Baurecht

Baugenehmigung, Gemeinde, Bescheid, Verkehrssicherungspflicht, Gemarkung, Sofortvollzug, Vorhaben, Drittschutz, Verletzung, Landschaftsschutzgebiet, Baugenehmigungsverfahren, Landratsamt, Auslegung, Bebauung, Zeitpunkt der Entscheidung, Erteilung einer Baugenehmigung, Kosten des Verfahrens

Aktenzeichen  RN 6 S 21.1239

Datum:
22.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41408
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine dem Beigeladenen vom Landratsamt K… erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Waldkindergartens.
Der Antragsteller ist Eigentümer des forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl.Nr. 2845/45 der Gemarkung …, Gemeinde A1… Die gegenständliche Baugenehmigung wurde für das Grundstück Fl.Nr. 2845/6 derselben Gemarkung erteilt. Beide Grundstücke liegen im Außenbereich. Der Landkreis M1… hat am … 1967 die Kreisverordnung über den Schutz von Landschaftsteilen in den Gemeinden A1…, B…, A2… und R1… des Landkreises M1…(Landschaftsschutzgebiet D…, R2… und F…) erlassen (im Folgenden: Kreisverordnung), in deren Geltungsbereich beide Grundstücke liegen. Eine Baubeginnsanzeige vom … 2020 liegt vor. Der Kindergarten ist seit dem … 2020 in Betrieb und umfasst 25 Plätze. Der Betrieb wurde mit Bescheiden des Landratsamtes vom 3. Dezember 2020 und 19. Juli 2021 (Betriebserlaubnis nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sowie dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch) genehmigt.
Mit Formblättern vom 23. Juli 2020 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Waldkindergartens mit Aufstellung eines mobilen Bauwagens als Not-Wetterschutzunterkunft für Waldkindergartenkinder.
Das gemeindliche Einvernehmen wurde mit Beschluss vom 28. Juli 2020 erteilt.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 bestätigte die Gemeinde A1…, dass im Winter bei normalem Schneefall und Eisbildung der Winterdienst bis um 7:30 Uhr durchgeführt werden kann. Der Winterdienst werde bis zu den Stellplätzen des Waldkindergartens durchgeführt, von den Stellplätzen bis zum Schutzwagen gebe es keinen Winterdienst. Dies könne nur bei extremen Schneefällen bzw. extremer Glatteisbildung zeitweise nicht garantiert werden (Bl. 28 der Behördenakte).
Mit Formblatt vom 3. August 2020 (Bl. 34 der Behördenakte) erklärten der Beigeladene und der Grundstückseigentümer des Baugrundstücks im Falle etwaiger Schäden oder Gefahren (wird näher ausgeführt), keine Haftungsansprüche irgendwelcher Art gegen den Freistaat Bayern oder gegen die Eigentümer der dem Baugrundstück jeweils angrenzenden Nachbargrundstücke geltend zu machen.
Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 4. August 2020 (Bl. 32 der Behördenakte) betreffend ein Gespräch mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten handele es sich bei dem Wald des Antragstellers um alten Buchenbestand, der erhöhte Verkehrssicherungspflichten nach sich ziehe.
Mit Stellungnahme vom 6. August 2020 teilte das AELF A3… mit, es handele sich bei dem Baugrundstück um einen Erholungswald der Intensitätsstufe II, § 2 Bundeswaldgesetz i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Bayerisches Waldgesetz (BayWaldG). Die geplante Bodennutzung erfülle den Tatbestand der Rodung, Art. 9 Abs. 2 BayWaldG. Aus forstlicher Sicht stehe der Rodung nichts entgegen.
Mit Bescheid vom 17. August 2020, Az. …, dem Antragsteller zugegangen am 18. August 2020, erteilte das Landratsamt K… die beantragte Baugenehmigung und legte dieser die mit Genehmigungsvermerk vom 17. August 2020 versehenen Bauvorlagen zugrunde (Ziff. 1). Unter Ziff. 3 ordnete das Landratsamt an, dass dieser Bescheid nur unter der Bedingung gelte, dass vor Nutzungsaufnahme etwaige drohende Gefahren durch abgestorbene Äste in den Baumkronen durch einen beauftragten Baumsachverständigen oder eine hierfür qualifizierte Fachfirma beseitigt werden. Ein entsprechender Nachweis über die abgeschlossene erfolgreiche Durchführung der erforderlichen Maßnahmen sei dem Landratsamt K… vor Nutzungsaufnahme vorzulegen.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 17. September 2020 Klage erheben lassen, die unter dem Az. … geführt wird und über die noch nicht entschieden wurde. Am 25. Juni 2021 hat der Antragsteller um Eilrechtsschutz nachsuchen lassen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, die Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt, weil weder der Betriebsumfang noch der Umstand, dass vom Grundstück des Antragstellers ebenso drohende Gefahren ausgehen könnten, berücksichtigt worden sei, sodass der Antragsteller nicht beurteilen könne, welche Beeinträchtigungen von dem Gesamtbetrieb ausgingen.
Darüber hinaus sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, da nicht ausschließbar sei, dass sich das Bauvorhaben im sog. Baumwurfbereich des antragstellerischen Waldbestandes befinde. Den Antragsteller träfe hierdurch ein mögliches Erfordernis zur Pflege bzw. Rodung des eigenen Bestands, das weit über die waldtypische Verkehrssicherungspflicht hinausginge. Gegenüber dem Antragsteller sei keine Erklärung zur Haftungsfreistellung und Übernahme der Verkehrssicherungspflicht abgegeben worden. Eine solche Erklärung vom 3. August liege nur gegenüber dem Freistaat Bayern vor. Jedenfalls im Baumwurfbereich des Grundstücks des Antragstellers sei eine Erklärung des Beigeladenen sowie des Eigentümers des Baugrundstücks notwendig, dass diese die Verkehrssicherungspflichten übernähmen und entstehende Beeinträchtigungen/Schäden ersetzen. Dies sei in der Stellungnahme des AELF A3… vom 6. August 2020, Seite 2, vorletzter Absatz, auch so ausgeführt, aber im Bescheid nicht berücksichtigt worden. Es erschließe sich nicht, weshalb die in Ziff. 3 des Bescheids genannten Gefahren, die das Baugrundstück betreffen, auf dem 3 m entfernten Grundstück des Antragstellers nicht bestehen sollten. Der Ziff. 3 sei auch nicht zu entnehmen, ob sich die Bedingung lediglich auf das Baugrundstück beziehe oder sich auch auf das Grundstück des Antragstellers erstrecke. Die reduzierten Haftungsmaßstäbe des § 60 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) bzw. Art. 13 Abs. 2 BayWaldG zu Gunsten des Antragstellers gölten nicht mehr, weil kein Betreten der freien Landschaft gemäß § 59 BNatSchG mehr vorliege. Mit der Rechtsprechung des BGH (U.v. 2.10.2012, Az. 4 ZR 311/11) sei davon auszugehen, dass die grundsätzlich bestehende Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, die grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren gelte, in der vorliegenden Konstellation erheblich gesteigert sei. Vielmehr sei eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht zu Lasten des Antragstellers die Folge und zwar über waldtypische Gefahren hinaus.
§ 7 Landschaftsschutzgebietverordnung vermittle Drittschutz zu Gunsten des Antragstellers als aktivem Land- und Forstwirt. Jedenfalls nach Art. 18 Abs. 1 Bayerisches Naturschutzgesetz sei die notwendige Erlaubnis nur dann zu erteilen gewesen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der nach der Schutzverordnung erforderlichen Gestattung vorlägen. Die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks des Antragstellers werde beeinträchtigt.
Ausweislich der Größe des Baugrundstücks und des Lageplans hätte der konkrete Standort des Waldkindergartens so gewählt werden können, dass dieser nicht im Baumfällbereich gelegen hätte. Einer bestehenden Gefahrenlage sei nicht durch bauliche Maßnahmen hinreichend begegnet worden (BayVGH, E.v. 16.12.2019 – 1 ZB 1828 – Rn. 9).
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der eingereichten Klage (Aktenzeichen …) gegen den Bescheid des Landratsamtes K… vom 17.08.2020, Aktenzeichen …, wird angeordnet.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die angefochtene Baugenehmigung beziehe sich nur auf das Baugrundstück und nicht auf das Grundstück des Antragstellers. Die baulichen Anlagen im Zusammenhang mit Waldkindergärten seien in der Regel als sonstige Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) einzuordnen. Eine Betriebserlaubnis für den Waldkindergarten, die auch den Betriebsumfang und Betriebsablauf regele, sei unabhängig von der erteilten Baugenehmigung am 3. Dezember 2020 erteilt worden. Das Betreten des Waldes erfolge grundsätzlich auf eigene Gefahr und der Waldbesitzer sei nicht verpflichtet, im Waldbestand Verkehrssicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Im Bereich der für den Waldkindergarten installierten baulichen Anlagen bestehe eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht, welcher der Bauherr und der Grundstückseigentümer nachgekommen seien. Bei Baugebieten werde zwar in der Regel ein Mindestabstand zum Wald gefordert, um Gefahren durch Windwurf, Schneebruch oder herabfallende Äste zu begegnen. Allerdings widersprächen diese Maßnahmen dem Charakter eines Waldkindergartens. Durch die Bereitstellung der Räumlichkeiten des Jugendtreffs der Stadt G… bei widrigen Wetterumständen und einer landwirtschaftlichen Halle durch Herrn R3… in …, … A1… bei akut auftretenden Extremwetterereignissen werde sichergestellt, dass bei entsprechender Witterung der Wald umgehend verlassen wird.
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme lasse sich trotz des durch Bebauung möglicherweise steigenden Haftungsrisikos kein Anspruch auf Freihaltung des Baumwurfbereichs herleiten. Dies gelte auch ohne Haftungsfreistellungserklärung des Bauherren. Der Waldkindergarten erschwere die forstwirtschaftliche Nutzbarkeit des Antragstellergrundstücks nicht erheblich. Drohende Schadensersatzansprüche seien keine baurechtlich geschützte Abwehrposition. Nicht jede Beeinträchtigung des Eigentums sei rücksichtslos. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BayVGH sei darauf hinzuweisen, dass hier lediglich eine abstrakte Baumwurfgefahr und keine konkrete Gefahr vorliege. Die naturschutzrechtliche Erlaubnis nach der Kreisverordnung werde durch die Baugenehmigung ersetzt. § 7 Kreisverordnung sei keine drittschützende Regelung, sondern diene ausschließlich dem Schutz der Landschaft und dem Naturgenuss.
Der Beigeladene hat sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht inhaltlich geäußert.
Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze in diesem Verfahren und in dem Verfahren … sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag hat nur dann Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts überwiegt. Da an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht, richtet sich diese Interessenabwägung in der Regel nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Führt diese summarische Prüfung dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris m.w.N.). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung einiges dafür, dass die Klage keinen Erfolg haben wird.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. Bayerische Bauordnung (BayBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris; BVerwG, U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77 – juris). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist nicht gegeben.
a) Der Antragsteller ist nicht aufgrund der geltend gemachten Unbestimmtheit der Baugenehmigung in seinen subjektiv öffentlich-rechtlichen Rechten verletzt.
Die Bestimmtheit i.S.d. Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) setzt voraus, dass die im Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten, ggf. nach Auslegung, eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (genau so BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 1 CS 20.2637 – juris, Rn. 15; BayVGH, B.v. 19.4.2021 – 9 ZB 20.602 – juris, Rn. 8)
Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht erkennbar, dass die gegenständliche Baugenehmigung hinsichtlich nachbarrechtlicher Fragen unbestimmt ist. Der Antragsteller bringt vor, die Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt, weil weder der Betriebsumfang noch der Umstand, dass vom Grundstück des Antragstellers ebenso drohende Gefahren ausgehen könnten, berücksichtigt worden sei, sodass der Antragsteller nicht beurteilen könne, welche Beeinträchtigungen von dem Gesamtbetrieb ausgingen. Zwar ist der Baugenehmigung keine Betriebsbeschreibung zugrunde gelegt worden, was vorliegend jedoch nicht zu einer Verletzung von Rechten des Antragstellers führt, da – jedenfalls durch Auslegung – eindeutig zu erkennen ist, in welchem Umfang der Antragsteller als Nachbar von dem Vorhaben betroffen ist. Schon anhand der Bezeichnung als Waldkindergarten mit Aufstellung eines mobilen Bauwagens als Not-Wetterschutzunterkunft und den mit Genehmigungsvermerk versehenen Eingabeplänen kann geschlussfolgert werden, dass es sich um eine eher kleine Gruppe an Kindergartenkindern handeln dürfte, da der mobile Bauwagen als einzig überdachte Anlage des Waldkindergartens lediglich 20 m² groß ist und im Falle von witterungsbedingtem Schutzbedarf sämtlichen Kindern und Aufsichtspersonen zum Aufenthalt dient. Dass in der Baugenehmigung selbst keine zahlenmäßige Konkretisierung der Kindergartenplätze niedergelegt ist, kann daher nicht zu einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung führen, zumal die konkrete Anzahl von 25 Kindergartenplätzen den Bescheiden des Landratsamtes vom 3. Dezember 2020 und 19. Juli 2021 (Betriebserlaubnis nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sowie dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch) zu entnehmen ist. Auch das Fehlen einer Betriebsbeschreibung ist unschädlich, da die Bezeichnung „Waldkindergarten“ den Schluss zulässt, dass dort zu den üblichen Betriebszeiten eines Kindergartens (werktags von morgens bis nachmittags) Kinder betreut werden. Dass Gefahren, die vom Grundstück des Antragstellers ausgehen könnten, nicht berücksichtigt worden seien, kann nicht zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung führen. Denn die Baugenehmigung betrifft ausschließlich das Baugrundstück selbst und entfaltet keine Regelungswirkung für das Grundstück des Antragstellers. In der Gesamtschau ist daher nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung unbestimmt in Bezug auf nachbarrechtlich relevante Fragen ist.
b) Die Baugenehmigung verletzt aller Voraussicht nach nicht das Rücksichtnahmegebot.
Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung insoweit zu, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – …RS 2019, 2302; BayVGH, B.v. 26.9.2018 – 9 CS 17.361 – juris, Rn. 18 m.w.N.).
Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den Vorschriften des öffentlichen Baurechts steht, sondern ist Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts, die zum Prüfprogramm des Baugenehmigungsverfahrens gehören (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2016 – 1 CS 16.2009 – juris; BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris; Simon/Busse/Wolf, Stand: Januar 2020, BayBO Art. 59 Rn. 87 – …-online)
aa) Im Außenbereich ist das Rücksichtnahmegebot in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankert. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB sind solche im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind demnach Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Solche Einwirkungen sind den Betroffenen grundsätzlich unzumutbar (BVerwG, U.v. 25. 2.1977 – 4 C 22/75 – …-online). Unzumutbarkeit in diesem Zusammenhang ist nicht im enteignungsrechtlichen Sinne gemeint, sondern legt die Grenze im Vorfeld fest, ab der den Betroffenen eine nachteilige Einwirkung im konkreten Einzelfall billigerweise nicht mehr zugemutet werden soll (BVerwG, U.v. 21.5.1976 – 4 C 80/74 – …-online). Liegt keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des BImSchG vor, kommt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in der Regel nicht in Betracht (BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3/16 – …-online; Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang/Reidt, 14. Aufl. 2019, BauGB § 35 Rn. 80). Das Rücksichtnahmegebot geht als allgemeines baurechtliches Gebot jedoch über „schädlichen Umwelteinwirkungen“ hinaus, vielmehr werden auch sonstige nachteilige Wirkungen erfasst. (BVerwG, U.v. 21.2.1983 – 4 C 59/79 – NVwZ 1983, 609).
Der Antragsteller macht geltend, das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt, da nicht auszuschließen sei, dass sich das Bauvorhaben im sog. Baumwurfbereich des antragstellerischen Waldbestandes befinde und ihn somit erhöhte Verkehrssicherungspflichten bzw. Haftungsrisiken träfen. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Waldeigentümer trotz ihm etwaig entstehender Haftungsrisiken keinen Anspruch darauf hat, dass der so genannte Baumwurfbereich von Bebauung freigehalten wird. Auch das Gebot der Rücksichtnahme gibt einem Waldeigentümer, auch ohne Haftungsfreistellungserklärung des Bauherrn oder Grundstückseigentümers, die grundsätzlich keine öffentliche-rechtliche Wirkung entfalten, keinen Anspruch auf Freihaltung des Baumwurfbereichs (VG München, U.v. 12.7.2017 – M 9 K 17.1144 – juris, Rn. 28; BayVGH, U.v. 28.12.1998 – 14 B 95.1255 – juris; U.v. 10.3.1987 – Nr. 1 B 86.02710 – BayVBl. 1987, 727; VG Ansbach, U.v. 22.10.2008 – AN 9 K 08.01104 – juris; Busse/Kraus/Wolf, 142. EL Mai 2021, BayBO Art. 4 Rn. 29). Gegenstand der Baugenehmigung ist lediglich die Errichtung von Anlagen auf dem Baugrundstück selbst und nicht die Nutzung umliegender Flächen, hier des Grundstücks des Antragstellers. Die Verkehrssicherungspflichten für das Grundstück des Antragstellers bestehen unabhängig von dem genehmigten Bauvorhaben (VG München, U.v. 12.7.2017 – M 9 K 17.1144 – juris, Rn. 28).
Unterstellt, die für an Waldgrundstücke angrenzende Wohngebäude entwickelte Rechtsprechung könnte in der vorliegenden Konstellation, die einen Waldkindergarten auf einem Grundstück, das selbst ebenfalls ein Waldgrundstück ist und auf dem sich spielende Kinder weitestgehend im Freien aufhalten, betrifft, nicht ohne Weiteres übertragen werden, gelangt das Gericht zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wären dann die Erfolgsaussichten der Klage offen. Bei Abwägung der jeweiligen Interessen des Beigeladenen und des Antragstellers wäre jedenfalls das Interesse des Beigeladenen an der Errichtung und dem Betrieb eines Waldkindergartens über das Interesse des Antragstellers, etwaig erhöhten Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken zu entgehen, zu stellen. Insbesondere werden durch die Errichtung des Waldkindergartens keine unumkehrbaren Fakten geschaffen. Auch bleibt es dem Antragsteller unbenommen, seine Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken auf zivilrechtlichem Wege zu reduzieren.
bb) Dass § 7 der Kreisverordnung Drittschutz vermittelt oder Grundlage für das Gebot der Rücksichtnahme sein könnte, ist nicht erkennbar, sodass auch diesbezüglich eine Rechtsverletzung ausscheidet.
§ 7 Satz 1 Kreisverordnung besagt: Die §§ 3 und 4 dieser Verordnung [Erlaubnisvorbehalt und Anzeigepflicht] sind nicht anzuwenden auf Maßnahmen im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung, einschließlich des land- und forstwirtschaftlichen Wegebaues, auf die Instandsetzungsarbeiten bei Anlagen von Versorgungsunternehmen und auf die rechtmäßige Ausübung von Jagd und Fischerei.
Der Antragsteller rügt, dass die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt werde. § 7 Kreisverordnung vermittle dahingehend drittschützende Wirkung. Es wird jedoch deutlich, dass die Kreisverordnung ausschließlich dem Schutz der Landschaft, der Natur und dem Naturgenuss dient, da in § 2 Kreisverordnung niedergelegt ist, dass im festgelegten Schutzgebiet das Verbot gilt, Maßnahmen vorzunehmen, die geeignet sind, die Landschaft zu verunstalten oder die Natur zu schädigen oder den Naturgenuss zu beeinträchtigen. Die in § 7 Kreisverordnung genannten Erleichterungen für Land- bzw. Forstwirte bezwecken keine bzw. nicht auch eine Schutzwirkung zugunsten der Individualinteressen eines Land-/Fortwirts in der Form, von nicht gestatteten Maßnahmen im Schutzgebiet verschont zu bleiben, sondern dienen ausschließlich dem öffentlichen Interesse der Gewährleistung der ordnungsgemäßen Ausübbarkeit der Land- und Forstwirtschaft. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots lässt sich hieraus nicht ableiten.
c) Das Vorhaben verstößt nicht gegen Art. 6 BayBO.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO nach der Wandhöhe und wird senkrecht zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut. Die Höhe von Dächern mit einer Neigung von bis einschließlich 70 Grad wird zu einem Drittel der Wandhöhe, von Dächern mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll zur Wandhöhe hinzugerechnet, Art. 6 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BayBO. Das sich ergebende Maß ist H, Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO. Die Tiefe der einzuhaltenden Abstandsfläche beträgt 0,4 H, aber mindestens 3 m, Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.
Der Bauwagen weist eine Wandhöhe von 3,35 m auf. Da 0,4 H lediglich 1,34 m betragen würde, ist die Mindestabstandsflächentiefe von 3 m einzuhalten, was ausweislich des Eingabeplans (1:200) der Fall ist.
d) Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung in bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht drittschützende Normen verletzt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem war der Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO abzulehnen.
Als unterliegender Teil hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren dem Antragsteller nicht aufzuerlegen, da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nummern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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