Baurecht

Baugenehmigung für Werbeanlage

Aktenzeichen  M 1 K 15.3169

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1, 2
BauNVO BauNVO § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4

 

Leitsatz

Die Frage, ob einer Straße im Hinblick auf die Gebietseinstufung trennende Wirkung zukommt, kann nur nach dem Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Nach den Erkenntnissen des Augenscheins kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der circa 5 bis 7 m breiten Straße im Bereich des Vorhabengrundstücks ungeachtet ihrer Verkehrsbedeutung und -frequenz deshalb keine trennende Wirkung zukommt, weil sie den Eindruck einer zusammengehörigen und homogenen Bebauung auf beiden Straßenseiten nicht unterbricht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die unter dem … Juni 2014 beantragte Baugenehmigung für eine Werbeanlage auf dem Grundstück FlNr. 472/23 Gem. … zu erteilen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Sie ist als Untätigkeitsklage nach § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, weil kein zureichender dafür Grund vorliegt, dass über den Antrag auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung noch nicht entschieden wurde.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erlass der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde insbesondere die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 Baugesetzbuch (BauGB).
2. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässig.
Das Baugrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB.
Das Vorhaben ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig, denn es fügt sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Vorhaben fügt sich weiter gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art in das vorhandene faktische Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO ein. Anders als der Beklagte und die Beigeladene stuft das Gericht die nähere Umgebung, die die Bebauung entlang der … Straße bis zur …-Straße im Norden und zur …straße im Süden umfasst, nicht als faktisches allgemeines Wohngebiet, sondern als faktisches Mischgebiet ein. Diese Gebietseinstufung basiert maßgeblich auf dem Umstand, dass das Gericht der … Straße keine trennende Wirkung beimisst. Die Frage, ob einer Straße trennende Wirkung zukommt, kann nur nach dem Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Nov. 2015, § 34 Rn. 24). Nach den Erkenntnissen des Augenscheins kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der circa 5 bis 7 m breiten … Straße im Bereich des Vorhabengrundstücks ungeachtet ihrer Verkehrsbedeutung und -frequenz deshalb keine trennende Wirkung zukommt, weil sie den Eindruck einer zusammengehörigen und homogenen Bebauung auf beiden Straßenseiten nicht unterbricht. Die diesseits und jenseits vorhandene Bebauung weist vergleichbare Strukturen auf, wobei die Baukörper überwiegend straßennah und in einer gewissen Massivität errichtet sind, was den Eindruck der Geschlossenheit unterstreicht. Es entsteht der Eindruck einer zusammengehörigen, nicht durch die Straße unterbrochenen städtebaulichen Struktur. Zudem existieren auf beiden Straßenseiten nur niedrige und schmale Gehwege. Angesichts dieser Einordnung der Straße ist die Bebauung westlich und östlich der … Straße für die Beurteilung der Gebietsart maßgeblich und die gewerbliche Nutzung östlich der … Straße (…bank, Maschinenring, Elektroladen) mit zu berücksichtigen. Das Nebeneinander von Wohnen und größeren, nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben führt zu einer Einordnung als Mischgebiet i. S. v. § 6 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO).
In dem vorliegenden Mischgebiet ist die geplante Werbetafel als nicht störende gewerbliche Nutzung (vgl. BVerwG, U. v. 3.12.1992 – 4 C 27.91 – DVBl 1993, 439 – juris Ls. 2; BayVGH, U. v. 11.12.2007 – 14 B 06.2880 – juris Rn. 14) allgemein zulässig (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 BauNVO). Auf die von der Beigeladenen rekurrierte negative Vorbildwirkung kommt es daher nicht mehr an, weil diese nur bei sich nicht in den Rahmen der näheren Umgebung einfügenden Vorhaben und der Frage, ob diese dennoch zulässig sind oder zu städtebaulichen Spannungen führen, relevant wird (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 34 Rn. 31).
3. Da bauplanungsrechtliche Gründe dem Vorhaben nicht entgegenstehen, war die Beigeladene zur Erteilung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB verpflichtet. Das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen steht deshalb dem Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass der beantragten Baugenehmigung nicht entgegen, sondern ist gemäß Art. 67 Abs. 1 BayBO zu ersetzen.
4. Der beantragten Baugenehmigung stehen auch nicht Gründe der Verkehrssicherheit entgegen. Nach Art. 14 Abs. 2 BayBO dürfen bauliche Anlagen und ihre Benutzung die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs nicht gefährden. Dies ist bei der beantragten Werbetafel nicht der Fall. Wegen der nur statischen Werbung ist ihre Ablenkungswirkung als gering zu erachten. Dementsprechend hat das Staatliche Bauamt mit Stellungnahme vom 4. November 2014 sein Einverständnis zum Aufstellen der Werbetafel erklärt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs).


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