Baurecht

Baugenehmigung für Werbeanlage

Aktenzeichen  AN 9 K 16.00419

Datum:
5.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 3
BauNVO BauNVO § 23
VwGO VwGO § 113 Abs. 5
BayBO BayBO Art. 59, Art. 68

 

Leitsatz

Zur Konkretisierung der Einfügensanforderungen des § 34 BauGB kann bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche auf § 23 BauNVO zurückgegriffen werden. Dabei dürfen nicht nur Gebäude und Gebäudeteile, sondern auch alle anderen baulichen Anlagen, mithin Werbeanlagen, eine Baugrenze nach § 23 Abs. 3 BauNVO nicht überschreiten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück Fl. Nr. … der Gemarkung … nicht zu; sie wird durch den Versagungsbescheid vom 11. Februar 2016 nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 VwGO.
Dem beantragten Vorhaben stehen planungsrechtliche Gründe entgegen.
Ob das Baugrundstück Teil eines für die Annahme einer Innenbereichslage nach § 34 BauGB erforderlichen Bebauungszusammenhangs ist, oder ob es sich unter Berücksichtigung dessen, dass die weitläufige Lagerfläche, innerhalb derer das Bauvorhaben verwirklicht werden soll, nicht geeignet ist, einen solchen Bebauungszusammenhang zu vermitteln, um eine Außenbereichslage nach § 35 BauGB handelt, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Bei Annahme einer Außenbereichslage würden dem Vorhaben öffentliche Belange, insbesondere die Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB entgegenstehen. Doch auch bei Annahme einer Innenbereichslage des Baugrundstücks erweist sich das streitgegenständliche Bauvorhaben bauplanungsrechtlich insoweit als unzulässig, als es sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 23 BauNVO).
Für den Planbereich enthält § 23 BauNVO Regelungen zur überbaubaren Grundstücksfläche. So darf nach § 23 Abs. 3 BauNVO eine festgesetzte Baugrenze durch bauliche Anlagen nicht überschritten werden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass zur Konkretisierung der Einfügensanforderungen des § 34 BauGB bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche auf § 23 BauNVO zurückgegriffen werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461 – juris; U. v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 – juris, Rn. 12). Nach der Rechtsprechung dürfen nicht nur Gebäude und Gebäudeteile, sondern auch alle anderen baulichen Anlagen, mithin Werbeanlagen, eine Baugrenze nach § 23 Abs. 3 BauNVO nicht überschreiten (vgl. BVerwG, U. v. 7.6.2001 – 4 C 1.01 – ZfBR 2001, 558).
Die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebende nähere Umgebung reicht soweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch mitbeeinflusst (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2012 – 15 ZB 11.460 – juris, Rn. 6). Der demnach maßgebliche Bereich ist bei dem Einfügensmerkmal der überbaubaren Grundstücksfläche in der Regel enger zu begrenzen als etwa bei dem Merkmal der baulichen Nutzung (vgl. BayVGH, B. v. 25.4.2005, a. a. O.).
Wie die Augenscheinseinnahme ergeben hat, ist als solchermaßen relevante Umgebung der Bereich des Vorhabengrundstücks Fl. Nr. … der Gemarkung … sowie die benachbarten Grundstücke Fl. Nrn. … und … der Gemarkung … heranzuziehen. Die in diesem Bereich vorgefundene städtebauliche Situation ist geprägt durch das Vorhandensein eines deutlichen Abstands der gewerblich genutzten Hauptgebäude von der Straße. In wertender Betrachtung der maßstabsbildenden Straßenfront bleibt die Bebauung mit Hauptgebäuden im maßgeblichen Bereich durchgehend ca. 40 m bis 60 m vom Straßengrundstück zurück. Darauf, dass dieser von Bebauung freigehaltene Bereich jeweils gleich breit ist, kommt es nicht maßgeblich an (vgl. BayVGH, B. v. 6.2.2006 – 26 ZB 05.1470 -juris; U. v. 7.7.2004 – 26 B 03.2798 – juris). Trotz geringfügig unterschiedlicher Breiten erscheinen im relevanten Umgebungsbereich die überbauten Grundstücksflächen klar abgegrenzt von den zur Straße hin vorgelagerten unbebauten Flächen. Dass die vorgelagerten Flächen – ohne Ansehung einer bauaufsichtlichen Genehmigung – auf den Grundstücken Fl. Nrn. … und … der Gemarkung … als Lagerflächen für die auf diesen Grundstücken befindlichen Sägewerkbetriebe genutzt werden, hindert die Annahme einer faktischen Baugrenze insofern nicht, als diese als Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO anzusehen sind, denen insoweit die maßstabsbildende Kraft fehlt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 18.12.2014 – OVG 10 N 47.14 – juris). Die § 23 Abs. 5 BauNVO zugrundeliegende städtebauliche Bewertung zeigt, dass bei der Frage, ob sich ein Vorhaben hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt, zwischen Hauptgebäuden und untergeordneten Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO sowie den in Abstandsflächen zulässigen Anlagen unterschieden werden muss. Lagerflächen außerhalb der Hauptanlage stellen sich als sowohl funktionell als auch räumlich gegenständlich dem Hauptzweck untergeordnete Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dar (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 BauNVO, Rn. 48).
Mit der Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens würden bauliche Anlagen in unmittelbarer Nähe zur Straße verwirklicht, die in der maßgeblichen näheren Umgebung bislang ohne Vorbild sind. Das deutliche Überschreiten der durch die Hauptgebäude gezogenen faktischen Baugrenze würde die Zulassung eines in der Umgebung vorbildlosen Vorhabens bedeuten und damit einen Ansatz für nachfolgende vergleichbare Bauwünsche, etwa auf den benachbarten Grundstücken, bieten und deshalb zu städtebaulichen Spannungen führen (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014, a. a. O.). Aufgrund der zu befürchtenden negativen Vorbildwirkung und den damit einhergehenden städtebaulichen Spannungen kommt auch eine ausnahmsweise Zulässigkeit dieses rahmenüberschreitenden Vorhabens nicht in Betracht.
Damit erweist sich das streitgegenständliche Vorhaben bereits aus bauplanungsrechtlichen Gründen als nicht genehmigungsfähig. Ob das Vorhaben darüber hinausgehend auch – wie von Seiten des Beklagten angeführt (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BayBO) – zu einer Verunstaltung des Orts- und Straßenbildes gemäß Art. 8 Satz 2 BayBO führt, da die Zulassung einer neuartigen gewerblichen Nutzung das ländlich geprägte Straßenbild stören würde (vgl. VGH BW, U. v. 6.4.2011 – 8 S 1213/09 – juris, Rn. 28; U. v. 26.7.2016 – 3 S 1241/15 – juris, Rn. 24) braucht darüber hinaus nicht entschieden zu werden.
Somit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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