründet. Die Einordnung als Schankwirtschaft setzt voraus, dass der Schwerpunkt der Nutzung auf der Verabreichung von Getränken liegt (vgl. VGH Mannheim, U.v. 18.9.1991 – 3 S 1644/91 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 7.9.2016 – 2 ZB 16.239 – Umdruck Rn. 6, 9; Aschke, in: Kröninger/Aschke/Jeromin, BauGB, 4. Aufl. 2018, § 4a BauNVO Rn. 21; Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 31). Dass dies bei der nach der Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 beabsichtigten Nutzung zumindest des einen wesentlichen Teil der Gesamtgastraumfläche umfassenden Untergeschosses der streitgegenständlichen Räumlichkeiten der Fall ist, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Dementsprechend hatte auch die Beklagte selbst ausweislich ihrer Dienstbesprechung vom 3. April 2018 zunächst Zweifel an der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der zur Genehmigung gestellten Nutzungsänderung. Die aufgrund dessen von der Beigeladenen schließlich vorgelegte Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 beschreibt den Betrieb des „…“ – abgesehen von dem zusätzlich aufgenommenen „Ausklingen der Livemusik im Konzertraum“ an den Wochenenden – jedoch nicht anders als die anfangs vorgelegte Betriebsbeschreibung vom 23. November 2017. Die in der Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 im Vergleich zu den vorherigen Betriebsbeschreibungen erstmals enthaltene Erklärung, dass das „…“ kein Club im Sinne einer Vergnügungsstätte sein solle und Club- und Diskothekenveranstaltungen nicht stattfinden sollten, vermag die sich aus der Beschreibung der konkreten Ausgestaltung des Betriebs ergebende bauplanungsrechtliche Einordnung der Nutzungsart nicht zu verändern.
c) Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 verstößt jedoch -auch in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 – gegen das im Gebot des Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verankerte und gerade auch dem Schutz der Klägerin dienende Rücksichtnahmegebot (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Rn. 49; U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 29; vgl. auch VGH Mannheim, B.v. 30.1.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 38 und B.v. 2.10.2019 – 3 S 1470/19 – juris Rn. 71, der in einem ähnlichen Fall lediglich allgemein von der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ausgeht) bzw. ist im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot und damit in nachbarrechtlich relevanter Weise unbestimmt (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 8; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 5 ff.), weil nicht erkennbar ist, ob bzw. dass die im Nachgangsbescheid erlassenen zusätzlichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen bei Umsetzung bzw. Ausübung der genehmigten Nutzung tatsächlich eingehalten werden können und damit geeignet sind, den schützenswerten Belangen der Klägerin ausreichend Rechnung zu tragen, d. h. insbesondere die der neuen Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten zuzurechnenden Lärmemissionen wirkungsvoll auf ein der Klägerin zumutbares Maß zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Rn. 48 f., 53) und damit sicherzustellen, dass die durch die Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 nur solche Nutzungen erlaubt sind, die geschützte Rechte der Klägerin nicht beeinträchtigen können (vgl. VG Schleswig, B.v. 28.5.2018 – 2 B 6.18 – juris Rn. 22).
aa) Baugenehmigungen müssen nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sein, sodass sie vollständig, klar und unzweideutig sind. Dies bedeutet, dass die im Genehmigungsbescheid getroffene Regelung und damit auch der Inhalt, die Reichweite und der Umfang der genehmigten Nutzung für die Beteiligten des Verfahrens – gegebenenfalls nach Auslegung (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.1998 – 4 C 9/97 – juris Rn. 19) insbesondere unter Berücksichtigung des Bauantrags, der ihm beigefügten Bauvorlagen im Sinne von Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO sowie weiterer von der Bauaufsichtsbehörde zur Beurteilung des Vorhabens verlangter oder vom Bauherrn vorgelegter Unterlagen (vgl. VGH Mannheim, B.v. 30.1.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 35) – eindeutig zu erkennen sein müssen (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205 – juris Rn. 7; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 30), damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und Drittbetroffene zweifelfrei können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2009 – 1 CS 09.221 – juris Rn. 20; B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – juris Rn. 6; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 5).
Ein Nachbar hat zwar keinen materiellen Anspruch darauf, dass dem Bauantragsteller nur inhaltlich hinreichend bestimmte Baugenehmigungen erteilt werden. Nachbarrechte können aber dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das geneh-migte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.1996 – 2 B 94.1513 – BayVBl. 1997, 405 f.; B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1775 – ju-ris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 14; VGH Mannheim, B.v. 23.11.2017 – 3 S 1933/17 – juris Rn. 8). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2016 – 15 B 16.1001 – juris Rn. 4; B.v. 5.7.2017 – 9 CS 17.603 – juris Rn. 13; jeweils m.w.N.). Der Nachbar muss insofern auch erkennen können, mit welchen Immissionen er zu rechnen hat und ob er gegebenenfalls schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – CS 15.1633 – juris Rn. 22). Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich dabei nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2007 – 4 B 52.07 – juris Rn. 6; OVG Münster, U.v. 6.6.2014 – 2 A 2757/12 – juris Rn. 73; OVG Schleswig, B.v. 11.8.2014 – 1 MB 18.14 – juris Rn. 9; OVG Lüneburg, B.v. 26.1.2012 – 1 ME 226/11 – juris Rn. 22).
bb) Die Bauaufsichtsbehörde hat bei der Prüfung, ob und inwieweit von einer geplanten Nutzung Immissionen ausgehen können, der Reichweite der Immissionen nachzugehen. Sie muss insbesondere prüfen, in welchem Umkreis die Immissionen noch zumutbar sind. Sie ist daher verpflichtet, zugunsten eines Nachbarn mittels einer konkreten Betriebsbeschreibung, durch Auflagen in der Baugenehmigung oder durch Ähnliches sicherzustellen, dass der Nachbar vor unzumutbaren Immissionen ausreichend geschützt wird (vgl. BayVGH, U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 28 und 30; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 5); hierauf hat der Nachbar einen Anspruch (vgl. BayVGH, U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 28). Wenn es um die Lösung einer Immissionskonfliktlage geht, reicht es daher zwar sowohl im Hinblick auf die Anforderungen der Bestimmtheit der Baugenehmigung als auch des Rücksichtnahmegebots in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 5.11.1968 – I C 29.67 – juris Rn. 11; U.v. 24.6.1971 – I C 39.67 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31). Die Festlegung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts genügt allerdings zur Sicherung der Nachbarrechte nur, wenn sie geeignet und ausreichend ist, die Erfüllung der Anforderungen des Rücksichtnahmegebots auch für den Fall, dass von der Baugenehmigung im vollem Umfang Gebrauch gemacht wird, sicherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2012 – 22 CS 12.575 – juris Rn. 25), d.h. zu gewährleisten, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 5). Die Festlegung des maßgeblichen Immissionsrichtwerts ist insofern zur Sicherung der Nachbarrechte nur dann ausreichend, wenn feststeht, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 5; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 8). Daher muss, wenn die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch (weitere) konkrete Regelungen eingeschränkt werden (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Leitsatz, Rn. 53 ff., 58; B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 10). Ebenso wenig ist die bloße Festsetzung von Immissionsrichtwerten im Hinblick auf die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme bzw. das Rücksichtnahmegebot selbst ausreichend, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese bei regelmäßigem Betrieb der geplanten Anlage nicht eingehalten werden können. Denn in diesem Fall ist ebenso wenig sichergestellt, dass der Nachbar durch die geplante Anlage keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Rn. 49; U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 30; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 7 f.; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 7). Derartige, trotz auf das Gegenteil hindeutender Anhaltspunkte nicht auf ihre tatsächliche Einhaltbarkeit geprüfte Richtwertfestsetzungen sind nicht geeignet, den schützenswerten Belangen des Nachbarn ausreichend Rechnung zu tragen (vgl. VGH Mannheim, B.v. 2.10.2019 – 3 S 1470/19 – juris Rn. 71). Die gegenteilige Sichtweise würde den Nachbarn unangemessen benachteiligen, da er selbst im Regelfall die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nicht überprüfen kann und zudem regelmäßig nicht zu vermeidende Unsicherheiten bei nachträglichen Kontrollen – von denen vorliegend ausweislich ihres Schreibens vom 1. Oktober 2018 auch die Beklagte ausgeht – zu seinen Lasten und damit zu Lasten des zu Schützenden gehen (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 6; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 7, 9). Daher muss, sofern konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Richtwerte tatsächlich nicht eingehalten werden können, vor deren Festsetzung das konkrete Störpotenzial des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ermittelt und geprüft werden, ob die beabsichtigten Auflagen und sonstigen Regelungen der Baugenehmigung tatsächlich ausreichen, um das (auch) zu Gunsten der Nachbarn zu wahrende, dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entsprechende Schutzniveau tatsächlich zu erreichen (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 32).
cc) Vorliegend hat die Beklagte zwar – wie an sich bereits bei Erlass der Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 geboten (vgl. VGH Mannheim, B.v. 30.1.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 36; B.v. 2.10.2019 – 3 S 1470/19 – juris Rn. 70) – zumindest im Nachgangsbescheid vom 9. März 2020 zur Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 in den Auflagen 1.1.1 und 1.1.2 nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG i.V.m. Art. 54 Abs. 2 BayBO Immissionsrichtwerte von tagsüber 54 dB(A) und von nachts 39 dB(A) am gemäß Ziffer 2.3 TA Lärm maßgeblichen Immissionsort des Anwesens der Klägerin (* …straße 16) bzw. von tagsüber 35 dB(A) und von nachts 25 dB(A) in schutzbedürftigen Räumen, die mit den streitgegenständlichen Räumen und Betriebseinrichtungen baulich verbunden sind, festgesetzt. Gleichzeitig hat sie die in der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ geforderten Luftschalldämmmaße und Trittschallpegel als gegenüber betriebsfremden, schutzbedürftigen Räumen einzuhaltend angeordnet (Ziffer 1.1.3) und die Beigeladene darüber hinaus verpflichtet, alle geräusch- oder schwingungserzeugenden Maschinen, Geräte, Anlagen und Anlagenteile dem Stand der Technik entsprechend gegen die Emission von Luft- und Körperschall sowie gegen die Übertragung von Schwingungen zu isolieren (Ziffer 1.1.4). Die in der Auflage 1.1.1 festgesetzten Werte entsprechen den gemäß Ziffer 3.2.1 TA Lärm um 6 dB(A) reduzierten und analog Ziffer 6.7 TA Lärm für die vorliegende Gemengelage herangezogenen Richtwerten für Kern-, Dorf- und Mischgebiete, die in der Auflage 1.1.2 festgesetzten Werten entsprechen denjenigen der Ziffer 6.2 TA-Lärm. Ob dabei die Richtwerte in Auflage 1.1.1 insbesondere auch im Hinblick auf den gemäß Ziffer 2.3 TA Lärm maßgeblichen Immissionsort am Anwesen der Klägerin zutreffend sind oder gemäß Ziffer 6.7 Satz 1 TA Lärm niedrigere Zwischenwerte hätten angesetzt werden müssen, weil in der …straße ab dem klägerischen Anwesen in westliche Richtung die Wohnnutzung deutlich überwiegt, kann vorliegend dahinstehen. Denn angesichts der Umstände des vorliegenden Falls ist schon nicht in belastbarer Weise sichergestellt, dass die in den Auflagen 1.1.1 und 1.1.2 festgesetzten Richtwerte durch die der Beigeladenen genehmigte Nutzung gegenüber dem klägerischen Anwesen tatsächlich eingehalten werden können. Vielmehr gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall ist. Insofern hätte es weiterer Ermittlungen zumindest in Form der Einholung eines von der Beklagten selbst am 9. April 2018 angedachten Prognosegutachtens mit Aussagen auch zum „Lärm vor der Tür“ im Sinne von Ziffer 4.2 lit. b TA Lärm bedurft. Wie von der Beklagten am 9. April 2018 zutreffend erkannt, wäre im Rahmen der gebotenen Ermittlung und Prüfung insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass zu den einer Gaststätte oder einem vergleichbaren Betrieb zuzurechnenden schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG auch der durch Gäste hervorgerufene Lärm auf dem Weg von und zu einer Gaststätte oder einem vergleichbaren Betrieb gehört, solange die Besucher noch erkennbar als Ziel- und Quellverkehr dieses Betriebs in Erscheinung treten bzw. der Lärm einen erkennbaren Bezug zu dem Betrieb hat (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 – juris Leitsatz 2 und Rn. 35; B.v. 9.4.2003 – 6 B 12.03 – juris Orientierungssatz 1 und Rn. 10; BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 22 B 10.289 – juris Orientierungssatz 2 und Rn. 19; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 4). Zudem ist auch der Lärm von Besuchern, die sich zum Rauchen oder Frischluftschnappen vor einer Gaststätte oder vergleichbaren Einrichtung aufhalten, dem jeweiligen Betrieb zuzurechnen, da der Bezug zu diesem Betrieb noch viel deutlicher zutage tritt als der Lärm des Ziel- und Quellverkehrs der Gäste. Rauchende Besucher verlassen üblicherweise eine Gaststätte für eine kurze Rauchpause und halten sich dafür in deren direkter Nähe auf. Eine Vermischung mit anderen, nicht der Gaststätte zuzurechnenden Passanten findet hier in der Regel nicht statt. Die sich vor einer Gaststätte oder einem vergleichbaren Betrieb aufhaltenden Raucher sind daher als unmittelbare Folge der Betriebsführung anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 4). Nur bei Richtwerten, die auf einer derartigen prognostischen Beurteilung festgesetzt wurden, sind die von der genehmigten Nutzung ausgehenden und u.a. auf das klägerische Anwesen einwirkenden Immissionen – wie durch das Bestimmtheitsgebot im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme geboten – eindeutig absehbar.
(1) Die Eingangstür zu dem vorliegend streitgegenständlichen Betrieb des „…“ im Anwesen … Str. 10 befindet sich ausweislich der Feststellungen im Augenschein unmittelbar angrenzend an das westlich gelegene Anwesen der Klägerin und in einem Abstand von lediglich etwa 2,5 m zum Fenster des als Schlafzimmer genutzten, nächst gelegenen Aufenthaltsraums im klägerischen Anwesen. Ausweislich der von der Beigeladenen vorgelegten Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 soll der zur Genehmigung gestellte Betrieb von Montag bis Donnerstag bis 1:00 Uhr und an Freitagen und Samstagen bis 3:00 Uhr geöffnet haben. Zudem soll das „…“ nach dem der Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 zu entnehmenden Konzept jedenfalls nicht als „klassische“ Schankwirtschaft betrieben werden. Vielmehr soll Veranstaltungen auf der im Untergeschoss eingerichteten Bühne in Form von Singer/Songwriter-Konzerten, kleinen Kabarettveranstaltungen und regelmäßigen außergewöhnlichen Veranstaltungen wie Talkshows, Jam Sessions und Stand up Comedy sowie Konzert-Live-Übertragungen, Podiumsdiskussionen und Lesungen eine erhebliche Bedeutung zukommen. Berücksichtigt man hierbei zudem die Gesamtgröße des Eingangsbereichs der zur Genehmigung gestellten Räumlichkeiten von 4,8 m² und die geplante Zahl von 90 Gastplätzen im Veranstaltungs-/Gastraum im Untergeschoss, ist offensichtlich, dass es, selbst wenn auch der Gastraum im Erdgeschoss mit seiner Größe von 26,44 m² als Warte-/Aufenthaltsbereich genutzt werden kann, vor Beginn von Veranstaltungen sowie während einer gegebenenfalls stattfindenden Pause und nach deren Ende zu einem verstärkten und regelmäßig mit Lärmimmissionen für die Umgebung verbundenen Aufenthalt von Gästen vor dem Eingang in unmittelbarer Nähe zum klägerischen Anwesen und dort gelegenen Wohnräumen kommen wird. Dieser Aufenthalt von Menschen vor der Tür zum „…“ wird zum einen im Vergleich zu „klassischen“ Schank- und/oder Speisewirtschaften, zu denen die Gäste regelmäßig einzeln bzw. in kleinen Gruppen zeitversetzt erscheinen und die sie ebenso zeitversetzt wieder verlassen, zumindest phasenweise besonders intensiv sein. Ferner ist nach der der Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 zu entnehmenden Konzeption zu erwarten, dass derartige Phasen in der gemäß Ziffer 6.4 TA Lärm schutzwürdigeren Nachtzeit liegen. Insbesondere in der Pause bzw. nach dem Ende einer Veranstaltung, in der bzw. an dem gleichzeitig besonders viele Gäste den Bereich vor der Eingangstür aufsuchen, ohne sich gleichzeitig sofort zu entfernen, sei es, weil die besuchte Veranstaltung nur unterbrochen ist bzw. in einem „Ausklingen der Livemusik“ fortgesetzt werden soll und die Gäste daher nur vorübergehend zum Frischluftschnappen und/oder Rauchen rausgehen und sich dazu üblicherweise in unmittelbarer Nähe des Eingangsbereichs aufhalten, sei es, weil sich Gäste – insbesondere wegen der geringeren Umgebungslautstärke – oftmals erst vor dem Lokal in unterschiedlichem zeitlichen Umfang voneinander verabschieden, ist mit erhöhten Emissionen vor dem Eingang zu rechnen. Die von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung beschriebene freiwillige Beschränkung der Dauer der geplanten Konzerte bzw. Veranstaltungen auf 22:00 Uhr ist der vorgelegten und der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrunde gelegten Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018 nicht zu entnehmen und insofern im vorliegenden Verfahren nicht relevant. Neben dem von der Betriebsbeschreibung an den Wochenenden vorgesehenen, nicht näher bestimmten „Ausklingen der Livemusik“ im Konzertraum lädt auch der Barbetrieb im Erdgeschoss entsprechend dem Betriebskonzept zu einem über das Ende einer Veranstaltung hinausreichenden Aufenthalt ein, so dass die Gäste zum andern – anders als bei klassischen Kultureinrichtungen wie Theatern, Kleinkunstbühnen oder Kinos – den Ort der Veranstaltung nach deren Ende nicht zeitnah „en bloc“ verlassen und es folglich für die Nachbarn „nur“ noch einmal (besonders) laut wird, sondern sich die Phase, in der Gäste nach einer Veranstaltung vom Veranstaltungsort tatsächlich aufbrechen und sich hierzu noch eine gewisse Zeit vor diesem aufhalten, über einen längeren Zeitraum erstreckt und aufgrund der Dauer ein erhebliches Störpotential für die Nachbarschaft aufweist. Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass gerade die geringe Größe des Gastraums im Erdgeschoss von 26,44 m², in dem 40 Gastplätze, jedoch nur 16 Sitzplätze untergebracht werden sollen, und die Lage des geplanten Gast-/Veranstaltungsraums im Untergeschoss, in dem auf einer Fläche von 74,90 m² 90 Gastplätze, jedoch nur 50 Sitzplätze, vorgesehen sind, in Kombination mit der wenig befahrenen …straße jedenfalls bei passenden Witterungsbedingungen nach allgemeiner Lebenserfahrung zu einem zumindest zeitweisen Aufenthalt der Gäste vor der Eingangstür verleiten, zumal in dem Lokal keine bzw. allenfalls kleine Speisen angeboten werden sollen und Getränke ohne Weiteres sitzplatzunabhängig konsumiert werden können. Das in der mündlichen Verhandlung vom Klägerbevollmächtigten als Anlage K 15 übergebene Foto, das nach von der Beigeladenen unbestrittener Aussage des Klägerbevollmächtigten die Situation vor dem „…“ am 13. September 2020 wiedergibt, bestätigt dies eindrücklich.
(2) Vor dem Hintergrund dieser bekannten bzw. sich ohne Weiteres aufdrängenden Lärmproblematik (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 7) wäre es daher geboten gewesen, vor der Festsetzung von Richtwerten in den Auflagen 1.1.1 und 1.1.2 des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 mittels einer entsprechenden schalltechnischen Untersuchung, d. h. insbesondere eines Prognosegutachtens (vgl. VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 7, 9), konkret vorhabenbezogen zu ermitteln und besonders sensibel zu prüfen (vgl. BayVGH, U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 30), ob diese Werte unter Zugrundelegung der Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2018, d.h. insbesondere des Betriebskonzepts mit den dort vorgesehenen Öffnungszeiten und der gegebenen örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der baulichen und technischen Ausstattung des „…“ bei regelmäßigem Betrieb tatsächlich eingehalten werden können. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei dem Bereich vor dem Lokal um eine öffentliche Straße handelt, auf welcher von der Beigeladenen nach Ziffer 1.2 des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 einzusetzendes Sicherheitspersonal keinerlei Befugnisse gegenüber den Besuchern hat (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 8). Die Beklagte hätte diese Problematik nicht einer Lösung auf der Ebene des Vollzugs der Baugenehmigung bzw. des bauaufsichtlichen Einschreitens überlassen dürfen, zumal sie selbst ausweislich ihres Schreiben vom 1. Oktober 2018 erkannt hat, dass dabei eine Lösung der Immissionsproblematik wegen der Schwierigkeiten der Zurechnung von Lärm aufgrund zahlreicher Lärmquellen in der Umgebung kaum mehr möglich ist. Ebenso wenig war eine Verlagerung der Problemlösung in das gaststättenrechtliche Erlaubnisverfahren, wie zunächst im Schreiben der Beklagten vom 1. Oktober 2018 vorgeschlagen, zulässig (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Rn. 57), denn die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO muss bereits durch die Baugenehmigung im Zeitpunkt ihrer Erteilung gewährleistet sein (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris Rn. 6; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11- juris Rn. 10). Erst recht durfte sich die Beklagte nicht unter Hinweis auf die – möglicherweise auf ähnlichen Versäumnissen der Beklagten wie im vorliegenden Fall beruhende – schwierige Beherrschbarkeit der Lage von vornherein vor dem Gesetzesvollzug verschließen.
dd) Aufgrund der dargestellten und für die Beklagte auch erkennbaren und ausweislich ihres Schreibens vom 1. Oktober 2018 auch erkannten Anhaltspunkte dafür, dass die von ihr im Nachgangsbescheid vom 9. März 2018 festgesetzten Richtwerte nicht eingehalten werden können, ist die Festsetzung der Auflagen 1.1.1 und 1.1.2 ohne genaue Prüfung ihrer tatsächlichen Umsetzbarkeit bei regelmäßigem Betrieb der genehmigten neuen Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten im Anwesen … Str. 10 eine Festsetzung „ins Blaue hinein“, die zwar scheinbar und formal die nachbarschützenden Rechte berücksichtigt (vgl. VGH Mannheim, B.v. 2.10.2019 – 3 S 1470/19 – juris Rn. 71), bei der jedoch die Begrenzung der Lärmimmissionen in der Sache nur auf dem Papier steht (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Rn. 49; VGH Kassel, B.v. 30.1.2012 – 4 B 2379/11 – juris Rn. 7). Mangels sich angesichts der Umstände des vorliegenden Falles geradezu aufdrängenden prognostischen Prüfung der tatsächlichen Wirksamkeit der verfügten Lärmschutzauflagen können Drittbetroffene und kann dabei insbesondere auch die Klägerin aus den in der Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 9. März 2020 getroffenen Regelungen nicht, wie geboten, zweifelsfrei erkennen, in welchem Ausmaß bzw. Umfang sie von der genehmigten Nutzung betroffen sind bzw. ist, welchen Belastungen sie ausgesetzt sind bzw. ist und ob diese die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten. Insofern ist die Baugenehmigung vom 28. Juni 2018 auch in der Fassung des Nachgangbescheids vom 9. März 2020 insgesamt nicht geeignet, sicherzustellen, dass das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Klägerin gewahrt ist (vgl. BayVGH, U.v. 16.11.2006 – 26 B 03.2486 – juris Rn. 32).
Daher verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung Rechte der Klägerin und ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und sich insofern keinem Kostenrisiko unterworfen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Es entspricht daher der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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