Baurecht

Baugenehmigung, Werbeanlage, Werbung, Bescheid, Gemeinde, Beseitigungsanordnung, Zwangsgeld, Ermessen, Genehmigungspflicht, Widerspruch, Genehmigung, Normenkontrolle, Satzung, Popularklage, Kosten des Verfahrens, gemeinsame Anlage, konkrete Ausgestaltung

Aktenzeichen  RN 6 K 20.1379

Datum:
15.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49481
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung sind daher die seit Errichtung der Anlage fortdauernde formelle und wegen der Eingriffsintensität auch die materielle Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens (Simon/Busse/Decker, BayBO, 136. EL Januar 2020, Art. 76, Rn. 134 – beck-online). Ob und wann die Bauaufsichtsbehörde eine Beseitigungsanordnung erlässt, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Simon/Busse/Decker, BayBO, 136. EL Januar 2020, Art. 76, Rn. 204 – beck-online).
Der streitgegenständlichen Nasenschilder sind sowohl formell als auch materiell illegal. Auch das behördliche Ermessen wurde pflichtgemäß ausgeübt.
1. Die Errichtung der Nasenschilder war formell rechtswidrig.
Der bestehende Komplex aus 3 Nasenschildern hätte einer Baugenehmigung bedurft, die – zumindest für den nach Entfernung der alten Schilder des Weinhandels nunmehr bestehenden neuen Anlagenkomplex – nach der Aktenlage nicht vorliegt. Dabei kann dahinstehen, ob die diskutierte Verfahrensfreiheit gem. Art. 57 Nr. 12 a) BayBO wegen Unterschreitung einer Ansichtsflächengröße von 1 m² tatsächlich gegeben ist, denn jedenfalls besteht eine Genehmigungsbedürftigkeit aufgrund der Bestimmung des § 2 Abs. 2 der „Satzung über die Errichtung, Aufstellung, Anbringung und Änderung von Anlagen zur Außenwerbung und von Werbung (Werbeanlagensatzung)“ der Beklagten i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. Dezember 2007 (Amtsblatt Nr. 27/2007), zuletzt geändert durch Satzung vom 9. September 2013 (Amtsblatt Nr. 25/2013 vom 25. September 2013). Gemäß Art. 91 Abs. 2 Nr. 1 BayBO in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 4.8.1997 (GVBl S. 433) können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass in besonders schutzwürdigen Gebieten für die Errichtung, Anbringungsaufstellung, Änderung und den Betrieb von Werbeanlagen über die Vorschrift des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11, Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 a.F. hinaus eine Genehmigungspflicht eingeführt wird. Durch § 2 Abs. 2 der Werbeanlagensatzung wurde von dieser Ermächtigung insofern Gebrauch gemacht, als darin festgelegt wurde, dass die Errichtung, Anbringung und Änderung von Werbeanlagen ab einer Größe von 0,25 m² im räumlichen Geltungsbereich der Satzung einer Genehmigung bedürfen. Da die Anlage, die am im Eigentum des Klägers stehenden Gebäude in der …gasse … im Stadtgebiet der Beklagten angebracht ist, sich somit innerhalb des in § 1 Abs. 1 a) der Werbeanlagensatzung festgesetzten räumlichen Geltungsbereich (Ensemble gemäß Denkmalschutzgesetz, zu dem die …gasse zählt) befindet, ist die Genehmigungspflicht für jene also gegeben.
Die Werbeanlagensatzung ist als solche auch nicht zu beanstanden.
Eine Werbeanlagensatzung ist eine Norm, deren Gültigkeit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 2 AGVwGO nur bei einem Antrag einer Behörde und bei grundsätzlicher Bedeutung prüft. Als Rechtsvorschrift des Bayerischen Landesrechts kann sie sowohl insgesamt als auch wegen einzelner Satzungsbestimmungen zudem Gegenstand einer Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG sein (vgl. BayVerfGH, Entsch.v. 23.1.2012 – Vf. 18-VII-09, m.w.N.). Bei einer Klage gegen eine die Werbeanlage betreffende Beseitigungsanordnung kann das Verwaltungsgericht aber im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle die Wirksamkeit einer entscheidungserheblichen Bestimmung prüfen, wobei es nicht „ungefragt“ in die Prüfung einzelner Regelungen eintritt (BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 CN 3.97 – NVwZ 1999, 986). Die Überprüfung der Werbeanlagensatzung beschränkt sich auf allgemeine Grundsätze des Erlasses einer Satzung und hier speziell auf die in Rede stehenden, den Anlagenkomplex am Haus des Klägers betreffenden Verbote (konkret § 3 Nrn. 6 und 17 der Werbeanlagensatzung – wie unter weiter aufzuzeigen sein wird). Allgemein setzen Beschränkungen, wie vorliegend die Einschränkungen in Bezug auf die Anbringungshöhe und die konkrete Ausgestaltung und Beleuchtung der Anlagen, aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips voraus, dass die jeweilige Regelung erforderlich sein muss. Gründe der bauordnungsrechtlichen Ortsbildgestaltung müssen ein entsprechendes Verbot erfordern. Die Satzungsbefugnis der Gemeinde ist dadurch begrenzt, dass die örtliche Bauvorschrift der Verwirklichung bestimmter baugestalterischer Absichten dienen muss, mithin in erster Linie optisch-ästhetische Aspekte die gestalterischen Festsetzungen tragen müssen. Einschränken kann eine Gemeinde die im Übrigen legale Werbung dann, wenn ortsgestalterische Gesichtspunkte die Interessen der Grundstückseigentümer bzw. der Werbung betreibenden Firmen überwiegen. Hierüber muss für ein jeweils homogenes Baugebiet nachvollziehbar entschieden werden. In diesem Zusammenhang ergibt sich schon aus der Präambel zur Werbeanlagensatzung, dass durch die Satzungsregelungen bestimmte, umgrenzte Bereiche des Stadtbereichs der Beklagten, unter anderem der hier betroffene Bereich des Ensembles Altstadt vor störenden Einwirkungen durch zu viele und aufdringliche Werbeanlagen bewahrt werden solle. Werbung sei zwar ein wichtiger Teil des Stadtbildes, es dürfe allerdings kein Übermaß von Werbung bestehen und einzelne, zu große Werbeanlagen dürften das Stadtbild und die Flussufer nicht beeinträchtigen. Werbeanlagen dürften nicht durch Größe, Gestaltung, Farbwirkung und Häufung und im Widerspruch zu den architektonischen, kunsthistorischen, städtebaulichen und landschaftlichen Besonderheiten der Beklagten stehen. Insofern ist zu erkennen, dass Anlass des Satzungserlasses ortsgestalterische Beweggründe optisch-ästhetischer Art im oben dargestellten Sinne waren, welche im konkreten Fall höher gewichtet wurden als die Interessen der jeweiligen Grundstückseigentümer bzw. Werbetreibenden. Es bestehen daher nach Auffassung des Gerichts keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Werbeanlagensatzung im hier betroffenen Bereich des Ensembles.
Ginge man von der Verfahrensfreiheit aufgrund der Bestimmung des Art. 57 Nr. 12 a) BayBO aus, so ist insoweit allerdings anerkannt (BayVGH, B.v. 20.1.2003 – 20 ZB 99.3616 – BeckRS 2003, 31331), dass bei verfahrensfreien Vorhaben die Befugnis zur Beseitigung dann besteht, wenn sie dem materiellen Recht (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO), sei es Bauordnungs- oder Bauplanungsrecht oder sonstiges von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfendes Recht, widersprechen (Simon/Busse/Decker, BayBO, 136. EL Januar 2020, BayBO, Art. 76, Rn. 89). Der Verstoß gegen materiell-rechtliche Vorschriften genügt hier somit für den von Art. 76 Satz 1 BayBO geforderten Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
Da die erforderliche Genehmigung für den Komplex aus Nasenschildern, die diesen in der tatsächlich errichteten Form legalisieren würde und einer Beseitigungsanordnung entgegenstünde, nicht vorliegt, ist dieser formell rechtswidrig.
2. Auch die materielle Rechtswidrigkeit der Nasenschilder hat die Stadt P. zu Recht angenommen.
Es liegt ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 3 Nr. 6 sowie § 3 Nr. 17 der Werbeanlagensatzung, deren räumlichem Geltungsbereich das Gebäude, an dem die Schilder angebracht sind, unterfällt, vor.
Nach § 3 Nr. 6 der Werbeanlagensatzung dürfen im Ensemblebereich gem. § 1 Abs. 1 a) der Werbeanlagensatzung keine der entsprechenden Anlagen oberhalb der Brüstung des ersten Obergeschosses angebracht sein. Die drei verbliebenen Nasenschilder befinden sich jedoch oberhalb der Brüstung des ersten Obergeschosses des Gebäudes in der …gasse … und verstoßen insofern gegen die genannte Vorschrift.
Nach § 3 Nr. 17 Satz 1 der Werbeanlagensatzung sind ganz speziell Nasenschilder – wie die hier streitgegenständlichen – grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es handelt sich um „kunsthandwerklich und architektonisch gut ausgestaltete Ausleger“. Ob es sich bei den vorliegenden Nasenschildern am Gebäude des Klägers um solche der vorstehend genannten Art handelt, kann hierbei dahinstehen, da nach § 3 Nr. 17 Satz 2 der Werbeanlagensatzung auch in diesem Falle der „Buchstabenkasten insgesamt nicht leuchten darf“, sondern nur „durchgesteckte hinterleuchtete Schrift“ haben darf. Bei den Nasenschildern am Gebäude des Klägers handelt es sich jedoch um Leuchtkästen, welche bei Anbruch der Dunkelheit dezent zu leuchten beginnen (vgl. die Anlage zum Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 13. Mai 2020, insbesondere die Abbildung auf Seite 11 der Behördenakte – „Leuchtkästen“). Jedenfalls insofern ist ein Verstoß auch gegen § 3 Nr. 17 der Werbeanlagensatzung gegeben.
3. Es besteht auch keine Möglichkeit, auf andere Weise als durch die angeordnete Beseitigung rechtmäßige Zustände zu schaffen. Die genannten Verstöße des Schilderkomplexes gegen Vorschriften der Werbeanlagensatzung können auch nicht im Wege einer Ausnahmegenehmigung gem. § 5 Abs. 1 der Werbeanlagensatzung i.V.m. Art. 63 BayBO legalisiert werden.
Gem. § 5 Abs. 1 der Werbeanlagensatzung können von deren Vorschriften Abweichungen nach Art. 63 BayBO gewährt werden. Gem. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO können unter anderem von aufgrund der BayBO erlassenen Vorschriften Ausnahmen zugelassen werden. Dabei müssen die Voraussetzungen gemäß dieser Vorschrift unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 BayBO vereinbar sein. Dabei muss im Rahmen der Abweichung unter anderem den – durch Auslegung zu ermittelnden – Zielen der jeweiligen Norm, von der abgewichen werden soll, so weit wie möglich Rechnung getragen und dabei überprüft werden, ob die konkreten Ziele durch die von der Vorschrift abweichende Ausführung ebenso gut oder besser erreicht werden oder ob hierdurch die Ziele letzten Endes verfehlt werden (vgl. BeckOK BauordnungsR Bayern/Weinmann, 18. Ed. 1.4.2021, BayBO Art. 63 Rn. 20). Bei Verfehlung der Normziele ist eine Abweichung lediglich dann vertretbar, wenn die Einhaltung der Norm aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist, was wiederum dann der Fall ist, wenn das Vorhaben einen atypischen Fall darstellt, mithin einen von der Regelsituation abweichenden Fall, in dem ein Abweichen von den jeweiligen Regelungen und ein Unterschreiten von deren Standards gerechtfertigt erscheint (vgl. BeckOK BauordnungsR Bayern/Weinmann, 18. Ed. 1.4.2021, BayBO Art. 63 Rn. 22; BayVGH, U.v. 15.12.2008 – juris Rn. 39).
Im vorliegenden Fall lässt sich insbesondere bei Heranziehung der Präambel der Werbeanlagensatzung feststellen, dass die Zielsetzung der Normen der Satzung – und damit auch der Nrn. 6 und 17 des § 3 – insbesondere darin besteht, das vorhandene Stadtbild zu schützen. Insbesondere solle der unter Denkmalschutz stehende Ensemblebereich, in dem sich auch das Gebäude des Klägers, an dem die Nasenschilder angebracht sind, befindet, vor störenden Einwirkungen durch zu viele und aufdringliche Werbeanlagen bewahrt werden. Werbung, die ein wichtiger Teil der Fassadengestaltung sei, müsse sich dennoch der Architektur sowie dem Stadt- und Landschaftsbild unterordnen. Dabei solle speziell kein Übermaß von Werbung oder einzelne, zu große Werbeanlagen das Stadtbild beeinträchtigen. Werbeanlagen dürften nicht durch Größe, Gestaltung, Farbwirkung und Häufung im Widerspruch zu den architektonischen, kunsthistorischen, städtebaulichen und landschaftlichen Besonderheiten der Beklagten stehen. Im konkreten Fall der Nasenschilder am Gebäude des Klägers lässt sich feststellen, dass diese – auch nach der zwischenzeitlichen Entfernung des untersten, vierten Schildes – in ihrer Gesamtheit einen durchaus beträchtlichen Umfang haben und verglichen mit manchen, auf den von der Klägerseite vorgelegten Lichtbildern zu sehenden Einzelschildern auch wuchtig wirken. Da, wie dargelegt, ein Ziel der Satzung gerade darin besteht, die Errichtung zu massiv wirkender Werbeanlagen zu unterbinden und durch die erläuterten Normverstöße der zu hohen Anbringung (§ 3 Nr. 6) sowie (vor allem) der Beleuchtung (§ 3 Nr. 17) die Wirkung der Größe der Anlage stärker zum Tragen kommt, ist festzuhalten, dass dieses Satzungsziel durch die genannten Normverstöße verfehlt wird. Die daher insofern nach dem oben Gesagten notwendige Atypik ist nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall nicht gegeben, da hier nicht anzunehmen ist, dass sich die gegebene Situation des streitgegenständlichen Gebäudes in der … straße derart vom Regelfall unterscheidet, dass ein Abweichen von Vorschriften gerechtfertigt erschiene. Dies gilt auch bei Betrachtung der von der Klägerseite angesprochenen, beengten Straßenverhältnisse. Selbst wenn man diese als Beweggrund für eine höher liegende Anbringung von Schildern berücksichtigt, so rechtfertigt es diese Gegebenheit aus Sicht des Gerichts zumindest nicht, dass durch die Anbringung eines vergleichsweise massiv wirkenden Komplexes aus drei übereinander liegenden, zudem beleuchteten Nasenschildern, wie er hier vorliegt, in verhältnismäßig starker Form von den Zielen der Satzung abgewichen wird. Es ist festzustellen, dass es im Falle der Anlage an städtebaulicher und ortsgestalterischer Vertretbarkeit mangelt.
Eine Legalisierung der Schilder durch Erteilung einer Abweichung nach § 5 Abs. 1 der Werbeanlagensatzung i.V.m. Art. 63 BayBO scheidet demzufolge aus.
4. Die Ermessensentscheidung der Beklagten, die Beseitigung der Schilder anzuordnen, begegnet ebenso keinen Bedenken.
Gerichtlich kann nach § 114 Satz 1 VwGO nur überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Hiervon ausgehend hat die Behörde das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Ebenso ist – auch unter Berücksichtigung der von der Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbilder, die andere Werbeschilder im P.er Ensemblebereich zeigen – nicht von einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass zumindest einige der auf den Lichtbildern zu sehenden Werbeanlagen schon nicht als mit den streitgegenständlichen Nasenschildern vergleichbar erscheinen, da sie im Gegensatz zu den klägerischen Schildern keine Beleuchtung aufweisen. Darüber hinaus ist jedenfalls der Grundsatz, dass die Behörde ihr Ermessen nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausüben darf (vgl. BVerwG, U.v. 24.7.2014 – 4 B 34/14 – juris Rn. 4), im vorliegenden Fall durch die Beklagte nicht verletzt worden. Der Gleichheitsgrundsatz verpflichtet die Behörde grundsätzlich nicht, in einem Bereich, in dem sie baurechtswidrige Zustände beobachtet hat, schlagartig gegen alle Schwarzbauten vorzugehen, unter anderem da die Behörde dazu in personeller wie auch sachlicher Hinsicht regelmäßig schon nicht in der Lage wäre. Sie darf sich vielmehr auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe hat (vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2017 – 2 B 17.1742 – juris Rn. 26). Insofern hat die Beklagte jedenfalls bei einer Gesamtbetrachtung ihrer Ausführungen sowohl im Bescheid als auch – ergänzend – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in angemessenem und ausreichendem Maße dargelegt, weshalb gerade im Falle des Klägers eine Beseitigungsanordnung angeordnet wurde.
Zwar sind nachträgliche Ermessenerwägungen zur Rechtfertigung des ursprünglichen Verwaltungsaktes nur in engen Grenzen möglich und dürfen nicht die Grenze zur Wesensänderung überschreiten (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 45 Rn. 51). Jedoch ist ein Nachschieben von Gründen dann möglich, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46/12 – juris, Rn. 32). Die nachgeschobenen Erwägungen dürfen lediglich als Präzisierung des tragenden Gedankens der ursprünglichen Rechtfertigung zu begreifen sein (BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris, Rn. 36; NK-VwGO/Heinrich Amadeus Wolff, 5. Aufl. 2018, VwGO § 113 Rn. 78). Die genannten Voraussetzungen sind in diesem Fall erfüllt. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 7. Juli 2020 bereits Ermessenserwägungen angestellt, deren Kerngedanken sie im Rahmen der Ausführungen in der mündlichen Verhandlung weiter untermauert und nicht im Sinne einer Wesensveränderung entstellt hat.
In diesem Zusammenhang hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass aufgrund der Fluktuation bei den Geschäften und Problemen bei der personellen Besetzung ein Einschreiten nicht in allen Fällen, in denen Schilder nicht der Werbeanlagensatzung entsprechen, möglich sei. Die Beseitigung gerade im Falle des Klägers sei vor allem wegen der Tatsache angeordnet worden, dass am Haus des Klägers – anders als bei vielen anderen, auch auf den vorgelegten Lichtbildern zu sehenden, mit Werbeanlagen versehenen Häusern – ein Komplex aus drei übereinanderliegenden Nasenschildern vorhanden ist, der bald wieder durch ein viertes Schild ergänzt werden soll. Unterstrichen wurde die Tatsache, dass als störend insbesondere die Anordnung der drei (bzw. zukünftig potentiell vier) Schilder übereinander empfunden wird, dadurch, dass auch ausgeführt wurde, dass im Rahmen der Verhandlung über einen Kompromiss bei einem Ortstermin jedenfalls angeboten worden sei, dass zwei Schilder nebeneinander angebracht werden könnten – wobei zudem in diesem Fall auch Kompromissbereitschaft hinsichtlich einer höheren Anbringung der Schilder bestünde – und lediglich die Positionierung übereinander nicht zugelassen werden solle. Dieser Kompromiss sei sodann jedoch nicht zustande gekommen. Insofern hat die Beklagte durch die Angabe dieser Motivationslage sachlich begründet, weswegen gerade im Falle des Klägers eine Beseitigungsanordnung erlassen worden ist, was dazu führt, dass deren Ermessensausübung im vorliegenden Fall den oben skizzierten Maßstäben entspricht.
Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheids ist nicht zu beanstanden. Sie wird von der Klägerseite auch nicht explizit angegriffen, weshalb das Gericht diesbezüglich der Begründung des angegriffenen Bescheids folgt und gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht.
Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1, VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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