Baurecht

Baugenehmigung zur Errichtung einer CityStar-Werbeanlage

Aktenzeichen  AN 3 K 16.00283

Datum:
12.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46578
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB §§ 34 I, 35 II, III 1 Nr. 1 und 5

 

Leitsatz

Mit dem in § 35 III 1 Nr. 5 BauGB genannten Schutz der natürlichen Eigenart der Landschaft sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder der Allgemeinheit die Möglichkeit der Erholung entziehen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich um eine besonders reizvolle Landschaft mit besonderer Schutzbedürftigkeit oder gesteigertem Erholungswert handelt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gegenstand vorliegender Klage ist das Begehren der Klägerin, die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … zu erhalten (Hauptantrag) bzw. die Verpflichtung der Beklagten zur Neuverbescheidung des Bauantrags vom 2. Oktober 2015 zu erreichen (Hilfsantrag).
I.
Bezüglich des Hauptantrags ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nicht zu; sie wird durch den Versagungsbescheid vom 21. Januar 2016 nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Dem beantragten Vorhaben stehen planungsrechtliche Gründe entgegen.
Die planungsrechtliche Beurteilung hat wegen der Lage des Baugrundstücks im Außenbereich nach § 35 BauGB zu erfolgen (s. unten 1.). Als sonstiges Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt die streitgegenständliche Werbeanlage öffentliche Belange im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB (s. unten 2.).
1.
Mangels Vorhandenseins eines Bebauungsplans, der das streitgegenständliche Grundstück erfasst, ist die planungsrechtliche Einordnung des Baugrundstücks aufgrund einer durchzuführenden Abgrenzung Innenbereich – Außenbereich vorzunehmen.
a)
Unter dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinn des § 34 BauGB ist jede Bebauung im Gemeindegebiet zu verstehen, die – unabhängig von möglicherweise vorhandenen Baulücken – den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt, nach Anzahl der (für den ständigen Aufenthalt von Menschen dienenden) Gebäuden ein gewisses Gewicht aufweist und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. z. B. BVerwG v. 6.11.1968 – IV C 47.68, BVerwGE 31, 22).
b)
Unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen endet der Bebauungszusammenhang in der Regel hinter dem letzten Gebäude (vgl. BVerwG v. 12.6.1970 – IV C 77.68 – juris; v. 12.10.1973 – IV C 3.72 – juris).
Ausnahmsweise kann eine sich hieran anschließende Fläche noch Teil des Bebauungszusammenhangs sein. Entscheidend ist, ob vorhandene unbebaute Grundstücke einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs bilden, also am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnehmen, wie dies bei Vorliegen topografischer Besonderheiten der Fall sein kann.
Ebenso beurteilt sich nach den konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles, ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellt oder ob ihr trennende Wirkung zwischen Innen- und Außenbereich zukommt.
Eine insoweit anzunehmende „Regelvermutung“ für das Bestehen einer trennenden Wirkung bei ausschließlich oder nahezu einseitig bebauten Straßen mit der sich daraus ergebenden Zuordnung der jenseits dieser Straßen angrenzenden Grundstücke zum planungsrechtlichen Außenbereich lässt sich durch vom Bundesverwaltungsgericht geforderte maßgebliche Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten (BVerwG v. 3.3.1972 – IV C 4.69 – juris) widerlegen.
Für vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles, wie sie sich der Kammer aus den Verfahrensakten und den beim durchgeführten Augenschein gewonnenen Erkenntnissen darstellen, von einer trennenden Wirkung der … im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks auszugehen.
Infolge der Breite und des Ausbauzustandes der vierspurigen … sowie unter Berücksichtigung des dortigen Verkehrsaufkommens und der deutlich ins Auge fallenden völlig unterschiedlichen Nutzungsstruktur der östlich und westlich der … vorhandenen Bebauung, kann wegen der im streitgegenständlichen Bereich der näheren Umgebung des Bauvorhabens nur vereinzelt vorhandenen Bebauung und der – dazu im Gegensatz stehenden – dichten Bebauung mit gewerblicher Nutzung auf der Ostseite von einer verbindenden Wirkung der … nicht ausgegangen werden.
Dieser Eindruck der trennenden Wirkung wird, so die Auffassung der Kammer unter Zugrundelegung der beim Augenschein gewonnenen Erkenntnisse, noch verstärkt durch die auf Höhe des Baugrundstücks auf der östlichen Straßenseite vorhandene und bis zur Brücke im Norden führende Stützmauer mit Sichtschutz, die eine Zäsur zwischen den Bereichen diesseits und jenseits der … darstellt und die trennende Wirkung der Straße dadurch deutlich unterstreicht.
Nachdem in dem durch die Grundstücke FlNrn. … im Süden des Baugrundstücks, der … östlich des Baugrundstücks, der Straße … im Westen und dem Kanal im Norden gebildeten Bereich infolge der dort (nur) vorhandenen drei bebauten Grundstücke (wobei nur solche Bebauung überhaupt in diesem Zusammenhang relevant ist, die dem Aufenthalt für Menschen dient), nicht vom Vorhandensein einer Bebauung mit gewissem Gewicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG v. 6.11.1968, a. a. O.) ausgegangen werden kann, ist das Baugrundstück nicht als innerhalb eines Ortsteils und damit im planungsrechtlichen Innenbereich gelegen, zu beurteilen.
Somit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass das streitgegenständliche Baugrundstück dem planungsrechtlichen Außenbereich zuzurechnen ist.
2.
Mangels Privilegierung der geplanten Werbeanlage, welche nach ständiger Rechtsprechung als eigenständige gewerbliche Hauptnutzung einzuordnen ist (vgl. z. B. BVerwG v. 3.12.1992, 4 C 27.91-juris), handelt es sich vorliegend um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB.
Als solches ist es unzulässig, weil es mit der das Baugrundstück und dessen Umgebung betreffenden Darstellung des Flächennutzungsplans als Grünfläche nicht in Einklang gebracht werden kann (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB), es widerspricht zweifelsohne der Darstellung „Grünfläche“.
Darüber hinaus beeinträchtigt das Bauvorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft.
Dieser in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannte öffentliche Belang hat – neben dem ästhetisch-optischen Schutzzweck – auch den funktionalen Landschaftsschutz zum Gegenstand. Dieser ist vor allem dann beeinträchtigt, wenn ein Vorhaben der naturgemäßen Nutzungsweise der Landschaft widerspricht und deshalb am vorgesehenen Standort wesensfremd ist (vgl. BayVGH v. 21.11.2002 – 14 B 96.305 – juris).
Durch diese Vorschrift soll der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit erhalten werden. Deshalb sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder der Allgemeinheit die Möglichkeit der Erholung entziehen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich um eine besonders reizvolle Landschaft mit besonderer Schutzbedürftigkeit oder gesteigertem Erholungswert handelt (vgl. BayVGH v. 13.10.2000 – 2 B 96.1246 – juris). Selbst das Vorhandensein in der Nähe gelegener Bebauung lässt keine andere Beurteilung zu, denn eine vereinzelte Abweichung beraubt die Landschaft nicht ihrer natürlichen Funktion (vgl. BayVGH v. 21.11.2002 a. a. O.).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die an der südöstlichen Ecke des Baugrundstücks vorhandenen zwei Werbeanlagen im Hinblick auf den öffentlichen Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft schon deshalb unbeachtlich sind, weil es sich bei ihnen aller Voraussicht nach um ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtete Werbeanlagen handelt.
Nach alldem erweist sich das streitgegenständliche Bauvorhaben planungsrechtlich als unzulässig.
Gleiches würde auch gelten, wollte man das Baugrundstück – wie nicht – dem unbeplanten Innenbereich zurechnen. Das Bauvorhaben würde sich in diesem Falle hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, § 34 Abs. 1 BauGB. Zur Konkretisierung des Merkmals „überbaubare Grundstücksfläche“ ist im unbeplanten Innenbereich auf § 23 BauNVO zurückzugreifen (vgl. z. B. BayVGH v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461-juris), wobei für die Bestimmung des Einfügens hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche der maßgebliche Bereich der näheren Umgebung in der Regel enger zu ziehen ist als der für die Ermittlung der zulässigen Art der Nutzung (vgl. BayVGH v. 25.4.2005 a. a. O.). Der demnach relevante Bereich zwischen der Straße „…“ und dem Kanal weist nach der dort vorhandenen Bebauung eine straßenseitige vordere faktische Baugrenze auf. Die streitgegenständliche Werbeanlage würde infolge ihres geplanten Aufstellungsortes außerhalb des überbaubaren Bereichs errichtet werden und sich deshalb nicht einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB.
Die Klage war nach all dem im Hauptantrag abzuweisen.
II.
Auch dem Hilfsantrag ist kein Erfolg beschieden.
Infolge der oben I. festgestellten planungsrechtlichen Unzulässigkeit wegen der angeführten Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB steht der Klägerin kein Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres nicht genehmigungsfähigen Vorhabens zu.
Die Klage war demnach auch im Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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