Baurecht

Baugenehmigung, Nachbar, Bauvorhaben, Seminargebäude, Grenzgarage, Wohnhaus, Abstandsflächenrecht

Aktenzeichen  B 2 S 19.617

Datum:
17.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41826
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 02.04.2019 für den Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Garage auf dem Grundstück Fl.-Nr. aaa/2 der Gemarkung W… Die Antragsteller zu 3) und 4) sind Eigentümer des südöstlich und südwestlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks Fl.-Nr. bb der Gemarkung W… Zwischen den Grundstücken befindet sich ein 2 m hoher Gitterzaun. Der südliche Teil des Grundstücks Fl.-Nr. bb ist bewaldet und mit einem Maschendrahtzaun eingefriedet. Der Antragsteller zu 1) ist Inhaber eines Erbbaurechts an dem Grundstück Fl.-Nr. bb. Er führt auf dem Grundstück ein ehrenamtliches Projekt zum Musikinstrumentenbau für Familien mit krebskranken Kindern durch. Bei dem Antragsteller zu 2) handelt es sich um ein Einzelunternehmen, das vom Antragsteller zu 3) geführt wird. Dabei handelt es sich um eine Kulturpresseagentur, die in Abstimmung mit den anderen Antragstellern auf dem Grundstück Fl.-Nr. bb unter anderem Kulturreiseangebote für Personen und Personengruppen mit hohen Sicherheitsstandards durchführt. Darüber hinaus haben die Antragsteller ein Kooperationsprojekt mit der Universität …, Israel, vereinbart. In dessen Rahmen soll eine Musikbibliothek über die Musik des Holocaust und des jüdischen Ghettos auf dem Grundstück der Antragsteller entstehen. Dazu ist eine wissenschaftliche Außenstelle der Universität im Schloss W… auf dem Grundstück Fl.-Nr. bb geplant.
Auf dem Grundstück Fl.-Nr. bb befindet sich nahe der Grenze zum Grundstück Fl.-Nr. aaa/2 ein im Jahr 2012 genehmigtes Werkstatt- und Seminargebäude. Nach dessen mitgenehmigter Betriebsbeschreibung und den im Baugenehmigungsbescheid festgelegten Auflagen werden dort wenig lärmintensive Arbeiten ausgeführt, ist keine Nachtarbeitszeit gegeben und es finden keine Arbeiten im Freien statt. Bei lärmintensiven Arbeiten sind die Fenster geschlossen zu halten.
Die Beigeladenen sind Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. aaa/2 der Gemarkung W… Mit Bauantrag vom 01.06.2018 beantragten sie die streitgegenständliche Baugenehmigung. Das Bauvorhaben befindet sich, wie auch das Werkstatt- und Seminargebäude der Antragsteller, im Geltungsbereich der Satzung der Gemeinde S… über die Festlegung der Grenzen des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles W… vom 30.10.1978. Nach der Umgebungsbebauung des Bauvorhabens liegt dieses in einem faktischen Mischgebiet. Am 25.07.2018 erteilte die Gemeinde ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten an den Antragsgegner vom 01.10.2018 machten die Antragsteller Einwendungen gegen das streitgegenständliche Bauvorhaben geltend. Mit Schreiben vom 06.11.2018 an den Bevollmächtigten der Antragsteller teilte der Antragsgegner mit, die vorgetragenen Belange könnten dem Bauvorhaben nicht entgegengehalten werden und es bestünde ein Anspruch der Bauherren auf Baugenehmigung. Mit Stellungnahme vom 03.01.2019 (Bl. 83 der Bauakte) teilte die Untere Immissionsschutzbehörde mit, dass für das Bauvorhaben von dem Werkstatt- und Seminargebäude keine gemäß TA Lärm für ein Mischgebiet unzulässigen Lärmimmissionen zu erwarten seien, soweit, wie von der Genehmigung des Werkstattgebäudes gefordert, bei lärmintensiven Arbeiten die Fenster geschlossen sind. Darüber hinaus sei nach der Betriebsbeschreibung davon auszugehen, dass nur ein relativ geringer Betriebsumfang mit in der Regel meist weniger lärmintensiven Tätigkeiten vorliegen dürfe.
Mit Bescheid vom 02.04.2019, Az. …, erteilte der Antragsgegner die streitgegenständliche Baugenehmigung und wies damit von den Antragstellern erhobene Einwendungen bezüglich sicherheitsrechtlicher Belange und immissionsschutzrechtlicher Bedenken als unbegründet zurück. Das genehmigte Bauvorhaben besteht aus einem Wohnhaus und einer Doppelgarage. Die Garage steht mit ihrer südwestlichen Wand an der Grundstücksgrenze des Grundstücks Fl.-Nr. aaa/2 zum Grundstück Fl.-Nr. bb. Diese Wand hat laut Plan eine Länge von ca. 7,27 m. Die Breite der Garage beträgt 6 m, die Höhe unter 3 m. Die im Plan eingezeichneten Abstandsflächen des Wohnhauses (Bl. 2 der Bauakte) liegen innerhalb des Grundstücks Fl.-Nr. aaa/2. Die Baugenehmigung wurde dem Bevollmächtigten der Antragsteller gegen Empfangsbekenntnis zugestellt am 08.04.2019. Laut Baubeginnsanzeige wurde am 02.07.2019 mit dem Bau begonnen. Mit Schreiben vom 09.07.2019 erklärten die Beigeladenen gegenüber dem Antragsgegner, dass sie die genehmigte Garage erst nach Beendigung des Gerichtsverfahrens mit dem Aktenzeichen B S 19.617 errichten würden. Mit weiterem Schreiben vom 16.07.2019 erklärten die Beigelanden gegenüber dem Antragsgegner, dass sie die genehmigte Garage erst nach Beendigung der Gerichtsverfahren mit den Aktenzeichen B 2 S 19.617 und B 2 K 19.408 errichten würden. Für den Fall, dass die Garage nicht wie geplant errichtet werden dürfe, läge ein Alternativvorschlag zur Lage einer Garage vor, der ein Verschieben des Wohnhauses nicht erforderlich mache.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 06.05.2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 07.05.2019, ließen die Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 02.04.2019 mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben, erheben. Das Klageverfahren ist unter dem Aktenzeichen B 2 K 19.408 anhängig. Mit weiterem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 05.07.2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht am selben Tag, ließen die Antragsteller beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der von den Antragstellern am 06.05.2019 gegen die, den Beigeladenen am 02.04.2019 erteilte, Baugenehmigung erhobene Anfechtungsklage wird angeordnet.
Mit Klage und Antrag verfolgen die Antragsteller ihre bereits im Baugenehmigungsverfahren gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen weiter. Zur Begründung von Klage und Antrag lassen die Antragsteller mit Schriftsätzen vom 05.07.2019, 06.07.2019, 11.07.2019 und 12.07.2019 vortragen, bezüglich der vom Antragsteller zu 2) durchgeführten Kulturreisen müsse dieser den internationalen Sicherheitsstandard „SecurityPPL-3“ einhalten. Dazu wird als Anlage K4 eine als Scann gekennzeichnete englischsprachige Bescheinigung ohne Briefkopf und Datum mit dem Titel „Confirmation Security Level“ und der Unterschrift eines „International Security Consultant“ mit Ortsangabe „Marbella, Spain“ vorgelegt, nach der das Kulturschloss W…, das sich auf dem Grundstück Fl.-Nr. bb der Gemarkung W… befindet, die internationale Sicherheitsstufe PPL-3 einhalte. Diese Sicherheitseinstufung sei eine Voraussetzung für das Kooperationsprojekt mit der Universität … gewesen. Eine Grenzbebauung sei unzulässig, da das Gelände der Antragsteller wie jede andere israelische Kultureinrichtung in Deutschland umfassend geschützt werden müsse. Der Standort des Werkstatt- und Seminarbaus sei gewählt worden, um die Lärmbelästigung der Nachbargrundstücke und der dortigen Bestandsbebauung zu minimieren und um das Schloss W… als Baudenkmal zu schützen. Das streitgegenständliche Vorhaben verstoße gegen § 34 BauGB, den Bestandsschutz und das Rücksichtnahmegebot gegenüber den berechtigten Interessen der Antragsteller. Die Sicherheitsbelange der Antragsteller gegenüber der an ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb heranrückenden Wohnbebauung seien vom Antragsgegner nicht oder nicht im erforderlichen Maße abgewogen worden. Das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt, da die heranrückende Bebauung, insbesondere die Grenzgarage, zur faktischen Einstellung des Gewerbebetriebs der Antragsteller führe. Dies begründe im Vergleich mit der sonst eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme begründenden Verschlechterung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Betriebs erst recht eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Denn durch die geplante Grenzgarage seien die Antragsteller in ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen, da sie die Sicherheitseinstufung „SecurityPPL-3“ verlieren würden. Denn die Grenzgarage erleichtere es möglichen Gefährdern, direkt Einsicht in geschützte Bereiche auf dem Grundstück der Antragsteller zu nehmen und unbemerkt auf das Grundstück zu gelangen, indem z. B. ein Pickup-Fahrzeug rückwärts an die Garage heranfahre und Personen von dort auf das Dach der Garage und dann von dort über den Zaun ins Grundstück der Antragsteller eindringen könnten. Durch dieses Sicherheitsleck und den Verlust der Sicherheitseinstufung seien die Kulturreisen wie auch das Kooperationsprojekt mit der Universität … gefährdet. Außerdem müssten künftig weitere Sicherheits- und Schutzmaßnahmen eingerichtet werden, da das Grundstück Fl.-Nr. bb eine Sicherheitseinstufung wie eine Synagoge erhalten werde. Den Antragstellern entstehe ein wirtschaftlicher Schaden, da Investitionen der vergangenen Jahre in Höhe von mehr als 800.000 € nutzlos würden. Das Sicherheitsinteresse der Antragsteller könne durch eine Modifikation des Bauvorhabens auf dem Grundstück Fl.-Nr. aaa/2 leicht gewahrt werden, indem die Garage statt am geplanten Standort im nordöstlichen Teil des Grundstücks Fl.-Nr. aaa/2 auf der dort vorhandenen Gartenfläche an der Grenze zum Grundstück Fl.-Nr. aaa der Gemarkung W… gebaut wird. Dies biete sich an, da auf dem Grundstück Fl.-Nr. aaa bereits eine Grenzgarage bestehe. Weiterhin sei es erforderlich, dass entlang der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Fl.-Nr. aaa/2 und Fl.-Nr. bb ein mindestens 3,40 m hoher Sicht- und Sicherheitsschutzzaun errichtet werden dürfe, um die Privatsphäre und Sicherheit sowohl der Familien krebskranker Kinder als auch der Kulturreisenden sowie der Mitarbeiter des Forschungs- und Bildungsinstituts zu gewährleisten. Ein früher vorhandener Sichtschutz durch Bäume und Sträucher sei durch die Baufeldfreimachung weggefallen. Es bestünden darüber hinaus immissionsschutzrechtliche Bedenken, da der Betrieb der Antragsteller darauf ausgerichtet sei, an Wochenenden Seminare mit krebskranken Kindern am Samstag und Sonntag von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr, zum Teil auch bis 22:00 Uhr, durchzuführen. Es entstünden bei den Seminaren neben Kinderlärm laute Geräusche durch den im Rahmen des Seminars durchgeführten Instrumentenbau. Der Lärmpegel der sonst üblichen Sonntagsruhe werde dadurch überschritten.
Die Eilbedürftigkeit für die Antragsteller entfalle nicht dadurch, dass die Beigeladenen auf die Errichtung der Garage bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO verzichten, da eine Verschiebung des Hauses erforderlich sei, wenn die Garage an der Grenze zum Grundstück Fl.-Nr. aaa errichtet werde.
Mit Schriftsatz vom 10.07.2019 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt der Antragsgegner mit Schriftsätzen vom 10.07.2019 und 16.07.2019 aus, eine mögliche Verlegung der Grenzgarage sei den Antragstellern bereits durch die Beigeladenen angeboten worden. Diese hätten bereits im Dezember 2018 eine entsprechende Planung erstellen lassen. Den Beigeladenen sei die Unterschrift der Nachbarn nicht erteilt worden. Seitens der Antragsteller sei gegenüber den Beigeladenen vielmehr die Eintragung einer Grunddienstbarkeit hinsichtlich von Veranstaltungen im Schloss W…sowie für die Errichtung eines Sichtschutzzaunes entlang der Grenze zum Schloss in Höhe von 3,5 m gefordert worden. Eine Verlegung der Garage habe zwar nach dem vorgerichtlichen Einigungsversuch auch eine Verschiebung des Wohnhauses zur Folge gehabt, die notwendigen Stellplätze könnten aber auch ohne eine Verschiebung des Baukörpers des Wohnhauses errichtet werden. Deshalb bestehe kein Bedürfnis der Antragsteller auf Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Die Baugenehmigung sei den Beigeladenen nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO zu erteilen gewesen, da dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen seien. Eine Abwägungsentscheidung, wie der Bevollmächtigte der Antragsteller unterstelle, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Bei den sicherheitsrechtlichen Bedenken der Antragsteller handle es sich um keine öffentlich-rechtlichen Belange, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen seien, sondern um privatrechtliche Belange. Die Baugenehmigung sei nach Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter ergangen. Bezüglich der immissionsschutzrechtlichen Bedenken der Antragsteller wegen der herannahenden Wohnbebauung sei das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht verletzt. Denn das im Jahr 2012 genehmigte Werkstattgebäude sei in dem faktischen Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO unter der Voraussetzung genehmigt worden, dass es die Wohnnutzung in diesem Gebiet nicht wesentlich stört. Bezüglich des streitgegenständlichen Vorhabens seien Immissionen lediglich am Wohnhaus zu beurteilen. Aufgrund der Genehmigung des Werkstatt- und Seminargebäudes und der diesbezüglichen Auflagen könne an dem heranrückenden Wohnhaus mit keinen gemäß TA Lärm für ein Mischgebiet unzulässigen Lärmimmissionen gerechnet werden. Eine Einschränkung der bestandsgeschützten Nutzung sei daher nicht zu befürchten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
1. Der Antrag des Antragstellers zu 3) ist bereits unzulässig, da diesem Antrag nach § 90 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i. V. m. § 173 VwGO, § 261 Abs. 3 Nr. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO – die Rechtshängigkeit des Antrags des Antragstellers zu 2) entgegensteht. Denn bei dem Antragsteller zu 2) und zu 3) handelt es sich um dieselbe Person. Denn bei dem in der Antragsschrift vom 05.07.2019 als Fa. … bezeichneten Antragsteller zu 2) handelt es sich um ein Einzelunternehmen, dessen Inhaber der Antragsteller zu 3) ist. Unabhängig davon, ob eine Firma im Sinne von § 17 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs – HGB – gegeben ist oder nicht, ist ein Einzelunternehmen nicht unabhängig von seinem Inhaber rechtsfähig; Partei eines Rechtsstreits ist also der Einzelunternehmer als natürliche Person (vgl. § 61 Nr. 1 VwGO).
Die übrigen Anträge sind zulässig. Das Rechtschutzbedürfnis der Antragsteller ist vorliegend in Bezug auf den Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO nicht durch die Erklärung der Beigeladenen, sie würden die genehmigte Garage erst nach Beendigung der Gerichtsverfahren gegen die Baugenehmigung (Eilverfahren und Klageverfahren) errichten, entfallen. Denn die Antragsteller machen gegen das Bauvorhaben nicht lediglich Einwendungen geltend die sich auf die Garage beziehen, sondern bringen auch Einwendungen gegen das Wohngebäude vor, indem sie sich auf den Schutz des genehmigten Werkstatt- und Seminargebäudes vor heranrückender Wohnbebauung berufen.
Die Anträge haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 212a Abs. 1 des Baugesetzbuchs – BauGB – hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Dem Dritten steht aber die Möglichkeit offen, sich nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO an das Gericht zu wenden und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zu beantragen. Bei der zur Entscheidung über diesen Antrag vorzunehmenden Interessenabwägung hat das Gericht insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen.
Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Genehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann.
Nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dürfte das mit streitgegenständlichem Bescheid genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen gegen keine zu Gunsten der Antragsteller drittschützende Vorschrift verstoßen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Da es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 der Bayerischen Bauordnung – BayBO – handelt, wurde von der Bauaufsichtsbehörde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt.
Das Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Normen, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfen sind.
Das Bauvorhaben ist bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 der BaunutzungsverordnungBauNVO – und § 12 Abs. 1 BauNVO zulässig.
Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil (§ 34 Abs. 1 BauGB) ist vorliegend aufgrund von § 1 der Satzung der Gemeinde S… über die Festlegung der Grenzen des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles W… vom 30.10.1978 gegeben, da das Vorhaben in dem Bereich liegt, den die Satzung nach § 34 Abs. 2 BauGB a. F., jetzt § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB, als im Zusammenhang bebauten Ortsteil festsetzt. Bezüglich der Art der baulichen Nutzung sind das Wohnhaus und die Garage nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 und § 12 Abs. 1 BauNVO zulässig, da die nähere Umgebung des Bauvorhabens einem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) entspricht. Die von den Antragstellern vorgetragenen besonderen Sicherheitsanforderungen bezüglich ihres Grundstücks mit der Fl.-Nr. bb stehen dem Bauvorhaben nicht entgegen. Diese sind von den Antragstellern vielmehr auf dem eigenen Grundstück zu lösen. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Rechtsgedanken zur Grenzbebauung, wonach jeder Grundstückseigentümer selbst dafür Sorge tragen muss, dass seine Belage bezüglich Belichtung, Belüftung und Besonnung gewahrt sind. Entsprechend müssen die Antragsteller ihre Sicherheitsbelange durch Maßnahmen auf dem eigenen Grundstück lösen und können diesbezüglich nicht in der Weise das Grundstück der Beigeladenen in Anspruch nehmen, dass diese in ihrem Baurecht eingeschränkt werden.
Bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, fügt sich das Vorhaben nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung gem. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, ohne dass diesbezüglich eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes gegeben ist. Ein solches Einfügen ist gegeben, wenn sich ein Vorhaben innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen (BVerwG, U. v. 08.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17, BVerwG, U. v. 26.05.1978 – IV C 9.77 – juris Rn. 46). Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen (BVerwG, U. v. 08.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17). Nachdem nicht vorgetragen wurde, dass das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben solche Maße in Bezug zu seiner näheren oder unmittelbaren Umgebung (dem Werkstatt- und Seminargebäude auf Fl.-Nr. bb) überschreitet, und nachdem eine Überschreitung solcher Maße sich auch nicht aus den Genehmigungsunterlagen zum Bauvorhaben, beispielsweise aus dem Liegenschaftskataster mit eingezeichnetem Bauvorhaben (Bl. 3 der Bauakte), ergibt, fügt sich das Bauvorhaben bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung nach summarischer Prüfung in die nähere Umgebung ein und lässt auch die gebotene Rücksichtnahme auf die Bebauung der unmittelbaren Umgebung nicht fehlen. Auf die von den Antragstellern dargelegten Sicherheitsbedenken bezüglich der Grenzgarage kommt es insoweit nicht an.
Das Vorhaben ist auch nicht im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig. Denn das Vorhaben ist nach summarischer Prüfung keinen unzumutbaren Belästigungen oder Störungen ausgesetzt. Denn das Werkstatt- und Seminargebäude auf dem Grundstück Fl.-Nr. bb wurde in dem faktischen Mischgebiet nach § 6 Abs. 1, 2 Nr. 4 BauNVO als sonstiger Gewerbebetrieb, der das Wohnen nicht wesentlich stört, genehmigt. Dort werden wenig lärmintensive Arbeiten ausgeführt, es sind keine Nachtarbeitszeiten gegeben und es finden keine Arbeiten im Freien statt. Bei lärmintensiven Arbeiten sind die Fenster geschlossen zu halten. Hiernach und auch auf Grundlage der Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 03.01.2019 ist mit keinen Lärmimmissionen zu rechnen, die den Grenzwert für ein Mischgebiet am geplanten Wohnhaus von tags 60 dB(A), also bis 22 Uhr, nach Nrn. 6.1 und 6.4 der nach § 48 des Bundesimmissionsschutzgesetzes – BImSchG – erlassenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm überschreiten.
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen das auch dem Schutz der Nachbarn dienende Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO).
Die streitgegenständliche Garage darf nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO mit ihrer südwestlichen Wand an der Grundstücksgrenze des Grundstücks Fl.-Nr. aaa/2 zum Grundstück Fl.-Nr. bb errichtet werden, da es sich um eine Garage ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe von unter 3 m und einer Gesamtlänge an der von der Garage aus gesehen südwestlichen Grundstücksgrenze von ca. 7,27 m, also unter 9 m, handelt. Diesbezüglich hatte eine Abwägung durch den Antragsgegner unter Einstellung der Sicherheitsbedenken der Antragsteller nicht zu erfolgen. Denn es handelt sich bei der Genehmigung der Grenzgarage nicht um die Zulassung einer Abweichung von den gesetzlichen Regelungen des Abstandsflächenrechts nach Art. 63 Abs. 1 BayBO, sondern um eine gesetzlich vorgesehene Grenzbebauung.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 159 VwGO und bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, da sie keinen Antrag gestellt und damit selbst gemäß § 154 Abs. 3 VwGO kein Kostenrisiko übernommen haben.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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