Baurecht

Baugenehmigung für Stellplätze – Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs

Aktenzeichen  M 8 K 15.2419

Datum:
25.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 14 Abs. 2
StVO StVO § 10

 

Leitsatz

Ein Anfahren oder Verlassen von Stellplätzen durch Rückwärtsmanöver führt – auch wenn dabei ein Gehweg überfahren wird – nicht zwingend zu einer Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs (Art. 14 Abs. 2 BayBO). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (Stellplatz Nr. 2).
II.
Die Beklagte wird verpflichtet, die mit Bauantrag vom 27. März 2013 beantragte Baugenehmigung für den Stellplatz Nr. 1 zu erteilen.
III.
Die Beklagte und der Kläger haben jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zwar sieht das Gesetz insoweit eine Einstellung durch Beschluss vor. Bei einer nur teilweisen Erledigung der Hauptsache bzw. einer nur teilweisen Rücknahme kann diese Entscheidung aber auch im Urteil getroffen werden (vgl. BVerwG v. 6.2.1963 – NJW 1963, 923).
II.
Die Klage ist – soweit sie aufrechterhalten worden ist – zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 ist, soweit der Bauantrag vom 22. Dezember 2014 hinsichtlich des Stellplatzes Nr. 1 abgelehnt wurde, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat insoweit einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da das Vorhaben keinen öffentlichen Vorschriften widerspricht, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, Art. 59 Abs. 1 BayBO) und Ablehnungsgründe nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO nicht vorliegen.
1. Gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Stellplatzes bestehen keine rechtlichen Bedenken. Stellplätze sind unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BauNVO in allen Baugebieten zulässig.
2. Es liegt auch kein Verstoß gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften vor. Insbesondere verstößt der geplante Stellplatz Nr. 1 nicht gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO.
Art. 14 Abs. 2 BayBO bestimmt, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Benutzung nicht gefährdet werden darf. Zwar besteht auf dem streitgegenständlichen Grundstück keine Wendemöglichkeit, so dass der Stellplatz zwingend rückwärts angefahren oder verlassen werden muss. Dabei wird ein ca. 3 m breiter Fußgängerweg überfahren.
Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch Benutzung des streitgegenständlichen Stellplatzes entgegen der Einschätzung der Beklagten nicht gegeben.
Allein die Tatsachen, dass auf dem Grundstück selbst keine Wendemöglichkeit zur Verfügung steht und beim Anfahren bzw. Verlassen des Grundstücks der Fußgängerweg überfahren werden muss, vermögen eine Verkehrsgefährdung nicht zu begründen. Eine entsprechende Verkehrssituation ist im Stadtgebiet der Beklagten vielfach vorzufinden. Insbesondere ist das Fehlen einer Wendemöglichkeit auf dem Grundstück in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen keine Seltenheit. Ein Anfahren oder Verlassen von Stellplätzen durch Rückwärtsmanöver führt – auch wenn dabei ein Gehweg überfahren wird – nicht zwingend zu einer Verkehrsgefährdung.
Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins bestehen gegen die Benutzung des geplanten Stellplatzes auf dem Grundstück des Klägers im Hinblick auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs keine Bedenken.
Bei der …-Straße handelt es sich um eine übliche Anwohnerstraße mit entsprechender Verkehrsbelastung. In dem Straßenabschnitt östlich der …straße und westlich der …straße auf einer Länge von mindestens 270 m verläuft die Straße gerade, so dass der Bereich der streitgegenständlichen Hofeinfahrt für die Verkehrsteilnehmer gut einsehbar ist. Zwar befinden sich beidseits der Straße Längs- und Schrägparkstreifen, so dass die Fahrbahn entsprechend verengt wird. Dennoch ist die verbleibende Fahrbahnbreite für einen ungehinderten Verkehrsablauf ausreichend. Die Einsehbarkeit des Einfahrtsbereichs wird zudem dadurch verbessert, dass sich östlich der streitgegenständlichen Zufahrt eine weitere Grundstückszufahrt und gegenüber den Einfahrten ein ca. 7 m breiter unbeparkter Straßenabschnitt, der durch entsprechende Verkehrszeichen gekennzeichnet ist, befinden. Aufgrund dieser Unterbrechung der Parkzone, sind die Einfahrten zu dem Grundstück des Klägers und zu dem Nachbargrundstück für Verkehrsteilnehmer und Fußgänger deutlich erkennbar.
Da entlang der …-Straße beidseitig Parkplätze ausgewiesen sind, die teilweise entweder rückwärts angefahren oder verlassen werden müssen, muss ein Fahrzeugführer jederzeit mit entsprechenden Rückwärtsmanövern rechnen und eine dieser Verkehrssituation entsprechend hohe Aufmerksamkeit dem ruhenden Verkehr schenken.
Eine Gefährdung der Fußgänger durch das Überfahren des Gehsteigs ist vorliegend nicht erkennbar. Ein übermäßiger Fußgängerverkehr – wie auch der gerichtliche Augenschein gezeigt hat – findet auf der …-Straße nicht statt. Aufgrund des geraden Straßenverlaufs besteht von der Straße her eine gute Sichtbeziehung zu der streitgegenständlichen Einfahrt. Die knapp 4 m breite Einfahrt ermöglicht dem Fahrer bei langsamen Ein- und Ausfahren eine ausreichende Einsicht in den Gehwegbereich, um durch eine der Situation entsprechende Reaktion eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen zu können.
Da die Einfahrt des klägerischen Grundstücks über eine Breite von 3,95 m verfügt und vor der Einfahrt ein ca. 7 m breiter Streifen unbeparkt ist, kann das Grundstück ohne Gefährdung des öffentlichen Straßenverkehrs unproblematisch rückwärts angefahren werden, damit Rückwärtsmanöver beim Verlassen des Grundstücks vermieden werden.
Unter Beachtung der nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung üblichen und erforderlichen Sorgfalt bei Ein- und Ausparkmanövern (vgl. § 10 StVO) ist eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch Benutzung des streitgegenständlichen Stellplatzes nicht ersichtlich.
Ein Verstoß gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften ist nicht gegeben. Insbesondere ist die Breite der für den Fahrverkehr bestimmten Fläche vorliegend mit 3,95 m ausreichend (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Die Frage, ob die verbleibende Durchgangsbreite zwischen dem Stellplatz und der östlichen Außenwand des klägerischen Vordergebäudes im Bereich des Gebäudeeingangs ausreichend ist, stellt sich nach dem Wegfall des ursprünglich beantragten Stellplatzes Nr. 2 nicht mehr.
Soweit die Beklagte die Größe des geplanten Stellplatzes bemängelt, ist anzumerken, dass die geplante Breite von 2,4 m den Vorgaben des § 4 Abs. 1 Nr. 2 GaStellV entspricht. Lediglich die geplante Länge des Stellplatzes ist mit ca. 4,5 m 0,5 m geringer, als vorgeschrieben (§ 4 Abs. 1 GaStellV). Allerdings finden die Größenvorgaben des § 4 Abs.1 GaStellV auf freiliegende Stellplätze keine Anwendung (vgl. § 1 Abs. 5 GaStellV). Die vorgesehene Länge ist durchaus üblich und kann von den meisten PKW-Typen genutzt werden.
3. Nach alldem war der Klage – soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde – stattzugeben. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird bis zur übereinstimmenden
Erledigungserklärung auf EUR 20.000,- und
danach auf EUR 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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