Baurecht

Baugenehmigung für Erweiterung einer Tankstelle im Gewerbegebiet

Aktenzeichen  AN 9 S 15.02464

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 4 Nr. 19, Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 3, Art. 60, Art. 66 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 8, § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Nachbar kann in einem Gewerbegebiet für sein Grundstück, wenn auf ihm entgegen der Regel Wohnnutzung stattfindet, nicht das gleiche Schutzniveau und die gleiche Rücksichtnahme verlangen, wie etwa in einem Wohngebiet. Insbesondere sind Betriebsgeräusche, Schwerlastverkehr und Geräusche, welche durch die Be- und Entladung, sowie die An- und Abfahrt von Lkws entstehen und für ein Gewerbegebiet typisch sind, grundsätzlich hinzunehmen. Diese Duldungspflicht ist freilich nicht unbegrenzt, sondern wird durch Immissionsrichtwerte der TA Lärm konkretisiert. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlichder notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen eine ihrem Nachbarn erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung einer Tankstelle.
Das Grundstück der Antragsteller in der O…straße …, Fl.-Nr. … der Gemarkung … in der Stadt …, liegt wie das Baugrundstück im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Stadt … vom 23. Januar 1986, der für das Gebiet zwischen … H…straße und H…Straße ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. September 1977 festsetzt. Als höchst zulässiges Maß der baulichen Nutzung setzt der Bebauungsplan in § 3 des Textteils die Höchstwerte des § 17 Abs. 1 BauNVO fest. § 5 enthält folgende Festsetzung zur Gestaltung der Einfriedungen:
„Als Einfriedungen sind an öffentlichen Verkehrsflächen sowie im Bereich der Grünflächen nur Zäune und Mauern mit einer gesamten Höhe von 1,0 m zulässig. Sockel für Zäune dürfen eine Höhe von 0,2 m nicht überschreiten. Sichtbare Pfeiler sind nur bei Gartentüren und Einfahrten zulässig. Sockel, Pfeiler und Stützmauern sind in Sichtbeton oder verputztem Mauerwerk auszuführen. Grellfarbene Anstriche sind unzulässig. Es ist ziegelrotes Dacheindeckungsmaterial zu verwenden.“
Das Grundstück der Antragsteller hat eine Größe von 1.865 m². Es ist entlang der Nordseite mit einer Lagerhalle bebaut, im östlichen Bereich befindet sich ein eingeschossiges Gebäude mit Satteldach. Die Antragsteller tragen vor, sie hätten das Grundstück an ihren Sohn, Herrn … …, vermietet, der auf diesem Grundstück seine Firma … … GmbH & Co. KG betreibe. Im Erdgeschoss des Hauses befinde sich dessen Wohnung, drei Räume im Dachgeschoss würden als Sekretariat und für Büroarbeiten genutzt. Wohn- und Schlafzimmer befänden sich an der Westseite des Hauses. Fertigung finde auf dem Grundstück nicht statt. Für das Grundstück existiert eine Baugenehmigung des Landratsamts … vom 10. April 1996, mit der der Neubau eines „Bürohauses mit Wohnung“ genehmigt worden ist. Die damals vorgelegten Planungsunterlagen sehen die Wohnnutzung im westlichen Teil des Hauses vor, der Bauantrag umfasste eine Lagerhalle sowie ein Bürohaus mit Betriebsleiterwohnung.
An das Grundstück der Antragsteller grenzt im Südwesten das Grundstück O…straße …, Fl.Nr. … der Gemarkung …, des Beigeladenen an, in dessen südlichem Bereich sich seit dem Jahr 2011 eine SB-Tankstelle mit zwei überdachten Zapfsäulen für Lkw- und Pkw-Diesel befindet, für die das Landratsamt … mit Bescheid vom 16. September 2010 die bauaufsichtliche Genehmigung erteilt hatte. Die Tankstelle wurde im Jahr 2011 um eine sogenannte AdBlue-Tankanlage, genehmigt mit Bescheid des Landratsamts … vom 9. Mai 2011, erweitert. Im damaligen Genehmigungsverfahren gab das Sachgebiet Immissionsschutz im Landratsamt die Stellungnahme ab, Dieseltankstellen unterlägen nicht den Anforderungen der 20./21. BImSchV, immissionsschutzfachliche Auflagen seien daher für die Genehmigung nicht erforderlich. Eine Untersuchung von zu erwartenden Lärmemissionen fand offensichtlich nicht statt. Bestimmungen zu einzuhaltenden Lärmgrenzwerten enthielten beide Baugenehmigungen nicht.
Mit Bescheid vom 24. September 2015 erteilte das Landratsamt … dem Beigeladenen für das bezeichnete Grundstück Fl.-Nr. … eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Erweiterung einer bestehenden Tankstelle“. Gegenstand der Baugenehmigung ist die Errichtung einer zweigeschossigen, halb offenen Industriehalle, in der ein Tankbereich mit zwei Mehrsorten- Zapfsäulen und ein Waschbereich mit einer Waschhalle und zwei Waschboxen untergebracht werden sollen. Die Waschhalle soll mit Sektionaltoren ausgestattet werden. Die Industriehalle soll nach Westen komplett geschlossen, nach Osten entlang der an das Grundstück der Antragsteller grenzenden Grundstücksseite offen ausgeführt werden. Der Baugenehmigung zugrunde liegen die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen des Bauantrags vom 23. Juli 2015 mit der Betriebsbeschreibung vom 15. September 2015 und Ergänzungen vom 23. September 2015, die sich in der Akte befinden, und auf die Bezug genommen wird. In dem Bescheid ist unter Ziffer II. (Bedingungen und Auflagen) unter anderem geregelt:
„7. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb einschließlich des zugehörigen Fahr- und Lieferverkehrs ausgehenden Geräusche dürfen innerhalb des Gewerbegebietes die folgenden wegen der möglichen Summenwirkung mit anderen Betrieben um jeweils 5 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwerte nicht überschreiten:
Tags (6:00 – 22:00 Uhr)60 dB(A)
Nachts (22:00 – 6:00 Uhr)45 dB(A)
8. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die nicht reduzierten Immissionsrichtwerte am Tag um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
9. Maßgeblicher Immissionsort ist die Betriebswohnung auf dem angrenzenden Grundstück Fl.-Nr. … (O…straße …).
10. Der Betrieb der Waschhalle und der Waschboxen ist antragsgemäß nur von Montag bis Samstag in der Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr zulässig. […]
12. Im Bedarfsfall (z. B. bei einem übermäßigen Nachtbetrieb) ist in Absprache mit dem Landratsamt … durch ein entsprechend qualifiziertes Schallschutzgutachten auf Kosten des Bauherrn bzw. Betreibers der Nachweis zu erbringen, dass die zulässigen Lärmwerte eingehalten werden. Gegebenenfalls sind dann zusätzliche Maßnahmen erforderlich (Schallschutzwand, Betriebsbeschränkung etc.).“
Zur Begründung für den Bescheid wird im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung sei zu erteilen gewesen, da das genehmigungspflichtige Vorhaben bei Einhaltung der aufgestellten Nebenbestimmungen gegen keine im hier anwendbaren vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlichrechtlichen Vorschriften verstoße.
Den Antragstellern wurde eine Ausfertigung dieses Bescheids gemäß Art. 66 Abs. 1 S. 6 BayBO per Einschreiben vom 24. September 2015, ausweißlich behördlichen Vermerks am 28. September 2015 zur Post gegeben, zugestellt, da sie als Nachbarn ihre Unterschrift unter die Bauvorlagen verweigert hatten.
Gegen die Baugenehmigung vom 24. September 2015 haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 27. November 2015, bei Gericht am 3. Dezember 2015 eingegangen, Antrag nach § 80a Abs. 3 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gestellt.
Zur Begründung lassen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten im Wesentlichen vortragen, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Baugenehmigung sei schon formell rechtswidrig, da sie als Nachbarn nicht gemäß Art. 66 BayBO beteiligt worden seien, sondern von der Baugenehmigung erst durch deren Zusendung mit Schreiben vom 24. September 2015 Kenntnis erlangt hätten. Bei dem Vorhaben handle es sich entgegen der Angaben in den Bauvorlagen und der Baugenehmigung nicht um die Erweiterung einer bestehenden Tankstelle, sondern um ein völlig neues Bauvorhaben, an das eigenständige baurechtliche, insbesondere immissionsschutzrechtliche Anforderungen zu stellen seien, eine solche Überprüfung habe jedoch nicht stattgefunden. Von dem Vorhaben gingen für die Wohnnutzung auf ihrem Grundstück unzumutbare Störungen aus. Die geplante Tankstelle und die geplante Waschanlage befänden sich nur 20 m von den Wohnräumen der Betriebsinhaberwohnung auf dem klägerischen Grundstück entfernt. Da die Tankstelle ganzjährig, auch an Sonn- und Feiertagen, rund um die Uhr geöffnet sein solle, und es zusätzlich aufgrund der Preisgestaltung sehr häufig zu größeren Rückstaus in die O…straße komme, könne nachts nicht mehr bei geöffnetem Fenster geschlafen werden. Auch der Betrieb der Waschanlage führe zu unzumutbaren Beeinträchtigungen. Gemäß den Plänen sollten eine Waschhalle und zwei Waschboxen errichtet werden; wie diese betrieben werden würden, sei nicht ersichtlich. Nicht berücksichtigt worden sei auch der potentielle Lärm von Hochdruckreiniger, Waschlanzen, Waschbürsten und Staubsaugern, sowie die Geräusche, die durch das Zuschlagen von Türen, das Schließen von Kofferraumdeckeln und Motorhauben, das Starten von Motoren, das Anfahren, durch Warteschlangen, Autoradios, Hupen, Zurufe und Kavalierstarts entstünden. Insbesondere beinhalte die Baugenehmigung keinerlei Auflagen, dass etwaige Rolltore bei der Autowäsche geschlossen werden müssen. Darüber hinaus sei die geplante Industriehalle nur zur Westseite hin verschlossen, also nur dort eine Lärmschutzwand vorhanden, zur Ostseite, und damit zum Grundstück der Antragsteller hin, solle sie jedoch offen bleiben, so dass auf dieser Seite mit erheblichen Lärmemissionen zu rechnen sei. Dies sei auch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Eine derartig offene Waschanlage sei aufgrund ihres Störpotenzials prinzipiell wohngebietsunverträglich. Vor Erlass der Baugenehmigung hätten immissionsschutzrechtliche Überprüfungen durch Einholung eines qualifizierten Schallschutzgutachtens durchgeführt werden müssen. Dass das Landratsamt … lediglich in einer Auflage zur Baugenehmigung (Ziff. II Nr. 12) bestimmt habe, dass gegebenenfalls im Nachhinein ein qualifiziertes Schallschutzgutachten darüber eingeholt werden solle, ob die zugelassenen Lärmwerte eingehalten würden, zeige, dass zunächst jeder, auch unzumutbarer, Lärm zugelassen werde. Tankstellen in Gewerbegebieten dürften von ihrem zulässigen Störungsgrad her nicht erheblich belästigend sein und zu ungesunden Wohnverhältnissen führen. Rund um das Vorhaben befänden sich Betriebsinhaberwohnungen. Auch seien die der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauvorlagen, insbesondere die Betriebsbeschreibung völlig unbestimmt, weswegen eine exakte Prüfung der zu erwartenden Immissionen nicht möglich sei. Schon hieraus ergebe sich eine Verletzung des Nachbarn in seinen Rechten. Die Antragsteller rügen in diesem Zusammenhang insbesondere, dass sich die Baubeschreibung vom 15. September 2015 auf die auf dem Grundstück des Beigeladenen vorhandene Tankstelle beziehe. Diese vorhandene Tankstelle sei allerdings in der Betriebsbeschreibung überhaupt nicht beschrieben, weswegen die Auswirkungen der vorhandenen Tankstelle für den Betrieb der erweiterten Tankstelle und der Waschanlage nicht geprüft werden könnten. Auch seien die Waschboxen nicht näher beschrieben und die Anzahl der Staubsauger unbekannt. Weil die Betriebsbeschreibung zu unbestimmt sei, ergebe sich hieraus auch die Unbestimmtheit und damit Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Baugenehmigung.
Die Baugenehmigung aus dem Jahre 2010 für die bestehende Tankstelle sei rechtswidrig. Ihr habe keine Betriebsbeschreibung zugrunde gelegen, eine immissionsschutzrechtliche Überprüfung habe nicht stattgefunden und auch der 24-Stunden-Betrieb, auch an Sonn- und Feiertagen, sei nicht von der Genehmigung umfasst. Der Beigeladene habe auf dem Baugrundstück zudem eine Betonmauer mit einer Höhe von 2,55 m als Einfriedung errichtet. Eine Genehmigung durch das Landratsamt … sei erfolgt. Die Einfriedungsmauer mit einer Höhe von 2,55 m im Nord-Ost-Bereich des Grundstückes verjünge sich entlang des ansteigenden Geländeverlaufs zur O…straße hin auf 1 m Höhe. Die Antragsteller meinen, hierin liege ein Verstoß gegen die Festsetzung in § 5 des Bebauungsplans Nr. … der Stadt …, in dem geregelt sei, dass als Einfriedungen an öffentlichen Verkehrsflächen sowie im Bereich der Grünflächen nur Zäune und Mauern mit einer gesamten Höhe von 1,0 m zulässig seien. Diese Festsetzung sei nachbarschützend. Sie diene nicht nur dem Schutz des Orts- und Straßenbildes, sondern habe auch Drittschutzwirkung, da § 5 nicht nur Bestimmungen über Einfriedungen zur Straßenseite enthalte, was für eine lediglich gestalterische Absicht spreche, sondern auch über solche an den übrigen Grundstücksgrenzen im Bereich der dort befindlichen Grünflächen. Die Festsetzung wolle also auch die Abgrenzung der Nachbargrundstücke voneinander regeln. Auch sei in den Plänen nicht angegeben, wo und wie die Zu- und Abfahrt zur bisherigen Diesel-Tankstelle und der neuen Anlage liege. In einer Stellungnahme der Gemeinde … vom 27. Juli 2010 werde davon ausgegangen, dass die Zufahrt durch die Lage des Grundstücks in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche gesichert sei. Es sei übersehen worden, dass die O…straße nur eine Breite von 4,88 m habe. Nach dem Lageplan sei eine Zu- oder Abfahrt auf das Grundstück Fl.-Nr. … von Osten her möglich, wobei die Fahrzeuge dann wieder nach Osten rückwärts herausfahren müssten. Die tatsächliche Zufahrt erfolge jedoch von Westen über das Grundstück Fl.-Nr. …, was jedoch weder durch die Baugenehmigung vom 16. September 2010 noch durch die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 24. September 2015 genehmigt sei.
Die Antragsteller beantragen:
1. Die Vollziehung der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung des Landratsamts … vom 24. September 2015, betreffend das Grundstück des Beigeladenen, O…straße …, Fl.-Nr. …, Gemarkung … der Gemeinde …, Az.: …, bezeichnet als „Bauvorhaben: Erweiterung einer bestehenden Tankstelle“, wird ausgesetzt.
2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Baustelle auf dem Grundstück O…straße …, Fl.-Nr. …, Gemarkung … der Gemeinde …, stillzulegen.
Der Antragsgegner beantragt:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, das streitgegenständliche Baugrundstück befinde sich in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet. Ob es sich um eine Erweiterung des Vorhabens oder um ein neues Vorhaben handle, ändere am Prüfungsumfang nichts. Es liege keine Sonderbau vor, weswegen das vereinfachte Genehmigungsverfahren anzuwenden gewesen sei. Die Lage des Bauvorhabens sei durch die Darstellung im Lageplan, im Grundriss und in den Ansichten ausreichend bestimmt, auch die vorgelegte Betriebsbeschreibung genüge diesen Anforderungen, auf ihrer Grundlage sei eine Fachstellungnahme vom technischen Immissionsschutz abgegeben worden. Das Vorhaben entspreche den zu prüfenden öffentlichrechtlichen Vorschriften, nachbarrechtliche Belange seien nicht beeinträchtigt.
Die genannte Fachstellungnahme des technischen Immissionsschutzes vom 21. September 2015 befindet sich in der dem Gericht vorliegenden Behördenakte. Darin heißt es unter anderem:
„Zu der bestehenden SB-Dieseltankstelle (und AdBlue) im 24 Stunden-Automatenbetrieb im vorderen Grundstücksbereich direkt an der O…straße sind daran anschließend ein weiterer Tankbereich mit zwei Mehrsorten-Zapfsäulen sowie ein Waschbereich mit einer Waschhalle und zwei Waschboxen geplant …
Laut telefonischer Auskunft von Herrn … am 18. September 2015 sind die neuen Zapfsäulen nur für Pkw geeignet. Die Lkw tanken weiterhin an der bestehenden Tankanlage direkt an der O…straße. Laut Herrn … ist hier im Gewerbegebiet kein übermäßiger Nachtbetrieb an den neuen Pkw-Zapfsäulen zu erwarten. Aus fachlicher Sicht bestehen keine Bedenken gegen das Bauvorhaben, wenn die folgenden (oben aufgeführten) Auflagen eingehalten werden.“
Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2016 führt das Sachgebiet technischer Immissionsschutz aus, Lkws würden wie bisher nur an den bestehenden Diesel-Zapfsäulen direkt an der O…straße tanken, weil die Tankstellenerweiterung mit ihren zwei Mehrsorten-Zapfsäulen nur für Pkw und Lieferfahrzeuge, wie beispielsweise Sprinter, geeignet seien. Am nächtlichen Lkw-Verkehr werde sich durch die Tankstellenerweiterung daher nichts ändern, es kämen nachts lediglich ein paar Pkw dazu. Eine Auswertung der vom Beigeladenen vorgelegten Tanklisten der bestehenden Zapfsäulen ergebe auch, dass bisher nachts durchschnittlich 0-1 Lkw und 3-4 Pkw tanken würden. Tagsüber kämen im Schnitt 15-20 Lkw. Beigefügt ist ein Schreiben des Beigeladenen, in dem er seine Tankjournale für die Nächte vom 9. auf den 10 Dezember 2015, vom 22. auf den 23. Januar 2016 und vom 25. auf den 26. Januar 2016 auswertet. Diese Journale liegen auch dem Gericht vor. Aus ihnen ergibt sich Folgendes:
In der Nacht von 9. auf 10. Dezember 2015 zwischen 22:00 Uhr und 0:00 Uhr zwei Pkw, kein Lkw, von 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr ein Pkw und ein Lkw. In der Nacht von 22. auf 23. Januar 2016 zwischen 22:00 Uhr und 0:00 Uhr vier Pkw, kein Lkw, von 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr vier Pkw und ein Lkw. In der Nacht von 25. auf 26. Januar 2016 zwischen 22:00 Uhr und 0:00 Uhr vier Pkw, kein Lkw, zwischen 0:00 Uhr und 6:00 Uhr drei Pkw und kein Lkw.
Abweichend von der Angabe des Beigeladenen müssen in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar 2016 zwischen 0:00 Uhr und 6:00 Uhr mindestens zwei Lkw getankt haben. Das Tankjournal weist um 1:21 Uhr einen Tankvorgang über 170 l und um 1:26 Uhr einen Tankvorgang über 220 l aus. Im Übrigen wird auf die genannten Journale Bezug genommen.
Darüber hinaus macht der Beigeladene darauf aufmerksam, dass aufgrund des Lkw-Fahrverbots von Sonntag 0:00 Uhr bis 22:00 Uhr keine Betankung von LKW stattfinde.
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 lässt der Beigeladene durch seinen Bevollmächtigten vortragen, dass auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Antragsteller – wie von diesen selbst vorgetragen – keinerlei Fertigung stattfinde. Das dort befindliche Einfamilienhaus mit Garten sei 1996 als Betriebsinhaberwohnung im Gewerbegebiet genehmigt worden. Eine solche sei jedoch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn sie dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sei. Diese Voraussetzungen erfülle das Einfamilienhaus nicht, weshalb fraglich sei, ob die Antragsteller aus dieser Nutzung überhaupt Rechte, insbesondere immissionsschutzrechtlicher Art ableiten könnten. Eine von ihnen gerügte fehlende Nachbarbeteiligung könne nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung führen. Art. 66 BayBO sei nicht drittschützend. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei hinreichend bestimmt. Auch sei die Höhe der Betonmauer an der den Antragstellern zugewandten Grundstücksseite nicht zu beanstanden, § 5 des Bebauungsplans sei nicht nachbarschützend.
Der Beigeladene beantragt:
Der Antrag wird abgewiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Falle der Anfechtungsklage eines Dritten gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt auf Antrag des Dritten die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen. § 80 Abs. 5 VwGO gilt entsprechend. Das Gericht trifft eine eigene Ermessensentscheidung und nimmt dabei unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 212a BauGB für den Sofortvollzug eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse, bzw. dem Interesse des Bauherren an der sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vor.
Maßgebend hierfür sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt eine dem Charakter des Verfahrens nach den §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos sein wird, ist das ein starkes Indiz dafür, dass das behördliche Vollzugsinteresse, bzw. das Interesse des Bauherren, sofort von seiner Baugenehmigung Gebrauch machen zu dürfen, entsprechend der gesetzgeberischen Grundwertung Vorrang gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller hat (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, Az.: 14 CS 11.535). Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen nach summarischer Prüfung als rechtswidrig und verletzt er voraussichtlich den Antragsteller in seinen Rechten, und wird die Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben, so tritt das Vollzugsinteresse zurück, da es kein schutzwürdiges Interesse am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts geben kann.
Die vom Gericht vorgenommene Interessenabwägung fällt zulasten der Antragsteller aus. Der von ihnen eingelegte Hauptsacherechtsbehelf hat nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg, weil die angefochtene Baugenehmigung voraussichtlich nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt, die die Antragsteller rügen können.
Gemäß Art. 68 Abs. 1 BayBO darf die Baugenehmigung nur versagt werden, wenn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gegen öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Der Nachbar jedoch kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn sie rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen sind, sondern gerade dem Schutz eines von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises, namentlich des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das ist der Fall, wenn er in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991, Az.: 4 C 5.87; BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24.3.2009, Az.: 14 CS 08.3017, m. w. N. – juris). Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift nur insoweit in Betracht kommt, als die Baugenehmigung hierzu auch Feststellungen trifft (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009, Az.: 14 CS 08.3017, Rdnr. 22 – juris). Dies ist davon abhängig, ob die entsprechende Vorschrift im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen war. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung ist darauf beschränkt, ob durch die angegriffene Baugenehmigung Vorschriften verletzt sind, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, und die zum Prüfungsmaßstab der Baugenehmigung gehören.
Im vorliegenden Fall kann die Kammer einen solchen Verstoß nicht erkennen.
Soweit die Antragsteller vortragen, sie seien nicht ordnungsgemäß an dem Genehmigungsverfahren beteiligt worden, verhilft das ihrem Nachbarrechtsbehelf nicht zum Erfolg. Art. 66 Abs. 1 BayBO ist eine reine Verfahrensvorschrift, die den Nachbarn zwar reflexartig begünstigt, aber nicht drittschützend ist. Es kommt alleine darauf an, ob das genehmigte Vorhaben gegen materielles Baurecht verstößt und den Nachbarn insofern in seinen Rechten verletzt (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2001, Az.: 26 ZS 00.2347, Rdnr. 12 – juris; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl., 2012, Art. 66, Rdnr. 35).
Die Baugenehmigung vom 24. September 2015 steht voraussichtlich im Einklang mit dem materiellen Baurecht, soweit dieses nachbarschützend ist und die Antragsteller sich auf einen Verstoß berufen könnten.
Gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1 BauGB bestehen im festgesetzten Gewerbegebiet keine durchgreifenden Bedenken. Tankstelle und Waschanlage sind nach der Art der baulichen Nutzung allgemein zulässig.
Der Vortrag der Antragsteller, das genehmigte Bauvorhaben verstoße gegen die Festsetzung über die maximal zulässige Höhe von Einfriedungen in § 5 des Bebauungsplans Nr. … der Stadt …, kann nicht durchdringen. Die Kammer vermag der Argumentation des Antragsgegners und des Beigeladenen zwar nicht zu folgen, wonach die entlang der Grenze zwischen den Grundstücken Fl.-Nr. … und …genehmigte Betonmauer, die im Osten den Abschluss der geplanten Industriehalle bilden soll, eine Höhe von 1 m nicht überschreite. Beide Grundstücke fallen von der O…straße im Süden bzw. Südosten nach Norden bzw. Nordwesten hin ab, so dass an der nördlichen Außenwand der geplanten Industriehalle nach den Planunterlagen ein Niveauunterschied von 1,55 m zum dort eingezeichneten Ausgangspunkt im südlichen Grundstücksbereich besteht. Dieses Gefälle wird durch den Beigeladenen auf seinem Grundstück durch entsprechende Aufschüttung ausgeglichen, wobei die genannte Mauer auch als Stützmauer zum Nachbargrundstück dient. Von seinem – neuen – Grundstücksniveau aus gemessen mag die Betonmauer zwar nur 1 m aufragen. Aus Sicht der Nachbarn hat sie jedoch vom hier maßgeblichen natürlichen Bodenniveau aus in deren nördlichem Grundstücksteil eine Höhe von 2,55 m. Die Antragsteller können sich darauf indes nicht berufen. Was einen Verstoß gegen die Festsetzung in § 5 des Bebauungsplans Nr. … angeht, so ist voraussichtlich schon dessen Tatbestand nicht erfüllt. Bei dem Garten der Antragsteller handelt es sich nämlich nicht, wie diese meinen, um eine Grünfläche im Sinne der Festsetzung. Der Begriff der Grünfläche ist neben seiner Verwendung im alltäglichen Sprachgebrauch ein spezifisch bauplanungsrechtlicher Begriff. Er findet beispielsweise Verwendung in § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB. Wenn der Bebauungsplan den Begriff verwendet, so muss von der spezifisch baurechtlichen Bedeutung ausgegangen werden, und davon, dass damit nur durch den Bebauungsplan selbst festgesetzte Grünflächen im bauplanungsrechtlichen Sinne gemeint sind. Eine solche Festsetzung kann aber nur die Gemeinde kraft ihrer Planungshoheit vornehmen, und nicht auch faktisch die Grundstückseigentümer durch entsprechende Gestaltung ihres Grundstücks.
Selbst wenn man vom Vorliegen einer Grünfläche im baurechtlichen Sinne ausginge, würde die Festsetzung den Antragstellern aller Voraussicht nach keinen Drittschutz vermitteln. Festsetzungen im Bebauungsplan haben – mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993, Az.: 4 C 28/91 – juris) – nicht schon aus sich heraus drittschützende Wirkung. Dies gilt auch für Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung, zu denen die vorliegende zählt. Im Regelfall dienen solche Festsetzungen nur der Gestaltung des Ortsbildes. Ob ihnen ausnahmsweise Drittschutz zukommt, ist maßgeblich vom Willen der planenden Gemeinde abhängig, der durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995, Az.: 4 B 215/95 – juris). Ihr Wille, dass der Schutz eines bestimmbaren und von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises, namentlich des Nachbarn, bezweckt ist, muss mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan oder anderen, objektiv erkennbaren Umständen hervortreten. Für eine solche Absicht finden sich im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Die genannte Festsetzung über die maximal zulässige Höhe von Einfriedungen wird überhaupt nicht näher begründet, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Stadt … bei Aufstellung des Bebauungsplans durch sie abweichend von der Regel den speziellen Schutz der Nachbarn bezwecken wollte.
Die entlang der Grundstücksgrenze errichtete Mauer ist demnach nur unter dem Gesichtspunkt des Abstandsflächenrechts gemäß Art. 6 BayBO zu beurteilen. Die Kammer hat Zweifel daran, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben – wie vom Antragsgegner angenommen – um keinen Sonderbau handelt. Aller Voraussicht nach einschlägig ist nämlich Art. 2 Abs. 4 Nr. 19 BayBO, weil es sich bei der geplanten Tankstelle um eine bauliche Anlage handelt, deren Nutzung durch Umgang mit oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist. Das Landratsamt … hätte daher das Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO durchführen müssen, zu dessen Prüfungsumfang das Abstandsflächenrecht zählt. Dieser Fehler wirkt sich indes nicht auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung aus, und die Antragsteller können sich auf ihn nicht berufen, da die Wahl des richtigen Verfahrens für sich nicht nachbarschützend ist. Als Stützmauer und auch als geschlossene Einfriedung kann die entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück Fl.Nr. … der Antragsteller errichtete Mauer die Privilegierung in Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 3 BayBO für sich in Anspruch nehmen, wonach solche Mauern im Gewerbegebiet ohne eigene Abstandsflächen und ohne Längenbegrenzung zulässig sind, so dass wohl materiell kein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht insoweit vorliegt.
Die Antragsteller können sich auch nicht mit Aussicht auf Erfolg auf das baurechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in seiner subjektivrechtlichen Ausprägung berufen. Insbesondere sind von dem streitgegenständlichen Bauvorhaben nach summarischer Prüfung keine für die Antragsteller unzumutbaren Lärmimmissionen zu erwarten. Für Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 1 BauGB findet das Rücksichtnahmegebot über § 15 BauNVO Eingang in die Zulässigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U. v. 5.8.1983, Az.: 4 C 96.79 – juris). Danach ist eine bauliche Anlage im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des jeweiligen Baugebiets widerspricht, oder wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung, die die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmeberechtigten, aber auch, was dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten in der jeweiligen Grundstückssituation zumutbar ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977, Az.: IV C 22.75, Rdnr. 22 – juris). Zur Bestimmung dieser Grenze der Zumutbarkeit können die Wertungen und Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) herangezogen werden, dessen Zielrichtung darin besteht, schädliche Umwelteinwirkungen von Anlagen nach Möglichkeit zu vermeiden oder auf ein zumutbares Maß zu beschränken (vgl. Ebd.; BayVGH, B.v. 15.11.2011, Az.: 14 AS 11.2305, Rdnr. 29 – juris). Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. § 5 Nr. 1 BImSchG bestimmt, dass Anlagen so zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe werden unter anderem konkretisiert durch die Richtwerte der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm). Hält der Emittent die dort genannten Grenzwerte ein, bei denen davon auszugehen ist, dass sie im Grundsatz dem entsprechen, was in dem jeweiligen Gebiet entsprechend seiner Zweckbestimmung vom Durchschnittsbürger als zumutbar angesehen wird, kann demnach auch keine Verletzung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme angenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 30.9.1983, Az.:4 C 74.78; BayVGH, B.v. 15.11.2011, Az.: 14 AS 11.2305 – juris).
Es ist dementsprechend zunächst zu prüfen, ob dem Bauherrn in der streitgegenständlichen Baugenehmigung überhaupt die Einhaltung von näher bestimmten Grenzwerten aufgegeben worden ist. Überschreiten allerdings die bei der Nutzung der Anlage hervorgerufenen Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für den rücksichtnahmeberechtigten Nachbarn maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. Tut sie es nicht, ist hierin ein Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu erblicken (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002, Az.:1 B 98.2945, Rdnr. 53 ff.; B.v. 15.11.2011, Az.: 14 AS 11.2305, Rdnr. 31 – juris). Zugrunde zu legen ist dabei das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Form (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000, Az.: 4 B 106.99, Rdnr. 2 – juris), da die bestehende Anlage und der Erweiterungsbau auf demselben Grundstück liegen und eine betriebliche Einheit bilden.
Im vorliegenden Fall sind der Betrieb einer Tankstelle und der Betrieb einer Waschanlage als Gewerbebetrieb im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BauNVO in der maßgeblichen Fassung allgemein zulässig. Die Nutzung des Hauses auf dem Grundstück der Antragsteller als Betriebsleiterwohnung hingegen ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig. Entgegen der Ansicht des Beigeladenenvertreters kommt es nicht darauf an, ob das Wohnhaus der Antragsteller tatsächlich noch als Betriebsleiterwohnung im Sinne der Baunutzungsverordnung genutzt wird. Jedenfalls ist es als „Bürohaus mit Wohnung“ mit bestandskräftiger Baugenehmigung vom 10. April 1996 genehmigt und kann sich dementsprechend grundsätzlich auf das einer Betriebsleiterwohnung zukommende Schutzniveau berufen. Nach § 8 Abs. 1 BauNVO ist es gerade die besondere Zweckbestimmung von Gewerbegebieten, dass dort Gewerbebetriebe untergebracht werden. Dem Wohnen kommt demgegenüber ein nachrangiger Stellenwert und damit ein niedrigeres Schutzniveau zu. Wenn die Antragsteller sich darauf berufen, dass die Norm davon spricht, dass Gewerbebetriebe nicht erheblich belästigend sein dürften, so verkennen sie, dass der Begriff der erheblichen Belästigung in Bezug zu dem jeweiligen Baugebiet gesetzt werden muss. Nicht geschlossen werden kann daraus, dass von ihnen überhaupt keine das Wohnen belästigende Wirkung ausgehen dürfte. Mit dem Begriff der erheblichen Belästigung in § 8 Abs. 1 BauNVO soll eine Abgrenzung zum Industriegebiet vorgenommen werden, in dem solche Betriebe zulässig sind, die aufgrund ihres Störpotenzials in keinem der anderen Baugebiete zulässig wären. Demzufolge können die Antragsteller für ihr Grundstück, wenn auf ihm entgegen der Regel Wohnnutzung stattfindet, nicht das gleiche Schutzniveau und die gleiche Rücksichtnahme verlangen, wie etwa in einem Wohngebiet. Insbesondere sind Betriebsgeräusche, Schwerlastverkehr und Geräusche, welche durch die Be- und Entladung, sowie die An- und Abfahrt von Lkws entstehen und für ein Gewerbegebiet typisch sind, grundsätzlich hinzunehmen. Diese Duldungspflicht ist freilich nicht unbegrenzt, sondern wird durch Immissionsrichtwerte der TA Lärm konkretisiert. Ziff. 6.1 b) TA Lärm sieht für Gewerbegebiete tagsüber einen Immissionsrichtwert von 65 dB(A) und nachts von 50 dB(A) vor. Im vorliegenden Fall hat das Landratsamt … in der angegriffenen Baugenehmigung von diesen Grenzwerten aufgrund der in dem Beurteilungsgebiet bereits vorhandenen Betriebe richtigerweise Abschläge gemacht und die für Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete maßgeblichen Immissionsrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) nachts 45 dB(A) zugrunde gelegt. Das Grundstück der Antragsteller kommt damit in den Genuss von Grenzwerten aus Baugebieten, in denen dem Wohnen ein höherer Stellenwert zukommt, als im Gewerbegebiet. Auch hat das Landratsamt … in nicht zu beanstandender Weise als maßgeblichen Immissionsort die Betriebswohnung auf dem angrenzenden Grundstück der Antragsteller, Fl.Nr. …, bestimmt. Aus den Lageplänen ergibt sich darüber hinaus eine Entfernung der Westseite des Hauses der Antragsteller zu der errichteten Grenzmauer von ca. 22 m, zu der offenen Ostseite der geplanten Halle von ca. 25 m, und nicht 20 m, wie die Antragsteller behaupten. Die bestehende Lkw-Tankstelle befindet sich nicht 25 m von der Wohnung der Antragsteller entfernt, sondern ca. 50 m.
Die Kammer hat nach einer dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden summarischen Prüfung auch keinen begründeten Zweifel daran, dass die Einhaltung dieser in der angegriffenen Baugenehmigung enthaltenen Grenzwerte am maßgeblichen Immissionsort bei regelmäßigem Betrieb der Anlage auf dem Grundstück des Beigeladenen realistisch ist. Das Landratsamt … hat mit der Frage der von dem Vorhaben ausgehenden Geräuschemissionen das Sachgebiet für den technischen Immissionsschutz befasst, das hierzu zwei Fachstellungnahmen abgegeben hat. Zweifel an der Einhaltbarkeit der genannten Richtwerte werden hier nicht geäußert. Auch ist davon auszugehen, dass in der Fachstellungnahme vom 21. September 2015 nicht nur der Erweiterungsbereich, und damit ein Teil des Gesamtbetriebs bewertet worden ist, sondern auch die bereits bestehende Tankstelle Berücksichtigung gefunden hat. Hierfür spricht, dass das Bauvorhaben entsprechend der Bezeichnung in den Planvorlagen als „Erweiterung einer bestehenden Tankstelle“ bezeichnet wurde, und in der Fachstellungnahme sodann die Rede von dem Gesamtbetrieb, bzw. dem Gesamtvorhaben, ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass gerade der von den Antragstellern als besonders lärmintensiv gerügte Betrieb der Waschanlage nur zu den immissionsschutzrechtlichen Tagzeiten, also in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr stattfinden darf. Soweit die Antragsteller vortragen, die Baugenehmigung enthalte keine Verpflichtung, die entsprechenden Tore beim Waschvorgang zu schließen, verfängt diese Argumentation nicht. Die Baugenehmigung enthält jedenfalls die Verpflichtung, die Lärmgrenzwerte einzuhalten. Dass dies hinsichtlich der Waschanlage auch durch Schließen der Tore geschehen wird, ist naheliegend und musste nicht gesondert angeordnet werden. Dass bei einem solchen Betrieb die Richtwerte für die Tagzeit eingehalten werden können, erscheint realistisch. Für die Nachtzeit wurde ein Betrieb der Waschanlage nicht genehmigt, und ein solcher ist auch nicht geplant. Was den Betrieb der neuen, erweiterten Tankstelle zur Nachtzeit anbelangt, so hat der Beigeladene dem technischen Immissionsschutz gegenüber erklärt, dass an den zu errichtenden Zapfsäulen keine Lkw, sondern nur Pkw tanken könnten. Die Lärmemissionen durch Lkw werden sich demnach durch den Erweiterungsbau nicht verändern. Die Behauptung der Antragsteller, es würden sich häufig lange Schlangen von Lkw und Rückstaus in die O…straße bilden, welche es unmöglich machten, nachts bei geöffnetem Fenster zu schlafen, findet jedenfalls in den vom Beigeladenen vorgelegten Tankjournalen keine Bestätigung. Aus ihnen geht vielmehr hervor, dass Lkw die Tankstelle zu den immissionsschutzrechtlichen Nachtzeiten zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr nur vereinzelt aufsuchen. An den untersuchten Tagen tankten nachts maximal zwei Lkw. Dass durch die nun neu geschaffene Tankmöglichkeit für Pkw eine ins Gewicht fallende Verschlechterung eintreten wird, ist nicht zu erwarten. Pkw entwickeln wesentlich niedrigere Geräusche als Lkw, ihre Betankung nimmt deutlich weniger Zeit in Anspruch, die Motoren sind während des Tankvorgangs ausgeschaltet. Dadurch, dass Pkw nun im Erweiterungsbereich tanken können, ist auch zu erwarten, dass sie nicht mehr den vorderen Tankstellenbereich anfahren, und Lkw im Falle eines Aufeinandertreffens nicht mehr – unter Umständen mit laufendem Motor – warten müssen. Auch ist nachvollziehbar dargelegt worden, dass sich die Tankstelle an einer eher abgelegenen Stelle in dem Gewerbegebiet befindet und nicht etwa an einer befahrenen Durchgangsstraße, so dass auch deswegen nachts nicht mit viel Tankverkehr zu rechnen ist. Für den Fall, dass sich der Tankverkehr insbesondere nachts in relevanter Weise erhöhen könnte, hat der Beklagte weitere Maßnahmen in Aussicht gestellt.
Der Einwand der Antragsteller, die Zu- und Abfahrt des Tankstellenverkehrs vom Grundstück Fl.Nr. … erfolge abweichend von den Darstellungen in den Planvorlagen nicht nach Osten, sondern über das Grundstück Fl.Nr. …, verhilft dem Antrag ebenso wenig zum Erfolg. Der Zu- und Abfahrtsverkehr nach Osten ist von den Antragstellern im Gewerbegebiet grundsätzlich hinzunehmen, sollte er planabweichend nach Westen erfolgen, würde das sogar eine Entlastung der Antragsteller bedeuten. Der von der Tankstelle bzw. Waschanlage ausgelöste Verkehr auf öffentlichen Straßen ist nach 7.4 TA-Lärm ohnehin nicht relevant.
Nach alledem geht die Kammer davon aus, dass das genehmigte Vorhaben den Antragstellern gegenüber aller Voraussicht nach nicht gegen das baurechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verstößt.
Auch eine von den Antragstellern gerügte angebliche Unbestimmtheit der Bauvorlagen und daraus resultierende Verletzung in ihren Rechten vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Baupläne und die vorgelegte Betriebsbeschreibung sind in der Zusammenschau zu betrachten. Die geplante bauliche Anlage wird durch sie ausreichend konkretisiert. Nicht erforderlich ist es, jeden technischen Ablauf und jedes in dem Betrieb eingesetzte Gerät eigens zu bezeichnen. Durch die vorgelegten Unterlagen werden die geplante Betriebsart und auch der geplante bzw. erwartete Betriebsumfang ausreichend deutlich, so dass die Bauordnungsbehörde auf dieser Grundlage eine Entscheidung über die baurechtliche Zulässigkeit treffen konnte.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil sich dieser durch Stellung eines Antrags gemäß § 154 Abs. 3 VwGO auch dem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.


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